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MIM-104 Patriot

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Startender Patriot-Flugkörper.

MIM-104 PATRIOT (Phased Array Tracking Radar to Intercept On Target) ist ein bodengestütztes Langstrecken-Flugabwehrraketensystem zur Abwehr von Flugzeugen, Marschflugkörpern und taktischen ballistischen Mittelstreckenraketen.

Entwickelt wurde es bereits seit den 1960er Jahren von den amerikanischen Firmen Raytheon und Lockheed, damals noch unter der Bezeichnung SAM D. Das russische Pendant zur Patriot ist die SA-10 Grumble aus den 1970er Jahren, bzw. die modernere SA-20 Gargoyle.

Technik

Getarntes Startgerät.

Das PATRIOT-Waffensystem besteht aus dem phased-array Radargerät, dem Feuerleitstand und den Startgeräten mit den Lenkflugkörpern. Die moderne Radartechnik erlaubt es, alle Funktionen, für die bei älteren Systemen mehrere Radarantennen benötigt wurden, in einem Antennenträger zusammenzufassen. Das Waffensystem ist in der Lage, bis zu 50 Flugziele gleichzeitig zu verfolgen und dabei bis zu fünf Bekämpfungsvorgänge einzuleiten.

Das Radar erreicht durch eine hohe Frequenzagilität und die Phasensteuerung eine hohe Resistenz gegenüber elektronischen Störmaßnahmen (ECM). Moderne Fernmeldetechnik wird zum Verbund und Datenaustausch der Waffensysteme untereinander und zu übergeordneten Gefechtsständen sowie fliegenden Frühwarnsystemen (AWACS) eingesetzt.

Der Flugkörper hat eine Länge von 5,31 m, einen Durchmesser von ca. 41 Zentimetern, wiegt 906 kg und wird von einem einstufigen Feststoff-Raketenmotor angetrieben. Er erreicht eine Geschwindigkeit von Mach 5, als PAC-3 Mach 6, und hat eine maximale Kampfentfernung von 68 km.

Entwicklung

Nach der Definitionsphase begann die eigentliche Entwicklung 1976, die ersten Systeme wurden 1984 von der US Army stationiert, und ab 1989 von der deutschen und niederländischen Luftwaffe eingeführt.

Das System wurde anfangs zur Bekämpfung von Kampfflugzeugen konzipiert, im Jahre 1988 aber aufgerüstet, um auch taktische Kurz- und Mittelstreckenraketen bekämpfen zu können (PAC-1 - Patriot Advanced Capability-1). Nach diesem reinen Software-Update wurde Ende der 80er das zweite Upgrade Patriot Advanced Capability 2 (PAC-2) entwickelt und 1990 eingeführt. Diese 'GEM' Modelle (guidance enhanced missile) benutzen einen für schnelle Ziele optimierten Näherungszünder.

Das jüngste Upgrade, PAC-3 genannt, stellt ein weitgehendes Redesign dar, vor allem mit der Vorgabe, taktische ballistische Raketen zu bekämpfen. Es wurde Ende 90er mit der Rakete MIM-104F eingeführt, die weiter in Richtung Raketenabwehr optimiert war: Der Flugkörper bekam nun einen zusätzlichen aktiven Radarsuchkopf und kleine Raketentriebwerke in der Kopfsektion, um die Manövrierbarkeit zu verbessern. Das Zielverfolgungsradar wurde mit 'Traveling Wave Tube' Technologie (TWT) erweitert, das Leitsystem wurde leistungsfähiger.

Die PAC-3 Lenkflugkörpergeneration zeichnet sich besonders durch die „Hit-to-kill“ Fähigkeit aus, d.h. die Zerstörung des Ziels allein durch kinetische Energie, was ein genaues Treffen der schnellen Ziele voraussetzt.

Die Kosten der einzelnen Rakete werden mit 600.000 US-Dollar für die ersten Modelle und 3 Mio. für die PAC-3 angegeben. Die gesamte Entwicklung allein des PAC-3 System Upgrades inklusive aller Tests kostete 6,9 Mrd. US-Dollar [1]. Diese Kosten werden auf die Systempreise umgelegt, weshalb andere NATO-Länder bisher zögern, das PAC-3 Upgrade zu ordern.

Einsatz in Deutschland und international

PATRIOT-System der Bundeswehr.

Im Januar 1985 wurde erstmals das PATRIOT-System von der US-Armee auch in Europa bzw. in der Bundesrepublik Deutschland im Raum Gießen (32nd Army Air Defense Command) stationiert.

Die Bundeswehr beschaffte selbst 12 PATRIOT-Staffeln und bemannte zusätzlich 24 US-amerikanische; sie hat seit dem 1. Januar 2006 24 Staffeln im operativen Einsatz. Die Luftwaffe hat derzeit einen vermuteten Bestand von 192 Startgeräten. Jede Staffel besitzt einen Feuerleitstand, ein Multifunktionsradargerät, acht Startgeräte mit je vier Flugkörpern, einen Richtfunktrupp mit Generatoren und Antennenmastanlage, sowie 32 Lenkflugkörpern in Reserve. Die Bestückung der Startgeräte erfolgt nach Bedarf: MIM-104 A-D: max. 4; PAC 3: bis zu 16, max. 8 beim Transport.

Weitere NATO-Nutzerstaaten sind Griechenland (seit 2003) und Spanien (seit 2005). Seit 1999 sollen PATRIOT PAC-3-Systeme auch Japan vor möglichen chinesischen und nordkoreanischen Raketen schützen. Hierzu wurden auf Okinawa und ab 2007 in Saitama das Raketenabwehrssystem stationiert. PATRIOT wird auch von Südkorea, Saudi-Arabien und Kuwait eingesetzt.

Die deutsche Luftwaffe plant, zwölf ihrer PATRIOT-Einheiten nach 2010 durch das neue Luftverteidigungssystem Medium Extended Air Defense System (MEADS) zu ersetzen.

Das Waffensystem gehört nach der Kampfwertsteigerung KWA Config 3 weiterhin zu den modernsten verfügbaren Flugabwehrsystemen der Welt.

Siehe auch: Extended Air Defence Task Force

Einsatz im Irak-Krieg

Im ersten Irak-Krieg wurde PATRIOTs die Aufgabe übertragen, angreifende irakische Scud bzw. Al Hussein-Raketen abzufangen. Das Konzept der Abwehr ballistischer Raketen war schon lange von den Großmächten verfolgt, aber noch nie real in einem Krieg erprobt worden. Der erste solche Einsatz erfolgte nun am 18. Januar 1991, wobei eine auf Saudi Arabien abgefeuerte Scud erfolgreich zerstört wurde.

Im Verlauf des Krieges wurden u.a. weitere 40 irakische Scuds mit Patriots bekämpft - der Erfolg dieser Einsätze ist allerdings bis heute umstritten:

  • Am 25. Februar 1991 traf eine irakische Scud eine Kaserne der US-Armee in Dharan in Saudi Arabien und tötete 28 Soldaten. Die folgende Untersuchung ergab, dass die PATRIOT-Batterie in Dharan den Flugkörper durchaus erkannt hatte und hätte bekämpfen können. Aufgrund eines Software-Fehlers wurde die Rakete aber vom Rechensystem als Fehlziel klassifiziert und keine Abfangrakete gestartet.
  • Die US-Armee gab anfangs eine „success rate“ (Erfolgsrate) für Scud-Abschüsse von 80% in Saudi Arabien und 50% in Israel an, später nur noch 70% bzw. 40%. Bei einem Besuch bei dem Patriot-Hersteller Raytheon erklärte US-Präsident George H. W. Bush dann: „42 Scuds engaged, 41 intercepted!“, was einer Erfolgsquote von 97,6% entspräche. Am 7. April 1992 hieß es dagegen in einer unabhängigen Untersuchung, das PATRIOT-System habe eine Erfolgsquote „unter 10%“ erreicht. In dem abschließenden Bericht hieß es: „Das PATRIOT-Raketensystem hatte im Golfkrieg nicht den spektakulären Erfolg, der der amerikanischen Öffentlichkeit weisgemacht wurde. .. Öffentlichkeit und Kongress wurden durch .. die Verwaltung und durch Raytheon-Vertreter während und nach dem Krieg irregeleitet.“ Auch in einem weiteren Bericht wurden die Erfolgszahlen kritisch kommentiert.
  • Bei der Bekämpfung von bemannten Flugzeugen hat sich PATRIOT zwar als technisch erfolgreich erwiesen, indem die drei in beiden Golfkriegen auf Flugzeuge abgefeuerten Raketen ihre Ziele trafen. Allerdings handelte es sich jeweils um Friendly Fire, also den irrtümlichen Abschuss eigener US-Flugzeuge.

Im dritten Irak-Krieg erreichten die inzwischen zu PAC-3 aufgerüsteten Systeme unbestritten gute Erfolgsquoten mit 11 abgeschossenen Kurzstrecken-Raketen des Typs Al Samoud-2 und Ababil-100. Mittelstreckenraketen wie im ersten Irak-Krieg kamen auf irakischer Seite jedoch nicht zum Einsatz. Dabei bewegten sich die PATRIOT-Stellungen auch erfolgreich mit der Front, um die vorgerückten Truppen zu schützen und den Luftraum zu überwachen.

Quellen

  1. [1]
Commons: MIM-104 Patriot – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien