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Armut im geschichtlichen Wandel

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Materielle Armut war je nach Zeit und Gesellschaftsform unterschiedlich geprägt. Das Verständnis der Armut und der Umgang mit dieser wird im Folgenden in vier Zeitepochen betrachtet werden:

  • Die archaischen Gemeinschaften und die Gabe
  • die Antike,
  • Das Mittelalter und das Almosen,
  • Der Industriekapitalisumus und die Hilfe durch Organisationen.

Archaische Gemeinschaften (ca. 700 v. Chr. – ca. 500 v. Chr)

Die Menschen in diesen Gemeinschaften waren ständig mit Armut konfrontiert, da sie existentiell von der Natur und ihren Früchten abhängig war. Somit war es wichtig, in Gemeinschaften zusammenzuleben um sich gegenseitig helfen zu können. Es wurde ohne Pflichten oder Gegenleistungen einander geholfen, da die eigene Lebenslage auch umkehrbar war und somit die Notwendigkeit der gegenseitigen Hilfe bestand. Die Gabe war (nach Marcel Mauss) demnach ein Austausch unter Personen (sozialen Akteuren) und stärkte die sozialen Beziehungen. Eine wechselseitige Austauschbeziehung herrschte folglich vor und das Geben der Gaben war nicht einseitig. Die eigenen Interessen standen hinter dem Wohl und der Verantwortung der Gemeinschaft. Der Reichtum wurde verteilt auf die Gemeinschaft. Hilfeleistungen waren selbstverständlich und nicht fremdmotiviert.

Antike

Im Altertum wurde die Armut zumal im Sinn der absoluten Armut oft ganzen Gesellschaften attestiert und konnte Wanderungen oder Räuberwesen erklären. Im Einzelfall war Bettler auf die Almosen Reicherer angewiesen. Viele Sklaven waren arm, jedenfalls dann, wenn sie selber armen Sklavenhaltern gehörten. Eine Armenfürsorge existierte nicht.

Im antiken Rom waren viele Staatsbürger (proletarii) arm und hatten nichts außer Kindern (proles), hatten aber nominell als „Quiriten“ politisches Gewicht. Kaiser konnten sie für sich gewinnen, wenn sie ihrem Verlangen nach „Brot und Zirkusspielen“ (panem et circenses) nachkamen.

(Hier fehlt noch Vieles, auch Quellen.)

Mittelalter (ca. 600 n. Chr - ca. 1500 n. Chr)

Im mittelalterlichen Feudalismus waren die Menschen selbstverständlich ungleich, in Eurpa galt die ständische Ordnung. Die Gesellschaft wurde hierarchische gegliedert im Lehnswesen. Im Mittelalter galt die Person als arm, welche ihre Existenz nicht sichern konnte und weder über Schutz noch Macht verfügte. Die Armut wurde im Verhältnis zur Abhängigkeit gesehen. Hilfe für die Armen wurde anfangs durch die Familie übernommen, später in den Städten durch Zünfte, religiösen Bruderschaften und dergleichen. Durch die Mitgliedschaft wurde eine Unterstützung gewährleistet.

Ein Almosen an Arme wurde erbettelt und war nicht mehr ein wechselseitiges Geben und Nehmen auf gleicher Augenhöhe. Die Kirchen leisteten die größte Hilfe, motiviert durch ihren Auftrag der Nächstenliebe. Das Almosen wurde von den Besitzenden auch als Mittel zur Buße für Sünden gesehen. Durch die Armen konnten sich die Reichen ihr Seelenheil gewissermaßen erkaufen. Somit war in gewisser Weise doch eine Interdependenz vorhanden, jedoch ohne jegliche Gegenleistung. Des Weiteren war das Almosen religiös und freiwillig motiviert. Allerdings wurden die Armen so lediglich als Objekte gesehen, welche keinerlei Beziehungen zueinander hatten. Die Ständeordnung wurde als gottgegeben betrachtet. Somit war die Folge der Ausbeutung kein soziales Problem für die Menschen. Neu war in der Lebenslage Armut nun, dass sie nicht mehr reversibel war. Die Armen waren allerdings ein selbverständlicher Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Vier Armutsgruppen können unterschieden werden:

  • Die freiwilligen Armen, die anerkannt waren und in religiösen Vereinigungen lebten,
  • die ständischen Armen, die ihre Existenzgrundlage durch Unfälle, Tod des Ernährers, Krankheiten, Katastrophen verloren hatten, aber als ehrbare Menschen galten.,
  • die abhängig Dienenden (das Gesinde in Land und Stadt), die keinen Besitz und kein Eigentum hatten und auf Lohnarbeit angewiesen waren,
  • Die Standlosen von Geburt, die keine Standeszugehörigkeit hatten ( z. B. Bettler, Fahrendes Volk, Räuber).

Industriekapitalismus (Anfang 19. Jahrhundert)

Die Situation für die Armen änderte sich rasch mit dem Aufkommen des Industriekapitalismus. Bevölkerungsentwicklung und Produktionsentfaltung gingen immer weiter auseinander, was Massenelend zur Folge hatte, die „soziale Frage“. Die Hilfeleistungen des Mittelalters, vor allem durch die Kirchen und das Almosen, reichte nun nicht mehr aus, diesem neuen Phänomen entgegen zu wirken und die nachbarschaftliche Hilfe konnte nur gewährt werden, solange die Not noch überschaubar war. Neue gesellschaftliche Gruppen bündelten politische und wirtschaftliche Macht. Durch einen noch höheren Ausbeutungsdruck auf die Bauern begann eine Massenflucht in die Städte. Die Situation in den Städten war für diese Personenschicht allerdings alles andere als besser. Neben dem Geld wurde nun auch die Arbeit als neuer Wertmaßstab gesetzt, da die Kapitalbesitzenden auf die Arbeitskraft der kapitalarmen Personen angewiesen waren. Es entstanden immer weitere Unterschiede in ökonomischer und rechtlicher Weise. Breite Bevölkerungsteile wurden an den Rand gestellt, wodurch auch die Beziehungen der Menschen untereinander immer anonymer wurden. So entstand eine Armut in noch unbekanntem Maße. Vor allem Frauen waren von Armut betroffen, soweit sie nicht erwerbstätig waren bzw. sein durften. Zu Beginn des 19. Jh. wurden Arme als Parasiten (Schmarotzer) gesehen und die Armut als eine Geißel der Gesellschaft.[1] Armut wurde als Nicht-Arbeit gesehen, weswegen die Armen als arbeitsunwillig, arbeitsscheu und Müßiggänger eingeordnet wurden. Die Armut wurde demnach verurteilt und als selbst verschuldet, durch eine unmoralische Haltung und ein unsittliches, faules Handeln bezeichnet. Somit schwand auch die Verantwortung für die Armen bei den Reichen, da der Zusammenhang von Barmherzigkeit, Armut und Seelenheil verloren gegangen war. Das Almosen wurde dadurch entwertet.

Somit wuchs auch die Anonymität, weil die Bevölkerung nichts mehr mit den Armen zu tun hatte und Vorurteile gegenüber den Armen entstanden. Das neue Mittel gegen die Armut war die Arbeit und die Erziehung zur Arbeit. Diese Entwicklung fand in vier Stufen statt:

  • Kommunalisierung. Die Armenfürsorge übernahm nun der städtische Rat und die Almosenvergabe unterlag strengen Reglementierungen.
  • Rationalisierung. In diesem Schritt wurden Kriterien festgelegt, nach welchen die Armen Unterstützung erhielten. Die Vergabe sollte fortan objektiv bemessen werden.
  • Bürokratisierung. Es entstanden Institutionen, welche die Überprüfung der Bedürftigkeit übernahmen. In diesen Institutionen arbeiteten immer mehr hauptberufliche. Das Armutsproblem wurde verwaltet.
  • Pädagogisierung. Aus der Sicht der Arbeitenden hatten die Armen ein Defizit, das der Arbeit. Folglich mussten die Armen hin zur Arbeit erzogen werden. Die Armen wurden zum besserungswürdigen Erziehungsobjekt. Hierfür dienten Arbeitshäuser. Nun befand sich die Bekämpfung und der Umgang mit Armut ganz auf der Seite des Staates, was zur Folge hatte, dass sich die Bevölkerung aus der Verantwortung, der Selbstverpflichtung zur Hilfe und Solidarität entzog. Die Schuldfrage nach der Armut wurde zur Angelegenheit des Armen selbst. Die Hierarchisierung und Distanzierung zwischen Arm und Reich wurde immer stärker, und aus dem christlich motiviertem Liebesakt wurde ein nüchterner Verwaltungsakt.

Einzelnachweise

  1. Vgl. hier insbesondere Max Weber, Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus.