Kapital
Kapital ist ein Begriff, der in den Wirtschaftswissenschaften, der Soziologie, aber auch in der Umgangssprache unterschiedlich verwendet wird. Das Kapital ist in der Begriffswelt der klassischen Volkswirtschaftslehre einer der drei Produktionsfaktoren (neben der Arbeit und dem Boden).
Im neueren volkswirtschaftlichen Denken wird Information oder Wissen als ein vierter Produktionsfaktor eingeführt, so daß neben dem Kapital (Finanzkapital, Anlagekapital) im klassischen Sinne diese drei weiteren Produktionsfaktoren existieren:
Kapital entsteht durch die Bildung von Ersparnissen (Konsumverzicht). Die Bildung von Kapital erhöht die Produktivität der übrigen Produktionsfaktoren und führt damit zu höheren Erträgen, die wiederum zur weiteren Kapitalbildung beitragen, aber auch die Voraussetzung einer besseren Entlohnung des Produktionsfaktors Arbeit sind.
Das Kapital besitzt - wie andere Wirtschaftsgüter - die Eigenschaft der Knappheit. Aus der Eigenschaft der Knappheit entsteht der Kapitalzins. Der Kapitalzins ist die Nutzungsgebühr des Kapitals. Die Knappheit des Kapitals kann natürlichen Ursprungs sein oder künstlich erzeugt worden sein. Das Kapital wird nur gegen eine Nutzungsgebühr, den Kapitalzins weitergegeben.
Da Kapital betriebswirtschaftlich (siehe unten ) Vermögen ist, kann es am Markt auf der Angebotsseite in wenigen Händen oder in einer einzigen Hand konzentriert sein ("Kapitalkonzentration"), tritt dann also als Oligopol oder sogar Monopol auf. Diese günstige Position kann als ein zusätzliches "Kapital" aufgefasst werden.
Kapital in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR)
In der VGR wird in der Regel vom Vermögen, weniger von Kapital gesprochen (z. B. Reinvermögen, Anlagevermögen, aber auch Kapitalstock, Brutto- und Nettogeldvermögen). Sucht man gesamtwirtschaftliche Daten über "Kapital", muss man also in der VGR nach Daten über "Vermögen" suchen.
Kapital in der Betriebswirtschaftslehre
Kapital ist eine werthaltige Sache, die zur Vergrößerung ihres eigenen Wertes eingesetzt wird (Geld kauft Arbeit und Produktionsmittel, um das Produkt mit Gewinn zu verkaufen). In der Bilanz wird es dem entsprechend auf der Haben-Seite gebucht.
Kapital kann man demnach unterteilen in:
- Geldkapital (Bargeld oder Buchgeld)Kapital wird auch manchmal Geld genannt!
- Sachkapital auch Güter genannt (beispielsweise Maschinen, Äpfel, Telefone)
- Anrecht auf Kapital (beispielsweise Forderungen, Schuldtitel, Kredite, Aktien, Derivate)
Ein weiterer Kapitalbegriff im engeren ökonomischen Sinne ist der buchhalterische Kapitalbegriff, der die besondere rechnerische Erfassung des Kapitals erfasst. Die statische Bilanzauffassung interpretiert die Bilanz als eine Kapitalbilanz. Die Passivseite zeigt das Eigenkapital und das Fremdkapital (Mittelherkunft), während die Aktivseite die Vermögensteile, in denen das Kapital angelegt ist und die die Deckung für das Kapital darstellen, aufzeigt (Mittelverwendung).
Kapital im Marxismus
Bei Karl Marx ist Kapital ein Betrag von Geld G, der investiert wird, um mehr Geld G’ zurückzubekommen. Kapital ist also Geld welches sich im Produktionsprozess befindet, in Form von Maschinen, Rohstoffen, Arbeit etc. Im Gegensatz zum Geld unter der Matratze. Anders als in der Volkswirtschaftslehre ist also Kapital bei Marx kein Produktionsfaktor, diese nennt Marx: Produktionsmitteln, sondern ein bestimmter Wert, der mit dem Ziel, Mehrwert (Profit) zu erhalten, investiert wird.
Die Kapitalformel nach Marx ist:
Geld G wird in Waren W investiert. Die Waren W werden im Produktionsprozess P als Produktionsmittel und bezahlte menschliche Arbeit verbraucht, um neue Waren W' zu schaffen. Die Punkte sollen darstellen, dass hier der Zirkulationsprozess der Waren unterbrochen ist. Durch die menschliche Arbeit wird dabei der Wert der Waren W erhalten und ein zusätzlicher Wert hinzugefügt. Ein neuer Wert kommt hinzu, da die menschliche Arbeit mehr Wert schafft, als der Eigentümer der Arbeitskraft, der Lohnarbeiter, für seine Arbeitskraft als Lohn ausbezahlt bekommt. Damit ist der Wert der Waren W' höher als der Wert von W und die Waren W’ werden für das Äquivalent in Geld G’ verkauft.
Das Kapital durchläuft also verschiedene Formen, es macht verschiedene Metamorphosen durch:
- G Geldkapital
- W Warenkapital
- P Produktives Kapital
- W' Warenkapital
- G' Geldkapital
Für den Profit p gilt: p = G' - G
und für die Profitrate p' gilt:
In der Kapitalismusanalyse von Karl Marx wird Kapital auch als „geronnene Arbeit“ bezeichnet, wenn man darauf abhebt, dass Kapital der Wert der Produktionsmittel wie Gebäude, Maschinen, Materialien usw. ist. Der Wert dieser Produktionsmittel bestimmt sich wie der Wert aller Waren gemäß der Arbeitswertlehre nach der zu ihrer Herstellung notwendigen Arbeitszeit. Insofern kann man von „geronnener“, „toter“ usw. Arbeit sprechen, die in diesen Produktionsmitteln drin steckt.
„Lohnarbeit schafft Kapital, d.h. es schafft Eigentum, welches die Lohnarbeit ausbeutet und nur unter dieser Bedingung vermehren kann, dass es neue Lohnarbeit erzeugt, um sie von neuem auszubeuten.“ Marx' Hauptwerk Das Kapital ist wohl das berühmteste zur politischen Ökonomie.
Die Produktion ist im Kapitalismus gemeinschaftlich, wird aber privat angeeignet. Die Lohnarbeit ist die Grundlage von Kapital. Die Lohnarbeit schafft Mehrwert, dieser teilt sich auf in individuelle Konsumtionsfonds der Kapitalisten und in einen sog. Akkumulationsfonds. „Ein Teil des Mehrwerts wird vom Kapitalisten als Revenue verzehrt, ein anderer Teil als Kapital angewandt oder akkumuliert.“ (Das Kapital, Bd. I, 7. Absch. Akkumulationsprozeß des Kapitals) Obwohl das Kapital von den Menschen gemacht ist, das Produkt menschlicher Arbeit ist, scheint es doch gegenüber den Menschen eigene Kräfte zu haben, ähnlich wie ein Fetisch gegenüber den Menschen, die an ihn glauben, besondere Kräfte aufweist. Marx spricht deshalb vom Kapitalfetisch neben dem Geld- und Warenfetisch.
Im einzelnen unterscheidet Marx noch
sowie verschiedene Zusammensetzungen des Kapitals:
- technische Zusammensetzung des Kapitals
- Wertzusammensetzung des Kapitals
- Von letzterer ist die organische Zusammensetzung des Kapitals, von Marx in Das Kapital auch kurzweg nur Zusammensetzung des Kapitals genannt, ein besonderer Fall.
Eine weitere Unterscheidung verschiedener Arten von Kapital:
- Industriekapital (Profit des Industriekapitals)
- Handelskapital (Profit des Handelskapitals)
- Finanzkapital
- Geldkapital, zinstragendes Kapital (Zinsen als Teil des Mehrwerts)
- fiktives Kapital
Wichtige Tendenzen des Kapitals sind bei Marx die
- Zentralisation sowie die
- Konzentration
Kapitalbegriff in der Soziologie
In der mehrdimensionalen Kultursoziologie von Pierre Bourdieu greifen diese Zuschreibungen im ökonomischen Sinne nur unzureichend. Denn hier ist Kapital eine Ressource von objektiven und subjektiven Strukturen und gleichzeitig ein grundlegendes Ordnungsprinzip der sozialen Welt sowie in diesem Rahmen ein Mittel zur Charakterisierung individueller Macht. In der wissenschaftlichen Literatur wird der Begriff auch als Metapher für soziale Macht von Gruppen bzw. Personen gebraucht.
Die Aufteilung der Gesellschaft in Klassen wird entlang der Verfügung über verschiedene Kapitalsorten definiert. Bourdieu unterscheidet: ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital und symbolisches Kapital. Symbolisches Kapital ist am ehesten mit dem früher immanenten Begriff Prestige zu vergleichen. Verkürzt handelt es sich hier um die Widerspiegelung aller anderen Kapitalformen in einem distinktiven Lebensstil. Das symbolische Kapital erhält seinen Wert durch die Anerkennung des Kapitals (seiner verschiedenen Formen) im sozialen Feld.
Kulturelles und soziales Kapital können durch Aufwendung von ökonomischen Kapital erworben werden, womit dem ökonomischen Kapital eine primäre Funktion zugewiesen wird. Aber je nach der Positionierung einer Person beziehungsweise Klasse im spezifischen sozialen Feld beziehungsweise sozialen Raum ist auch die Bedeutung der jeweiligen Kapitalform verschieden. Beispielsweise nimmt im universitären Feld das kulturelle Kapital einen zentralen Stellenwert ein. Kulturelles Kapital, welches einem Individuum in Form von Legenden, Volkstum, Kinderreimen, Büchern, Videos, CD-ROMs, usw. zur Verfügung steht wird auch Extelligenz genannt.
Mit dem soziologischen Begriff Soziales Kapital bezeichnet Pierre Bourdieu (1983) die Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit der Teilhabe an dem Netz sozialer Beziehungen gegenseitigen Kennens und Anerkennens verbunden sind. Im Gegensatz zum Humankapital bezieht sich das soziale Kapital nicht auf natürliche Personen an sich, sondern auf die Beziehungen zwischen ihnen. Das Konzept Sozialkapital wurde seitdem viel diskutiert; die wichstigsten Beiträger sind Robert D. Putnam (1993, 2000), James S. Coleman (1987) und Patrick Hunout (2003-2004).
Weitere Kapitalformen (Werte als Folge zunehmender Unschärfe) liegen in Informationen und Verbindungen:
- geistiges Kapital: Summe dessen, was ein Mensch oder ein Unternehmen weiss, wie man sein Wissen einsetzt und wie schnell man neues Wissen erwirbt
- menschliches Kapital: zwischenmenschliche Beziehungen
- strukturelles Kapital: die gesamten Systeme, Verfahren und Strategien, die durch Erfahrung entstanden sind
Weitere Wortbedeutungen
Die Vorstellung von "Kapital" ist alt und stammt aus der Entstehung der Viehzucht in der Neusteinzeit (im Neolithikum). Das Wort selbst ist lateinischen Ursprungs (caput für "Kopf"), so heute noch: Diese Schafsherde hat rund hundert Köpfe. Das Kapital im heutigen Sinne wird auf das lateinische summa capitalis, auf die Hauptsumme, zurückgeführt (wobei Hauptsumme wieder eine wörtliche Übersetzung aus dem Lateinischen ist).
Im übrigen wird "Kapital" (als Eigenschaftswort "kapital") umgangssprachlich oft als Metapher benutzt, so etwa
- In der Jägersprache hat ein kapitaler Hirsch ein mächtiges Geweih.
- Das war ein kapitaler Fehler.
- Ihr Kapital ist ihre Unverdrossenheit
- Mit der Globalisierung geht den Unternehmen ihr bestes Kapital verloren: die Loyalität ihrer Manager und Belegschaften.
- Du bist Kapital. (aus dem Film Swingers)
Siehe auch
- Karl Marx, Das Kapital, Kapitalismus
- Naturkapital, Finanzkapital
- Sozialkapital, Soziales Kapital
- Lokalkapital
- Kapitalkontroverse
- Pierre Bourdieu
- Humankapital
- Grundkapital
- Stammkapital
Literatur
- Heinz-J. Bontrup: Arbeit, Kapital und Staat. - Plädoyer für eine demokratische Wirtschaft. PapyRossa-Verlag Köln. Dritte Auflage 2005. ISBN 3-89438-326-7
- Heinz-J. Bontrup: Volkswirtschaftslehre. Grundlagen der Mikro- und Makroökonomie, Oldenbourg Verlag. Zweite Auflage, München, Wien 2004. ISBN 3-486-57576-7
- Heinz-J. Bontrup: Lohn und Gewinn. Oldenbourg Verlag. München, Wien 2000. ISBN 3-486-25164-3
Weblinks
- Kapitalbegriff bei Marx und Bourdieu
- Michael Sommer, Dieter Wolf, Das Kapital als automatisches Subjekt und die Einheit von Darstellung und Kritik. [1]