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Erlösung

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Der Begriff Erlösung wird fast ausschließlich im religiösen Zusammenhang benutzt. Man versteht darunter die umfassende und ganzheitliche Herausnahme des Menschen aus einem Zustand der Unfreiheit, Bedrängung und Entfremdung, sowie das Hineingenommenwerden in einen Status des endgültigen Befreit- und Angenommenseins.

Die Erlösung kann als Selbsterlösung konzipiert sein (z.B. durch Gnosis) oder als Tat eines anderen (Jesus Christus, eines Gottes, anderer Kräfte) verstanden werden.

Hinter der Idee der Erlösung steht u.a. das in der Antike gebräuchliche Freikaufen eines Sklaven, also das Kaufen und anschließende Freilassen.


Erlösung im Christentum

Allgemeines

Im christlichen Verständnis ist der Mensch aufgrund seiner Trennung von Gott und der Verstricktheit in die Sünde, sowie des leidvoll-bedrohten Zustandes der Welt, angewiesen auf die Erlösung durch Gott. Diese wird bewirkt durch die Erlösungstat Jesu Christi, der am Kreuz das Versöhnungs- und Erlösungsopfer für die ganze Menschheit dargebracht hat. In Jesus Christus ist das Reich Gottes bereits angebrochen; seine Vollendung findet es, wenn Jesus als Herr und König wiederkommt, um über die Lebenden und die Toten zu richten. Der Mensch ist auf die Gnade Gottes angewiesen und ohne diese nicht in der Lage, die Erlösung zu erlangen.

Historische Debatten

Die Lehre von der Erlösung (Soteriologie) war seit jeher einer der umkämpftesten theologischen Felder im Christentum. So tauchte bereits in der Urkirche das Problem auf, ob Heiden zunächst zum Judentum konvertieren müssten, um Christen zu werden. Dies wurde vom Apostelkonzil in Jerusalem abgelehnt (siehe Apg 15). In den Briefen des Apostels Paulus ist das Heil von Heiden wie Juden in Jesus Christus eines der zentralen Themen.

In den folgenden Jahrhunderten des Christentums tauchten immer wieder Lehren auf, die entweder das Angewiesensein der Menschen auf die Gnade Gottes ablehnten (Pelagianismus) oder aber bestimmte Menschengruppen vom Heil ausschließen wollten (z. B. der Donatismus). Ebenfalls als Irrlehre verurteilt wurden Lehren, die letztendlich die Rettung aller Menschen ohne Ausnahme lehrten (Allversöhnung).

Augustinus entwickelte im 4. und 5. Jahrhundert die für die Westkirche in weiterer Folge prägende Erbsündenlehre. Er nahm dabei etwa auch an, dass ungetaufte Kinder wegen ihres Behaftetseins mit der Erbsünde auf keinen Fall in den Himmel kommen könnten; dieser Teil seiner Lehre wurde vom kirchlichen Lehramt jedoch nicht übernommen.

In der Reformation gelangte die Soteriologie erneut in das Zentrum der theologischen Debatten. Martin Luther verkündete die Lehre, wonach der Mensch "allein durch den Glauben" (sola fide) gerettet würde. Calvin lehrte wiederum die "doppelte Prädestination", nach Gott einen Teil der Menschen zum Heil, einen anderen Teil zur Verdammnis auserwähle, ohne dass diese selbst etwas dazu beitragen oder etwas dagegen tun könnten. Christus ist nach dieser Lehre nur für die Geretteten gestorben, nicht jedoch für alle Menschen. Eine ähnliche Lehre verkündete der Jansenismus im 17. Jahrhundert, der sagte, dass der Mensch deswegen sündigte, weil er nicht genug Gnade von Gott erhalten hatte, um der Sünde zu widerstehen.

Heutige konfessionelle Unterschiede

Vorreformatorische Kirchen

Nach der Lehre der vorreformatorischen Kirchen (katholische Kirche, orthodoxe Kirche, orientalische Kirchen) dient die von Christus eingesetzte und daher heilige Kirche durch ihre Sakramente als Werkzeug der göttlichen Gnade, ohne die (die Gnade) der Mensch nichts vollbringen kann. Der Empfang der Taufe bzw. der implizite oder explizite Wunsch danach ("Wunschtaufe") ist heilsnotwendig. Der Empfang der göttlichen Gnade in den Sakramenten ermöglicht es dem Menschen, gottgefällig zu leben und das ewige Heil zu erlangen. Gleichzeitig ist es dem Menschen aber immer möglich, sich aus freien Stücken von Gott abzuwenden und dadurch das Heil zu verfehlen.

Es gibt gleichzeitig auch starke Unterschiede zwischen der östlichen und westlichen kirchlichen Tradition, etwa in der Betrachtung der Erbsünde (der in der westlichen Tradition eher mit einem "Makel", in der östlichen eher mit dem Tod assoziiert wird). Im Osten spielt zudem die Erlösung der gesamten Schöpfung durch Christus eine zentralere Rolle in der Spiritualität als im Westen. Zudem ist die Bereitschaft, die Frage, wer zum Heil gelangen kann, zu beantworten, in der katholischen Kirche deutlich ausgeprägter als in den Ostkirchen (siehe extra ecclesiam nulla salus).

Die Soteriologie der vorreformatorischen Kirchen musste generell immer auf der einen Seite die Freiheit des Menschen in Betracht ziehen, andererseits aber auch die Allmacht und die Freiheit Gottes in der Auserwählung jener, die gerettet werden. Dabei sind eine Reihe von Herangehensweisen möglich. Selbst innerhalb der Westkirche existiert eine Anzahl soteriologischer Positionen nebeneinander (Thomismus, Molinismus, Augustinianismus).

Kirchen und Gemeinschaften der Reformation

Obwohl die Reformatoren und in ihrem Gefolge die traditionellen protestantischen Kirchen die Taufe nach wie vor für heilsnotwendig halten, stellte vor allem Luthers "sola fide"-Lehre implizit die persönliche Beziehung zu Gott als alleinigen Weg zum Heil dar. Dies führte in der Reformationszeit zunächst zur Enstehehung von - damals von den Reformatoren abgelehnten - Wiedertäuferbewegungen und in späteren Jahrhunderten zur Herausbildung einer Reihe von baptistisch geprägten Gemeinschaften, die die Erwachsenentaufe praktizieren. Statt einem sakramentalen Verständnisses wird die Taufe hier als bloß äußerliches Zeichen einer inneren Umkehr zu Gott gesehen, die eigentlich konstitutiv für das Heil ist. Eine Radikalisierung dieses Zugangs findet sich in der "once saved always saved"-Lehre, wonach jemand, der sich einmal zu Gott bekehrt hat, auf jeden Fall in den Himmel kommt und nicht mehr abfallen kann.

Erlösung im Judentum

Im Achtzehnbittengebet wird - von orthodoxen Juden täglich - für das Kommen eines goél, d.h. eines "Erlösers" bzw. Messias gebetet. Einige Reformgemeinden verwenden stattdessen den Begriff geula, "Erlösung".

Der Prozess der Erlösung wird im Allgemeinen mit dem Ausdruck Tikkun bzw. Tikkun Olam, d.h. Verbesserung (der Welt), bezeichnet und bezieht sich stets auf das Diesseits. Die Idee des Tikkun spielt in der Kabbala eine bedeutende Rolle und wurde vor allem von Isaak Luria und seinen Schülern im 16. Jahrhundert weiter entwickelt.

Erlösungsgedanke des Islam

Auch der Islam kennt keine Erbsünde. Zwar erinnert der Koran ( 7,19-25; 2,35-39; 20,117-124) an Sündenfall und Vertreibung aus dem Paradies (Gen 3,1-24), doch übernimmt er nicht die paulinische Lehre von der Erbsünde (Röm 5).
Alle Sünden werden somit vom Menschen selbst auf Erden angesammelt. Aus dieser Selbstverschuldung erwächst auch die Selbstverantwortung für das jeweilige Tun und Lassen des einzelnen Menschen. Somit ist der Islam notwendigerweise keine Erlösungstheologie.
Der Mensch ist aus eigener Kraft dazu imstande, das Heil zu erlangen. Dazu berdarf es auch keines Mittlers, obwohl Mohammad Fürsprache (shafa'a) leisten kann. Zusätzlich besteht die Hoffnung auf Sündenerlaß durch Barmherzigkeit und Vergebungsbereitschaft Gottes.


Erlösungsgedanke im Buddhismus

Im Buddhismus steht der Gedanke der Erlösung (Erleuchtung) im Zentrum der Lehre (Dhamma). Die menschliche Existenz (wie jegliche Existenz) wird als grundsätzlich leidhaft (Dukkha) angesehen. Die einzige Möglichkeit diesem Leiden zu entrinnen ist die (buddhistische) Praxis. Im Unterschied zur christlichen Lehre bedarf es allerdings keines Erlösers (Gott), sondern der Mensch ist durch sich selbst befähigt die absolute Befreiung zu erlangen.

Dabei gibt es verschiedene Vorstellungen, je nach Schule (Buddhismus - Schulen und Systeme):

Theravada Buddhismus

Der in Abgeschiedenheit und Askese lebende Mönch ist (im Unterschied zum "normal" lebenen Menschen) in diesem Leben zur Erleuchtung befähigt. Die Praxis besteht grob gesagt aus drei Teilen: Sittliches Handeln, Meditation und Einsicht. Wenn der Mönch im Zuge dieser Praxis jegliche "Unreinheit des Geistes" (Gier, Hass, Verblendung) in sich eliminiert hat, erlangt er die Erleuchtung und geht nach seinem Tod in das Nibbana (Pali) oder Nirwana (Sanskit) ein. Das bedeutet, dass er vom Kreislauf der Wiedergeburten (Samsara) befreit ist und nicht mehr in einer der in der buddhistischen Kosmologie vorgesehenen Ebenen der Existenz wiedergeboren werden muss. Dabei darf die Vorstellung der Wiedergeburt nicht mit der Vorstellung der "Seelenwanderung" im Hinduismus verwechselt werden. In nächste Leben übertrage wird nämlich nicht eine "Seele", sondern lediglich "karmische Potentiale" oder "karmische Energie", die sich in einer neuen Existenz manifestiert. Je positiver diese Potentiale sind (im Sinne von guten, heilsamen Taten in der früheren Existenz), desto besser und angenehmer wird die darauf folgende Existenz sein. Je "höher" die Existenz, desto besser werden die Voraussetzungen für die Erleuchtung angesehen. Die menschliche Existenz wird in der buddhistischen Vorstellung als ideale Voraussetzung für die Erlangung der Erleuchtung angesehen, da, wie gesagt wird, genügend Leiden vorherrscht, um die Dringlichkeit für die Praxis zu erkennen, und andererseits aber auch genügend Annehmlichkeiten existieren, um nicht im Leiden total zu versinken.

Kritik

Gewisse Vorstellungen des Buddhismus sind aus westlich-psychologischer Sicht problematisch. In erster Linie ist hier anzuführen, dass die buddhistische Lehre (vereinfacht ausgedrückt) davon ausgeht, dass ein "Ich" oder "Selbst" nicht existiert. In seiner radikalen Ausformung zielt der Buddhismus auf die Vernichtung der Vorstellung eines eigenen Ichs, ja die Definition von Erlösung besteht gerade darin, die Nichtexistenz eines Selbst zu erkennen oder zu durschauen (Nicht-Ich oder Anatta).

Dieses Selbst, welches aus der Anhaftung an die fünf Daseinsgruppen (Skandhas) resultiert, ist nach buddhistischer Auffassung mit Unreinheiten und Illusionen behaftet und als die Quelle allen Leidens identifiziert. Dieses Verständnis kann unter Umständen dazu führen, dass Personen mit einem ohnehin geringen Selbstwertgefühl in eine Spirale der zusätzlichen, fatalen Selbstabwertung hinein geraten. Deshalb ist davor zu warnen, den Buddhismus herausgelöst aus seinen kulturellen Traditionen und Umfeldern zu praktizieren oder ihn gar als therapeutisches Mittel für psychische Probleme anzusehen.

Quellen

  • H. Speyer, Die biblischen Erzählungen im Qoran, Hildesheim 1961, 71f
  • J.-D. Thyen, Bibel und Koran. Eine Synopse gemeinsamer Überlieferungen (Kölner Veröffentlichungen zur Religionsgeschichte, Bd. 19), 1989, 22-25
  • G. C. Anawati, La notion de »péché originel« existe-t-elle dans l'Islam?, in: Studia Islamica XXXI (1970), 29-40
  • G. Jäschke, Sucht auch ein Muslim Erlösung und wo findet er sie?, in: ZMR 41 (1957), 294-301
  • Adel Theodor Khoury et al., Was ist Erlösung? Die Antwort der Weltreligionen 1985, 91-110
  • Adel Theodor Khoury,Lexikon religiöser Grundbegriffe. Judentum-Christentum- Islam, 1987, 203
  • Nyanatiloka Mahathera: Grundlagen des Buddhismus. Vier Vorträge des Ehrenwerten Nyanatiloka. Uttenbühl 1995.