Bücherverbrennung
„Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende gar auch Menschen.“ (Heinrich Heine)
Der Begriff der Bücherverbrennung bezeichnet die "feierliche" Zerstörung eines Buches oder mehrerer Kopien oder anderen schriftlichen Materials durch Feuer.
Die meist öffentlich durchgeführte Verbrennung wird i.d.R. mit moralischen, politischen oder religiösen Einwänden zu begründen versucht. Nicht nur Bücher werden so vernichtet, man entledigt sich durch Feuer auch anderer missliebiger Medien wie Tonbänder, CDs und Videobänder.
Der utopische Roman Ray Bradburys Fahrenheit 451 beschreibt eine Gesellschaft, die die Bücherverbrennung institutionalisiert hat.
Bücherverbrennungen in der Geschichte
- Der chinesische Kaiser Shih Huang Ti griff im Zuge der Reichseinigung zu rigorosen Maßnahmen. So wird auch die Vielfalt widerstreitender philosophischer Schulen abgeschafft und verboten. Lediglich die staatstragende Philosophie wird gebilligt. 213 v. Chr. wurden die Bücher aller anderen Schulen verbrannt.
- Die Bibel schildert eine Bücherverbrennung, mit der bestimmte Kirchen und Christengruppen bis zur Gegenwart ihr gewaltsames Vorgehen gegen abweichende Meinungsdarstellungen verglichen und begründet haben: "Viele aber, die Zauberei getrieben hatten, brachten ihre [Zauber-]Bücher zusammen und verbrannten sie öffentlich und berechneten, was sie wert waren und kamen auf fünfzigtausend Silbergroschen". (Apostelgeschichte 19,19 ) Die spektakuläre Aktion zeichnete sich offenkundig durch eine gewisse Freiwilligkeit aus, was bei späteren kirchlichen Bücherverbrennungen meist nicht mehr der Fall war.
- 325 wurden die Bücher des Arius und seiner Schüler nach dem I. Konzil von Nicäa als häretisch verbrannt.
- 475 wurde die Bücher des Nestorius nach einem Edikt Theodosius II. als häretisch verbrannt.
- 1497 verzehrten die Flammen des von Girolamo Savonarola gepredigten "Freudenfeuers der Eitelkeiten" pornographische Schriften, obszöne Bilder, heidnische Bücher, Glücksspiele, Kosmetik, Kopien von Boccaccios Decamerone und alle Werke des Ovid, die in Florenz gefunden werden konnten.
- Am 10. Dezember 1520 ließ Martin Luther die kanonischen Rechtsbücher und die päpstliche Bannandrohungsbulle "Exsurge Domine" am Elstertor in Wittenberg verbrennen.
- Auf dem Wartburgfest am 19. Oktober 1817 fand eine Bücherverbrennung in Anwesenheit von 600 Burschenschaftern statt. Die Bücherverbrennung war allerdings von den Veranstaltern nicht geplant worden, sondern war eine private Aktion einer Gruppe von besonders Radikalen. Anlässlich des 200. Reformationsjubiläums in Berufung auf Luthers Verbrennung der Bannandrohungsbulle sowie des vierjährigen Siegestages über Napoleon werden symbolisch mehrere Dutzend als reaktionär, antinational und undeutsch eingestufter Bücher, darunter Werke des August von Kotzebue, Karl Leberecht Immermann, die "Germanomanie" des jüdischen Schriftstellers Saul Ascher, sowie den Code Napoléon den Flammen übergeben. Es handelte sich nicht um die echten Bücher, sondern um mit den Titeln beschriftete Makulaturbündel. Heinrich Heine kommentierte die Aktion mit dem eingangs angeführten Zitat. (Liste)
- In der Zeit des Nationalsozialismus, vom 10. Mai bis 21. Juni 1933 wurden an vielen Orten in Deutschland öffentlich Bücher verbrannt: Mit Duldung der Behörden, von der Polizei und Feuerwehr sogar begleitet und betreut, verbrannten nationalsozialistische Studenten, SA, SS und ihre Anhänger auf dem Opernplatz in Berlin und vielen anderen deutschen Universitätsstädten rund 20.000 Bücher als "undeutsch" geltender Autoren wie Karl Marx, Heinrich Heine, Erich Kästner oder Sigmund Freud (siehe: Liste der verbrannten Bücher 1933). Diese Aktion erfolgte in Berufung auf die Bücherverbrennung während des Wartburgfestes.
- Organisiert wurde die Aktion durch den NSDStB und die Deutsche Studentenschaft, dem Dachverband aller Allgemeine Studentenausschüsse (ASTA). Beiden Verbänden war klar, dass im künftigen nationalsozialistischen Staat nur einer von ihnen überleben würde, und so bemühten sich beide, in einer spektakulären Aktion, ihre Daseinsberechtigung unter Beweis zu stellen. Zwischen beiden Organisationen gab es im Vorfeld einen Wettlauf im Vorauseilenden gehorsam. An den Bücherverbrennungen selbst waren aber nicht nur organisierte Nationalsozialisten beteiligt, sondern auch andere Studenten, insbesondere auch Verbindungsstudenten, die teilweise im "vollen Wichs" teilnahmen
- Zu den lebenden und später auch verfolgten Autoren gehörten u.a. Walter Benjamin, Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Leonhard Frank, Erich Kästner (der unerkannt in der Menschenmenge zusieht), Alfred Kerr, Heinrich Mann, Thomas Mann, Robert Musil, Carl von Ossietzky, Erich Maria Remarque, Joseph Roth, Nelly Sachs, Ernst Toller, Kurt Tucholsky, Franz Werfel.
- Nachträglich forderte Oskar Maria Graf die Verbrennung seiner Bücher, da zu seinem Entsetzen sein Werk nicht verboten, sondern von den Nazis empfohlen wurde. Seinen Aufruf "Verbrennt mich!" veröffentlichte er 1933 in der "Wiener Arbeiterzeitung". 1934 wurden schließlich auch seine Bücher verboten.
- Viele Schriftsteller und andere Künstler und auch Wissenschaftler erhielten in der Folge Arbeitsverbot oder entziehen sich weiteren Verfolgungen durch Emigration.
- 1936 Griechenland. Im August lässt Dikator Ioannis Metaxas den Gedichtzyklus Epitaphios von Giannis Ritsos öffentlich verbrennen.
- Der 1988 erschienene Roman Die satanischen Verse von Salman Rushdie wurde von Muslimen als gotteslästerlich verbrannt.
- Während eines book burning Gottesdienstes der amerikanischen christlichen Harvest Assembly of God im März 2001 wurden Schallplatten u. a. von Foreigner, AC/DC, Bruce Springsteen, Einkaufsbeutel voll Bücher, Videos, etwa von Harry Potter - Kinderbüchern oder Disney Videos wie Pinocchio und Herkules den Flammen überliefert.
- Anfang 2001 kam es in Indonesien zu einer Reihe von "Sweepings" ("Fegefeuer") genannten Verbrennungen von als links geltender Literatur, japanischen Comics, Popmusik-CDs, aber auch von Khalil Gibrans Gedichtband Chicken Soup. Sie entsprangen studentischem Protest gegen sinkendes Ausbildungsniveau, wie auch fundamentalistischem, westliche Vorstellungen negierenden Moralismus.
Bücherverbrennungen in der Gegenwart
- Seit der Machtübernahme der Kommunistischen Partei in der Volksrepublik China stehen öffentliche Vernichtung von "anti-kommunistischen" Büchern und Medien (also sämtliche Publikationen die nicht von den Partei-eigenen Verlagshäusern herausgegeben wurden) an der Tagesordnung.
- Dazu gehören vor allem Bücher und digitale Medien von verfolgten Gruppen wie Christen, Muslimen, Tibetern, Qi Gong-Schulen, Gewerkschaften, Demokraten, Menschenrechtlern etc.
Bei Verhaftungen von Christen werden in der Regel alle gefundenen Bibeln beschlagnahmt und vernichtet.
Vor allem seit Beginn der Verfolgung von Falun Gong wurden in ganz China großangelegte Hausdurchsuchungen durchgeführt, und Millionen von Büchern beschlagnahmt und öffentlich verbrannt. [1]
Siehe auch: Autodafé, Index librorum prohibitorum, Zensur, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit
Literatur
- Ulrich Walberer (HG): Zehnter Mai 1933. Bücherverbrennung in Deutschland und die Folgen. Frankfurt 1983, ISBN 3596242452
- Hermann Rafetseder: Bücherverbrennungen. Wien 1988, ISBN 3205088581
- Jürgen Serke: Die verbrannten Dichter. Weinheim 2002, ISBN 3407808992
- Theodor Verweyen: Bücherverbrennungen. Heidelberg 2000, ISBN 3825310825
- Werner Treß: "Wider den undeutschen Geist!" Bücherverbrennung 1933. Berlin 2003, ISBN 3932529553