Globalisierung
Unter der Globalisierung (auch der Mondialisierung) versteht man im Allgemeinen das weltweite Zusammenwirken und eine immer stärker werdende Verknüpfung der nationalen Märkte und Gesellschaften auf Grund von Entwicklungen im Bereich des Informations-, Personen- und Warentransportes. Gelegentlich wird der Begriff auch streng wertend im Rahmen der Kritik an den Folgen eines weltweit zunehmenden Shareholder Values verwendet.
Allgemeine Begrifflichkeit
Der aus der Ökonomie und Soziologie stammende Begriff Globalisierung dringt nach 1990 in die öffentlichen Debatten und bezeichnet eine Zunahme der nationenübergreifenden, wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen. Dieser Prozess beginnt schon mit der Entwicklung des Kapitalismus, bekommt aber nach dem Zusammenbruch des Sozialismus eine besondere öffentliche Aufmerksamkeit. Mit der Verdichtung der transnationalen Beziehungen geht eine Zunahme der wechselseitigen Abhängigkeiten einher. Man kann die Globalisierung auf mehreren Ebenen unterscheiden:
Kapital- und Warenverkehr
Der weltweite statistische nachweisbare Warenhandel stieg zwischen 1950 und 1998 um das 17-fache, während die statistisch dokumentierte Produktion von Gütern sich nur um das 6-fache vergrößerte. Die Zahl der direkten Auslandsinvestitionen war zwischen 1970 und 1998 von 21 auf 227 Mrd. US-$ gestiegen.
- Freier Dienstleistungsverkehr
- Freier Warenverkehr
- Freier Kapitalverkehr
- Freier Personenverkehr siehe auch Schengener Abkommen
Transport und zunehmende Wanderungsbewegungen
Die Zahl der Personen-Kilometer im internationalen Flugverkehr hat sich seit 1950 mehr als verhundertfacht. Auch die Menge der Luftfracht hat sich seit 1950 mehr als verhundertfacht. Der Umfang der zu See transportierten Güter steigt seit 1920 stark. Mit den Ausweitung des Zug-, Automobil und Luftverkehrs weiten sich der grenzüberschreitende Personenverkehr und der Tourismus stark aus. Durch die faktische Zunahme an Transport- und Reisemöglichkeiten wächst auch die illegale Migration..
Kommunikationsprozesse
Die Zahl der Telefonanschlüsse am weltweiten Telefonnetz hat sich seit 1960 verzehnfacht. Neben dem Telefon entwickeln sich mit dem Mobiltelefon, dem Fax und dem Internet neue Kommunikationstechnologien. Vor allem über das Internet haben sich die grenzüberschreitenden Kommunikationsprozesse vervielfacht und die Zahl der Internetanschlüsse steigt weiter exponentiell
Kultur
Unter Globalisierung der Kultur verstehen vor allem die Kritiker eine Ausbreitung westlicher Wertvorstellungen und Lebensstile. Eine massive Verbreitung westlicher Werte finde vor allem über das Fernsehen und das Kino statt, aber auch Musik und Mode (wie zum Beispiel die Krawatte) würden weltweit vom Westen beeinflusst. Der Massentourismus in die exotischen Urlaubsländer allerdings führe - so die Kritiker - dort immer häufiger zum deutlichen Rückgang der kulturellen Traditionen, weil im Zuge einer wachsenden Abhängigkeit fast nur noch für die Touristen gelebt und gearbeitet werde.
Befürworter sehen in der Globalisierung der Kultur eine Entwicklung zur weltweiten Verfügbarkeit von Elementen aller Kulturen (beispielsweise Restaurants deutscher Tradition in Afrika, afrikanische Musik in Deutschland etc.). Die Verdrängung der einheimischen Kulturen spiele sich, sagen sie, häufig nur auf einer oberflächlichen Ebene ab. Einflüsse würden modifiziert und in die eigenen kulturellen Wertvorstellungen eingebunden. Außerdem verbessere sich die Situation von vielen Menschen, bzw. Menschengruppen durch den Kontakt mit der westlichen Kultur (zum Beispiel Gleichberechtigung der Frau).
Internationaler Rechtsverkehr
Grundlage aller Globalisierung ist ein Miteinander der Völker in geregelten, rechtlichen Bahnen, eben dem internationalen Rechtsverkehr. Neben einer Vielzahl von völkerrechtlichen Verträgen ist die im Jahre 1961 beschlossene Haager Konvention Nummer 12 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung bzw. Legalisation die wichtigste Rechtsnorm. Die darin vorgesehene Entbürokratisierung und Vereinfachung des Rechtsverkehrs zwischen den Staaten hat eine Globalisierung, wie sie sich heute darstellt, erst ermöglicht. Sie ermöglicht wegen des hohen Mitgliederstandes einen beinahe weltumspannenden Rechtsverkehr, ohne dass die diplomatischen Dienste in Anspruch genommen werden müssen (Siehe auch Apostille).
Internationale Politik
Globalisierungsprozesse sind vielfältig und komplex, sie beschreiben eine Vielzahl ineinander fließender wirtschaftlicher, politischer, ökonomischer, gesellschaftlicher und technischer Prozesse. Sie stellt neue Ansprüche an die Zusammenarbeit zwische Staaten und an die Entwicklung von supranationalen Organisationen (siehe auch Weltkonzern, Weltwirtschaft).
Als erstes Parlament der Welt hat der Deutsche Bundestag 1999 eine Kommission eingerichtet, die sich systematisch mit den Fragen der Globalisierung beschäftigt, die Enquete-Kommission Globalisierung der Weltwirtschaft - Herausforderungen und Antworten, (Bundestagsdrucksache 14/2350), Vorsitzender der Enquete-Kommission ist der Abgeordnete Ernst Ulrich von Weizsäcker (SPD), Stellvertreter ist der Abgeordnete Thomas Rachel (CDU). Der Abschlussbericht der Kommission wurde 2002 dem Parlament vorgelegt (Drucksache 14/9200 [1]).
Kritik
Wenn heutzutage die „Globalisierung“ kritisiert wird, kommt das von sehr unterschiedlichen Gruppierungen oder so genannten "Globalisierungsgegnern":
Die (dem linken Spektrum zugeordnete) Globalisierungskritik beispielsweise von ATTAC und BUKO richtet sich gegen die „neoliberale Globalisierung“. Gemeint ist vor allem die deregulierte Öffnung der Märkte weltweit im Sinne des Neoliberalismus: Alle Waren und alle Dienstleistungen, einschließlich der Bildungseinrichtungen, des Öffentlichen Verkehrswesens und der Güter der Grundversorgung (z.B. Trinkwasser), sollen der Kritik zufolge nicht unbeschränkt privatisiert und überall verkauft und gekauft werden können. Kritisiert wird, dass diese Form der Globalisierung zu einer Zunahme der weltweiten sozialen Ungleichheit führe.
Auch werden in Anlehnung an das Stolper-Samuelson-Theorem Lohnsenkungen in reicheren Ländern befürchtet. Dem wird wiederum entgegengehalten, dass in der Realität die Löhne kapitalreicher Länder in den letzten Jahrzehnten (absolut gesehen) stark anstiegen (GlobalisierungskritikerInnen verweisen hierbei aber auf relative Zahlen, die tatsächlich sinkende Realeinkommen bei den meisten Menschen der Industrienationen belegen sollen). Hier spielte offenbar der technische Fortschritt mit konsekutiver Steigerung der Produktivität eine Rolle. Von Kritikern der Kritiker wird auch eingewendet, dass Dienstleistungen sich nicht global handeln ließen und Lohndumping somit kaum zu befürchten sei. Globalisierungsgegner wenden darauf ein, dass dies branchenspezifisch durchaus vorkomme, z.B. in auf Kommunikation, Elektronik und Mikroprozessoren basierenden Branchen wie den Call-Centern und Software-Schmieden, aber auch (wenn nicht global, so doch regional) im Baugewerbe und bei landwirtschaftlicher Saisonarbeit oder in Au Pair-Arbeitsverhältnissen; zudem nehme die (teils illegalisierte) Arbeitsmigration von so genannten Gast- und SaisonarbeiterInnen auch objektiv in vielen Industrienationen zu. Als Konsequenz fordern einige Gewerkschaften und Globalisierungskritiker daher trotz der Gefahr von Nettowhlfahrtsverlusten u. a. gesetzliche Regelungen der Mindestlöhne und einen verbindlichen Grundsatz vom "gleichen Lohn für gleiche Arbeit".
Ein weiterer Kritikpunkt ist die zunehmende Umweltzerstörung, weil die Abgase der Flugzeuge, Autos und Fabriken immer mehr zunehmen. Auch verbreiten sich durch den zunehmenden Tourismus Tropenkrankheiten sogar in Länder gemäßigter Breite, weil man sich z.B. im Flugzeug anstecken kann.
Die Globalisierungskritik von rechtsextremen Gruppierungen wie z.B. der NPD wendet sich gegen die zunehmende Angleichung der Kulturen und gegen die abnehmende Bedeutung der Nationalstaaten. Rechtsextreme wenden sich dabei insbesondere gegen die im Zuge der Globalisierung erfolgende Zuwanderung, die die von ihnen behauptete rassische Reinheit der Völker gefährde.
Globalisierungsbefürworter wenden ein, dass trotz aller Kritik transnationaler Handel (s. dort) doch für einen (absoluten) Wohlstandsgewinn sorge. Dies lasse sich am komparativen Kostenvorteil illustrieren. Globalisierungskritiker behaupten jedoch, diese These stünde nicht im Widerspruch zur Anklage der Anti-Globalisierungsbewegung, dass es zu einer Zunahme der weltweiten sozialen Ungleichheit im Sinne einer Umverteilung "von unten nach oben" komme (siehe eingangs).
Zitat
- Ich ziehe das französische Wort Mondialisierung dem der Globalisierung vor, um darin einen Bezug zur Welt – monde, world, mundus – aufrechtzuerhalten, der weder Globus noch Kosmos bedeutet. – Jacques Derrida (Die unbedingte Universität)
Literatur
- Elmar Altvater und Birgit Mahnkopf, Grenzen der Globalisierung, Verlag Westfälisches Dampfboot 2004, ISBN 3929586754
- Le Monde diplomatique (Hrsg.): Atlas der Globalisierung. 3. Aufl. 2003, ISBN 3-9806917-6-4
- Maude Barlow: The Last Frontier. 2001. (ein wichtiger Text der globalisierungskritischen Bewegung; wendet sich gegen das GATS)
- Bhagwati, Jagdish: In Defense of Globalization. Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0195170253
- Ulrich Beck: Was ist Globalisierung? ISBN 3-51840-944-1
- Christoph Burgmer, Stefan Fuchs (Hrsg.): Global Total. Eine Bilanz der Globalisierung. Papyrossa, 2004, ISBN 3-89438-308-9 (mit Beiträgen von Horst Afheldt, Michael Albert, Elmar Altvater, Samir Amin, Maude Barlow, Walden Bello, Chico W. Ferreira, John Holloway, Patnaik Prabat, Shirang P. Shukla, Yash Tandon)
- Bernard Cassen, Susan George, Horst-Eberhard Richter, Jean Ziegler: Eine andere Welt ist möglich. ISBN 387975845X
- Viviane Forrester: Der Terror der Ökonomie. 1996, ISBN 3-44212799-8 (Streitschrift über das Verschwinden der Arbeit und seine Folgen)
- Thomas L. Friedman: Globalisierung verstehen. Zwischen Marktplatz und Weltmarkt. ISBN 3612267957
- Anthony Giddens: Entfesselte Welt. ISBN 3518122002 (Einfach zu lesen)
- Christiane Grefe, Mathias Greffrath, Harald Schumann: Attac. Was wollen die Globalisierungskritiker? Rowohlt, Berlin (2. Auflage) 2003. ISBN 3-499-61636-X
- Wolfgang Fritz Haug, High-Tech-Kapitalismus, Argument Verlag 2003
- Karl Held (Hrsg.): Globalisierung - Beschäftigung - Standort. Anmerkungen zum kapitalistischen Verhältnis von Arbeit und Reichtum PDF-Dokument
- Hans-Peter Martin, Harald Schumann: Die Globalisierungsfalle. Angriff auf Wohlstand und Demokratie. Rowohlt, 1996, ISBN 3-499-60450-7
- Joseph E. Stiglitz: Die Schatten der Globalisierung ISBN 3-88680-753-3
- Naomi Klein: No Logo! Riemann Verlag, 2002, ISBN 3570500284
- Ignacio Ramonet: Entwaffnet die Märkte! Leitartikel der Le Monde diplomatique vom Dezember 1997. (gilt als Gründungsaufruf für das globalisierungskritische Netzwerk Attac)
- Johannes Rau: Chance, nicht Schicksal - die Globalisierung politisch gestalten. „Berliner Rede“ von Bundespräsident Johannes Rau am 13. Mai 2002 PDF-Dokument
- Joseph Stiglitz, Die Schatten der Globalisierung, Goldmann 2002, ISBN 3442152844
- Matthias Zimmer: Der Rückzug des Staates ist keine Lösung. Globalisierung, Gerechtigkeit und Solidarität: Bausteine einer Sozialpolitik im 21. Jahrhundert. (Dokumentation der Frankfurter Rundschau)
Siehe auch
Welthandelsorganisation, Zivilgesellschaft, Lokalisierung, Unternehmensstandort, Markenartikel, Globalgeschichte,
Weblinks
- HUMONDE - Für eine humane Welt und Wirtschaft
- Handbuch der Globalisierung
- Network WorldWide Projects
- Projektseite von Daniel Borkmann und Erik Hüneburg über Globalisierung
- World Social Forum
- Einführung auf www.globalisierung-online.de
- „Globalisierungskritische“ Nachrichten bei Indymedia
- Noam Chomsky über "Neoliberalismus und Globale Weltordnung"
- Grundlegende Informationen der Bundeszentrale für politische Bildung zur Globalisierung
- Verschiedene Publikationen der Bundeszentrale für politische Bildung zur Globalisierung
- Institut für Wirtschaftsethik der Universität St. Gallen
- „Eine faire Globalisierung“ Publikation der ILO, im PDF-Format
- "Verlorenes Paradis?" - Essay über die Auswirkung der Globalisierung auf das innenpolitische Klima. Fragen zu Identitätskonstruktion und Ursachen von scheinbarer Komplexität, Verunsicherung und Orientierungslosigkeit; wirtschaftliche Entwicklungen und die These vom "Kampf der Kulturen"