Wahlordnung (Betriebsratswahl)
Basisdaten | |
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Titel: | Erste Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung - WO) |
Kurztitel: | Wahlordnung |
Abkürzung: | WO (auch: WahlO) |
Art: | Rechtsverordnung |
Geltungsbereich: | Bundesrepublik Deutschland |
Rechtsmaterie: | Betriebsverfassungsrecht |
Fundstellennachweis: | 801-7-1-1 |
Erlassen am: | 11.12.2001 (BGBl. I S. 3494) |
Inkrafttreten am: | 15. Dezember 2001 |
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten. |
Eine Wahlordnung (WO) regelt das Abhalten einer Wahl. In § 126 BetrVG hat der deutsche Bundesgesetzgeber die deutsche Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Einzelheiten des Wahlverfahrens für die Wahlen zum Betriebsrat im Sinne von § 14 BetrVG zu regeln. Auf dieser Basis ist unter dem 11.12.2001 die "Erste Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung - WO)" erlassen worden (BGBl. I S. 3494).
Der Aufbau der WO zur Betriebsratswahl
Die Wahlordnung gliedert sich in 4 Teile, die teilweise Abschnitte und Unterabschnitte enthalten.
- Erster Teil: Wahl des Betriebsrats nach § 14 BetrVG (§§ 1-27 WO)
- Zweiter Teil: Wahl des Betriebsrats im vereinfachten Wahlverfahren nach § 14a BetrVG (§§ 28-37 WO)
- Dritter Teil: Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung - JAV (§§ 38-40 WO)
- Vierter Teil: Übergangs- und Schlussvorschriften (§§ 41-43 WO)
Die WO beschreibt zunächst im Ersten Teil vollständig und umfassend das gesamte Wahlverfahren für den Standardfall, die Betriebsratswahl in einem größeren Betrieb. Das vereinfachte Wahlverfahren für Betriebe bis 50 Arbeitnehmern nach § 14a BetrVG ist im Zweiten Teil geregelt; hier verweist die WO vielfach auf den Ersten Teil und regelt nur das, was vom normalen Wahlverfahren abweicht. Dieselbe Regelungstechnik wird auch bei den Vorschriften zur Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung angewendet, weshalb man hier mit 3 Paragrafen ausgekommen ist.
Die allgemeinen Regelungen, die für alle Wahlarten gelten
Grundregeln für das Handeln des Wahlvorstandes (§ 1 WO)
Zuständig für die Durchführung der Betriebsratswahl ist der Wahlvorstand. Er hat im Regelfall 3 Mitglieder; in größeren Betrieben kann die Anzahl soweit zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl erforderlich erhöht werden, es muss aber stets eine ungerade Anzahl von Mitgliedern sein (§ 16 Absatz 1 BetrVG). Nach § 1 Absatz 2 WO fasst der Wahlvorstand seine Beschlüsse mit der Mehrheit seiner Mitglieder (absolute Mehrheit); eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen (relative Mehrheit) reicht also nicht aus. Außerdem ist in § 1 Absatz 2 WO geregelt, dass über jede Sitzung des Wahlvorstandes eine Niederschrift herzustellen ist, die mindestens vom Vorsitzenden und einem weiteren Mitglied des Wahlvorstandes zu unterzeichnen ist. Niederschrift ist Juristendeutsch und bedeutet umgangssprachlich Protokoll.
Die Wählerliste (§ 2 WO)
Der Wahlvorstand hat eine Wählerliste aufzustellen, aus der sich ergibt, welche Personen berechtigt sind, an der Betriebsratswahl teilzunehmen. In der betrieblichen Praxis wird diese Liste gleichbedeutend auch als "Wählerverzeichnis" bezeichnet. Am Wahltag kann nur wählen, wer in der Wählerliste eingetragen ist; das ist nicht anders als bei den Wahlen zum Landtag oder zum Bundestag. Die Wählerliste hat den Sinn, einen möglichen Streit um die Wahlberechtigung einzelner Personen vor dem Wahltag zu klären; ein Streit um die Wahlberechtigung soll nicht im Wahlbüro ausgetragen werden müssen.
In die Wählerliste müssen alle Arbeitnehmer des Betriebes aufgenommen werden, die berechtigt sind, an der Wahl teilzunehmen. Für die fehlerfreie Aufstellung der Wählerliste ist der Wahlvorstand insbesondere in größeren Betrieben auf die Zuarbeit des Arbeitgebers angewiesen. § 2 Absatz 2 WO verpflichtet daher den Arbeitgeber ausdrücklich dazu, dem Wahlvorstand die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
Die fertige Wählerliste muss vom Wahlvorstand betriebsöffentlich ausgelegt werden, damit alle Arbeitnehmer prüfen können, ob sie richtig erstellt ist. Meint ein Arbeitnehmer, die Wählerliste sei falsch erstellt, steht ihm das Recht des Einspruchs zu (§ 4 WO).
Die Eintragung in der Wählerliste ist auch zwingende Voraussetzung für die Kandidatur zur Betriebsratswahl (Ausübung des passiven Wahlrechts); gehen Wahlvorschläge beim Betriebsrat ein, muss er also als erstes prüfen, ob die Kandidatinnen und Kandidaten in der Wählerliste aufgeführt sind (§ 2 Absatz 3 WO).
Der Wahlvorstand muss die Wählerliste bis zum Tag der Wahl auf dem jeweils aktuellen Stand halten. Das bedeutet insbesondere, dass er ausgeschiedene Mitarbeiter streichen und in der Wahlzeit neu eingetretene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (sofern sie älter als 18 Jahre alt sind, § 7 BetrVG) neu in die Liste aufnehmen muss (§ 4 Absatz 3 WO).
Das Wahlausschreiben (§ 3 WO)
Mit der Veröffentlichung des Wahlausschreibens wird die Betriebsratswahl offiziell eingeleitet. Im Wahlausschreiben teilt der Wahlvorstand dem "Wahlvolk", also den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Betriebes, unter anderem mit, wann und wo die Wahl stattfindet, wie groß der Betriebsrat sein wird, welche Geschlechterquote für die Zusammensetzung des Betriebsrats gilt und wie man sich durch die Einreichung von Wahlvorschlägen als Bewerberin oder Bewerber an der Wahl beteiligen kann.
Das Wahlausschreiben ist ein sehr förmliches Dokument, das im normalen Wahlverfahren mindestens 13 verschiedene Informationen enthalten muss, die alle in § 3 WO aufgeführt sind. Bereits das Vergessen einer dieser Informationen, kann die Wahl anfechtbar machen. Im vereinfachten Wahlverfahren für kleinere Betriebe enthält das Wahlausschreiben nach § 31 WO sogar insgesamt 15 Pflichtangaben, die dort aber ebenfalls vollständig und übersichtlich aufgeführt sind; man kann § 3 Absatz 2 WO und § 31 Absatz 1 WO also wie eine Checkliste verwenden.
Sitze für das Geschlecht in der Minderheit (§ 5 WO)
Nach § 15 Absatz 2 BetrVG muss das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, im Betriebsrat mindestens so viel Sitze bekommen, dass sich das Geschlechterverhältnis in der Belegschaft im Betriebsrat abbildet. Diese Regelung ist 2001 neu in das Betriebsverfassungsrecht aufgenommen worden. Der geschlechtsspezifische Minderheitenschutz ist seit dem eines der Reizthemen des Betriebsverfassungsrechts. Das BAG hat die Vorschrift zutreffend als gültig angesehen (BAG 16.03.2005 - 7 ABR 40/04 - BAGE 114, 119 = AP Nr. 3 zu § 15 BetrVG 1972 = Streit 2006, 68).
§ 5 WO legt die Einzelheiten fest, wie die Anzahl der Sitze für das Geschlecht in der Minderheit im Betriebsrat festgestellt wird. Die Umrechnung erfolgt nach dem d'Hondtschen Auszählverfahren, das in § 5 WO in kaum mehr verständlichem trockensten Juristendeutsch zu Papier gebracht worden ist.
Ausgangspunkt der Berechnung ist die Ermittlung der Anzahl der Frauen und der Anzahl der Männer in der Belegschaft. Stichtag für diese Berechnung ist der Tag der Veröffentlichung des Wahlausschreibens (§ 5 Absatz 1 Satz 3 WO). Jetzt nimmt man die beiden ermittelten Zahlen und teilt sie erst durch 1, dann durch 2, dann durch 3 usw. Dadurch erhält man zwei Zahlenreihen mit den Ergebnissen der Divisionen (das sind die "Teilzahlen"). Jetzt zählt man einfach noch entsprechend der Anzahl der Sitze im Betriebsrat die höchsten Teilzahlen aus und ermittelt, wie viele dieser höchsten Teilzahlen ("Höchstzahlen") aus der Ausgangszahl der Frauen oder der Männer stammen.
Beispiel: Im Betrieb sind 48 Frauen und 128 Männer tätig. Das macht insgesamt 176 ArbeitnehmerInnen, also besteht der Betriebsrat nach § 9 BetrVG aus 7 Mitgliedern. Als erstes teilt man nun für die Frauen 48 durch 1, dann durch 2, dann durch 3 usw. Die "weibliche Zahlenreihe" lautet also: 48 - 24 - 16 - 12 - 9,6 - 8 ... Dasselbe macht man mit der Anzahl der männlichen Arbeitnehmer. Die "männliche Zahlenreihe" lautet dann: 128 - 64 - 42,66 - 32 - 25,6 - 21,33 ... Da der Betriebsrat aus 7 Mitgliedern besteht, muss man nun die 7 höchsten Zahlen aus den beiden Zahlenreihen und ihre Herkunft aus der "männlichen" oder der "weiblichen" Zahlenreihe ermitteln. Das Ergebnis lautet: 128 (männlich), 64 (männlich), 48 (weiblich), 42,66 (männlich), 32 (männlich), 25,6 (männlich), 24 (weiblich). Also stehen den Frauen, die im Beispielsfall das Geschlecht in der Minderheit bilden, mindestens 2 Sitze im Betriebsrat zu, da (nur) 2 der 7 höchsten Höchstzahlen aus der "weiblichen Zahlenreihe" stammen.
Die Mechanik dieses Höchstzahlverfahrens ist nicht ohne Weiteres zu durchschauen. Im Prinzip führt es jedoch zu einer in etwa gleichen prozentualen Stärke des Geschlechts in der Minderheit in der Belegschaft wie im Betriebsrat; im obigen Beispiel haben die Frauen zum Beispiel einen Anteil von 27,3 % an der Belegschaft und Anspruch auf mindestens 28,6 % der Sitze im Betriebsrat. Die "richtige" Abbildung der Geschlechterquote aus der Belegschaft im Betriebsrat wird immer Probleme bereiten, da man es mit Menschen zu tun hat, die man nicht teilen kann. Man muss daher ein Zuteilungsverfahren finden, das Bruchteile oder Nachkommawerte vermeidet und dennoch zu einer möglichst genauen Verteilung entsprechend der Quote führt.
Weblinks:
- Wer sich mehr für die dahinter stehenden mathematischen Lösungsansätze interessiert, dem wird die Lektüre des Artikels zu verschiedenen Sitzzuteilungsverfahren empfohlen.
- Hier gibt es weitere Einzelheiten zum D'Hondt-Verfahren.
Das Wahlsystem
Unter Wahlsystem wird hier die Art und Weise verstanden, in der der Wähler durch seine Wahlentscheidung auf die Zusammensetzung des Betriebsrats Einfluss nehmen kann. Insoweit handelt es sich allerdings nicht um einen einheitlich gebrauchten Fachbegriff. Hier wird der Begriff so verwendet wie in dem Artikel Wahlsystem zum Stichwort "Repräsentantenwahlen". Das Betriebsverfassungsgesetz kennt das Wahlsystem der Verhältniswahl (Listenwahl) und das Wahlsystem der Mehrheitswahl (Personenwahl).
Die Listenwahl
§ 14 Absatz 2 Satz 1 BetrVG schreibt für die Betriebsratswahl im Regelfall die Verhältniswahl vor, die in der betrieblichen Praxis häufig auch als Listenwahl bezeichnet wird (Zu den Ausnahmen vgl. unten bei "Personenwahl").
Bei der Verhältniswahl werden von den im Betrieb vertretenen Interessengruppen Listen mit Kandidatinnen und Kandidaten "in erkennbarer Reihenfolge" (§ 6 Absatz 3 WO) aufgestellt und zur Wahl eingereicht. Die Wähler haben in diesem Falle jeweils nur eine Stimme, die sie der Liste ihrer Wahl geben können. Die Wähler können also keine einzelnen Personen wählen und sie können noch nicht einmal eine bestimmte Person aus der Liste ankreuzen, um ihr eine bessere Position innerhalb der Liste zu verschaffen. Die Sitze im Betriebsrat werden auf die Listen nach dem Anteil der erreichten Stimmen verteilt. Hat eine Liste zum Beispiel 3 Sitze errungen, sind die drei ersten Personen aus der Liste gewählt (ohne Berücksichtigung der Besonderheiten der Förderung für das Geschlecht in der Minderheit).
Die Personenwahl
Nach § 14 Absatz 2 Satz 2 BetrVG findet ausnahmsweise Personenwahl (Mehrheitswahl) statt, wenn
- nur 1 Liste zur Wahl angetreten ist oder wenn
- im vereinfachten Wahlverfahren nach § 14a BetrVG für Betriebe mit bis zu 50 Arbeitnehmern gewählt wird.
Bei der Personenwahl stehen einzelne Personen (und keine Listen) zur Wahl. Jeder Wähler hat so viele Stimmen wie es Sitze im Betriebsrat zu verteilen gibt (§ 20 Absatz 3 WO). Diese kann er oder sie auf die Personen seines oder ihres Vertrauens verteilen; pro Person kann er oder sie jedoch nur eine Stimme vergeben, eine Stimmenhäufung ist im Wahlrecht für den Betriebsrat nicht vorgesehen. Gewählt sind die Personen, die die meisten Stimmen erhalten haben (relative Mehrheit reicht aus).
Versuch einer Bewertung der Wahlsysteme
Die Personenwahl ermöglicht den Wählern den größten Einfluss auf die Zusammensetzung des Betriebsrats. Außerdem wird die Verankerung der Mitglieder des Betriebsrats in der Belegschaft durch die Anzahl der errungenen Stimmen nach außen deutlich, womit die Wähler zusätzlich indirekt sogar Einfluss auf die Autorität einzelner gewählter Mitglieder innerhalb des Betriebsrats ausüben können. Aus diesen Gründen ist die Personenwahl in der betrieblichen Praxis überall dort sehr beliebt, wo es keine ausgeprägten Interessengegensätze innerhalb der Belegschaft gibt. Ist man nach der Größe des Betriebes nach dem Gesetz zur Listenwahl gezwungen, wird hier versucht über alle Grenzen hinweg alle Interessierten auf einer einzigen Liste zu bündeln, damit man dann doch auf diese Weise durch die Ausnahmevorschrift aus § 14 Absatz 2 Satz 2 BetrVG zur Personenwahl kommen kann.
Das Verhältniswahlrecht (die Listenwahl) ermöglicht es dagegen Einfluss auf die Zusammensetzung des Betriebsrats in relativer Unabhängigkeit vom Wählerwillen zu nehmen. Wenn man das hört, denkt man vielleicht erst einmal an verschworene Gemeinschaften, die in irgendwelchen verrauchten Hinterzimmern geheimer Treffpunkte nach undurchschaubaren Regeln ermitteln, wem die ersten Plätze auf der Liste, die vermutlich noch für einen Sitz im Betriebsrat reichen, gebühren sollen. Die Wirklichkeit sieht natürlich anders aus. Auch die Listen werden innerhalb der Interessensgruppen nach mehr oder weniger demokratischen Prinzipien aufgestellt. Positiv formuliert hat also der Wähler, der sich zusätzlich in einer solchen Interessensgruppe engagiert, eine doppelte Möglichkeit, auf den Ausgang der Wahl Einfluss zu nehmen, einmal über die Wahlen bei der Aufstellung der Listen innerhalb seiner Interessengruppe und zum anderen durch die Wahlentscheidung am Wahltag selbst. Die Listenwahl ist aus den genannten Gründen das Wahlsystem, das die Gewerkschaften bevorzugen.
Jenseits aller Glaubenskämpfe um das richtige Wahlsystem sollte man einen Vorzug des Listenwahlsystems nicht aus den Augen verlieren. Wenn sich einzelne Mitglieder des Betriebsrats in der Belegschaft oder beim Arbeitgeber unbeliebt gemacht haben, weil sie unbequeme aber notwendige Dinge gesagt oder getan haben, kann man deren Wiederwahl allenfalls durch eine Listenwahl absichern. Denn nur bei der Listenwahl kann man ihnen einen "sicheren" Listenplatz einräumen, um sie so unabhängig von der aktuellen Stimmung in der Belegschaft wieder in den Betriebsrat zu bekommen.
Der Wahlvorgang
Im Regelfall hat die Abgabe der Stimme persönlich durch Erscheinen im Wahllokal zu erfolgen. In Ausnahmefällen kommt auch die "schriftliche Stimmabgabe" in Betracht, dass ist der juristische Fachbegriff für die Briefwahl.
Die persönliche Stimmabgabe
In Übereinstimmung mit den Grundwerten des deutschen Grundgesetzes und in Übereinstimmung mit demokratischer Wahltradition wird der Betriebsrat in freier und geheimer (§ 14 BetrVG) Wahl gewählt. Die freie und geheime Wahl ist dann am besten gewährleistet, wenn der oder die Wählerin ihre Stimme unter Kontrolle des Wahlvorstandes abgibt, denn der Wahlvorstand hat dafür Sorge zu tragen, dass jeder Wähler und jede Wählerin ihre Stimme frei und unbeobachtet abgeben kann (§ 12 Absatz 1 WO). Der Wahlvorstand ist verpflichtet einzugreifen, wenn er den Eindruck hat, andere Personen wollen den Wähler bei seiner Wahlentscheidung beobachten oder gar beeinflussen. Daher ist die Pflicht zur persönlichen Stimmabgabe im Wahllokal nicht nur eine nutzlose Förmelei, sondern Ausdruck der Bedeutung des freien und geheimen Wahlrechts. Die Stimmabgabe erfolgt durch Ausfüllen des Stimmzettels.
Sind die Arbeitnehmer auf mehrere Standorte verteilt, können auch mehrere Wahllokale gebildet werden; denkbar ist auch der Einsatz eines mobilen Wahllokals, dass alle Einsatzorte der Arbeitnehmer nach und nach bereist. In beiden Fällen muss allerdings beachtet werden, dass die Wahlurne entweder unter ständiger Beobachtung stehen muss oder dass sie - zum Beispiel beim Transport oder in den Nachtstunden - förmlich versiegelt sein muss.
Briefwahl
Vor diesem Hintergrund wird vielleicht verständlich, weshalb die schriftliche Stimmabgabe (Briefwahl) stets nur die Ausnahme zur Regel sein kann. Denn der Wahlvorstand kann nicht garantieren, dass der oder die Wählerin bei der Stimmabgabe tatsächlich unbeobachtet war. Der oder die Briefwählerin muss zwar schriftlich bestätigen, dass er bzw. sie die Stimme persönlich abgegeben hat, tatsächlich kontrollieren lassen sich diese Angaben jedoch nicht. Daher ist nach der Wahlordnung die Briefwahl nur im Ausnahmefall zulässig.
- Nach § 24 Absatz 1 WO ist die Briefwahl auf Antrag zulässig, wenn der oder die Wählerin am Wahltag (an den Wahltagen) an der persönlichen Stimmabgabe gehindert ist (Urlaub, Dienstreise, Krankheit etc).
- Nach § 24 Absatz 3 WO ist die Briefwahl zusätzlich auf Anordnung des Wahlvorstandes möglich, für zum Betrieb gehörende Standorte, die "räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt liegen".
Briefwahl ist auch im vereinfachten Wahlverfahren möglich. Da man hier jedoch als Verordnungsgeber so viel Wert auf die Beschleunigung des ganzen Wahlverfahrens gelegt hat, lässt sich hier die Briefwahl nur dadurch ermöglichen, dass die Briefwähler eine Frist zur Abgabe der Briefwahlunterlagen bekommen, die nach der Betriebsversammlung zur Wahl des Betriebsrats liegt (!). Dadurch ist aus der "schriftlichen Stimmabgabe" hier plötzlich eine "nachträgliche Stimmabgabe" geworden (§ 35 WO. Diese besondere Form der Briefwahl gibt es aber nur beim zweistufigen vereinfachten Wahlverfahren, das nur zur Anwendung kommt, wenn man in kleineren Betrieben bis 50 Arbeitnehmer zum ersten Mal einen Betriebsrat wählt (§§ 30-35 WO).
Die Stimmenauszählung
Im Regelfall findet die Stimmenauszählung unmittelbar nach Schließung des Wahllokals statt (§ 13 WO). Nur dann, wenn im vereinfachten Wahlverfahren vom Recht der Briefwahl Gebrauch gemacht wurde, und noch nicht alle ausgegebenen Briefwahlunterlagen am Tag der Stimmabgabe eingegangen sind, kommt es hier nach § 35 WO zu einer nachträglichen Stimmenauszählung. Ein gesonderter Termin zur Stimmenauszählung ist auch dann unumgänglich, wenn es mehrere Wahllokale gibt und die mit den Stimmzetteln gefüllten Wahlurnen erst zu dem Ort der Stimmenauszählung verbracht werden müssen.
Die Stimmenauszählung muss in jedem Falle stets unter den Augen der Betriebsöffentlichkeit stattfinden. Daher müssen Datum, Ort und Uhrzeit der Stimmenauszählung bereits im Wahlausschreiben öffentlich bekannt gemacht sein. Zudem muss der Raum der Auszählung ohne Hindernisse zugänglich sein.
Die Zuteilung der Sitze im Betriebsrat
Aus dem Ergebnis der Stimmenauszählung müssen letztlich noch die gewählten Mitglieder des Betriebsrats ermittelt werden. Dabei sind auch wieder die Besonderheiten, die durch die Förderung für das Geschlecht in der Minderheit bedingt sind, zu beachten.
Sitzzuteilung bei der Listenwahl
Nach § 15 Absatz 1 WO erfolgt bei der Listenwahl die Zuteilung der Sitze auf die Listen nach dem d'Hondtschen Auszählverfahren. Das ist in diesem Artikel oben bei der Bestimmung der Anzahl der Betriebsratsitze, die dem Geschlecht in der Minderheit zustehen, näher erläutert worden.
Ergibt sich nach der Verteilung der Sitze, dass die Mindestanzahl der Sitze für das Geschlecht in der Minderheit verfehlt worden ist, kommt es zu einem Austauschverfahren, das sehr aufwändig ist und das in § 15 Absatz 5 WO erschöpfend beschrieben ist. Im Prinzip dröselt man die Zuteilung der Sitze von hinten her wieder auf. Man sucht sich also den oder die Gewählte aus, die es zuletzt noch aufgrund der niedrigsten verwerteten Höchstzahl in den Betriebsrat geschafft hat; gehört sie dem Geschlecht in der Minderheit an, wird sie übersprungen und man sucht den oder diejenige, die mit der zweitniedrigsten Höchstzahl noch den Sprung in den Betriebsrat geschafft hat usw. Findet man auf diese Weise einen oder eine Gewählte mit dem "falschen" Geschlecht, verliert diese Person ihren schon sicher geglaubten Sitz im Betriebsrat. Den Sitz bekommt statt dessen die Person auf der betroffenen Liste, die am weitesten oben steht, noch keinen Platz im Betriebsrat hat und dem Geschlecht in der Minderheit angehört. Gibt es auf der betroffenen Liste keine solche Person, fällt der Platz an eine andere Liste, die noch über Bewerber oder Bewerberinnen mit dem geeigneten Geschlecht verfügt (Listensprung). Dieses Austauschverfahren wird durchgeführt, bis die Quote stimmt oder bis feststeht, dass die Quote nie erreicht werden kann, da es keine weiteren Bewerberinnen oder Bewerber mehr mit dem geeigneten Geschlecht gibt. - Die ganze Regelung ist irgendwie typisch deutsch ausgefallen: Vom gedanklichen Ansatz her perfekt, aber so kompliziert umgesetzt, dass in der Praxis wohl häufig Fehler gemacht werden.
Sitzzuteilung bei der Personenwahl
Nach § 22 Absatz 1 WO werden bei der Personenwahl die dem Geschlecht in der Minderheit zustehenden Sitze vorab zugeteilt. Dazu werden nur die Personen ins Auge gefasst, die diesem Geschlecht angehören. Nach der Anzahl der auf sie entfallenen Stimmen werden ihnen diese Sitze zugeteilt.
Anschließend werden die übrigen Sitze ohne jegliche Rücksicht auf das Geschlecht allein nach der Anzahl der erreichten Stimmen - unter Außerachtlassung der Personen, die bereits einen Sitz nach der Geschlechterquote erreicht haben - zugeteilt (§ 22 Absatz 2 WO).
Weitere Aufgaben des Wahlvorstandes nach dem Wahltag
Nachdem fest steht, wer in den Betriebsrat gewählt ist, müssen die Gewählten noch die Wahl annehmen (§ 17 WO). Haben alle die Wahl angenommen, ist das Wahlergebnis betriebsöffentlich überall dort bekannt zu machen, wo auch das Wahlausschreiben ausgehängt war (§ 18 WO). Außerdem erhalten nach § 18 WO der Arbeitgeber und die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften eine Abschrift der Wahlniederschrift (Protokoll über die Stimmenauszählung).
Letztlich hat der Wahlvorstand noch die Wahlakten zu schließen und sie dem Betriebsrat zu übergeben § 19 WO. Überdies muss er nach § 29 Absatz 1 BetrVG noch zur ersten Sitzung des neu gewählten Betriebsrats einladen und diese Sitzung so lange leiten, bis aus der Mitte des Betriebsrats heraus ein Versammlungsleiter gewählt wurde.
Vergleichbare Regelungen aus anderen Rechtsgebieten
Andere Belegschaftsvertretungen in der Privatwirtschaft
Soweit die Belegschaft in der Privatwirtschaft Mitglieder des Aufsichtsrats nach dem Drittelbeteiligungsgesetz oder nach dem Mitbestimmungsgesetz wählen kann, geschieht auch dies jeweils auf Basis einer Wahlordnung, die Ähnlichkeiten mit der Wahlordnung zum Betriebsrat aufweist. Auch für die Wahlen zum Sprecherausschuss der leitenden Angestellten nach dem Sprecherausschussgesetz gibt es eine Wahlordnung, deren Grundgedanken der Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz entlehnt sind.
Personalratswahl
Der Personalrat ist in Deutschland die dem Betriebsrat entsprechende Interessenvertretung der Bediensteten (Arbeitnehmer und Beamte) des öffentlichen Dienstes. Personalräte werden in den Bundesbehörden auf Basis des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) gewählt und in den Ländern und Kommunen auf Basis der Personalvertretungsgesetze der Bundesländer. Sowohl zum BPersVG als auch zu den vielen Landespersonalvertretungsgesetzen sind Wahlordnungen für die Wahl der Personalräte erlassen worden. Die großen Linien sind in allen Wahlordnungen gleich. Dennoch gibt es für die Personalratswahlen einige Besonderheiten zu beachten.
Das Gruppenprinzip im Personalrat
Der Personalrat setzt sich auch nach der Aufgabe der Unterteilung der Arbeitnehmer in Angestellte und Arbeiter noch aus Gruppen zusammen, denn zum Personalrat gehören auch die Vertreter der Beamten. Nach Bundesrecht gibt es sogar noch als dritte Gruppe, die Gruppe der Soldaten, sofern in der Dienststelle Soldaten beschäftigt sind. Die Untergliederung des Personalrats in Gruppen hat für das Wahlrecht weitreichende Konsequenzen, denn die Wahl findet im Regelfall in den einzelnen Gruppen statt (Gruppenwahl); nur über eine umständliche Vor-Abstimmung, deren Durchführung nicht einmal dem Wahlvorstand obliegt, kann man zu einer gemeinsamen Wahl gelangen. Aber auch die gemeinsame Wahl ändert nichts an dem Grundsatz, dass den Gruppen in der Belegschaft vorab entsprechend ihrem Anteil in der Belegschaft der ihr zustehende Anteil der Sitze im Personalrat zugeteilt wird. Hier findet nach Bundesrecht und wohl auch in den meisten Länderwahlordnungen die Zuteilung der Sitze auf die Gruppen nach dem oben dargestellten d'Hondtschen Auszählverfahren statt.
Frauenförderung im Wahlrecht für die Personalräte
Andererseits gibt es jedenfalls im Bundesrecht für die Personalratswahl kein Förderverfahren für das Geschlecht in der Minderheit. Einzelne Landesgesetze sind hier - auch schon lange vor der Einführung des Förderverfahrens für das Geschlecht in der Minderheit im Wahlrecht für den Betriebsrat im Jahre 2001 - eigene Wege gegangen, um den Anteil und den Einfluss der Frauen im Erwerbsleben zu vergrößern.
An die Wahlen für den Personalrat angelehnte Wahlordnungen
In Anlehnung an das BPersVG ist das Soldatenbeteiligungsgesetz entstanden, nach dem die Wahlen ebenfalls nach näherer Maßgabe einer Wahlordnung durchgeführt werden. Letztlich hat auch das Wahlrecht für die Richter- und Staatsanwaltschaftsräte an den Gerichten und Staatsanwaltschaften sowohl im Bund als auch in den Ländern enge Bezüge zum Wahlrecht für den Personalrat.
Mitarbeitervertretungen im Bereich der katholischen oder evangelischen Kirchen
Für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Kirchen und Religionsgemeinschaften fehlt dem Staat die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung von Mitbestimmungsmöglichkeiten. Die Ausgestaltung der Dienststellenverfassung kirchlicher Einrichtungen unterlegt vielmehr der kirchenrechtlichen Gesetzgebungskompetenz der jeweiligen Kirche. Was alles zur Kirche gehört, richtet sich nach der Reichweite des kirchlichen Einflusses und nicht - wie bei der Abgrenzung von Personalvertretungsrecht und Betriebsverfassungsrecht - nach der Rechtsform des Trägers der Einrichtung. Das hat zum Beispiel zur Folge, dass in einem krichlichen Krankenhaus auch dann kein Betriebsrat gewählt werden kann, wenn das Krankenhaus durch eine GmbH geführt wird, solange diese unter kirchlichem Einfluss steht.
Auf dieser Basis hat die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) ein Mitarbeitervertretungsgesetz verabschiedet, das inzwischen in den meisten Regionen Deutschlands - teilweise mit geringfügigen Abweichungen - gilt. Auch hier vollzieht sich die Wahl der Mitarbeitervertretung auf Basis einer Wahlordnung.
Auch die katholische Kirche hat eine Mitarbeitervertretungsordnung erlassen, die in den meisten Bistümern in Deutschland inzwischen umgesetzt wurde. Auch sie sieht die Wahl von Mitarbeitervertretungen auf Basis von Wahlordnungen vor.
Weblinks