Küsten-Salish
Die Küsten-Salish sind eine Gruppe von Ethnien, die einerseits zur Sprachfamilie des Salish gehören, andererseits zum pazifischen Kulturraum des amerikanischen Nordwestens. Sie leben an den Küstensäumen British Columbias und Washingtons zwischen der Strait of Georgia und dem Puget Sound.
Die Sprachfamilie wird üblicherweise in Küsten-Salish und Binnen-Salish eingeteilt. Die vier Hauptgruppen des Binnen-Salish sind Lillooet, Thompson, Okanagan-Colville und Shuswap, die auf dem so genannten Plateau leben, dem südlichen Binnenland von British Columbia. Die Region ist gebirgig und relativ trocken.
Zu den Küsten-Salish-Sprachen gehören in Kanada Comox, Pentlatch, Sechelt, Squamish, Halkomelem, Bella Coola und Nooksack. Die nördliche Gruppe wird dabei durch die Kwakwaka'wakw von der südlichen getrennt. Die Comox-Gruppen, die die Homalco, Klahoose und die Sliammon umfassen, grenzen an die Kwakwa sprechenden Stämme der nördlichen Vancouver-Insel. Im Süden schließen sich die Pentlatch an, südlich von den Comox die Sechelt und Squamish. Die größte Sprachgruppe ist das Halkomelem, wozu die Cowichan auf Vancouver Island, die Musqueam und die Sto:lo am Fraser River zählen. Viele dieser Stämme sind eher Stammesverbände, deren Teilstämme oftmals in eigenen Reservaten leben. So kann man allein bei den Sto:lo 19 Teilstämme unterscheiden.
Innerhalb der Küsten-Salish-Sprachgruppe gibt es rund 50 ethnische Gruppen. Diese oftmals sehr kleinen Gruppen haben sich z. T. zu Tribal Councils zusammengeschlossen, Stammesräten, deren Zusammensetzung allerdings schwankt.
Mehr als 21.000 registrierte "Indians" zählen zu den genannten Ethnien, zu denen im Binnenland über 15.000. Ihre Zahl erholt sich derzeit recht schnell von den katastrophalen Verlusten durch Epidemien und soziale Desintegration.
Dabei gibt es einige Stämme, deren traditionelles Gebiet die Grenze zwischen den USA und Kanada überschreitet. Unter diesen sind die Arrow Lakes (Sinixt), die allerdings in Kanada nicht mehr als First Nation anerkannt sind. Sie sind als Teil der Colville Confederated Tribes in Washington bekannt. Grenzüberschreitende Territorien weisen ebenso die Sumas und die Semiahmoo auf. Zu den Küsten-Salish in den USA zählt eine Reihe von Gruppen, die z. T. schon seit Jahrzehnten auf die offizielle Anerkennung als Stamm (tribe) warten. Da auch die Reservatspolitik der USA sich scharf von der kanadischen unterscheidet, sind die Kriterien noch erheblich umstrittener. Zu den Küsten-Salish-Stämmen im Bundesstaat Washington zählen etwa die Puyallup, die Chehalis, die Chinook, die Cowlitz oder die Duwamish.
Geschichte
Weit verbreitet sind Schöpfungsgeschichten, oftmals von Tieren in Menschenform, Schöpfer oder Vorfahren der heutigen Stämme. Dazu kommt die Vorstellung von einem Verwandler (transformer), der die Landschaften, die tierischen und pflanzlichen Bewohner, die Grundlagen der gesellschaftlichen Ordnung geschaffen hat.
Frühgeschichte
In der frühen Phase der ersten menschlichen Besiedlung unterlag die Landschaft noch starken Veränderungen. Schmelzwasser, schwankende Küstenläufe, Tsunamis prägten diese Phase. Damit dürften viele Artefakte endgültig verschwunden sein. Kieselwerkzeuge aus der Zeit um 7000 v. Chr. ließen sich dennoch an der Milliken Site im Fraser Canyon und am unteren Fraser finden. Microblades genannte, winzige Klingen erreichten die Region wohl zwischen 5000 und 3500 v. Chr. In dieser Zeit stabilisierte sich auch die Höhe des Meeresspiegels. Wahrscheinlich wanderte ein Teil der Salish ins Hinterland, was dem Handel früh förderlich gewesen sein mag. Möglicherweise lebten einige Salish-Gruppen auch an der Westküste von Vancouver Island, im Bereich des Barkley Sound. Jedenfalls deuten Funde aus der Phase der Locarno Beach-Kultur im westlichen Sound um Ch'uumat'a darauf hin.[1]
Das Frasertal ist schon sehr lange bewohnt.[2] Fundorte, wie die Milliken Site und die Glenrose Cannery an der Mündung des Flusses weisen auf eine Jäger- und Sammlerbevölkerung hin. Traditionell nehmen die Sto:lo an, dass sie schon immer dort gelebt haben.
In jedem Fall ist die Milliken-Phase (7500-6000 v. Chr.) die früheste. Sie wird nur durch einen Fundort bei Yale repräsentiert. Blattförmige Klingen, große eiförmige und halbmondförmige Klingen, Stichel, dünne Schaberarten und Speckstein sind hier kennzeichnend. Argillite sind das verbreitetste Steinmaterial, dagegen sind Basalt, Quarz und Obsidian selten.
Die Mazama-Phase (6000-4500 v. Chr.) ist ebenfalls bei Yale fassbar, aber auch bei Hope. Als Neuerungen tauchen eiförmige Faustkeile, Hobel, Stichel und bipolare Keile auf. Microlithen sind nachweisbar, Basalt verdrängt Argillite.
Die Eayem-Phase (4000-1100 v. Chr.) ist nur in Agassiz sicher nachweisbar. Dort wurde auch eine Hausvertiefung gefunden und damit der erste Nachweis für dauerhafte Wohnstätten. Die Phase wird gelegentlich mit der Mayne- und St.-Mungo-Phase gleichgesetzt. Neue Formen wie Projektilspitzen, seien sie eingeklemmt oder seitwärts eingekerbt befestigt, Bohrer und Spitzen, Bohrer und Schleifsteine tauchen auf.
Die Baldwin-Phase (1100-650 v. Chr.) ist in Milliken, Esilao und Katz fassbar. Ihre Kennzeichen sind: Mikroklingen, kleine Projektilspitzen, Mörser und Stößel. Es tauchen Kunstwerke auf, wie Ringe, Ohrringe, Perlen, Anhänger und figürliche Darstellungen. Diese Phase gilt als mögliche Vorläuferin der Marpole-Kultur.
Die Skarnel-Phase (350 v.-250 n. Chr.) fällt durch das Verschwinden der Mikrolithen auf. Fundstätten: Esilao, Katz, Pipeline und Silverhope Creek.
Emery-Phase (250 - 1250) Einführung von Pfeifen.
Esilao-Phase (1250 - 1800). Für diese Phase gelten kleine Projektilspitzen bestimmter Befestigungsarten als kennzeichnend.
Permanente Behausungen lassen sich schon ab etwa 3.000 v. Chr. nachweisen. Ungewöhnlich sind die Mounds, die mit Hilfe von Holzelementen stabilisiert wurden.
Während im Norden früh die Microblades, winzige Klingen, vorherrschten, gab es im Süden die so genannten leaf-shaped points, also blattförmige Klingen. Alle anderen Kulturdifferenzen zwischen Nord und Süd sind eher schwer zu belegen.
Die riesigen Muschelhaufen liefern inzwischen zahlreiche Hinweise auf die dahinter liegende Gesellschaft. An der gesamten Küste lassen sich ab etwa 3.000 bis 2.500 v. Chr. Stein- und Knochen- bzw. Geweihtechniken nachweisen. Ab etwa 1.500 v. Chr. scheint sich eine stärker auf Vorratshaltung basierende Gesellschaft entwickelt zu haben, die vor allem auf Lachs basierte. Die ersten dauerhaften Winterdörfer sind ab 1.200 v. Chr. fassbar, gemeinsame Großbauten um Christi Geburt. Zwischen 1000 v. Chr. und 500 n. Chr. entwickelten sich die ausgeprägten Formen gesellschaftlicher Ungleichheit.
Am unteren Skeena River, im Kitselas Canyon lassen sich dabei mehrere Phasen unterscheiden. Zum einen die Gitaus-Phase, etwa zwischen 1.300 und 600 v. Chr. in Gitaus und an der Paul-Mason-Site. Es handelt sich um Sommerlager zum Fischen, dabei wurden keine Knochenwerkzeuge sondern nur Steinwerkzeuge gefunden.
Die Skeena-Phase (1600-1200 v. Chr.), die sich nur in Gitaus nachweisen lässt, weist geformte Unifaces und lanzenförmige Bifaces auf, eine Art Faustkeil. Feuerstein war von größter Bedeutung.
Die mittlere Küste von British Columbia im Gebiet der Queen Charlotte Strait, ist zwischen 2500/2000 und 500/400 v. Chr. vor allem durch den Gebrauch von Obsidian gekennzeichnet. Lachs spielt eine äußerst wichtige Rolle, sein Anteil liegt bei 35-50 % der Funde. Wild ist allerdings nach wie vor wichtiger, als die Meeressäuger. Möglicherweise gibt es Verbindungen zur Charles-Kultur der Küsten-Salish. Wichtig wurde hier der Fundort Namu, nördlich des Queen Charlotte Sounds. Die Überreste reichen von 2500 - 800 v. Chr. und bestehen vor allem aus Lachs- und Schalentierresten. Dazu kommen Steinwerkzeuge, die sich aber von der Obsidiankultur unterscheiden. Auch hier ist Wild immer noch wichtiger als Meeressäuger.
Die Frühkulturen der Westküste von Vancouver Island sind vor allem durch die Ausgrabungen von Yuquot bekannt geworden. Seine Überreste werden auf vor 2000 v. Chr. datiert. Sie unterscheidet sich erheblich von der Obsidiankultur. Hier gibt es praktisch keine abgeschlagenen Steine, dafür Knochenwerkzeuge. Wahrscheinlich herrschten hier Meeressäuger bei der Nahrung vor. Doch rund 100 km südlich von Yuquot fanden sich aus der Zeit um 2000 v. Chr. Abschlagwerkzeuge aus Stein, die Technologie ähnelte der der Charles-Kultur.
Diese Charles-Kultur war von weiter räumlicher Ausdehnung. Sie reichte vom Fraser Canyon (Eayem-Phase, Esilao-Phase), über das Delta (St.-Mungo-Phase) bis zum Gulf of Georgia (Mayne-Phase).
Im Delta sind die wichtigsten Fundorte St. Mungo, Glenrose und Crescent Beach. Muscheln waren hier eindeutig wichtiger, Fisch bedeutsamer als Wild oder Meeressäuger (vor allem Lachs und Platichthys stellatus, eine Heilbuttart, die an fast allen Küsten des Nordpazifik vorkommt.[3] Auch Wild bleibt von großer Bedeutung, gefolgt von Seehunden.
Während im Südosten von Alaska gegen 1000 v. Chr. Fischreusen aufkommen (Favorite Bay), sich Dörfer mit kleinen Häusern (Kitselas Canyon, Paul Mason) entwickeln, und Begräbnisstätten ab etwa 500 v. Chr. fassen lasen, die bereits Anzeichen einer gesellschaftlichen Gliederung (Kupfer) aufweisen, und erste Kriegswaffen und -verletzungen nachweisbar sind, bestehen an der mittleren Küste noch große Datierungsprobleme. Nachweisbar sind Grundsteine und ausschließlich Knochenwerkzeuge. Lachs und Meeressäuger dominieren, ähnlich wie in Yuquot. Möglicherweise gab es eine Bewegung der Wakashan nach Norden, vielleicht zusätzlich nach Süden. Im Gulf of Georgia lässt die Locarno-Beach-Kultur (1500-400 v. Chr.) solche Deutungen zu.
Trotz bestimmter Ähnlichkeiten mit der Kultur der Inuit, z.B. einer bestimmten Harpunenform, der Gelenkharpunge (toggling harpoon), nimmt man heute an, dass sie ein direkter Abkömmling der Charles-Kultur ist. Sie ist durch wachsenden Gebrauch von Steinanhäufungen (ground stones), durch Schiefermesser, Spitzen und Breitbeile aus Nephrit gekennzeichnet. Die Nahrungsbeschaffung beruhte auf Wild, einer Vielzahl von Fischarten, Schalentieren, dazu Meeressäuger. Am Fundort Crescent Beach dominierten jedoch Lachs und Heilbutt mit jeweils 40 % Anteil. Möglicherweise wurden hier Lachse bereits konserviert, denn ihnen fehlen die Köpfe. Darauf weist auch hin, dass der Fundplatz zu keiner Zeit ein günstiger Fangplatz gewesen ist.
Es finden sich sehr hohe Muschelhügel (shell middens), doch bisher keinerlei Anzeichen dauerhafter Siedlungen. Aus den Funden lassen sich noch keine weitreichenden sozialen Differenzierungen ableiten.
Wegen der überragenden Bedeutung des Lachsfangs nahm man lange eine Zuwanderung aus dem unteren Frasertal oder den Plateaus an, doch scheint sich die Marpole-Kultur (400 v. Chr. - 400 n. Chr.) regional zu speisen. An der Südküste wird ein Höhepunkt der Komplexität erreicht. Es lassen sich dauerhafte Wintersiedlungen nachweisen, ab ungefähr Christi Geburt auch Langhäuser. Lachs wird als Mittel der Bevorratung eingesetzt. Die Begräbnisstätten zeigen starke Statusdifferenzen. Die so genannten barbed harpoons, also Harpunen mit Widerhaken, ersetzten die verschiedenen Typen der Gelenkharpunen, jedoch sind kaumm funktionale Unterschiede auszumachen. Eindeutig nimmt die Zahl der ornamentalen Werke zu, wie die steinerne Figuren. Wichtige Fundorte zur Marpole-Kultur sind Beach Grove, ein Winterdorf im Fraser-Tal. Ähnlich wie am Crescent Beach ist das Mengenverhältnis zwischen Lachs und Heilbutt. Es gibt dort diverse Einsenkungen von Häusern, die groß aber nicht vermessen sind. Die Kindergräber sind auffallend reich ausgestattet, z. T. mit Dentalia, also Muscheln, und vor allem aber mit dem überaus wertvollen Kupfer.
Die Fundstätte Tualdad Altu zeigt ein möglicherweise nur aus einem Haus bestehendes Winterdorf im Puget Sound, südlich von Seattle. Das Haus dürfte etwa 17 mal 7 m gemessen haben. Innerhalb des Hauses verteilen sich die Artefakte und die Tierüberreste auffällig, was auf eine Arbeitsteilung hindeuten könnte.
Ab etwa 500 n. Chr. teilen die Küsten-Salish zahlreiche Kulturelemente mit ihren Nachbarn entlang der Küste. Doch lag der Schwerpunkt nicht (mehr?) so sehr auf dem Lachs, sondern auf Meeressäugern. Ob diese Art Jagd als prestigeträchtiger galt oder ob sich dadurch neue Handelsmöglichkeiten ergaben, ist unklar. Möglicherweise hängen sie aber auch mit Veränderungen in der Fauna zusammen. Eine weitere Veränderung war die Verlagerung der Begräbnisstätten aus den Siedlungen an abseits gelegene Stellen.
Um 400 v. Chr. entwickelte sich wohl eine Gesellschaft, die die individuelle Aneignung von Ansehen bevorzugte. Zwischen etwa 500 und 1000 n. Chr. sind viele Süd-Salish-Gruppen durch Steinhaufengräber (cairns) gekennzeichnet. Daher werden sie auch "burial mounds" genannt. Um Victoria und Metchosin finden sich hunderte von ihnen. Zu dieser Zeit herrschte wohl noch die besagte Rang- oder Prestigegesellschaft vor. Erst um 1000 monopolisierte eine Elite nicht nur das ererbte und zugeschriebene Ansehen, sondern auch Machtmittel und Ressourcen.
Gesellschaft
Um 1850 war die gesellschaftliche Hierarchie der Küsten-Salish deutlich steiler und ausgeprägter, als im Hinterland, dabei wurde sie wiederum von Süden nach Norden rigider. Neben der Führungsgruppe, die über reiche Ressourcen verfügte, gab es die einfachen Stammesmitglieder und Sklaven. Dem Konzept des Eigentums entging dabei nichts. So konnten nicht nur Gegenstände, Häuser und Menschen Eigentum sein, sondern auch Fangstellen für Lachs, wie generell Orte, Rituale und Zeremonien, Lieder und Geschichten, die noch lange nicht jeder kennen durfte. Krieg war daher vor allem ein Mittel der Reichtumsaneignung, z.B. in Form von Sklaven, die für die obere Klasse die Lebensgrundlagen schufen und erhielten. Dennoch lebten sie mit ihren Besitzern unter einem Dach. Außerdem konnten sie spirituelle Macht erwerben.
Dabei existierten mitunter große Siedlungen mit mehr als tausend Bewohnern. In den Häusern lebten meist mehrere Familien, die einen gemeinsamen, aber in sich unterteilten Haushalt führten. Diese Häuser wurden mit Symbolen ausgestattet, wie Totempfählen und bemalten Hauswänden - sicherlich der in Europa bekannteste Aspekt dieser Kultur. Ebenso berühmt sind die Masken der Küstenvölker. Häufig führten sich diese Lineages auf einen gemeinsamen Vorfahren zurück, der wiederum in den rituellen Gegenständen erscheint. Die Gesellschaft war also nach dieser besonderen Art von Familien, nicht in erster Linie nach Stämmen organisiert. So bestimmten die Verwandtschaftsverhältnisse den familiär gebundenen Dialekt, aber auch die Frage, wer zusammenarbeitet, wer sich Ressourcen teilt. Diese Verwandtschaft reichte weit über die lokale Hausgruppe und das Dorf hinaus in andere Gemeinschaften. Das Dorf hingegen spielte eine Rolle bei bestimmten Arten von Zeremonien.
Während jedoch Tlingit, Haida und Tsimshian als matrilinear bezeichnet werden, herrschte bei den Wakashan und Salish die Zweilinienverwandtschaft über Vater und Mutter gleichermaßen vor - wobei der Rang bei den Wakashan zunehmend innerhalb dieser Linien erblich wurde. Diese Erblichkeit konnte sich bei den Küsten-Salish hingegen nicht durchsetzen, wenn sie auch die gleichen Verwandtschaftslinien betonten. Bei allen Salish war das Levirat (ein männliches Mitglied aus der Familie des verstorbenen Mannes heiratet dessen Witwe) und das Sororat (ein weibliches Mitglied heiratet den entsprechenden Witwer) zur Sicherung der Beziehungen zwischen durch Heirat verbundenen Gruppen verbreitet. Verwandtschaftsverhältnisse waren immer zweilinig und das Heiraten von Blutsverwandten unterlag Verboten. Diese weiträumigen Verwandtschaften waren extrem wichtig. Ortsgebundene Beziehungen bestanden daneben in der Familie, dem Haushalt, der lokalen Gruppe und dem Winterdorf. Die erweiterte Familie ist bis heute eine wichtige emotionale und ökonomische Basis. Familiensolidarität ist immer noch die Basis des politischen Lebens.
Die Häuptlinge der Stämme waren zumeist Männer, doch häufig waren Frauen die Häupter ihres Hauses. Führerschaft war abhängig von der Fähigkeit, spirituelle Macht zu erwerben und richtig zu üben, und von persönlichen Fähigkeiten. Eine formale, überpersonale Autorität gab es nicht. Dabei war das persönliche Prestige und das der erweiterten Familie überaus wichtig. Damit im Zusammenhang steht das Konzept der Redistribution, der Wiederverteilung durch das Potlatch im Sinne eines ostentativen und zugleich Reichtum ausgleichenden Verschenkens. Daher waren die bis 1934 (USA) bzw. 1951 (Kanada) gültigen Verbote ein Angriff auf eine der tragenden Säulen der Salish-Kultur, wie aller betroffenen Kulturen.
Lebensgrundlagen
Wie an der gesamten Pazifikküste, so lebten die Salish-Stämme in erheblichem Umfang von Meerestieren - doch jagten sie, im Gegensatz zu den Nuu-chah-nulth, keine Wale. Dabei spielte der Lachs, der alljährlich zum Laichen die Flüsse aufwärtsschwamm, eine herausragende Rolle. Der Fisch wurde getrocknet und geräuchert, aber niemals gesalzen. Auch andere Fische wie Hering und Heilbutt, aber auch Vögel und sonstiges Wild standen auf der Speisekarte. Jedoch durfte nicht jeder überall jagen, denn bestimmte Familien hatten ihre Riffnetze und bestimmte Sammelfelder, wie die der horse clam, einer Molluskenart (Tresus nuttallii). Sie waren nur dem "Adel" vorbehalten. Ähnliche Regeln galten für den Hausbau und für die Jagd, aber auch für das Sammeln zahlreicher Pflanzen, wie Beeren, Gräser usw. So konnte es geschehen, dass Familienclans entsprechend der jeweils besten Erntezeit der Pflanzen, in bestimmten, ihnen "gehörenden" Gebieten wanderten - Jahr für Jahr.

Die Salish waren jedoch nicht nur Jäger und Sammler, sondern auch nomadische, an ein bestimmtes Gebiet gebundene, Bauern. Sie pflanzten Camas, eine früher für ein Hyacinthen- oder Liliengewächs gehaltene Agavenart mit blauen Blüten. Ihre Zwiebeln schmecken wie sehr süße, gebackene Tomaten, manche auch wie Birnen. Die Salish nutzten zwei Arten, nämlich die Gemeine Camas (Camassia quamash, auch Indian Camas genannt) und die Große Camas (Camassia leichtlinii). Anbau und Pflege des Bodens verwandelten die Landschaft im Laufe der Jahrhunderte, und gaben ihr einen parkähnlichen Charakter. Zugleich war die Ernte eine gute Gelegenheit, in den Lagern an den Feldern soziale Kontakte zu knüpfen und durch Rituale die Gesellschaft zu festigen.
Die baumarmen Zonen, die zum Anbau von Camas und Kartoffeln gleichermaßen nötig waren, wurden durch den gezielten Einsatz von Feuer geschaffen. Besonders wichtig war die Garry Oak (Quercus garryana), eine Eichenart. Sie ist zwischen British Columbia und Kalifornien verbreitet, wächst aber am besten um Victoria. Um 1800 umfasste dieses System rund 15 km² im Gebiet von Victoria.
Doch basierte das Leben dabei auf saisonalen Wanderungen. An den Flussläufen wurde überwintert, wobei sich dann größere Gruppen zusammenfanden. Von Oktober/November bis Februar/März fanden dementsprechend die wichtigsten Zeremonien und Feiern statt. Im Frühjahr ging es zum Fischfang, um die aufgezehrten Vorräte wieder aufzufrischen. Dabei wurde der Fisch luftgetrocknet, geräuchert, frisch verzehrt, aber niemals gesalzen. Getrockneter Fisch war auch ein wichtiges Handelsgut. Ebenso wichtige Nahrungsquellen waren aber auch Wurzeln, Schösslinge und Beeren.
Im Sommer wurde weiterhin gesammelt, jetzt aber auch Holz geschnitten, aus dem nicht nur Kanus, Totempfähle, Waffen und Werkzeuge, sondern auch Kopfbedeckungen und Kleidung entstanden. Allerdings lieferte auch eine weißhaarige Hunderasse das Materiall für Decken und dergl., der Simon Fraser noch 1808 begegnete.[4] Zugleich gab es noch die so genannten camp dogs, die, Koyoten ähnlich, die Dörfer und Lager bewachten. Im Juli und August, wenn die Lachse flussaufwärts zogen, war wieder Fischfang die dringlichste Tätigkeit. Im Spätsommer ging es schließlich wieder in die Berge.
Grundlage dieser Wanderung war eine Art spiritueller Kalender auf der Basis dieser Jahreswanderung, das System der dreizehn Monde. Es bildet den zeitlichen Rahmen, in dem ökonomische Handlungen, wie Fang, Suche, Ernte mit zeremoniellen und Erziehungsaspekten verbunden werden. Damit werden jedem Mondmonat Wohnorte, Zeremonien, die richtigen Momente für den Unterricht zugeordnet.
Daher kommt es, dass die Stämme, um Streitigkeiten in Grenzen zu halten und um überleben zu können, ein traditionelles Gebiet beanspruchten, das ihnen das Überleben auf ihren jährlichen Rundwanderungen sicherte. Diese Gebiete sind also Dutzende kleiner Siedlungskammern für ein halbnomadisches Leben. In schlechten Jahren konnte der Handel, der die Küsten als Wege für große Handelskanus nutzte, lebensrettend sein. Außerdem konnten so Camas, später Tomaten oder Kartoffeln in klimatisch ungeeignete Gegenden ausgeführt werden.
Der Vorzug dieser Lebensweise bestand darin, dass es kaum jemals Ernteausfälle gab, und selbst wenn in klimatisch ungünstigen Jahren die Ernte geringer ausfiel, so konnte man doch auf die See ausweichen. Um sich aber den Zugang zu solchen Gebieten zu sichern, griff das Prinzip der verwandtschaftlichen Linie, d.h. nur entlang einer Verwandtschaftslinien durften bestimmte Gebiete oder Vorrichtungen, wie Reusen, genutzt werden.
Handel
Der Handel spielte eine mit dem europäischen Handel nicht durchweg vergleichbare Rolle. Die Fahrten dienten zwar dem Austausch von Waren, doch ebenso der Begründung und Befestigung von Verwandtschaftsverhältnissen, auf die man, selbst nach längerem Ruhen der Beziehung, wieder zurückgreifen konnte. So hatten die Küsten-Salish praktisch überall im riesigen Wohngebiet Aufenthaltsmöglichkeiten, was wiederum den Handel erleichterte. Dieses Wissen war jedoch "privat" und gehörte nur jeweils einer Familie. Die untere Schicht war regional viel eingeschränkter und besaß kein solches Wissen.
Mit den Camas-Früchten, die 4-8 cm Durchmesser hatten und über 100 g schwer werden konnten, wurde ein intensiver Handel betrieben, insbesondere mit den Nuu-chah-nulth. Denn der überwiegende Teil der begehrten Früchte wuchs im weniger feuchten Süden von Vancouver Island. Noch bevor weiße Siedler sich dort niederließen, bauten Indianer Tomaten und Kartoffeln an, die sie wohl von den ersten Forts der Hudson's Bay Company bezogen hatten.
Europäer
Handel
Ein Pelzhändler namens Charles Barkley erreichte die Juan de Fuca Strait wohl 1787. Die Spanier Dionisio Alcalá-Galiano und Cayetano Valdés y Flores Bazán, sowie der Brite George Vancouver, kamen 1792. Simon Fraser, Pelzhändler der North West Company fuhr 1808 den Fraser River hinab. 1811 setzten sich am Columbia die ersten Pelzhändler fest, dazu kamen Forts, wie Fort Shuswap (1812-13). Die Hudson’s Bay Company folgte in den 1820er Jahren und ließ 1827 Fort Langley errichten. Zu dieser Zeit zogen die nördlichen Stämme auf ausgedehnten Raubzügen bis weit in den Süden vor und überfielen beispielsweise 1823 die Nanoose im Süden von Vancouver Island. 1839 lebten von ihnen nur noch 159.[5]
Wie meistens, so halfen die örtlichen Indianer, in diesem Fall die Kwantlem, sogar beim Aufbau, ähnlich wie die Songhees beim Aufbau von Fort Victoria. Manche der höher gestellten Frauen heirateten Angestellte der Companys. Mit James Douglas, dem ersten Gouverneur der Kolonie Vancouver Island änderte sich diese Politik ab 1850. Die Herrschaft sollte nun von den Briten ausgeübt werden.
Der Teilungsvertrag zwischen der britischen Kolonie und den USA von 1846, der den Kontinent entlang dem 49. Breitengrad teilte, zerteilte einige der Stämme. Die Stämme nördlich dieser Linie waren nun mit einer völlig anderen Indianerpolitik konfrontiert, als die südlich davon. Großbritannien zog alles Land als Crown Land an sich und richtete Reservate ein. Die Stämme wurden entsprechend ihren Dörfern und einem extrem stark schwankenden Schlüssel, der Familien und Flächenbedarf in Beziehung setzte (10 bis 600 ha pro Familie), auf Reservate verteilt, die das Land extrem zerstückelten. Die USA hingegen richteten großflächige Reservations ein. Andererseits lagen die Reservate oftmals gar nicht im traditionellen Stammesgebiet, Stämme wurden willkürlich anerkannt - oder auch nicht -, und gerade im Territorium Washington wurden die Indianer systematisch um ihre Rechte gebracht. Dabei kam es zu offenen Kriegen, gleichzeitig ignorierte die regionale Regierung Anweisungen aus der Hauptstadt.
Massenzuwanderung
Doch noch war die Zahl der Siedler in der Region äußerst gering. Mit dem Goldrausch am Fraser von 1858 stieg die Bevölkerungszahl jedoch sprunghaft an. Tausende von meist bewaffneten Goldsuchern - vor allem aus Kalifornien - durchkämmten die Region und verdrängten oder töteten eine unbekannte Zahl von Indianern. Auch die "Altsiedler" wurden schnell zur Minderheit. Das wiederum zwang die britische Kolonialregierung, für ein Gegengewicht zu sorgen. So förderte man dringend die Zuwanderung aus Großbritannien, wodurch insbesondere die Sto:lo zusammengedrängt, andere in winzige, abseits gelegene Reservate abgeschoben wurden.
Douglas schwenkte bereits zu dieser Zeit in Richtung Reservatspolitik. So befahl er 1861 dem Chief Commissioner of Lands and Works Maßnahmen zu ergreifen, Reservatsabgrenzungen vorzunehmen. Die Ausdehnung der Indian Reserves sollte jedoch von den "natives" selbst dargelegt werden.[6] Diese vergleichsweise milde Indianerpolitik endete 1864 mit Joseph Trutch als Chief Commissioner of Lands and Works.
Eine solche milde Indianerpolitik hatte es in den USA bestenfalls bis 1846 bzw. 1855 gegeben, d.h. in dem Moment, als die Hudson's Bay Company, die von der Handelstätigkeit der Indianer profitierte, das Feld räumen musste, kamen neue Interessen ins Machtspiel. Das Territorium Washington war zunächst von geringer Bedeutung, doch schon die ersten Siedler ab etwa 1850 gerieten durch ihre Landforderungen und durch rücksichtslosen Umgang in Streit mit den Indigenen. 1855 kam es zu mehreren Verträgen, doch die Bedingungen waren so schlecht, dass sich etwa die Yakima und die Puyallup dagegen erhoben. Doch massenhafter Truppeneinsatz unterdrückte die Aufstände (1855-58), was bei den Chinook bis nahe an die Ausrottung ging. Das Reservat der Cowlitz wurde einfach verkauft.
Epidemien und Mission
Schlimmer jedoch waren die Pocken, die erstmals 1782 unter den Salish wüteten. Vielleicht 1801, sicher aber 1824 und 1848 folgten Masern und Pocken, 1862 erneut die Pocken. Dazu kamen die den Indianern unbekannten, und daher umso tödlicheren Krankheiten, wie Grippe, Geschlechtskrankheiten und Tuberkulose. Da halfen Schutzmaßnahmen durch manche Missionare, wie 1853 und 1862 wenig. Dennoch profitierten die Missionsstationen auch von diesen Katastrophen, denn die Verluste an kulturellem Wissen durch das Sterben der Schamanen und Medizinmänner, der Älteren und Heiler, dazu der Glaube an die zu schwache Macht der eigenen Kräfte, veranlassten viele Salish zum Übertritt zum Christentum.
Der erste Missionar war Modeste Demers, ein katholischer Missionar, der Fort Langley 1841 erreichte. Mit St. Mary's entstand 1863 eine Oblatenmission am Fraser. Bischof Durieu gelang es sogar, geradezu einen Gottesstaat bei den Sechelt durchzusetzen. 1859 kamen die Methodisten in Hope hinzu.
Auch die südlichen Salish-Stämme in Washington wurden durch Epidemien dezimiert. Katholiken und Methodisten missionierten bereits um 1840 bzw. 1850, doch zunächst mit geringem Erfolg.
Reservatspolitik
Die Indianerpolitik British Columbias ist stets rücksichtsloser gewesen, als die der Regierung in Ottawa. Hatte letztere noch 160 Acres Land pro Familie für angemessen gehalten, so wollte die Provinzregierung nur 25 Acres zugestehen. 1875 wurde eine Indian Reserve Commission eingesetzt, um die Landfrage zu regeln. Grundsatz war, mit jeder einzelnen Nation eine Abmachung zu treffen. Die Reservate sollten treuhänderisch verwaltet werden und entsprechend der Bevölkerungsentwicklung verkleinert oder vergrößert werden. 1877 wurde Gilbert Malcolm Sproat einziger Indian Reserve Commissioner, doch wurde er 1880 gestürzt, weil er zu viel Land zugestanden hatte. Peter O’Reilly folgte ihm bis 1898. Die Bundesregierung geriet immer wieder in Streit mit der Provinzpolitik und 1908 begann die Auflösung der Kommision. 1911 sollte der Vorgang an den Obersten Gerichtshof gehen, doch die Provinz verweigerte die Zusammenarbeit. Am 24. September 1912 wurde die McKenna-McBride Commission eingesetzt. Von 1913-16 suchte die Kommission die Reservate auf. Am Ende empfahl sie 54 Reserveatsverkleinerungen im Gesamtumfang von 47.000 Acres, nach Protesten reduzierte man auf 35 betroffene Reservate bzw. 36.000 Acres. Die verbleibenden 733.891 Acres wurden in rund 1.500 Parzellen aufgeteilt.
Widerstand im Rahmen der Verfassung
Die Salish waren die ersten, die versucht haben, sich extensiver auf dem politischen Parkett zu bewegen, und zwar innerhalb des dreistufigen Regierungssystems. Schon 1906 reiste eine Delegation zu König Edward VII. nach Großbritannien, um sich für ihre Landforderungen einzusetzen. Häuptlinge der Lillooet trafen sich mit Premierminister Wilfrid Laurier 1912, doch der verlor die nächste Wahl. 1913 folgte die Nishga Petition in London, doch sie konnten nicht eingreifen, weil die unteren Gerichtsbarkeitsstufen sich zunächst hätten damit befassen müssen.
Nachdem man das Scheitern eingesehen hatte, verfolgten die meisten Stämme eine Politik der Verbindung untereinander und die Allied Tribes of British Columbia entstanden. 1923 legten sie der Regierung Forderungen vor, die sich erstmals um Entschädigung (2,5 Millionen CAD), dann um Vergrößerung des Anspruchs auf 160 Acres pro Person bei der Reservatsgröße, dazu bestimmte Jagd- und Fischrechte. Dazu kamen Bildungs- und Gesundheitshilfen. Die Regierung konterte mit dem Great Settlement von 1927, das alle Landansprüche abwies. Außerdem wurde den Indianern explizit das Engagement von Anwälten untersagt, um ihre Rechte wahrzunehmen. 1932 gründeten die Stämme die Native Brotherhood of British Columbia, die das Monatsblatt Native Voice herausgab. Dazu kam die Mitarbeit bei der Indian Homemakers’ Association und der Confederation of British Columbia Indians. 1951 konnte man durchsetzen, dass kulturelle Praktiken, wie das Potlatch, von allen Verboten befreit wurden. Die Kinder durften in öffentliche Schulen gehen, juristischer Beistand konnte eingeholt werden, dazu wurde die Strafbarkeit von Alkoholkonsum und -besitz aufgehoben.
Wirtschaftliche Veränderungen
Durch den frühen Pelzhandel kamen Prestige, Waffen und politische Macht in weniger Hände als zuvor. Dabei waren diejenigen Stämme zunächst im Vorteil, die als erste vom Pelztausch profitierten. Doch gelangten dadurch auch Weiße in ihr Gebiet und die Gefahr, von Epidemien getroffen zu werden, wuchs rapide.
Die Küsten-Salish am unteren Fraser River waren als erste betroffen. Die entstehenden Farmen machten den Indianerfrauen darüber hinaus das Sammeln und Graben unmöglich. Dann zerstörte der zunehmend industrielle Fischfang, dem die kanadische Regierung mit Restriktionen gegen die Indianer beisprang, den Fischhandel der Salish. Bauten, wie die Eisenbahnbrücke über den Fraser, zerstörten sogar die für den Fisch notwendigen Fischtreppen und beendeten damit manchen der massenhaften "fish runs". Dazu kamen Staumauern. Seen, wie der Lake Sumas wurden in den 1920er Jahren zur Gewinnung von Ackerland einfach trockengelegt.
Die Indianer verdingten sich zunehmend als Holzfäller, Sägemühlengehilfen, für eine gewisse Zeit sogar als Minenarbeiter in den Kohlebergwerken und als Seeleute. Andere arbeiteten in der Fischindustrie, die Männer meistens als Fischer, die Frauen beim Ausnehmen und Verpacken. Doch Japaner und Chinesen verdrängten sie zunächst beim Eisenbahnbau, dann in der Fischerei. Die Gesetzgebung verhinderte einen kommerziellen Fischfang bei den Indianern. Sie waren zunehmend auf Tagelöhnerei, auf ungelernte Arbeit und Saisonbeschäftigung angewiesen.
Industrialisierung durch und mit den Salish
Bis dahin versorgten Indianer, bis 1862 sogar dominierend, die wachsende Stadt Victoria mit Baumaterial, Arbeitskraft und Lebensmitteln. 1859 kampierten über 2.800 Indianer nahe der Stadt, davon vielleicht 600 Songhees, 405 Haida, 574 Tsimshian, dazu 223 Stikine River Tlingit, 111 Duncan Cowichan, 126 Heiltsuk, 62 Pacheedaht und 44 Kwakwaka'wakw. Sie hatten die Neulinge in ihr weitläufiges Handelssystem integriert. Dabei waren sie so erfolgreich, dass selbst die langwierigen Kriege weitgehend unterblieben. Die Makah gründeten 1880 die Neah Bay Fur Sealing Company und charterten das Schiff Lottie in Port Townsend. Die Lottie wurde schließlich von Häuptling James Claplanhoo gekauft, weitere drei Schoner wurden dazu erworben, schließlich die Discovery in Victoria. 1886 kaufte Häuptling Peter Brown den Schoner Champion.
Als umfangreiche Kohlevorkommen entdeckt wurden, so war das dem “Nanaimo Coal Tyee” zu verdanken, der die Hudson's Bay Company fragte, ob sie wert auf den schwarzen Berg lege, der brennt. Er selbst hatte von dort schon Kohle nach Victoria verschifft. 1852 zeigte sich Joseph MacKay, leitender Offizier in Fort Nanaimo, zufrieden mit der Arbeit der Indianer in den Gruben. Von den ersten 1400 Barrels, die zutage kamen, stammte die Hälfte von ihnen. Auch wurden viele von ihnen Mitglieder in den Gewerkschaften. 1890 wurde Thomas Salmon, Bewohner von Nanaimo, als Repräsentant der Miners and Mine Labourers Protective Association nach Ottawa gesandt.
Während des Kohlestreiks in Nanaimo von 1912-1914 weigerten sich Indianer, als Streikbrecher zu arbeiten und landeten damit auf Schwarzen Listen.
Doch die meisten Indianer arbeiteten in der Fischindustrie. Während um 1900 noch 1.500 bis 2.000 als Fischer und Ruderer arbeiteten, waren es 1929 bereits 3.632.[7] Auch hier nahmen sie bereits 1893 am ersten Fischerstreik teil. Auch an Gewerkschaftsgründungen waren sie beteiligt, wie etwa 1912 die Squamish bei der Gründung der International Longshoremen’s Association. Auch nahmen sie an den Dockstreiks in Vancouver von 1923 und 1935 teil.
Seit den sechziger Jahren wurden zahlreiche Stellen durch staatliche Mittel bei der Selbstverwaltung geschaffen. Diese Stellen hatten häufig Frauen inne. Inzwischen versuchen sich viele Stämme ökonomisch wieder unabhängiger zu machen, indem sie ihr Gebiet touristisch nutzen. Seit 1993 dürfen sie auch begrenzten Lachsfang am Fraser betreiben, der kommerziellen Zwecken dient. Jedoch gehen die Lachsbestände massiv zurück, was partiell auf die Fischzuchten zurückzuführen ist, partiell auf klimatische Veränderungen.
Wiederbelebung der Spiritualität
Die Shaker Church, die christliche und indigene, spirituelle Konzepte verbindet, basiert auf den persönlichen Todes- und Wiedergeburtserfahrungen eines Coast Salish aus dem Puget Sound namens John Slocum. Von dort breitete sich die 1882 ins Leben gerufene Lehre nach British Columbia aus.
Der winterliche Spirit Dance wurde seit den 50er Jahren neu entdeckt und erreichte in den 90ern einen ersten Höhepunkt. Schon vor der Aufhebung des Potlatch-Verbots gab es eine entsprechende Bewegung, aber als das Verbot 1951 aufgehoben wurde, durfte man wieder an die Öffentlichkeit gehen. Zehn Jahre später gab es immer noch erst rund 100 Tänzer, doch in den 90ern versammelten sich oftmals 500 und mehr Tänzer. Ein Song- und Spirit-Helfer führt in das nötige Wissen ein, Rituale wie Baden in der Wildnis, Beschränkung auf bestimmte Nahrung, sollen den Novizen in seiner Abschließung von der Umgebung stärken.
Potlatches werden mittlerweile gefeiert, wenn jemand den Namen eines Vorfahren erhalten soll, ein Begräbnis ansteht, in Gedenken an einen Verstorbenen. Aus dem gesamten Salish-Gebiet werden dazu Gäste eingeladen. Manchmal wird alles im Haus verschenkt.
Ebenfalls wiederbelebt wurden die Künste des Schnitzens, Malens und Webens. Susan Point von den Musqueam hat überregionale Bekanntheit erlangt. Dazu kommt der Kanubau. Kanufahrten ziehen mittlerweile zahlreiche Touristen an, aber es werden auch Wettbewerbe zwischen den Stämmen und Clans ausgetragen.
Powwows, stammesübergreifende Tanzversammlungen haben ebenfalls an Zulauf gewonnen. Dennoch können nicht alle Lieder gesungen und gespielt werden, da sie an Jahreszeiten oder bestimmte Zeremonien, oftmals auch an bestimmte Clans gebunden sind.
Auch die Beschäftigung mit Kultur und Geschichte hat manchen bekannt gemacht. Sonny McHalsie, ein Sto:lo, hat zahlreiche Halkomelem-Ortsnamen untersucht und dokumentiert hat, beispielsweise. Er ist bei seinem Stamm als Kulturfachmann beschäftigt.
Mission, Residential Schools, Bildung
Zum Repertoir der voreuropäischen Bildung gehörte das Rezitieren mündlicher Überlieferung, wozu Familiengeschichten, Geschichte und Genealogie, Legenden und Mythen gehörten. Diese Aufgabe oblag den Älteren, fand aber auch durch Instruktion der jungen Frauen durch ältere in den Menstruationshütten statt, bei Schamanen durch eine Art Mentor. Großeltern waren hierbei sehr wichtig. Schon als Kinder wurden die "Historiker" der Familien und Stämme ausgewählt und unterrichtet.
Die Residential Schools, deren oberstes Ziel die Assimilation an den "canadian way of life" war, wurden in den 70er und 80er Jahren geschlossen. Für die dort herrschenden Zustände haben sich sowohl die Kirchen als auch der Staat inzwischen entschuldigt und ein Programm zur Wiedergutmachung aufgelegt. Stämme, wie die Sto:lo Band auf Seabird Island boten Sprachkurse an und unterrichteten ihre Kinder selbst. Die Sprachkurse nehmen seit den 90ern stark zu, auch die Zulassungszahlen an höheren Schulen und Universitäten steigen. Dazu trug erheblich das First Nations House of Learning an der University of British Columbia bei.
Aktuelle Situation
1977 verlangte die Gitksan-Carrier Declaration: "Erkennt unsere Souveränität an, erkennt unsere Reche an, so dass wir Eure Rechte voll anerkennen können."
1982 wurden in section 35(1) des Constitution Act die Ansprüche der ursprünglichen Bevölkerung (aboriginals) grundsätzulich anerkannt und das Verhältnis zu den Regierungsebenen auf eine neue Basis gestellt. In der Delgamuukw Decision entschied das Oberste Gericht, dass vor 1871 die Rechte niemals ausgelöscht worden seien, und sie daher seit der Begründung Kanadas fortbestehen. Außerdem hielten mehrere Gerichtsurteile fest, dass den Indianern das Recht zusteht, ihre besondere Kultur ihren Kindern nahe zu bringen, wobei das Territorium integraler Bestandteil sei. Daher müsse bei jeder Entscheidung, die dieses Land betrifft, eine Konsultation mit dem betroffenen Stamm erfolgen. 1997 entschied der Oberste Gerichtshof, dass die Rechte sich auf Rechte an Land, Ressourcen und das Recht auf kulturelle Traditionen sowie auf politische Autonomie beziehen.
Diese Entscheidung bezieht sich etwa auf die Fischindustrie, die den viertgrößten Industriezweig Kanadas darstellt. Allein ein Drittel der Werte wird in British Columbia erwirtschaftet. Erst 1990 wurde in der Sparrow decision das indianische Fischereirecht anerkannt, und zwar mit einem Vorrang vor anderen ökonomischen Ansprüchen.
1993 reagierte Kanada mit der Einsetzung der B.C. Treaty Commission. Sie sollte zunächst Überlappungen der Landforderungen klären und möglichst lösen. Am Ende des sechsstufigen Prozesses sollte ein Vertrag stehen. Doch beim Vertragsprozess mit British Columbia scheiden sich die Geister. Die Zahl der Verweigerer, die der Ansicht sind, zu viele Rechte und Titel würden aufgegeben, wächst, dennoch sind die ersten Verträge so gut wie abgeschlossen. Die Sechelt hingegen unterzeichneten 1986 den Sechelt Indian Band Self-Government Act. Ob sie mehr sind, als eine Stadtverwaltung, muss sich erst noch zeigen.
Kennzeichen der Politik der Salish war lange der Druck auf lokale Verhältnisse, weniger auf die gesamt-indianischen. Doch das änderte sich. Die Musqueam-Kandidatin Wendy Grant verlor nur knapp die Wahl zum Grand Chief der Assembly of First Nations.
Einer der Stammesräte, die eine größere Gruppe von Salish vertreten, ist die 1993 gegründete Hul'qumi'num Treaty Group. Sie repräsentiert die 6.200 Mitglieder der Chemainus First Nation, Cowichan Tribes, Halalt First Nation, Lake Cowichan First Nation, Lyackson First Nation und den Penelakut Tribe. Ihnen geht es um 59.000 ha Land, das in den 1860er Jahren an Siedler verkauft worden ist, um 268.000 ha, die 1884 zum Bau der Esquimalt & Nanaimo (E&N) Eisenbahnlinie auf Vancouver Island vergeben wurden. Kohleabbau, Waldwirtschaft und andere Industrien haben von der ursprünglichen Landschaft wenig übriggelassen. So gibt es nur noch auf 0,5 % des Stammesgebiets Urwald. Die meisten Reservate sind kleiner als 40 ha. Im traditionellen Stammesgebiet sind nur noch 48.000 ha Crown Land, also 15 %. Davon sind 8.000 ha als Parks und Schutzgebiete gesichert. Über 84 % sind also in Privatbesitz, davon allein fast 200.000 ha in der Hand weniger Holzunternehmen.[8]
1994 bestand, entsprechend der veränderten Rechtslage, zum ersten Mal beim Ausbau Victorias im Rahmen des Bamberton Town Development Project Gelegenheit, praktikable Wege zu finden. Unter Federführung des Environmental Assessment Office wurde ein zusammenhängendes Projekt entwickelt, das die Forderungen der sechs betroffenen Stämme, also der Malahat, Tsartlip, Pauquachin, Tseycum und Tsawout Bands, und der Cowichan Tribes berücksichtigen sollte. Der Bericht umriss die traditionellen und aktuellen Nutzungsweisen des betroffenen Landes, betrachtete die Bedeutung für die genannten Stämme. Die Erfahrungen hieraus führten zum Schutz verschiedener Bereiche in der neu entstandenen Stadt und mündeten 1998 in einer Beteiligung der Indianer bei der Entwicklung von marinen Schutzgebieten, wie z. B. Race Rocks. Das Unterrichtsprogramm des Lester B. Pearson College schließt seitdem nicht nur biologische Inhalte ein, sondern auch kulturelle Aspekte, in diesem Fall der Becher Bay First Nations. Dabei spielt das 13-Monde-System wieder eine wichtige Rolle. Im Jahr 2000 luden die Becher Bay zu einer Feierlichkeit ein, zu der alle Involvierten erschienen. Entsprechend der Rituale dienten die jüngeren als Diener, und zwar den Ahnen, zu deren Ehrung auch Speisen verbrannt wurden.
Bei den Küsten-Salish ist die Zahl der Frauen, die als Councillors arbeiten, seit den 60er Jahren von 11 auf fast 30 % gestiegen. Die Zahl der Beschäftigten bei der Sto:lo Nation verzehnfachte sich zwischen 1990 and 1997 von etwa 20 auf rund 200. Inzwischen erhalten auch Leute Geld für nützliche Arbeiten, die sie lange ohne Bezahlung durchgeführt haben, wie Betreuung, Unterrichtung, Pflege, Landschaftsschutz usw.
Schutz des historischen Erbes
Viele Stätten des historischen Erbes stehen inzwischen unter Schutz (Heritage Conservation Act). Doch wird dieser Schutz nicht immer ernst genommen. Auf South Pender Island wurde beispielsweise 2005 der Besitzer von Luxusanlagen, Poets Cove Resort and Spa/Calgary, verklagt und verurteilt, weil er eine 1955 entdeckte und registrierte archäologische Stätte (DeRt-004, ein Dorf und eine Begräbnisstätte aus der Zeit zwischen 3000 und 2000 v. Chr.) illegal ausgehoben und einen erheblichen Teil in Tennis- und Parkplätzen vergraben hatte. Betreiber des Verfahrens war die Hul’qumi’num Treaty Group.[9]
Medien
Eine Reihe von Newsletters existiert, dazu eine Regionalzeitung, Khatou, die seit 1982 in Sechelt produziert wird. Radioprogramme wie The Native Voice setzten bereits in den 1940ern ein. In den 70ern wurde Raven das "offizielle Kommunikationsnetzwerk" der First Nations in British Columbia. Diesen Radiosendern ist zu verdanken, dass indianische Angelegenheiten, wie die Blockade einer Eisenbahnlinie in Vancouver 1993 angekündigt und publik gemacht wurden.
Das Internet wird erst seit kurzer Zeit ernst genommen. Inzwischen bauen selbst die Stämme an einer eigenen Homepage, die bisher nur wenig davon gehalten haben.
Traditionelles Territorium: ein Widerspruch
Der Kern der traditionellen gesellschaftlichlen Beziehungen, die eine Vorstellung vom Besitzrecht an einer Region ausprägen konnten, basierte in den Salish-Gruppen auf Verwandtschaft, jährlichen Wanderungen und auf ethischen Forderungen. Gerade die Verwandtschaftslinien waren aber grundsätzlich frei von räumlichen Grenzen. So entstand ein Widerspruch zwischen den klaren, kartographisch fixierten, wenn auch mit Überlappungen ausgestatteten Grenzen zwischen den "Stämmen". Dabei kollidieren westliche Vorstellungen von Eigentum, Wohngegend, Identität und Sprache mit Salish-Vorstellungen von Verwandtschaft, Abstammung, gemeinsamer Nutzung und zyklischen Jahreswanderungen, aber auch ökonomischer Ressourcen, wie Erntegebiete, spirituelle Vorstellungen, Vorfahren und Mythen.
Vor dem Hintergrund der Verhandlungen zwischen den Indianern und British Columbia im Rahmen des BC Treaty Process entstanden dadurch Strategien der Anspruchsdarlegung gegenüber dem Staat, die eine allzu klare Anspruchsposition bewirkten. So besteht der Anspruch, überlappende "Grenzen" doch möglichst bald zu klären. Zugleich wirken diese Ansprüche auf die Salish zurück, deren Vorstellungen eine solche Klärung gar nicht fordern. Grenzen sind hier grundsätzlich durchlässig, veränderlich und überlappend.
Um eine räumliche Vorstellung zu gewinnen, müsste man sich vielleicht das Land mit Nutzungszeichen übersäht vorstellen, eher jedenfalls als mit Grenzmarkierungen, Zäunen oder gar Schlagbäumen. So gesehen ist jede flächige Darstellung eines Stammesgebiets, erst rechte jede "Klärung" der Grenzen zwischen den Stammesgruppen, eine Anpassung an europäisches Denken. Die Salish betrachten ihre Gebiete eher als regionale Verantwortungsbereiche, die ihnen Lebensgrundlagen, Raum für jahreszeitlich-naturbedingte Wanderungen, Nutzungsrechte und spirituelle Orte liefern. So entsteht ein Netzwerk geteilter, verwandtschaftsbasierter und eher punktueller Verantwortlichkeiten überschaubarer sozialer Gruppen.
Die ethnographische Herangehensweise an Landhaltesysteme betrachtete hingegen den Rechtsprechungsraum von Abstammungs- und Wohn-Gruppen mit engen Beziehungen und Landeigentum. Dazu gehörten aber symbolische Kontrolle durch Benennung und auf Rechte hinweisende Geschichten, durch rituelle und ökologische Kenntnisse und die Ausübung tatsächlicher Kontrolle sowie den Ausschluss anderer. Dieser Ausschluss, auch das Durchqueren bestimmter Gebiete, konnte notfalls mit Gewalt durchgesetzt werden.
Dabei ist die Abgrenzung von Kerngebieten meist noch vergleichsweise einfach. Die in einem Gebiet wohnenden Gruppen besaßen dort gemeinsames Eigentum, teilten Sprache, Dialekt oder Mundart. Bei Überschneidungen gehörte ein bestimmtes Gebiet eben verschiedenen Gruppen, bzw. sie genossen dort bestimmte Rechte. Diese Rechte wurden in ihrer Gültigkeit durch Rituale und Zeremonien beständig verlängert und mehr oder minder öffentlich verdeutlicht. Diese Rechte gehörten dabei bestimmten Vorfahren, die ihre Rechte an die Heutigen vererbt haben. So werden Territorien zu Räumen von Itinerarien entlang vererbter Rechte und Pflichten. Und so können auch mehrere Stämme ein Gebiet oder eine bestimmt Stätte gemeinsam besitzen.
Jenseits dieser engeren Gebiete gibt es den Bereich der verfügbaren Verwandtschaft bis weit hinein in "fremde" Gebiete, das gemeinsame Verteidigungsgebiet, der Einzugsbereich regelmäßiger Potlatche, ja, die Bereiche von Kanu-Wettbewerben, nicht zu vergessen des traditionellen Reise- und Handelsgebiets, die Gemeinsamkeiten schaffen. So entsteht ein System ineinander gefügter "Grenzen".
Dazu kommt ein weitres Konstrukt, nämlich der Begriff "traditionell". Er erweckt den Anschein einer festen, unverrückbaren Fügung in einem Gebiet, in dem auch vor der europäischen Masseneinwanderung eine hohe Fluktuation mit beweglichen Ansprüchen existierte.
Territorium ist also gewissermaßen keine Beziehung zu einem Rohstoff sondern eine Art, Verwandtschaft zu ordnen und Beziehungen zu teilen. Dabei ist die Art, wie die Rollen von Gast und Gastgeber wahrgenommen werden, äußerer Ausdruck dieser Beziehungspflege.
Bei den Cowichan ist der Begriff für Grenze dementsprechend xutsten', also so etwas wie Zeichen, Marke, Anzeiger. Auch der Begriff q’uluxutstun existiert, der soviel wie Zaun oder Einzäunung bedeutet. Doch diese Zäune waren ausschließlich für Tiere gedacht.
Der Indian Act trennte nicht nur Stämme, sondern auch Indianer innerhalb der Reservate (on reserve) und außerhalb (off reserve), schuf also neue soziale Grenzen ausschließlich entlang des fremden Konstrukts der (Reservats-)Grenze. Außerdem sahen sich Menschen, die in verschiedenen Stämmen Verwandte hatten, plötzlich nur einer dieser Gruppen zugeordnet. Daher kommen auch die statistischen Probleme, die das Ministry of Indian and Northern Affairs hat, das immer genau differenziert, wer innerhalb und wer außerhalb des Reservats lebt, und vor allem, wer in "anderen" Reservaten lebt. Vor diesem Hintergrund eine geradezu unsinnige Kategorie, die dennoch ihre Auswirkungen hatte. So durfte lange Zeit nur derjenige Indianer an den Wahlen der Chiefs (Häuptlinge) teilnehmen, der auch im Reservat gemeldet war und den formalen Status eines Indianers besaß.
Früher war Verwandtschaft die Voraussetzung, um überhaupt reisen zu können. Man musste am Zielort nur Verwandte aufweisen können. Eine soziale Welt, deren Hauptkriterium Verwandtschaft ist, kollidiert beständig mit Reservatsgrenzen, Territorien, internationalen Grenzen, vor allem der zwischen Kanada und den USA.
Grenzen werden dann virulent, wenn es um Übernutzung von natürlichen Ressourcen geht. So werden gelegentlich die Nachbarn ausgesperrt, um Überfischung zu verhindern. Sie schaffen aber auch eine aufgezwungene Distanz zwischen den Stämmen.
Als die nördlichen Stämme auf einer ihrer Sklavenjagdfahrten nach Süden kamen, trafen sie zuerst auf die Lyackson. Die Chemainus holten die Überlebenden zu sich. Als die Nachkommen dieser Überlebenden von Tyhus befallen wurden, flohen sie nach Gabriola Island, nach False Narrows. Dort beerdigten sie die Toten und die, die unterwegs gestorben waren. Dort liegen also heute noch Lyackson-Gräber. Dabei verwiesen die Nachkommen, die ja längst zu den Chemainus zählten, in ihren Berichten und Geschichten immer von der Tatsache, dass diese Lyackson ihre Vorfahren seien. Dort lag ihre rituelle Maske und von dort kommt das Lieder für den Maskentanz. So blieb immer klar, dass es keine verschiedenen Nations gab, sondern dass die Verwandtschaft alle mit allen verband. Kam Besuch aus einer anderen Verwandtschaftsgruppe, so gehörte er zur Familie. Manchem wurde sogar ein ganzes Haus freigehalten, falls er zu Besuch kommt. Grenzen hingegen trennen solche Verbände.
Daher sind Grenzen für manchen eine koloniale Strategie. Indian Affairs versucht den Salish einzureden, sie gehörten nur zu einem Stamm, doch das ist so gut wie nie der Fall. "Am I going to be divorced from all my family ties?" fragte einer der Salish angesichts der Tatsache, dass er Vorfahren aus einem halben Dutzend verschiedener Salish-Stämme hatte.
Einige der Stämme sind durch den Indian Act definiert, wie die Tsawwassen oder Snuneymuxw First Nation, andere sind eher Teil einer linguistischen oder kulturellen Gruppe, wie die Hul’qumi’num Treaty Group, wieder andere sind politische Bündnisse, die kulturelle oder Sprachgrenzen überschreiten, wie die Te’mexw Treaty Association. Dies widerspricht den Empfehlungen der Royal Commission on Aboriginal People von 1996. Sie wollte den Akzent auf selbst definierte Aboriginal Nations setzen.
Die Küsten-Salish haben versucht, ihre territorialen Ansprüche so auszudrücken, dass sie in die Welt der Verwaltungsorganisationen passten, zugleich aber die facettenreiche Beziehung zum Land zu vermitteln. Dabei orientierten sie sich oftmals an Entwässerungsgebieten von Flüssen, in denen sie lebten.
2001 entwarf die Hul’qumi’num-Gemeinschaft eine Karte, die auch marine Territorien einschloss. Die Benennung als s’olh tumuhw oder stl’ulnup machte schon große Schwierigkeiten, da sie die Bedeutung des Begriffs Gebiet verschieden akzentuieren. Letzterer Begriff betont viel stärker die Vorstellung, dass auch alles im Boden dem Anspruch unterliegt.
Doch besteht die Befürchtung, dass die Verwandtschaft als Prinzip geschwächt, die Beschränkung auf Rechte in einem begrenzten Gebiet dagegen gestärkt wird. Andere fürchten, dass die römische Taktik des "divide et impera", der Aufteilung des Salish-Gebiets jeden einzelnen Stamm scharf definiert und abgrenzt, womit jeder Einzelstamm für sich (gegen die Regierung) steht, zugleich aber leicht Animositäten untereinander entstehen könnten. Außerdem werde der Platz für zukünftige Generationen auf immer festgelegt, egal, wie zahlreich die Nachkommen einst sein mögen.
Die Karte der Küsten-Salish umreißt dagegen eine Linie um alle Salish-Gebiete. Dort finden sich Hinweise auf sprachliche Unterschiede, wie das Island, Downriver und Upriver Halkomelem oder Linien zu Jagd und Handelsgebieten wie Kamloops, Yakima und Warm Springs in Oregon. Doch dieser Riesenanspruch traf seitens der Salish und vor allem der Regierung auf Widerstand. Vielleicht können Überlappungen von Stammesgrenzen eher als breite Zonen von Einschließung, Anerkennung und Gegenseitigkeit aufgefasst werden.
Anmerkungen
- ↑ Vgl. McMillan.
- ↑ Dies und das Folgende nach Ryan Spady, Archaeological Impact Assessment. Sonora Enterprises and Woodbrook Aggregates' Proposed Gravel Pit Expansion Near Deroche, B.C., Februar 2007.
- ↑ Vgl. [1].
- ↑ Fraser 119 u.a. Vgl. Barbara Huck, The hair of the dog: was it a sheep or a dog? online: [2].
- ↑ Pascoe Anm. 110.
- ↑ Reuben Ware, The Lands We Lost: A History of Cut-Off Lands and Land Losses from Indian Reserves in British Columbia. Vancouver: Union of B.C. Indian Chiefs 1974, 4f.
- ↑ Rolf Knight, Indians at Work: An Informal History of Native Labor in British Columbia. Vancouver: New Star Books 1996, 186.
- ↑ Vgl. die Angaben auf der Homepage des Stammesrats: [3].
- ↑ Vgl. (PDF): [4]. Zur Lage der archäologischen Stätten vgl. (PDF): [5].
Literatur
- Charles Hill-Tout, The Salish People, Bd. 3: The Mainland Halkomelem, Hg. Ralph Maud (Hill-Tout, geb. 1858, erarbeitete seine vierbändige Studie über die Salish 1885-1911.)
- Homer G. Barnett, The Coast Salish of British Columbia, University Press, Oregon 1955
- Joanne Drake-Terry, The Same as Yesterday: A Lillooet Chronicle of the Theft of Their Lands and Resources, Lillooet 1989
- The Sto:lo in Canada’s Pacific Coast History, Hg. Keith Carlson, Chilliwack, B.C. 1997
- Wilson Duff / Wayne Suttles, Katzie Ethnographic Notes/The Faith of a Coast Salish Indian, Victoria, 1955
- Diamond Jenness, Our Tellings: Interior Salish Stories of the Nlha’kapmx People, Vancouver, 1995)
- Alan D. McMillan, Changing Views of Nuu-Chah-Nulth Culture History: Evidence of Population Replacement in Barkley sound, in: Journal of Canadian Archeology 22 (1998)
- R. G. Matson/Gary Coupland, The Prehistory of The Northwest Coast. San Diego: Academic Press 1995
- Anita Pascoe, Recapturing the History and Rights of First Nations Peoples of British Columbia: A Political Analysis of Past and Present Relationships with the Dominion of Canada, Victoria , digital (PDF, 1,2 MB): [6].
- Wayne Suttles, Coast Salish Essays, Vancouver 1987
- Wayne Suttles, The Early Diffusion of the Potato among the Coast Salish, in: Southwestern Journal of Anthropology, 7/3 (1951) 272-288
- Paul Tennant, Aboriginal Peoples and Politics: The Indian Land Question in British Columbia, 1849–1989, Vancouver 1990
- Handbook of North American Indians, Bd. 7, Washington 1990