Thema (byzantinische Verwaltung)
Das Thema (Vorlage:ELSalt2, die Etymologie des Wortes ist umstritten)[1] war die Nachfolgeeinrichtung der Provincia im Byzantinischen Reich. Sie entstanden um die Mitte des 7. Jahrhunderts. Es handelte sich um Militärdistrikte, deren Befehlshaber später auch zivil-administrative Aufgaben wahrnahmen. Die wahrscheinliche Bedeutung ist „Zuweisungs-“ bzw. „Aufstellungsraum“, die ursprüngliche Bedeutung des Wortes war wohl schlicht „Armee“; es bezeichnete die Truppen des magister militum (Heermeisters) des spätrömischen Heeres. Eine Vorstufe der Themen war das Exarchat.
Allgemeines
Unter Druck der arabischen Invasion ab den 30er Jahren des 7. Jahrhunderts, entstanden diese Militärdistrikte um die Mitte des 7. Jahrhunderts zuerst in Kleinasien (Armeniakon, Thrakesikon, Opsikion, Anatolikon). Es handelt sich dabei nicht um das Ergebnis der Bemühungen nur eines Kaisers. Vielmehr stellte diese Entwicklung einen sich längere Zeit hinziehenden Prozess dar. Notwendig geworden war diese Umgestaltung der Verwaltung durch die massiven byzantinischen Gebietsverluste im 7. Jahrhundert. In dem anschließenden Jahren kämpfte Byzanz um die schiere Existenz; die Tatsache, dass sich das Reich dennoch behaupten konnte, war offenbar maßgeblich der Themenorganisation zuzuschreiben, wenngleich auch andere Faktoren, wie innerarabische Streitigkeiten, eine Rolle spielten.
Die zivilen eparchiai (Provinzen) überlebten allerdings parallel bis mindestens in das 8. Jahrhundert. Später wurde die Themenverwaltung auch auf die von Slawen und Bulgaren bedrohten byzantinischen Gebiete in Europa und die zurückeroberten Gebiete im Osten übertragen. Obwohl die Militärverwaltung zuerst von der Zivilverwaltung strikt getrennt war, wie es bereits in der Spätantike üblich gewesen war, übernahmen die Militärgouverneure spätestens um 840 auch diese Funktion, nun unterstützt von untergeordneten protonotarioi, deren Bedeutung im Laufe des 9. Jahrhundert jedoch mehr und mehr zunahm. Selbst jetzt scheint aber, wie das Kleterologion des Philotheos anzeigt (899), eine parallele Zivilverwaltung bestanden zu haben, wenn auch unter der Kontrolle des entsprechenden strategos (στρατηγός, General) stand.
In der Spätzeit zerfielen die großen Themata in kleinere Einheiten (besonders im Zusammenhang mit der byzantinischen Expansion ab der Mitte des 9. Jahrhunderts). Dies sollte auch nicht zuletzt der Gefahr vorbeugen, dass ehrgeizige Generale die Themen als Sprungbrett für eine Usurpation nutzen konnten. Im 11. Jahrhundert brach die Themenordnung, in der auch die Ansiedlung von Soldatenbauern an der Grenze eingebunden war (siehe auch Akriten), aufgrund der wirtschaftlichen und militärischen Katastrophen des byzantinischen Reiches zusammen. Kaiser Basileios II. löste mehrere Themen auf und übertrug die Verteidigung stattdessen Söldnereinheiten, die unter seiner direkten Kontrolle standen.[2]
Die Zahl der Themen schwankte zwischen vier (zur Zeit ihrer Entstehung) und ca. fünfzig (während der byzantinischen Expansion Ende des 10. und zu Beginn des 11. Jahrhunderts).
Forschungsprobleme
Nicht zuletzt aufgrund der äußerst mangelhaften Quellenlage bezüglich der Verhältnisse im byzantinischen Osten im 7. Jahrhundert sind zahlreiche Einzelfragen in Bezug auf die Themenverfassung äußerst umstritten. Dies betrifft vor allem, aber nicht ausschließlich, die Datierung und die Modalitäten der Einführung der Themenverfassung. Sie galt sehr lange als Reform des Kaisers Herakleios. Nach Georg Ostrogorsky schuf sie Herakleios im Umfeld der Perserkriege, indem er den Truppen Land zuwies und Militärprovinzen einrichtete, in denen bevorzugt die Rekrutierung stattfand.[3] Er verwies auf eine Angabe in der (allerdings nicht zeitgenössischen) Theophanes-Handschrift, wonach Kaiser Herakleios sich im Jahr 622 in die Gebiete der Themen begeben habe; bald danach scheinen die Namen der einzelnen Themen auf, so wird im Chronicon Paschale für das Jahr 626 ein „Komes des Opsikion“ erwähnt. Seiner Deutung schlossen sich unter anderem Franz Dölger, Wilhelm Enßlin und Charles Diehl an.
Dennoch war damit keine Einigung erreicht, denn bald wurde dieser Argumentation widersprochen. So war beispielsweise Agostino Pertusi der Meinung, dass die Themen Kleinasiens in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts entstanden sind.[4] Manche Forscher gingen wiederum von einer allmählichen Entstehung im späten 6. oder 7. Jahrhundert aus dem spätrömischen Bewegungsheer und den limitanei aus. Paul Lemerle, Pertusi, Karayannopulos und andere lehnten allerdings jede Verbindung zwischen dem Militärland und den Themen ab, da Soldatengüter erst deutlich später bezeugt sind.[5]
In der modernen Forschung wird kaum noch davon ausgegangen, dass Herakleios für die Einführung des Themen-Systems verantwortlich war.[6] Die Mehrheit der modernen Historiker gehen heute davon aus, dass die ersten Themen nach dem Beginn der arabischen Invasion durch die Neugruppierung der alten oströmischen Grenztruppenverbände im Inneren Kleinasiens entstanden:[7] Die Truppen, die bis zum Angriff der Araber unter dem magister militum per Orientem in Syrien und Mesopotamien gedient hatten, zogen sich in das Thema Anatolikon (gr. anatolé = lat. Oriens) zurück, während die Soldaten des magister militum per Armeniam das Thema Armeniakon verteidigten. Gleiches gilt – folgt man dieser Hypothese – auch für die Truppen, die bislang dem magister militum per Thracias unterstanden hatten (Thema Thrakesion), sowie für die dem magister militum praesentalis unterstehenden Einheiten der Garde (obsequium), die das Thema Opsikion verteidigen sollten. Zugleich verschwand das römische Amt des magister militum.[8] Trifft diese Theorie zu, so war die Entstehung der Themenordnung die Folge des Zusammenbruchs der spätrömischen Grenzverteidigung und des Rückzugs der geschlagenen Armeen nach Kleinasien um 640. Einige Gelehrte, darunter Warren Treadgold, haben dieser Revision der Datierung jedoch entschieden widersprochen. Treadgold tritt dabei für eine Etablierung der Themen unter Konstans II. ein.[9]
Organisation
Die Verwaltung der Themen unterstand dem Militär, der Gouverneur eines Themas war gleichzeitig der Oberkommandierende der Armee. Er hieß gewöhnlich Strategós, der des Opsikion Komes (sehr frei: „Graf“), der von Anatolien und Armenien Patrikios. Ab Johannes I. Tzimiskes wurden die Kommandeure der Tagmata und der Grenz-Themen „Grafen“ genannt. Afrika und Italien waren Exarchien, Zypern, Kreta und Thessaloniki Archontate.
Die Neuorganisation gab den Strategen relativ viel Macht, ab 668 sind demnach auch Rebellionen von Strategen belegt. Daher wurden die Themen unter den folgenden Herrschern verkleinert, Konstantin V. richtete aus Teilen der Truppen des Opsikion die Tagmata ein, eine Art kaiserliche Haustruppe, die allerdings auch Militärgüter bewirtschaftete.
Die Soldaten, auch die fremden Söldner, erhielten innerhalb der Themen Land zugewiesen, damit konnte ihr Sold deutlich verringert werden. Die Zahl der Beamten konnte nun von 2.500 auf 500 verringert werden. Die Soldaten mussten die Kosten für Uniformen, Ausrüstung, Pferde und Fourage aus dem Erlös ihrer Landwirtschaft bestreiten. Ab 659 sind Bleiplomben kaiserlicher Lagerhäuser bekannt, in denen die Militärausrüstung verkauft bzw. verteilt wurde. Sie wurden von dem Militärlogotheten verwaltet. Der Verkauf selbst oblag den kommerkiarioi, die ab dem 7. Jh zahlreich durch Siegel belegt sind.
Die Themen waren in 2–18 Drungi unterteilt, die aus jeweils 1.000 Soldatengütern bestanden. Sie unterstanden einem Drungarchen. Mehrere Drungi bildeten ein Turma unter einem Turmarchen. Treadgold schätzt die Stärke der Themen-Armeen für 780 auf 62.000 Mann, die der Tagmata auf 18.000. Im 11. Jahrhundert wurden auch wiederholt Truppen aus den Themenarmeen herausgelöst und in die Tagmata verlegt.[10]
Das Land, das den Soldaten zugewiesen wurden, stammte wahrscheinlich von den großen kaiserlichen Gütern, auch brachliegendes Land auf den großen Familiengütern – die spätantike Senatsaristokratie war seit etwa 600 in eine schwere Krise geraten – wurde vielleicht genutzt. Früher wurde mitunter vermutet, Herakleios (bzw. seine Nachfolger) habe sich bei der Neuorganisation vielleicht an der persischen Heeresreform von Chosrau I. orientiert, doch bleibt dies letztlich Spekulation. Bereits Kaiser Maurikios hatte die Exarchen der Prätorianerpräfektur unterstellt und damit militärische und zivile Verwaltung vermischt.
Nachdem die arabischen Angriffe auf Kleinasien zurückgingen, wurden in vielen Themen die Kampfeinsätze selten, die Soldaten wurden allmählich zu Bauern. Teilweise mussten die Soldaten Gelder abführen, insgesamt erhielten sie aber Zahlungen, ohne dafür viel zu leisten. Konstantin IX. begann Themen aufzulösen, die Überführung von Teilen des armenischen Themas 1053 gegen jährliche Steuer-Zahlungen (ca. 50.000 Mann) in den Zivilstand führte allerdings dazu, dass große Teile der Provinz von den Seldschuken überrannt wurden. Nach der Schlacht von Manzikert (1071) begann sich die Themen-Organisation aufzulösen, ab ca. 1100 scheint sie verschwunden zu sein. Spätere Kaiser setzten vor allem Söldnertruppen ein.
Name | Lage | erste Erwähnung | entstanden aus |
---|---|---|---|
Anatolikon, Ανατολικόν | Zentrales Anatolien | 669 | ehemalige Armee des Heermeisters des Ostens |
Opsikion, Οψίκιον | nördliche Ägäis und Küste des Marmarameeres | 688 | kaiserliche Gardetruppen |
Paphlagonia | abgeteilt von Opsikion | ||
Kappadokia | abgeteilt von Anatolikon | ||
Bukellarioi | nordwestliches Anatolien und Schwarzmeerküste | abgeteilt von Opsikion | |
Thrakesion, Θρακήσιον | westliches Anatolien und ägäische Küste zwischen Pergamon und Milet | 711-741 | wohl ehemalige Truppen des thrakischen Heermeisters |
Thrakisches Thema | Thrakien, Vorfeld von Konstantinopel | ||
Karabisianisches (Καραβησιάνων) oder Kibyrrhaeotisches Thema (Flotte) | Ägäische Küste zwischen Milet und Seleukia | 687 | Quaestura exercitus |
Sizilien | Sizilien und Kalabrien | ||
Hellas | Peloponnes | ||
Armeniakion, Αρμενιακόν | östliche Schwarzmeerküste und Anatolien bis Kayseri | 667/668 | Armee des ehemaligen Heermeisters von Armenien |
Optimation | östlich des Bosporus | abgeteilt von Opsikion | |
Charsianon | Zentralanatolien um Kayseri | abgeteilt von Armeniakon | |
Koloneia | Schwarzmeerküste zwischen Sinope und Sebasteia | abgeteilt von Armeniakon | |
Chaldia | östliche Schwarzmeerküste um Trabzon | 820 | abgeteilt von Armeniakon |
Dalmatia | östliche Adriaküste | 869 | |
Nikopolis | Epirus | ||
Lykandos | |||
Mesopotamia | |||
Sebasteia | |||
Bulgaria | ehm. Reich von Zar Samuil, Zentrum Skopje | 1018 | |
Paristrion | Zwischen Donau und Balkangebirge, Zentrum Silistra(Dorostol) | 1018 | |
Sirmien | Zwischen Donau und Sava, Zentrum Srem (Sremska Mitrovica) | 1018 | |
Makedonia | heutiges öst. Thrakien, Nördlich der Thema Thrakien, Zentrum Adrianopol | seit dem 6 Jhr. | |
Leontokome | |||
Langobardia | |||
Charsianon |
Literatur
- J. V. A. Fine: Basil II and the decline of the Theme System. In: Studia slavico-byzantina et medievalia Europensia 1, 1989, S. 44–47.
- John Haldon: Byzantium in the Seventh Century. The Transformation of a Culture. 2. Auflage, Cambridge 1997 (wichtiges Überblickswerk).
- John Haldon: Military Service, Military Lands, and the Status of Soldiers: Current Problems and Interpretations. In: Dumbarton Oaks Papers 47, 1993, S. 1–67.
- John Haldon: Warfare, State and Society in the Byzantine World. London 1999 (wichtige militärgeschichtliche Studie).
- Johannes Karayannopulos: Die Entstehung der byzantinischen Themenordnung. München 1959 (Zusammenfassung der älteren Forschung).
- Johannes Koder: Thema. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Bd. 8, Sp. 615f.
- Ralph-Johannes Lilie: Die zweihundertjährige Reform. Zu den Anfängen der Themenorganisation im 7. und 8. Jahrhundert. In: Byzantinoslavica 45, 1984, S. 27–39 und 190–201.
- Ralph-Johannes Lilie: Die byzantinische Reaktion auf die Ausbreitung der Araber. Studien zur Strukturwandlung des byzantinischen Staates im 7. und 8. Jahrhundert. München 1976.
- Ralph-Johannes Lilie: Thrakien und Thrakesion. Zur byzantinischen Provinzorganisation am Ende des 7. Jahrhunderts. In: Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik 26, 1977, S. 7–47.
- Warren Treadgold: A History of the Byzantine State and Society. Stanford 1997 (bzgl. der Datierung der Themenverfassung und auch hinsichtlich der inhaltlichen Qualität problematisch).
- Warren Treadgold: Byzantium and its army. Stanford University Press, Stanford 1995.
Anmerkungen
- ↑ Johannes Koder, Zur Bedeutungsentwicklung des byzantinischen Terminus Thema. In: Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik 40, 1990, S. 155–165.
- ↑ Catherine Holmes, Basil II and the Governance of Empire. Oxford 2005, S. 27.
- ↑ Vgl. neben diversen Aufsätzen Ostrogorskys Darstellung in seinem (nun allerdings veralteten) Handbuch Geschichte des Byzantinischen Staates.
- ↑ A. Pertusi, La formation des thèmes byzantins. In: Berichte zum XI. Internationalen Byzantinisten-Kongress I. München 1958, S. 1ff. Dort auch Zusammenfassung älterer Forschungspositionen.
- ↑ Siehe die Zusammenfassungen in Berichte zum XI. Internationalen Byzantinisten-Kongress. München 1958.
- ↑ Vgl. u.a. W. Kaegi, Heraclius. Cambridge 2003, etwa S. 113; P. Schreiner, Herakleios. In: LexMA 4, Sp. 2140f. Allgemein zur Diskussion vgl. Haldon, Warfare, State and Society, S. 71ff.
- ↑ J. Koder, Thema, Sp. 615f.
- ↑ Vgl. Haldon, Byzantium in the Seventh Century, speziell S. 215ff.
- ↑ Vgl. die Ausführungen in Treadgold, Byzantine State and Society, S. 314ff.
- ↑ Vgl. Holmes, Basil II, S. 394, Anm. 150.