Zum Inhalt springen

Cyanwasserstoff

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 6. Januar 2005 um 13:48 Uhr durch 137.248.254.132 (Diskussion) (Unfälle im Umgang mit Blausäure). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Strukturformel
Allgemeines
Name Blausäure
Summenformel HCN
Andere Namen Cyanwasserstoff; Markenname: Zyklon B
Kurzbeschreibung nach Bittermandeln riechende Flüssigkeit
CAS-Nummer 74-90-8
Sicherheitshinweise
Datei:Gefahrensymbol T.png
T+ Sehr giftig

F+ Hochentzündlich
Datei:Gefahrensymbol N.png
N Umweltgefährdend
R- und S-Sätze R 12-26-50/53
S 1/2-7/9-16-36/37-38-45-60-61
Handhabung Schutzmaßnahmen: Schutzhandschuhe, Staubmaske, Atemschutz Gasfilter B
Lagerung kühl, unter striktem Sauerstoff- und Feuchtigkeitsausschluß
MAK 10 ml/m3 = 11 mg/m3
LD50 (Ratte) -- mg/kg
LD50 (Kaninchen) -- mg/kg
Tödliche Dosis (Mensch) 1-2 mg/kg
Antidot Natriumnitrit und Natriumthiosulfat
Physikalische Eigenschaften
Aggregatzustand flüssig
Farbe klar, farblos bis leicht gelblich
Dichte -- g/cm3
Molmasse 27,02 g/mol
Schmelzpunkt -13,3 °C
Siedepunkt 25,7 °C
Dampfdruck 830 hPa
Löslichkeit in Wasser (20 °C) in jedem Verhältnis
Gut löslich in Wasser
Schlecht löslich in --
Unlöslich in --
Thermodynamik
ΔfH0g in kJ/mol
ΔfH0l in kJ/mol
ΔfH0s in kJ/mol
S0g, 1 bar in J/(mol · K)
S0l, 1 bar in J/(mol · K)
S0s in J/(mol · K)
Analytik
Klassische Verfahren Nachweis Cyanid-Ionen:
Zu einer alkalischen Cyanid-Lösung wird im Unterschuss Eisen(II)-sulfat-Lösung zugegeben. Sind Cyanid-Ionen vorhanden, bildet sich nach dem Ansäuern (Vorsicht: HCN-Bildung!) Berliner Blau.

SI-Einheiten wurden wo möglich verwendet. Wenn nicht anders vermerkt wurden Normbedingungen benutzt.

Cyanwasserstoff (Blausäure), HCN, ist eine farblose, brennbare und wasserlösliche Flüssigkeit mit einem charakteristischen Bittermandelgeruch. Der "Bittermandelgeruch" von Mandeln und anderen Kernen setzt sich zusammen aus dem angenehmen Duft von Benzaldehyd und dem eher unangenehmen Geruch der Blausäure. Der Geruch ist auch mit Marzipan zu vergleichen. Ursprünglich ist in den Mandelkernen ein zyanogenes Glykosid, das Amygdalin vorhanden, das unter dem Einfluss von Enzymen oder Säuren in Blausäure, Benzaldehyd und Glukose zerfällt. Einige Menschen (etwa 50 %) sind allerdings aufgrund ihrer genetischen Veranlagung nicht in der Lage, den Geruch wahrzunehmen. Der Name Blausäure rührt von der Gewinnung aus Eisenhexacyanoferrat (Berlinerblau) her, einem sehr beständigen Pigment mit blauer Farbe.

Blausäure ist auch der Titel eines Kriminalromanes von Agatha Christie. Die Originalausgabe erschienen 1945 unter dem Titel "Sparkling Cyanide".

Chemische Eigenschaften

Der Schmelzpunkt liegt bei etwa -13 °C, der Siedepunkt bei etwa 26 °C.

Die Salze der Blausäure heißen Cyanide. Blausäure ist eine extrem schwache Säure, die schon von Kohlensäure aus ihren Salzen getrieben wird. Als pKs wird meist 9.31, gelegentlich auch 9.21 oder 9.04 angegeben. Cyanid, Salze der Bläusäure (Kaliumcyanid) wirken bei der Hydrolyse stark basisch/alkalisch. Durch die Salzsäure im Magen des Opfers wird aus diesem Grund sofort aus den Cyaniden Cyanwasserstoff frei.

Blausäure ist sowohl leicht brennbar, als auch in jedem Verhältnis wasserlöslich. Bei einem Brand mit Anwesenheit von Blausäure wird empfohlen, nicht mit Wasser zu löschen und gegebenenfalls die Blausäure kontrolliert abbrennen zu lassen.

Ein Gemisch aus Luft und Cyanwasserstoffgas ist explosiv im Bereich von 5,4-46,6 Volumen-%.

In Wasser dissoziert Blausäure zu einem kleinen Teil:

Giftwirkung

Blausäure sowie alle Cyanide sind hochgiftig. Blausäure verdunstet bei normaler Lufttemperatur; eine Vergiftung kann deshalb leicht durch Einatmen (inhalativ) erfolgen. Eine Resorption über die Haut ist möglich, sie wird durch körperliche Arbeit (welche mit Schweiß verbunden ist) begünstigt, da Blausäure eine hohe Wasserlöslichkeit besitzt.

Die primäre Giftwirkung besteht in der Bildung eines Komplexes mit dem Eisen-III-Zentralion der Cytochrom-Oxidase in den Mitochondrien. Durch die Inaktivierung diese Enzyms kommt die Zellatmung zum Erliegen, die Zelle kann den Sauerstoff nicht mehr zur Energiegewinnung verwerten. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung ist eine hellrote Färbung der Haut ein typisches Anzeichen einer Vergiftung mit Cyaniden: Das venöse Blut ist noch mit Sauerstoff angereichert, da der Sauerstoff von den Zellen nicht verwertet werden konnte.

Die Bindung des Cyanids an Fe-II-Ionen ist vergleichsweise gering. Die Inaktivierung des Hämoglobins durch Bindung des Fe-II-Ions spielt daher bei Vergiftungen eine untergeordnete Rolle.

Antidot: Auf keinen Fall bei Rauchvergiftung 4-Dimethylaminophenol verwenden. Das 4-Dimetyhlaminophenol wandelt das Fe(II) in Fe(III) um was zu einer Methämoglobin Bildung führt. Das Methämoglobin bindet die Cyanidionen. Die Wirkung dieses Gegenmittels hängt allerdings von der Hämoglobinkonzentration im Blut ab.

Natriumthiosulfat: Es liefert den für das Enzyms Rhodanid-Synthetase benötigten Schwefel, welcher benötigt wird für die Umwandlung in Rhodanid. Hydroxycobalamin: Cobalt-Verbindung, welche mit Cyanidionen starke Komplexbindung eingeht.

Da viele Nahrungsmittel Cyanwasserstoff in geringen Konzentrationen enthalten, besitzt der Mensch das Enzym Rhodanid-Synthetase, welches geringe Mengen von Blausäure in den ungefährlichen Stoff Rhodanid umwandelt. Deshalb führen Vergiftungen mit geringen Spuren von Blausäure selten zu Langzeitschäden.

Natürliches Vorkommen

Die Kerne einiger Steinobstfrüchte (Mandel, insbesondere Bittermandel, Aprikose, Kirsche) enthalten geringe Mengen an Blausäure. Die in den Tropen vielfach als Nahrungsmittel genutzte Knolle des Maniok enthält ebenfalls Blausäure, die durch die Verarbeitung vor dem Verzehr der Pflanze entfernt wird. Zusätzlich enthalten Kirschkerne gebundene Blausäure, welche durch Magensäfte freigesetzt wird.

Kulturelle Vorkommen

Blausäure wird in vielen Prozessen in der Industrie und im Bergbau eingesetzt, beispielsweise zum Auslaugen von Gold:

Die Gold-Lösung wird dann mit Zink reduziert. (Wegen der besseren Handhabung wird hierbei nicht flüssige Blausäure, sondern eine Cyanidlösung eingesetzt.) Dieses Verfahren führt, wie auch mit dem alternativ eingesetzten Quecksilber-Amalgamverfahren, zu den oft katastrophalen Gewässervergiftungen in den Goldfördergebieten der Dritten Welt.

Blausäure ist auch ein wichtiger Ausgangsstoff für viele Erzeugnisse der organischen Chemie. In der Regel wird die Blausäure am Ort ihrer Herstellung sofort weiterverarbeitet, da ein Transport dieses Gefahrstoffes nach Möglichkeit vermieden wird.

Bei dem Verbrennen verschiedener synthetischer Polymere (Kunststoffe) kann Blausäure entstehen. Faustregel: 1/3 des Rauches ist Blausäure.

Beim Rauchen von Tabak entsteht ebenfalls Blausäure.

Unfälle im Umgang mit Blausäure

  • 1947, Los Angeles:

Während der Begasung eines aus Holz gebauten Wohnhauses zur Bekämpfung von Termiten, die es aufzufressen drohten, explodierte das hermetisch abgeriegelte Haus wegen einer zu hohen Konzentration von Blausäure.

  • 1977, Niederbayern, Wiesenfeld:

In der nur ein Jahr zuvor renovierten evangelischen Kirche färbten sich die Wände blau, nachdem diese mit Zyklon B begast wurde, um die Holzwürmer im Chorgestühl abzutöten. Nur wenige Wochen zuvor war die Kirche frisch verputzt worden. Die freigesetzte Blausäure reagierte mit dem im Verputz enthaltenen Eisen und färbte diesen damit blau (Siehe auch Eisenblau).

  • 1995, Kroatien, Urlaubsort Lovran bei Rijeka:

Während des Versuches, eine Kirche von Holzwürmern zu befreien, trat ein Teil des Gases wegen unsachgemäßer Versiegelung des Gebäudes aus. Der gesamte Ortskern wurde daraufhin mitten in der Nacht evakuiert.

  • 1998, Iowa:

Nachdem sich ein Schüler mit Kaliumcyanid getötet hatte, wurden neun Menschen von den aus seinem Körper austretenden Dämpfen krank.