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Sprachen in der Schweiz

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Die Bevölkerung der Schweiz bildet – wie in den meisten anderen Staaten Europas auch – sprachlich keine Einheit. Angestammt, also nicht durch Einwanderung jüngster Zeit in die Schweiz gekommen, sind die vier Sprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.

Gesetzliche Grundlagen

Der Artikel 4 der Bundesverfassung hält seit 1999 fest: "Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.". Im Artikel 701 heisst es zudem: "Die Amtssprachen des Bundes sind Deutsch, Französisch und Italienisch. Im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache ist auch das Rätoromanische Amtssprache des Bundes." Auf Kantonsebene kommt im Kanton Zürich zusätzlich die Deutschschweizer Gebärdensprache hinzu.

Weil die schweizerische Bundesverwaltung vier Landessprachen anerkennt, nehmen manche Personen an, alle Schweizer sprächen vier Sprachen. Das ist nicht richtig: Die meisten Schweizer haben nur eine Muttersprache und beherrschen allenfalls eine oder zwei weitere Landessprachen (und Englisch) als Fremdsprachen mehr oder weniger gut. Wirklich viersprachig ist einzig der Bundesstaat als Institution. Jeder Schweizer hat das Recht, sich in einer der vier Landessprachen an die eidgenössische Verwaltung zu wenden und in dieser Sprache eine Antwort zu erhalten. Diese institutionelle Mehrsprachigkeit gilt jedoch nicht auf Kantons- und Gemeindeebene. Diese Staatswesen regeln in eigener Kompetenz, was auf ihrem Territorium als Amtssprache gilt. Diese Kompetenz wird auch als Territorialitätsprinzip bezeichnet.

Verbreitung

Verbreitung der Landessprachen in der Schweiz (2000)
Sprachgebiete der Schweiz (2008)

Deutsch (orange; 63.7 Prozent der Bevölkerung; Stand 2002) ist die meistverbreitete Muttersprache der Menschen in der Schweiz; 17 der 26 Kantone sind einsprachig deutsch. Die einheimische Bevölkerung spricht in der Deutschschweiz einen der vielen schweizerdeutschen Dialekte des Alemannischen. Eine Ausnahme bildet Samnaun, wo ein südbairischer Dialekt gesprochen wird.

Französisch (grün; 20.4 Prozent) wird von der Bevölkerung im Westen der Schweiz gesprochen. Dieser Landesteil wird häufig das Welschland, die Suisse romande oder die Romandie genannt. Nur vier Kantone sind einsprachig französisch: Genf, Jura (ausser der deutschsprachigen Gemeinde Ederswiler), Neuenburg, Waadt. Drei weitere Kantone sind offiziell zweisprachig: Bern (mit deutschsprachiger Mehrheitsbevölkerung), Freiburg und Wallis (wo das Französische die Bevölkerungsmehrheit hat).

Italienisch (blau; 6.5 Prozent) wird von den Menschen im Tessin und vier Südtälern des Kantons Graubünden, in der sogenannten italienischen Schweiz, gesprochen. Innerhalb des Italienischen gehören diese Dialekte zur Gruppe des Lombardischen. In diesen beiden Kantonen ist Italienisch auch Amtssprache. Der Bund fördert diese Sprache aktiv.

Dies ist auch der Fall beim Rätoromanischen (violett; 0.5 Prozent), das in Graubünden gesprochen wird. Die meisten Rätoromanen sind mindestens zweisprachig, d. h. die Menschen hier sprechen neben ihrer rätoromanischen Muttersprache auch Deutsch und zwar den Bündner Dialekt und Hochdeutsch.

Jenisch ist die auf dem Deutschen bzw. in der Schweiz auf Schweizer Mundarten basierende, durch Wortschatzanteile besonders aus dem Jiddischen und dem Romani charakterisierte interne Gruppensprache der Jenischen, die nicht im Verkehr mit der übrigen Bevölkerung verwendet wird. Die Zahl der Sprecher wird in der Schweiz nicht erhoben. In offiziellen Erklärungen der Schweiz wird die Gesamtzahl der Fahrenden (gens du voyage) mit Schweizer Staatsbürgerschaft, unter denen die Jenischen neben einer geringeren Zahl von Sinti bzw. Manouches und Roma die überwiegende Mehrzahl bilden, auf 25'000–30'000[1] [2] bzw. 30'000[3], oder auch unter Vernachlässigung der nicht-jenischen Gruppen die Zahl der Jenischen selbst auf 30'000–35'000[4] geschätzt. Das entspricht annähernd 0.5 Prozent der Schweizer Gesamtbevölkerung. Im Rahmen der Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (1997) hat die Schweiz Jenisch als territorial nicht gebundene Sprache der Schweiz anerkannt und mehrfach den Anspruch der Jenischen auf Massnahmen zur Förderung ihrer Sprache bejaht. Weil viele Jenische Wert auf den geheimsprachlichen Charakter ihrer Sprache legen, besteht unter ihnen jedoch bisher keine Einigkeit über geeignete Förderungsmaßnahmen. Die Radgenossenschaft der Landstrasse, der in der Zusammenarbeit mit der Regierung führende Dachverband, lehnt alle Massnahmen ab, die eine Erschliessung der Sprache „anderen Kulturkreisen gegenüber zum Ziel haben“.[5]

Jiddisch besitzt in der Schweiz nur eine begrenzte Tradition, die sich heute weitgehend auf den Gebrauch bei einigen Mitgliedern orthodoxer Gemeinden beschränkt. Zahlen über die Sprecher werden nicht erhoben. Lokal sprachprägenden Einfluß haben besonders die heute nicht mehr existierenden jüdischen Gemeinden der Surbtaler Dörfer Lengnau und Endingen auf die örtliche Mundart ausgeübt. Im Verständnis der Schweiz fällt auch Jiddisch als Sprache der Schweizer Juden unter den Begriff der Minderheitensprachen ohne Territorium. Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund hat sich jedoch in einer Stellungnahme gegen Fördermaßnahmen ausgesprochen.[6]

Die Gebärdensprachen werden von über 10'000 in der Schweiz lebenden Personen mehr oder weniger beherrscht. In der Schweiz wird die Deutschschweizer Gebärdensprache, die Langue des Signes Française sowie die Tessiner Gebärdensprache von den Gehörlosen eingesetzt. Auf Staatsebene wird die Gebärdensprache nicht anerkannt, auf Kantonsebene anerkennt jedoch der Kanton Zürich die Gebärdensprache verfassungsmässig (Art. 12 der neuen Zürcher Verfassung) und wird von Amtes Wegen im Verkehr mit Gehörlosen auf Verlangen eingesetzt, ähnlich wie das Rätoromanische auf Bundesebene.

Englisch ist für die meisten Schweizer neben Deutsch oder Französisch die zweite Fremdsprache. Einzelne Deutschschweizer Kantone haben begonnen, Englisch in den Schulen als erste Fremdsprache zu unterrichten, also nicht mehr mit Französisch zu beginnen.

Die Ausländer, die sich in der Schweiz niedergelassen haben, haben ihre eigene Sprache mitgebracht; ihre in der Schweiz aufwachsenden Kinder (Secondo, Seconda) sind meist mehrsprachig. Zusammen sind diese Sprachen (9 Prozent) weiter verbreitet als das Italienische bzw. das Rätoromanische. Die grösste dieser Sprachgruppen ist die serbokroatische mit 1.5 Prozent; Englisch ist die Hauptsprache für 1 Prozent der Bevölkerung. Diese nicht offiziellen Sprachen der Schweiz sind im ganzen Land verteilt, aber konzentriert in den grösseren Städten.

Geschichtliche Entwicklung

Offizielle Amtssprachen in Graubünden 1860
Offizielle Amtssprachen in Graubünden 2000
Tatsächliche Verbreitung der Landessprachen in Graubünden 2000

In den letzten Jahren gab es die leichte Tendenz, dass die französische Sprache ihren Anteil ein wenig ausbauen konnte, während das Deutsche ungefähr konstant blieb und das Rätoromanische und Italienische verloren. So hat sich die Sprachgrenze zwischen dem Deutschen und dem Französischem in den letzten Jahrzehnten sehr leicht Richtung Osten verschoben. Die wohl stärkste Veränderung gab es im Kanton Graubünden, wo das Rätoromanische durch das Deutsche mehr und mehr ersetzt wird. Öfters ist es so, dass die Kinder fast nur noch deutsch reden, auch wenn sie das Räterromanische der Alten zum Teil noch verstehen. Auch im italienischsprechenden Tessin gibt es vor allem in manchen Ufergemeinden der Seen die Angst, dass das Deutsche in weiterer Zukunft zu einer beherrschenden Sprache werden könnte.

Sprachanteile gemäss der Eidgenössischen Volkszählung, BFS:

Jahr Deutsch Französisch Italienisch Rätoromanisch Nichtlandessprachen
2000 63,7 20,4 6,5 0,5 9,0
1990 63,6 19,2 7,6 0,6 8,9
1980 65,0 18,4 9,8 0,8 6,0
1970 64,9 18,1 11,9 0,8 4,3
1960 69,4 18,9 9,5 0,9 1,4
1950 72,1 20,3 5,9 1,0 0,7

Siehe auch

Anmerkungen

  1. Rapport initial du Gouvernement suisse sur la mise en oeuvre de la Convention-cadre du Conseil de l'Europe pour la protection des minorités nationales (April 2001) [1], Nr. 24, S. 13, Nr. 96, S. 35
  2. Bericht des Bundesrats über die Situation der Fahrenden in der Schweiz (Oktober 2006) [2], Teil I, 1.2, S. 5f.
  3. Zweiter Bericht der Schweiz zur Umsetzung des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten (Januar 2007), Nr. 30, S. 25f.
  4. Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, Dritter Bericht der Schweiz (Mai 2006) [3], 4, S. 22
  5. Zweiter Bericht der Schweiz zur Umsetzung des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten (Januar 2007), Nr. 69, S. 49f.
  6. Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, Zweiter Bericht der Schweiz (2002) [4], Nr. 4, S. 12f.