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Joseph Wirth

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Karl Joseph Wirth (* 6. September 1879 in Freiburg im Breisgau, Großherzogtum Baden; † 3. Januar 1956 ebenda) war ein deutscher Politiker der Zentrumspartei und vom 10. Mai 1921 bis zum 14. November 1922 Reichskanzler der Weimarer Republik.

Kaiserzeit

Joseph Wirth (1906)

1879 wurde Joseph Wirth als Sohn des Werkmeisters Karl Wirth in Freiburg geboren. Seine Eltern ermöglichen ihm und seinen beiden Brüdern eine höhere Schulbildung. Nach der Erlangung der Reifeprüfung begann er sein Studium der Sozialökonomie und der Mathematik an der Universität Freiburg, das er 1906 mit einer mathematischen Doktorarbeit abschloss. 1908 fand er eine Anstellung als Professor am Realgymnasium in seiner Heimatstadt. 1909 war er einer der Gründer des Vinzenzvereins, einer katholischen Organisation zur Hilfe für sozial Benachteiligte. In dieser Zeit trat Wirth der Zentrumspartei bei, für die er ab 1912 in der Stadtverordnetenversammlung saß. Ein Jahr später zog er in den badischen Landtag ein. 1914 wurde er Mitglied des Reichstags. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieg meldete sich der wehrdienstuntaugliche Wirth zum Roten Kreuz, für das er bis 1918 als Krankenpfleger an der Westfront tätig war.

Weimarer Republik

Joseph Wirth begrüßte die Novemberrevolution 1918, obwohl er sich noch ein Jahr zuvor mit der Burgfriedenspolitik des Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg identifiziert hatte. 1918 wurde Wirth badischer Finanzminister, nach der Ermordung Matthias Erzbergers war er von März 1920 bis Oktober 1921 Reichsfinanzminister. 1921 bis 1922 war er Reichskanzler und stand dabei einer Minderheitsregierung aus SPD, DDP und Zentrum vor. Mit 41 Jahren zum Zeitpunkt seiner Ernennung war er der bisher jüngste deutsche Kanzler.

Wirth war Befürworter der so genannten Erfüllungspolitik, mit der er zeigen wollte, dass die Reparationsverpflichtungen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Deutschen Reichs übersteigen würde, um sie so revidieren zu können. Wirth unterzeichnete zusammen mit Walther Rathenau den Vertrag von Rapallo, der einen wirtschaftlichen Ausgleich mit der jungen Sowjetunion begründete und verhinderte, dass die Sowjetunion Reparationsforderungen gegen Deutschland stellte. Heute noch bekannt ist Wirth wegen seiner Reichstagsrede nach der Ermordung Rathenaus, in der er nach rechts zeigte und ausrief:

Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt. - Da steht der Feind - und darüber ist kein Zweifel: dieser Feind steht rechts![1]

1929 bis 1930 war Wirth Reichsminister für die besetzten Gebiete, von 1930 bis 1931 diente er als Reichsinnenminister. Er war auf persönliches Betreiben des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg aus dem Kabinett gedrängt worden, da er dem Reichspräsidenten als zu links galt.

NS-Zeit

Während der Zeit des Nationalsozialismus emigrierte Wirth in die Schweiz.

Bundesrepublik

Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete Wirth gemeinsam mit Wilhelm Elfes den neutralistischen, von der SED initiierten "Bund der Deutschen für Einheit, Frieden und Freiheit" (BdD) und die Deutsche Volkszeitung. Wirth war Gegner der Westintegration. Er erhielt bis zu seinem Tod kleinere Finanzhilfen der DDR, 1954 wurde ihm die DDR-Friedensmedaille verliehen. In der CIA-Akte The background of Joseph Wirth wird eine Tätigkeit als ein sowjetischer Agent behauptet.[2] Die Bundesrepublik verwehrte ihm aufgrund seiner Beziehungen zur DDR eine Rente.

Literatur

  • Georg Herbstritt: Ein Weg der Verständigung?: Die umstrittene Deutschland- und Ostpolitik des Reichskanzlers a.D. Dr. Joseph Wirth in der Zeit des Kalten Krieges (1945/51 - 1955) (=Europäische Hochschulschriften: Reihe 3, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 569), Frankfurt/Main 1993. ISBN 3-631-46332-4.
  • Ulrike Hörster-Philipps: Joseph Wirth: 1879-1956; eine politische Biographie. (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte: Reihe B, Forschungen, Bd. 82) Freiburg 1998. ISBN 3-506-79987-8.

Quellen

  1. Verhandlungen des Reichstags. Stenographische Berichte. I. Wahlperiode 1920. Bd. 356. 236. Sitzung. Berlin 1922, S. 8054 - 8058, zit. nach: http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/wirth/index.html
  2. Ulrich Schlie, Diener vieler Herren. Die verschlungenen Pfade des Reischskanzlers Joseph Wirth im Exil, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.11.1997.

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