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Cautio Criminalis

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Friedrich Spee: Cautio Criminalis, Rinteln 1631
Cautio criminalis seu de processibus contra Sagas Liber

deutsch

Cautio criminalis oder rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse

Mit diesem Werk trat der Jesuit Friedrich Spee von Langenfeld als erster der Praxis der Hexenprozesse entgegen und trug damit entscheidend zum Ende des Hexenwahns in Deutschland bei. Das Buch wurde 1631 in der Universitätsdruckerei von Petrus Lucius in Rinteln an der Weser gedruckt, erschien zunächst anonym und erfuhr bis 1699 28 Neuauflagen.

Überblick

Einige Veröffentlichungen zum selben Thema

1487 erschien der Hexenhammer (Malleus malleficarum) von Heinrich Institoris. Dieses Buch war zwar nicht der Auslöser für die Verfolgung angeblicher Hexen, es bewirkte aber eine enorme Verschärfung. 1598 veröffentlichte Anton Praetorius seinen „Gründliche[n] Bericht von Zauberey und Zauberern“, 1635 erschien Johann Matthäus Meyfarts „Christliche Erinnerung [...] das abscheuwliche Laster der Hexerey“. Zwei Jahre vorher datiert Spees anonymes Werk.

Situation

Der Hexenwahn erreichte seinen Höhepunkt zwischen dem Spätmittelalter und der frühen Neuzeit, d.h. zwischen dem 14. und der Mitte des 17. Jahrhunderts. Die Prozesse basierten hauptsächlich auf durch Folter erpressten Geständnissen. Wahrscheinlich starben mehrere zehntausend Menschen aufgrund von derartigen Verurteilungen.

In einer Zeit, in der die Hexenverfolgung ihre grausamsten Triumphe feierte, wandte sich Spees Schrift als erste gegen die Praxis der Hexenprozesse. Ein Titel wie "Gegen den Hexenwahn" hätte gegen die allgemeine Überzeugung verstoßen. Schon die Bezeichnung cautio – Vorsicht konnte den Verfasser (sowie Drucker und Verleger) in Verdacht bringen, Hexen in Schutz zu nehmen und so die Partei des Satans zu stärken. Darum konnte Spee seine Schrift nur anonym erscheinen lassen. Er stellte nicht in Frage, dass Menschen mit Teufels Hilfe zauberische Fähigkeiten haben könnten. Aber um solche Hexen und Hexenmeister im Einzelfall zu erkennen, seien die in Hexenprozessen angewandten Verfahren nicht tauglich. Mit den körperlichen Qualen der Folter könne man jeden Menschen zu jedem beliebigen Geständnis zwingen. Er polemisierte rhetorisch mit dem Gedankenexperiment, man möge ihm irgendein wie auch immer monströs geartetes, fiktives Verbrechen nennen, dazu eine willkürlich des Verbrechens beschuldigte Person, und mit Hilfe der Folter werde er immer die Schuld beweisen können, andernfalls solle man ihn selbst auf dem Scheiterhaufen verbrennen.

Das Werk wurde in verschiedene Sprachen übersetzt und hatte großen Erfolg: Nicht nur, dass sich andere im Kampf gegen die Hexenprozesse ihrer bedienten, einige Fürsten Deutschlands setzten unter ihrem direkten Einfluss in ihrem Herrschaftsgebiet den Hexenprozessen ein Ende. Auch die römische Inquisition stützte sich auf die cautio criminalis, um ihren vergleichsweise gemäßigten Standpunkt hinsichtlich der Hexenverfolgung zu festigen. Hermann Schmidt übersetzte 1649 die Cautio Criminalis komplett ins Deutsche.

Argumente

Die Cautio criminalis verbindet scharfsinnige Argumentation mit geschickter Rhetorik. Spee argumentiert gegen die Folter und verlangt ihre Abschaffung wie folgt:

27. Ist die Folter ein geeignetes Mittel zur Enthüllung der Wahrheit?
Bei der Folter ist alles voll von Unsicherheit und Dunkel [...]; ein Unschuldiger muß für ein unsicheres Verbrechen die sichersten Qualen erdulden.
28. Welches sind die Beweise derer, die sofort die auf der Folter erpressten Geständnisse für wahr halten?
Auf diese Geständnisse haben alle Gelehrten fast ihre ganze Hexenlehre gegründet, und die Welt hat's ihnen, wie es scheint, geglaubt. Die Gewalt der Schmerzen erzwingt alles, auch das, was man für Sünde hält, wie lügen und andere in üblen Ruf bringen. Die dann einmal angefangen haben, auf der Folter gegen sich auszusagen, geben später nach der Folter alles zu, was man von ihnen verlangt, damit sie nicht der Unbeständigkeit geziehen werden. [...] Und die Kriminalrichter glauben dann diese Possen und bestärken sich in ihrem Tun. Ich aber verlache diese Einfältigkeit. [...]
29: Muss die so gefährliche Folter abgeschafft werden?
Ich antworte: entweder ist die Folter gänzlich abzuschaffen oder so umzugestalten, dass sie nicht mit moralischer Sicherheit Unschuldigen Gefahr bringt. [...] Man darf mit Menschenblut nicht spielen, und unsere Köpfe sind keine Bälle, die man nur so hin und her wirft. Wenn vor dem Gericht der Ewigkeit Rechenschaft für jedes müßige Wort abgelegt werden muss, wie steht's dann mit der Verantwortung für das vergossene Menschenblut? [...]

(Zitiert nach Diel, Friedrich Spee, Freiburg 1901, S. 90-92)[1]

Einzelnachweise

nix

Literatur

Textausgaben

  • Friedrich von Spee: Cautio Criminalis oder rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse. Dtv, München 2000, ISBN 3-423-30782-X
  • Friedrich von Spee: Sämtliche Schriften. Historisch-kritische Ausgabe. Francke, Tübingen

Sekundärliteratur

  • Johannes B. Diel: Friedrich Spee. Eine biographische und literaturhistorische Skizze. 2. Aufl. Herder, Freiburg/B. 1901
  • Italo Michele Battafarano: Spees Cautio criminalis. Kritik der Hexenprozesse und ihre Rezeption. Università degli Studi di Trento, Facoltà di Lettere, 1993
  • Christian Feldmann: Friedrich Spee, Hexenanwalt und Prophet. Herder-Verlag Freiburg/B. 1993. ISBN 3-451-22854-8
  • Helmut Weber, Gunther Franz: Friedrich Spee (1591 - 1635). Friedrich-Spee-Gesellschaft, Trier 1996, ISBN 3-87760-084-0
  1. Johannes Baptista Diel S.J., Friedrich Spee: Eine biographische und literarhistorische Skizze. Freiburg 1872, Ausgabe 1901.