Parallelwelt

Der Begriff Parallelwelt bezeichnet eine Welt, die gleichzeitig und parallel zur gewohnten Welt existiert. Parallelwelten sind vor allem aus der Science-Fiction bekannt, ihre theoretische Möglichkeit wird jedoch auch in der wissenschaftlichen Physik diskutiert. In einem übertragenen Sinne ist auch in der Psychologie von Parallelwelten die Rede.

Naturwissenschaft

Basierend auf den Erkenntnissen der Quantenmechanik haben Wissenschaftler die Viele-Welten-Interpretation aufgestellt. Danach spaltet sich das Universum in jedem Moment in mehrere verschiedene Universen auf (siehe: Paralleluniversum, Multiversum). Jede prinzipiell mögliche Entscheidung eines Menschen, etwas zu tun oder nicht zu tun, führt zu einem anderen Universum, wobei die Unterschiede der Universen anfangs durchaus kaum wahrnehmbar sein können, aber mit der Zeit anwachsen (siehe auch: Chaostheorie).

Stephen Jay Gould verweist aufgrund der Befunde der Burgess-Schiefer darauf, dass die Evolution auch einen vollkommen anderen Verlauf hätte nehmen können.

Psychologie

In der Psychologie wird der Begriff der Parallelwelt manchmal verwendet, um Verhaltensweisen der Realitätsflucht zu bezeichnen. So können Menschen mit Hilfe der Phantasie unerfüllbare Sehnsüchte, Wünsche oder Bedürfnisse imaginär ausleben, oder unerträgliche Situationen verdrängen, indem sie sich Parallelwelten bzw. „Ersatzwirklichkeiten“ schaffen. In der Parallelwelt denkt sich der Phantasierende in eine oder mehrere virtuelle, gewünschte Rollen hinein, kommuniziert mit den darin lebenden Personen und schafft eine Umgebung, in der die realen Hemmnisse für seine Sehnsüchte nicht mehr vorhanden sind.

Dies ist bis zu einem gewissen Grade ganz normal und als Ausgleich zu Stresserfahrungen sogar sehr hilfreich für die psychische Regeneration und Entspannung – wie ja auch der Traum, auf den der Mensch ebenfalls nicht verzichten kann, als Parallelwelt angesehen werden kann. Im Zuge von Persönlichkeitsstörungen können Phantasiewelten jedoch auch problematische Ausmaße annehmen, vor allem dann, wenn diese Welten bedeutender werden als die eigentliche Realität, wie es beim Eskapismus der Fall ist. Auch Medienangebote wie Fernsehen oder das Internet können hierbei eine Rolle spielen.

Beispiele für Parallelwelten in künstlerischen Werken

Literatur

Parallelwelten spielen insbesondere im Science-Fiction- und Fantasy-Genre eine wichtige Rolle:

• In Einmal Rupert und zurück, dem fünften Roman der vierteiligen Anhalter-Reihe von Douglas Adams, wird die Viele-Welten-Interpretation aufgegriffen. Es gibt dort nicht nur ein Universum, sondern viele, und obwohl die Naturgesetze (wohl) überall gleich sind, haben sich die unterschiedlichen Welten sehr verschieden entwickelt.
• Philip K. Dicks: Zeit aus den Fugen (Time out of Joint)
• Brian Aldiss: Starship
• Isaac Asimov: The Gods Themselves
• Dean Koontz: Der Geblendete. Heyne, München 2002, ISBN 3-453-21405-6
• L. Neil Smith:
  • Der Durchbruch. Heyne, München 1985, ISBN 3-453-31231-7
  • Der Venus-Gürtel. Heyne, München 1985, ISBN 3-453-31232-5
  • Ihrer Majestäten Kübeliere. Heyne, München 1986, ISBN 3-453-31234-1
  • Der Nagasaki-Vektor. Heyne, München 1986, ISBN 3-453-31235-X
  • Tom Paine Maru. Heyne, München 1986, ISBN 3-453-31291-0
  • Die Gallatin-Abweichung. Heyne, München 1986, ISBN 3-453-31292-9

Weitere Beispiele:

• Auch Terry Pratchett verwendet in seinen Romanen häufig das Konzept von parallelen Welten. (Lords und Ladies, Die Nachtwächter, Fliegende Fetzen)

• L. Neil Smiths Romane über das Gallatin-Universum spielen in einer Parallelwelt zu unserer Welt, in welcher die Whiskey-Rebellion (1794) einen anderen Ausgang genommen hat und George Washington standrechtlich erschossen wird. Als Folge wird die US-Verfassung aufgehoben und die Staaten schließen sich zur Nordamerikanischen Konföderation, mit der Anarchie als Gesellschaftsform, zusammen. In unserer Zeit gelingt es Wissenschaftlern dieser technisch wesentlich weiterentwickelten Zivilisation, einen Durchbruch zu unserem Universum herzustellen und mit uns in Verbindung zu treten. Zwei der Bücher (Der Venus-Gürtel, Tom Paine Maru) spielen im Weltraum. Das Buch Die Gallatin-Abweichung ist mehr ein klassischer Zeitreiseroman, in dem die Figuren der Geschichte in der Zeit zurückreisen, um zu verhindern, dass jemand den Ablauf der Geschehnisse verändert.

• Andreas Eschbachs Roman Eine Billion Dollar

• Sakis Roman Als Wilhelm kam beschreibt das Leben in einem Großbritannien, das im ersten Weltkrieg von deutschen Truppen besetzt wurde.

• His Dark Materials von Philip Pullman

• Die Chroniken von Narnia von C.S. Lewis

Film und Fernsehen

• Parallelwelten tauchen mehrmals in den Folgen der Science-Fiction-Fernsehserie Star Trek – The Next Generation auf, unter anderem in den Folge Das Experiment (4x05), Phantasie oder Wahrheit (6x21) oder Parallelen (7x11). Mit dem Holodeck existiert auf dem Raumschiff Enterprise sogar eine Institution, die den Zugang zu einer vom Schiffscomputer künstlich geschaffenen Parallelwelt dauerhaft möglich macht. Die Parallelität der Holodeck-Welt zur normalen Außenwelt wird unter anderem in der Folge Der große Abschied (1x12) explizit thematisiert.

• Der auf dem Roman Simulacron-3 basierende Fernsehfilm Welt am Draht von Rainer W. Fassbinder aus dem Jahr 1973 thematisiert die Erschaffung einer künstlichen, computergenerierten Parallelwelt, die den in ihr lebenden „Simulationseinheiten“ als ‚wirkliche Welt‘ gilt.

• Im Film Matrix (1999) lebt die Menschheit ebenfalls – scheinbar – in einer künstlich geschaffenen Parallelwelt, der „Matrix“, während die Körper der Menschen nach wie vor in der wirklichen Welt leben und dort als Energiequelle für die autonom gewordenen Maschinen dienen.

• Der Film Der Zufall möglicherweise (1987) von Krzysztof Kieślowski zeigt mehrere alternative Handlungsstränge ein und desselben Tages.

• Lola rennt (1998) greift dieses Konzept ebenfalls auf.

• Auch in der Fernsehserie Sliders tauchen Parallelwelten auf.

• Die japanische Serie Digimon spielt ebenfalls in einer Parallelwelt, wobei es dort neben unserer und der digitalen noch weitere gibt.

• Der Film Rashomon von Akira Kurosawa, der die gleiche Geschichte aus der Sicht der Beteiligten jeweils unterschiedlich erzählt.

• Der Film von George Seaton: 36 Hours

• Der Film Donnie Darko von Richard Kelly handelt ebenfalls von zwei Welten mit exakt parallelem Ablauf, welche sich in einer problematischen Verbindung im Filmgeschehen jeweils zum Anfang und zum Ende überschlagen.

• Die Serie "O.C., California" handelt in der Staffel 4, Folge 7 ("Parallelwelt") von einer Parallelwelt, wo sich Ryan und Taylor, nach dem Sturz von einer Leiter, in komatösem Zustand in einer anderen Welt wieder finden. Dort leben die selben Menschen wie in ihrem normalen Leben, diese kennen Ryan und Taylor jedoch nicht.

Rollen- und Computerspiele

Das Rollenspielsystem GURPS hat sich mit der Kampagne „Unendliche Welten“ der Thematik angenommen. Mit Hilfe spezieller Transporter ist es dort möglich, Materie von einer Parallelwelt zur anderen zu schaffen und somit alternative Zeitlinien für die „Heimatlinie“ auszubeuten. Die Parallelwelten spiegeln mehr oder weniger stark abweichende Erden mit unterschiedlich fortgeschrittener Entwicklung dar. Die Bände Alternate Earths 1 und 2 beinhalten Kurzbeschreibungen von einem guten Dutzend Alternativwelten, z.B. China erobert Europa, die Wikinger zerschlagen das Christentum, der Islam beherrscht die Welt, Charles Cornwallis besiegt Washington und Neuengland ist immer noch umkämpfte Kolonie.

Teile der Horrorspiel-Reihe Silent Hill behandeln die Thematik der ‚kranken‘ Parallelwelt ebenfalls.

Siehe auch

• virtuelle Geschichte
• Alternativweltgeschichte
• Lisa Randall