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Rockabilly

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Zeittafel des Rockabilly
um 1945 Erste Hillbilly Boogie-Aufnahmen von Country-Sängern
1953 Der Begriff Rockabilly wird von Bill Flagg erstmals verwendet
1954 Elvis Presley nimmt die ersten Rockabilly-Stücke auf Schallplatte auf
1955/1956 Die Blüte des Rockabilly beginnt
1957/1958 Die Popularität des Rockabilly nimmt ab
um 1958 Der Rockabilly neigt sich endgültig dem Ende zu
ab 1975 Durch das Rockabilly-Revival entwickeln sich Fan-Gemeinden, die bis heute anhalten

Rockabilly ist eine der Spielarten des Rock 'n' Roll. Sie entstand Mitte der 1950er Jahre, als junge Musiker in den amerikanischen Südstaaten den schwarzen Rhythm & Blues auf ihre Art und mit den ihnen vertrauten Instrumenten neu interpretierten.

Da der Boom dieser Musik, die zunächst keinen einheitlichen Namen hatte und zuweilen einfach unter Pop, Country oder Rhythm and Blues eingeordnet wurde, nicht über die Grenzen der Südstaaten hinausging, versuchten einige Interpreten etwa ab 1956 den ländlichen Unterton dieses Stils abzuschütteln, um auch überregional Erfolg zu haben. Der Begriff Rockabilly setzte sich nur allmählich durch, denn die Assoziation mit Hillbilly (= Landei, Hinterwäldler) betonte das Provinzielle, Ländliche dieser Musik.

Populär und einem breiten Publikum bekannt wurde der Begriff erst im Zuge des Rockabilly-Revivals Anfang der 1980er Jahre. Auch heute noch gibt es auf der ganzen Welt (vor allem in Europa und Japan) eine kleine Rockabilly-Szene mit Konzerten, regelmäßigen Zusammenkünften, Oldtimer-Treffen oder eigenen Zeitschriften.

Geschichte

Anfänge

Sun Studio (2002)

Im Zentrum der Entwicklung des Rockabilly steht das kleine Label Sun Records in Memphis (Tennessee). Gründer Sam Phillips war ein Bluegrassmusiker mit Affinität zum Rhythm & Blues, vormals noch „Race Music“ genannt, der Musik der schwarzen Unterschicht. Eines der Zentren dieser Musik lag damals direkt in Memphis, nämlich in der berüchtigten Beale Street, wo neben den heißesten schwarzen Bluesclubs auch Prostitution, Glücksspiel und Karnevalsumzüge mit Voodooelementen zuhause waren. Phillips hatte sich schon Anfang der 50er Jahre einen Namen in der Rhythm & Blues-Szene gemacht, indem er Big Joe Turner produzierte und auf diese Weise mithalf, den "Beale-Street-Blues" aus der Taufe zu heben und die schwarze Musik einem breiten, weißen Publikum zugänglich zu machen. Sein Label hatte sowohl weiße als auch schwarze Musiker unter Vertrag, was Anfang der 1950er Jahre äußerst ungewöhnlich war, denn damals herrschte im gesamten Süden eine derart restriktive Rassentrennung, dass man von zwei parallelen, fast hermetisch geschlossenen Musikwelten sprechen kann, die jeweils ihre eigenen Clubs, Labels, Plattenläden und Radiostationen unterhielten.

In der weißen Mittelschicht brodelte schon seit Ende der 1940er Jahre eine Jugend-Protestkultur, die sich zunächst über weiche Drogen und über die Literatur der Beat Generation definierte. Auch Bücher wie „Der Fänger im Roggen“ erlangten Kultstatus bei den Jugendlichen, weil sie erstmals ein speziell "jugendliches" Lebensgefühl beschrieben, in dem die gängige Moral als eng und störend empfunden wurde. Eine einheitliche Jugendmusik fehlte jedoch zunächst noch. Die Anhänger der Beat-Literatur bevorzugten den Bebop-Jazz, ansonsten war das heimliche Hören der schwarzen Radiostationen, deren Ghettomusik sexuell eindeutige Themen transportierte, ein weit verbreiteter Akt der Rebellion gegen die Eltern. Vor allem bei den Jugendlichen sah Sam Phillips eine Marktlücke für seine Idee einer neuen, schwarz-weißen "Pop"-Musik. Der junge Elvis Presley, ab 1954 bei Sun, diente ihm dabei neben anderen als Verbindungselement beider Musikhemisphären, denn er hatte entgegen seiner Hautfarbe einen guten Schuss Gospel und Rhythm & Blues in der Stimme.

Mitte der 1940er Jahre entwickelte sich der Hillbilly Boogie, eine schon an den frühen Rockabilly errinernde Variante der Country-Musik. Einer der ersten Hillbilly Boogie-Titel war der Birmingham Bounce von Hardrock Gunter. Diese rhythmisch schnellere Variante der Country-Musik wurde noch mit den typischen Instrumenten Fiddle, Steel Guitar, Gitarre und Kontrabass gespielt, jedoch weichen die Texte schon weitestgehend von den sonst inhaltlich anspruchsvolleren Lyriken des Country ab, so verwendete man schon Ausdrücke wie "rock" und "roll"; Ausdrücke die zu dieser Zeit nur in der Umgangssprache der Afroamerikaner verwendet wurden. Einige namenhafte Country-Musiker der späten 1940er Jahre sowie unbekannte Musiker schlossen sich dem Hillbilly Boogie an, unter anderem Tennessee Ernie Ford, The Delmore Brothers, The Carlisles, Merle Travis, Roy Hall und Red Foley.

Aufstieg

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Johnny Burnette's Rock'n'Roll Trio
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Jimmy and Johnny
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Sid King and the Five Strings
Elvis Presley
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Johnny Cash and the Tennessee Two
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Gitarrist Tommy Tomlinson
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Skeets McDonald
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Bobby Lord

Als erster Rockabilly-Titel der Geschichte gilt die 1954 bei Sun eingespielte Aufnahme „That’s alright, Mama“ des 19-jährigen Elvis Presley, zusammen mit Scotty Moore (Gitarre) und Bill Black (Bass), angeblich aus dem Mitschnitt einer Pausenspielerei entstanden. Bei der bläser- und schlagzeugfreien Spar-Besetzung handelt es sich um eine typische weiße Countrybesetzung, die auf das konservative Reglement der Grand Ole Opry in Nashville zurückgeht, der wichtigsten Countryshow der USA. In bewusster Abgrenzung zum damaligen Boom der Swing- und Bigbandmusik wollte man hier die Musik pflegen, wie sie die Altvorderen der Countrymusik vorgemacht hatten, etwa die Carter Family. Dementsprechend waren Schlagzeuge und Bläser auf der Bühne der Opry bis Mitte der 50er Jahre nicht zugelassen.

Um mit dieser Opry-kompatiblen Besetzung trotzdem einen mitreißenden Rhythmus zu erzeugen, trat bei Sun Records der Kontrabass an die Stelle des Perkussionsinstruments. Bill Black spielte in der Slapping-Bass-Technik, eine im Dixieland Jazz entwickelte Spielweise, bei der die Saiten aufs Griffbrett klatschen. Außerdem kompensierte ein Bandecho das fehlende Schlagzeug und erzeugte einen charakteristischen, im Takt blubbernden Groove. Dieser Echo-Groove kennzeichnet vor allem den Sun-Sound, aber er wurde auch von anderen Rockabilly-Interpreten eingesetzt, etwa von Gene Vincent, der damit seine Stimme unterstützte. Die Leadgitarre spielte sparsam gepickte, hohe Noten auf der zweiten Zählzeit des Taktes, sowie Boogielicks auf den Basssaiten. Gesungen wurde häufig in einem nervösen „Schluckauf-Stil“, manchmal countryhaft nasal (Carl Perkins, Charlie Feathers), manchmal mit schwarzem Swing (Charlie Rich) oder sogar mit gospelhaften, schwarzen Verzierungen (Elvis). Nach der Frühphase des Rockabilly erhielt dann auch das Schlagzeug Einzug in die Musik, vielfach auch das Klavier mit shuffleartigen Riffs in der linken Hand, nach Art des New Orleans Rhythm & Blues. Die bevorzugten Leadgitarren waren Archtopmodelle von Gibson oder Gretsch, später dann auch Massivholz-Gitarren wie die Fender Telecaster oder die Gibson Les Paul.

Auch wenn die Titel von Presley, Moore und Black erstaunliche Verkaufserfolge in Memphis und Umgebung erzielten, seitdem sie im örtlichen Radio gespielt wurden, ist es wohl eher auf die spektakulären Liveauftritte zurückzuführen, dass diese neue Musik schnell zum Gesprächsthema wurde und die Rechnung von Sam Phillips aufging. Die drei Musiker nannten sich bald The Bluemoon Boys und tourten ab 1954 allein oder zusammen mit anderen Sun-Musikern wie Carl Perkins und Johnny Cash durch den gesamten Süden der USA, wo sie vor allem wegen der wilden Bühnenshow von Bill Black und Presley Aufruhr, Hysterie und Empörung auslösten. Die umstrittenen Auftritte entzündeten ein regelrechtes Sun-Sound-Fieber. Überall, wo die Sun-Leute gastierten, taten sich wenig später Interpreten hervor, die zum Teil sehr eng am Vorbild liegende Kopien des Sun-Sounds lieferten. Nur wenige dieser Interpreten entwickelten individuelle Stile. Ein Beispiel hierfür ist Charles Hardin Holley, ein junger Countrymusiker aus Lubbock, Texas, der 1956 in seinem Heimatort einen Auftritt von Presley sah und sich sofort eine elektrische Gitarre kaufte, um auf den neuen Stil umzuschwenken und unter dem Namen Buddy Holly Geschichte zu schreiben. Eddie Cochran ist hier ebenfalls zu nennen, und Gene Vincent, der einen eigenständigen, deutlich aggressiveren, urbaneren Rockabillystil entwickelte, in dem sogar manchmal Doo Wop-Elemente anklangen. Gene Vincents Gitarrist Cliff Gallup war außerdem stark vom virtuosen Jazz-Pop Gitarristen Les Paul beeinflusst und baute überraschende Harmoniewechsel sowie technisch anspruchsvolle Licks in seine Soli ein.

Trotzdem gelang es dem Rockabilly nur selten, überregionale Hits hervorzubringen. Die provinzielle Note war zu stark, der Südstaatenakzent vieler Sänger unüberhörbar. Nach etwa drei Jahren verebbte der Rockabillyboom wieder und die meisten Interpreten wandten sich der traditionellen Country-Musik zu. Wenigen wie Elvis Presley gelang es, das Lokalkolorit abzulegen und mit einem angepassten Mainstream-Rock’n’Roll landes- oder gar weltweiten Erfolg zu verbuchen. Bereits 1956, auf dem Höhepunkt des Rockabillybooms, wechselte Presley von Sun zum Plattengiganten RCA Victor. Dieser Wechsel markiert die Abwendung vom Rockabilly, wenngleich Presleys erste RCA-Sessions, zunächst noch mit der alten Band eingespielt, noch eindeutig dem Rockabilly zuzurechnen sind. Einen guten Vergleich zwischen gemütlich-ländlichem Rockabilly und Mainstream Rock'n'Roll bietet Carl Perkins Originalversion von Blue Suede Shoes gefolgt von Presleys Coverversion desselben Songs.

Bedeutung des Rockabilly

Obwohl es in der Blütezeit des Rockabilly (1954/1955 bis 1958) hunderte von Rockabilly-Künstlern gab, kamen nur die wenigsten in die Charts oder hatten andersweitigen kommerziellen Erfolg. Die meisten Künstler veröffentlichten daher meist nicht mehr als zwei drei Platten. Zudem beschränkte sich der Rockabilly, mit einigen Ausnahmen an der Westküste Kaliforniens und in Florida, auf die amerikanischen Südstaaten, was ebenfalls ein Grund für die Erfolglosigkeit der meisten Rockabilly-Sänger war.

Der Rockabilly gilt in den meisten Kreisen als Stilrichtung der Country-Musik, jedoch haben sie oberflächlich nur wenig gemein. Fast alle Musiker hatten ihre Wurzeln aber in der Country-Musik oder nahmen sogar Country-Titel auf. Nachdem der Rockabilly 1960 endgültig zu Ende gegangen war, versuchten sich weiterhin viele Sänger als Country-Künstler, wie zum Beispiel Mac Curtis, Warren Smith, Eddie Bond oder Sanford Clark. Zudem ist der Rockabilly auch Teil des Rock'n'Rolls, der unverkennbare Gemeinsamkeiten aufweist, wie die oftmals harte Spielweise. Jedoch ist der Rockabilly kein entscheidender Teil, weder übte er einen besonders starken Einfluss auf den Rock'n'Roll aus, noch begann oder endete der Rock'n'Roll mit ihm.

Mit dem Rockabilly der 1950er Jahre entstand jedoch auch die Basis für viele heutige Bands oder an den Rockabilly angelehnte Musikrichtungen, wie den Punkabilly, den Psychobilly oder den Gothabilly. Diese Stilrichtungen übernahmen nicht nur die sparsame Instrumentalisation, sondern oft auch den typischen "Schluck-auf"-Gesang.

Hörbeispiele

Die typische slapping-bass-Spielweise ist beispielsweise bei Elvis Presleys I Don’t Care If The Sun Don’t Shine und Baby Let’s Play House, Eddie Cochrans Twenty Flight Rock, Jimmys und Johnnys Sweet Love On My Mind, Skeets McDonalds You Oughta See Grandma Rock und Heartbreakin Mama sowie bei dem Rockin’ Rollin’ Stone von Andy Starr zu hören.

Die von der Leadgitarre gespielten hohen Noten auf der zweiten Zählzeit, sowie die Boogie-Licks hört man vor allem bei Elvis Presleys Gitarrist Scotty Moore und bei Carl Perkins. Beispiele hierfür sind Carl Perkins mit Honey Don’t, und Elvis Presley mit Good Rocking Tonight.

Beispiele des typischen "blubbernden Schluckaufgesangs" in Verbindung mit dem Bandecho bietet, neben dem bereits genannten Baby let’s play house von Presley auch der aus Arkansas stammende Pat Cupp mit Do Me No Wrong. Die manchmal schon punk-artig abgehackte Gesangsweise von Johnny Burnette ist ein weiteres Beispiel, vor allem sein Titel The Train Kept A’Rolling. Außerdem ist Gene Vincent zu nennen, der den von Sun entwickelten Echoeffekt zur Erzeugung des blubbernden Rockabilly-Grooves ebenfalls einsetzte. Als Beispiele lassen sich hier Bluejean Bop oder Race With The Devil anführen. Ein besonders deutliches Beispiel für den typischen Chluckauf-Gesang bietet Johnny Cashs Leave That Junk Alone.

Ein Beispiel für die im Rockabilly selten vorkommenden schwarzen Verzierungen in der Stimme bietet Presleys Version des Kokomo Arnold-Stücks Milkcow Blues Boogie. Die unvermittelten „Falsett-Kiekser“ geben dem Lied zusätzlich ein weißes Cowboy-Feeling. Diese Interpretation ist schwarz und weiß zugleich, eine damals beunruhigende Querlegung zu gängigen Hörgewohnheiten.

Rockabilly in Europa

In Deutschland spielen eine ganze Reihe von Bands ihre eigenen deutschsprachigen Lieder („Deutsch-Rockabilly“). Auch in Österreich hat sich seit den frühen 90er Jahren eine Rockabillyszene entwickelt. Seit dem Tod Elvis Presleys 1977 und den damit ausgelösten Rockabilly-Revival erlangten auch heute noch aktive Musiker wie Sleepy LaBeef oder Eddie Bond in Europa Berühmtheit.

In den 1980er Jahren hatte der englische Rockabilly-Sänger Shakin' Stevens mit Coverversionen bekannter Rock'n'Roll- und Rockabilly-Titeln großen Erfolg. Er erreichte merhmals Platz 1 der englischen sowie der europäischen Charts.

Musikindustrie

Institutionen

Schallplatten-Labels

Viele Rockabilly-Aufnahmen wurden bei kleinen, unabhängigen Labels gemacht. Daher standen den Produzenten oft nicht die finanziellen Mittel zur Verfügung, um ihre Künstler wirkungsreich zu vermarkten. Durch diese unzureichende Werbung fanden die Platten der Künstler oft wenig oder gar keine Beachtung.

Commons: Rockabilly – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien