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Grafschaft Ziegenhain

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Ein seit dem 9. Jahrhundert nachweisbares Geschlecht, Nachkommen der Grafen von Reichenbach, nannte sich seit dem Jahr 1144 nach der von Gottfried I. erbauten Burg Ziegenhain, im heutigen Stadtteil Ziegenhain der Stadt Schwalmstadt, „Grafen von Cigenhagen“. Gelegentlich nannten sie sich von 1144 bis 1220 auch Grafen von Wegebach, einer erstmals 1144 urkundlich erwähnten und 1308 „villa“ genannten Siedlung 1 km nördlich von Ziegenhain, in der Gottfried I. zunächst residiet hatte und die etwa Ende des 15. Jahrhunderts zur Wüstung wurde. Das Wappen der Grafen zierte ein sechsstrahliger silberner Stern im schwarz und gold (gelb) geteilten Schild.

Geschichte

Im 12. Jahrhundert bauten die Grafen von Ziegenhain auf der Grundlage einer Stiftsvogtei über das Kloster Fulda sowie von Allodbesitz, Reichsgut und Mainzer, Fuldaer und Hersfelder Lehen ein geschlossenes Herrschaftsgebiet zwischen Burgwald und Knüll auf, das Niederhessen fast völlig von Oberhessen trennte. Lediglich ein kleines Gebiet um die Burg Staufenberg bei Gießen blieb Exklave inmitten landgräflich thüringischen bzw. später hessischen Gebiets.

Im Jahre 1205 erbte Graf Rudolf II. dazu die Grafschaft Nidda in der Wetterau, da er die Schwester des letzten Grafen von Nidda, Berthold II., der ohne männliche Erben gestorben war, geheiratet hatte.

Die Grafschaft erlitt erheblichen Gebietsverlust als Folge der Heirat im Jahre 1186 von Lukardis, Tochter des Grafen Gozmar III., mit Friedrich, dem Sohn des Landgrafen von Thüringen. Diese Heirat erbrachte den Ludowingern Erbansprüche auf Reichenbach, Wildungen, die Burg Keseberg, die starke Burg Staufenberg sowie Ziegenhain und Treysa. Gozmars Bruder und Nachfolger Rudolf II. wehrte sich zwar vehement gegen diese Ansprüche, seine Enkel und Nachfolger Gottfried IV. und Berthold I. mussten aber 1233 in einem mit Landgraf Konrad von Thüringen, dem damaligen Statthalter der Ludowinger in Hessen, in Marburg ausgehandelten Vertrag auf Reichenbach, Wildungen, die Burg Hollende und die südwestliche Hälfte der Vogtei Keseberg verzichten. 1263 verzichtet Graf Ludwig von Ziegenhain zugunsten des Bischofs von Speyer auf seine Rechte an Burg Hornberg.

1279 gingen die Vogtei über das Kloster Fulda an das Kloster selbst und 1294 das Amt Neustadt östlich von Marburg an das Erzbistum Mainz verloren. Im Mai 1344 verkaufte Graf Johann I. alle verbliebenen Rechte der fuldischen Schirmvogtei an die Abtei selbst, womit der Fürstabt von Fulda nach der Zahlung der gesamten Kaufsumme im Jahre 1346 vollkommene Unabhängigkeit von den Grafen von Ziegenhain und Nidda erlangte. Allerdings behielten die Grafen das erbliche Amt des fuldischen Marschalls, zu dessen Aufgaben die Disziplinargerichtsbarkeit über die fuldische Ritterschaft, der Vorsitz auf Landtagen und das Aufgebot des Lehnsadels und der Ministerialen gehörten.

Von 1258 bis 1330 war die Grafschaft geteilt, nachdem die Söhne der bis dahin gemeinsam regierenden Brüder Gottfried IV. und Berthold I. sich das Erbe teilten. Gottfrieds Sohn Ludwig II. regierte in Nidda, wo ihm sein Sohn Engelbert folgte. Bertholds Sohn Gottfried V. erhielt Ziegenhain, wo ihn sein Sohn Gottfried VI. beerbte. Im Jahre 1330 kam es zur erneuten Vereinigung beider Landesteile, da Johann I. von Ziegenhain, der Sohn Gottfrieds VI., im Jahre 1311 die Erbtochter Lukardis (Luitgart) des letzten Niddaer Grafen Engelbert I. aus dem Hause Ziegenhain geheiratet hatte.

Verhältnis zur Landgrafschaft Hessen

Die geographische Lage Ziegenhains zwischen den beiden Hälften der Landgrafschaft Hessen brachte die Grafen von Ziegenhain in eine Konkurrenz- und Konfliktsituation mit der Landgrafschaft, die versuchte, ihre zwei großen Landesteile über das Gebiet der Ziegenhainer zu vereinigen. Die Grafen von Ziegenhain waren daher häufig in kriegerische Auseinandersetzungen mit Hessen verwickelt. Höhepunkt der Feindseligkeiten war die Ziegenhainer Mitgliedschaft und die Führungsrolle Graf Gottfrieds VII. im Sternerbund (1370-1381), einer gegen die Landgrafen von Hessen gerichteten Koalition von Grafen, Burgherren und Abteien, die allerdings letzten Endes gegen Landgraf Hermann II. von Hessen unterlag.

Die permanente Bedrohung durch die Landgrafschaft Hessen legte eine Koalition mit dem stärksten Gegner der Landgrafschaft, dem Erzbistum Mainz nahe, mit dem Hessen vom 13. bis Anfang des 15. Jahrhunderts wegen beiderseitiger Hegemoniebestrebungen in Nord- und Mittelhessen im Konflikt lag. Nach den entscheidenden Siegen von Landgraf Ludwig I. über den Mainzer Dompropst Gottfried von Leiningen 1427 in der Schlacht bei Fritzlar (23. Juli) und über Leiningen und den Erzbischof Konrad III. von Dhaun bei Fulda (10. August) musste Graf Johann II. von Ziegenhain 1437 seine Grafschaft von Hessen zu Lehen nehmen.

Erbfolgestreit

Der letzte Graf von Ziegenhain, Johann II. („der Starke“), starb 1450 ohne männliche Erben, was zu einer langen und erbitterten Auseinandersetzung zwischen zwei potentiellen Rechtsnachfolgern führte:

Den Hohenlohern gelang es zunächst, von Kaiser Friedrich III. mit Ziegenhain als Reichslehen beliehen zu werden, was Ludwig von Hessen jedoch ignorierte. Der Erbstreit dauerte bis 1495, führte zu kriegerischen und rechtlichen Auseinandersetzungen, und endete mit dem Sieg Hessens. Das Ziegenhainer Territorium blieb bei der Landgrafschaft. Seit dieser Zeit ist im Haus Hessen „Graf zu Ziegenhain“ ein Teil des Namens und wird bis heute geführt. Die Hohenloher behielten allerdings den begehrten Grafentitel, den sie durch die Belehnung mit der Ziegenhainer Grafschaft erst erlangt hatten, und führten den sechsstrahligen Ziegenhainer Stern weiter in ihrem Wappen.

Bekannte Mitglieder der Hauses Ziegenhain

Literatur

  • Martin Röhling, Die Geschichte der Grafen von Nidda und der Grafen von Ziegenhain, Niddaer Geschichtsblätter Nr. 9, Hg. Niddaer Heimatmuseum e.V., Nidda 2005 ISBN 3-9803915-9-0
  • Gerhard Köbler, Historisches Lexikon der deutschen Länder, 4. Aufl., 1992
  • Gerhard Taddey, "Wie die Hohenloher Grafen wurden", in: Beiträge zur Landeskunde. Regelmäßige Beilage zum Staatsanzeiger für Baden-Württemberg. Nr. 5 (1976), S. 1 – 9.
  • Friedrich-Wilhelm Witzel: Die Reichsabtei Fulda und ihre Hochvögte, die Grafen von Ziegenhain im 12. und 13. Jahrhundert, Fulda 1963 (41. Veröff. des Fuldaer Geschichtsvereins).