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Adoptionen aus Korea

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Seit dem Ende des Koreakriegs (1950–1953) wurden offiziell mehr als 150.000 Kinder aus Korea ins Ausland adoptiert; die Zahl der inoffiziell adoptierten Kinder ist nicht dokumentiert, wird aber in der Regel mit mehr als 50.000 angenommen.

Geschichte

Nach dem Koreakrieg gab es vergleichsweise viele Kriegswaisen sowie Kinder aus Verbindungen amerikanischer Soldaten mit Koreanerinnen.

Einige amerikanische Missionare versuchten, die Situation der Kinder zu verbessern. Der US-Amerikaner Harry Holt adoptierte acht koreanische Kinder; von diesen hatten sieben einen ausländischen Elternteil. Harry und Bertha Holt aus Oregon, USA, waren christliche Fundamentalisten und hatten das Ziel, den koreanischen Kindern eine christliche Umgebung zu geben. Aus der Initiative Harry Holts ging später die Adoptionsagentur Holt Children Services, Inc. hervor, die heute noch in Korea und vielen anderen Ländern arbeitet. Auch heute ist diese, wie auch die anderen drei staatlich anerkannten koreanischen Adoptionsagenturen (SWS, KSS, ECWS), sehr christlich gefärbt.

Ende der sechziger Jahre entschied die südkoreanische Regierung, sich eher auf die Adoptionsagenturen zu verlassen, als ein Sozialwesen aufzubauen. Hiernach haben besonders viele Kinder infolge von Adoption Korea verlassen.

Erst mit den Olympischen Spielen 1988 in Seoul wurde mehr Kritik an den Adoptionen laut, vor allem von ausländischen Journalisten. Daraufhin wurde erstmals die Zahl der Adoptionen ins Ausland beschränkt. Mit der IWF-Krise in Asien nahm auch die Zahl der Kinder in den Waisenhäusern Koreas zu. Viele Eltern, die nicht in der Lage waren, genug Geld zu verdienen, sahen keinen anderen Ausweg, als ihre Kinder aufzugeben. Seither blieb die Anzahl der ins Ausland geschickten Kinder relativ konstant.

Viele adoptierte Kinder sind mittlerweile erwachsen, organisieren sich in Vereinen für Adoptierte und reisen auch zurück in das Land, in dem sie geboren sind. Das Phänomen der modernen internationalen Adoption hatte mit Korea seinen Ursprung gefunden.

Mit den drastischen Veränderungen im Sozialbereich (steigende Scheidungsrate, sinkende Geburtenrate) sieht sich die Regierung gezwungen, weitergehende Maßnahmen zu ergreifen. Aus diesem Grund hat die Regierung ein Stop der internationalen Adoption bis zum Jahre 2010/2011 in Betracht gezogen. Jedoch sind die Grundlagen dafür im Herbst 2005 noch nicht geschaffen.

Statistik

Adoptionen aus Südkorea von 1953 - 2005 (Quelle: Koreanisches Ministerium für Gesundheit und Sozialwesen)

Land Zahl
USA 104.718
Frankreich 11.124
Schweden 9.051
Dänemark 8.617
Norwegen 6.160
Niederlanden 4.099
Belgien 3.697
Australien 3.243
Deutschland 2.352
Kanada 1.939
Schweiz 1.111
Luxemburg 518
Italien 382
England 72
weitere Länder 66
Total 155.044

Im Jahre 2000 wurden noch Adoptionen in folgende Länder vermittelt:

  • USA
  • Dänemark
  • Frankreich
  • Schweden
  • Norwegen
  • Niederlanden
  • Australien
  • Kanada
  • Luxemburg

Grund der Adoptionen

Kinder werden aus zahlreichen Gründen zur Adoption freigegeben. Eine Studie von Daniel Meyer dokumentierte bereits im Zeitalter des wilden Westens die sogenannten Adoptionszüge von der Ostküste Amerikas in Richtung Westen. Viele Farmer erhielten auf diese Weise billige Arbeitskräfte. In Korea war der Hauptgrund in den 50er Jahren natürlich der Koreakrieg, welcher das Land in Ruin stürzte. Sehr viele Familien wurden auseinandergerissen und verloren durch kriegerische Auseinandersetzungen viele der Familienmitglieder. Auch die ideologische Kriegsführung zwischen dem kommunistischen Norden und dem kapitalistischen Süden führte zu vielen Trennungen innerhalb großer Familienclans. Die Waisen nach dem Krieg wurden relativ rasch außer Landes geschafft. Jedoch wurden auch Kinder von ledigen Müttern aufgegeben und auch der sozioökonomische Status vieler Familien führte zu Adoptionen ins Ausland. Damals gab es auch oft die Vorstellung, dass die Vereinigten Staaten ein sehr reiches Land wäre und dass es den Kindern nicht an materiellen Dingen mangeln würde. Diese Vorstellung hat sich in den Köpfen der koreanischen Bevölkerung ziemlich stark eingeprägt, so dass auch heute noch viele Familien von einer Emigration in die USA träumen. In den siebziger Jahren waren es nach wie vor sehr viele Familien, die aus Armut dazu gezwungen waren, ihre Kinder aufzugeben. Außerdem war in vielen Fällen ein Elternteil gestorben und alleine war man damals in der Gesellschaft praktisch ohne Chance. Seit den achtziger Jahren hat sich das Bild geändert und seither sind es praktisch nur noch Kinder von ledigen Müttern. Die koreanische Gesellschaft akzeptiert nach wie vor keine ledigen Mütter und daher muss sich erst noch eine Änderung der Mentalität ergeben, bevor man daran denken kann.

Adoptiertenorganisationen

Seit Ende der 80er Jahren haben sich Adoptierte aus Korea auch länderweise organisiert. Die erste derartige Organisation war die AKF in Schweden, welche 1987 gegründet worden ist. Danach kamen sehr bald weitere Schwesterorganisationen in Ländern wie Norwegen, Dänemark, Belgien, Frankreich, Niederlande, die Schweiz und Deutschland. Jenseits des Atlantiks gab es vor allem Vereine an der Ost- oder Westküste mit Ausnahme von Minnesota, wo sich sehr viele Adoptierte befinden.

Die Vereine beschäftigten sich erst oft mit Korea, versuchten die Kultur und Sprache ihren Mitgliedern beizubringen. Später kamen weitere Themen dazu, welche Adoptierte zu der Zeit sehr beschäftigte. Identitätsbildung, Rassismus und Adoptionsbezogene Themen bestimmten das Agenda der Vereine. Je nach Anzahl der Adoptierten pro Land waren die Vereine aktiver oder doch auch kleiner. Auch heute noch sind diese Vereine sehr aktiv und es bilden sich auch erste internationale Netzwerke, um die Adoptierten weltweit zu organisieren.

In Bezug auf Korea haben sich die Verhältnisse auch geändert. Vor 1999 war es Adoptierten nur mit F1 oder F2 (Familien- bzw. Sponsorenvisa) Visa möglich sich in Korea aufzuhalten. Dank G.O.A.'L (Global Overseas Adoptees' Link) wurden 1999 mit dem Gesetz für Auslandskoreaner die Adoptierten in die Kategorie der Auslandskoreaner aufgenommen und profitieren seither von diesem Status. Dank dieses Gesetzes können mittlerweile die Adoptierten aus Korea ein F4-Visum erhalten, welches ihnen erlaubt für jeweils zwei Jahre in Korea zu bleiben. Auch ist das Visum eine generelle Arbeitsbewilligung, so dass Adoptierte sich überall bewerben können (mit Ausnahme von gefährlichen, schmutzigen oder unsittlichen Arbeiten). Gegenüber dem E2-Visum für Ausländer hat das den Vorteil, dass man nicht an eine Institution oder Firma gebunden ist. Außerdem ist das F4-Visum jeweils um weitere zwei Jahre verlängerbar ohne dass man das Land dazu verlassen muss. Ein vergleichbares Gesetz erlaubt es auch Adoptierten aus Indien, sich in Indien für längere Zeit aufzuhalten.

Probleme einer Adoption

Identität

Identitätsbildung ist ein sehr wichtiger Prozess, der bei vielen Adoptierten verzögert wird und mit Schwierigkeiten behaftet ist. Grundsätzlich ist die Identitätsbildung bereits bei leiblichen Kindern schwierig, jedoch ist das für Kinder, die international adoptiert worden sind, einiges schwieriger, da sie keine Vorbilder wie in 'normalen' Familien haben. Jede 'normale' Familie besteht aus einer Einheit mit Eltern sowie den Kindern (bei Kernfamilien), evtl. mit Großeltern bei Großfamilien. Dabei besteht die selbe Ethnik bei allen Familienmitgliedern. Bei international Adoptierten hingegen besteht natürlich ein Unterschied, was sich auf die Psyche des Adoptierten einwirken kann. Letztendlich kommt man als Adoptierter aus einem anderen Land, einer anderen Rasse und andere Kultur. Wenn man mit weißen Eltern aufwächst, können diese einem nicht die Sprache des Herkunftlandes beibringen. Viele Adoptiveltern verstehen auch nicht, dass ihre Adoptivkinder oft mit Rassismus zu kämpfen haben. Da sie selber einer Mehrheit angehören, ist es für viele nicht nachvollziehbar, was es heißt, aufgrund des Aussehens diskriminiert zu werden. Adoptierte, die diesen Umstand ihren Adoptiveltern erklären, stoßen von daher oft auf Unverständnis, was die gesamte Kommunikation innerhalb der Familie problematisch machen kann.

Elternsuche gehört ebenfalls zur Identitätsbildung. Jeder Adoptierte stellt sich in einem Punkt des Lebens vor, wie und wer seine/ihre leiblichen Eltern sind. Aus diesem Grund ist es für sehr viele Adoptierte sehr wichtig, die leiblichen Eltern auch kennenzulernen. Hier kommt es jedoch oft zu Konflikten mit den Adoptiveltern. Viele Adoptivmütter empfinden die leibliche Mutter als "Konkurrentin", die das eigene Kind wegnehmen will. Die Elternsuche hat aber überhaupt nichts mit Konkurrenz, sondern mit der Identitätsbildung des Adoptivkindes zu tun.

Psyche

Der Beginn jeder Adoption stellt auch den Verlust einer Familie dar, nämliche den Verlust der biologischen Familie für das Kind, das adoptiert wird. Das wird leider bei einer Adoption oft vergessen. Für Adoptiveltern ist eine Adoption eine 'schöne' Angelegenheit, weil sie so ihre Familie erweitern können. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass man dem Kind, das man adoptiert, auch genügend Raum für die biologische Familie lässt. Das Kind soll auch den Verlust betrauern dürfen, bzw. den Verlust verbal oder nonverbal ausdrücken. Ein Verlust, den man verdrängt, wird sich früher oder später wieder an der Oberfläche zeigen. Je später man diesen Verlust verarbeitet, desto länger und schwieriger wird dieser Prozess. Viele Adoptierte kämpfen auch mit dem Gefühl des 'Verlassenwordenseins'. Das kann sich später auch auf die Beziehungsfähigkeit ausdrücken. Zum Beispiel sucht eine Adoptierte, die dieses 'Verlassenwerden' nie verarbeitet hat, sich jeweils einen Partner, verlässt ihn aber, bevor er sie 'verlassen' könnte. Aus diesem Grund kann sie jeweils immer die Situation so kontrollieren, dass sie eben nie 'verlassen' wird. Jedoch ist dieses Schema an sich, wiederum nicht zufriedenstellend, so dass sie sich wieder einen neuen Partner sucht und das ganze Spiel sich wiederholt. Je nach Situation vor der Adoption können Adoptierte auch anderweitig geschädigt worden sein. Bekannt sind viele Probleme wie FAS (Fetal Alcohol Syndrome), RAD (Reactive Attachment Disorder), PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung), PI-Kinder (Postinstitutionalized-Kinder), welche auch unterschiedliche Therapieformen benötigen.

Rassismus

Rassismus kann in unterschiedliche Formen unterteilt werden. Subtiler Rassismus ist diejenige Form, der man weitaus häufiger begegnen kann als offen dargestellter Rassismus. Viele sind sich gar nicht bewusst, dass es rassistische Vorkommnisse gibt.

Studien zum Thema Internationale Adoption

In den letzten Jahren haben mehr und mehr Forscher sich dem Thema der internationalen Adoption angenommen. Auch viele Adoptierte beschäftigen sich mittlerweile mit dieser Thematik. Es gibt jedoch noch wenige interdisziplinäre Studien, d.h. die meisten Studien beschäftigen sich mit jeweils genau einem Aspekt der internationalen Adoption, abhängig vom jeweiligen Fach. Der Ph.D. Kandidat Tobias Hübinette aus Schweden ist einer der artikuliertesten Gegner des internationalen Adoptionssystems. Andererseits wird natürlich auch von Seiten der Adoptionsagenturen für ein Weiterbestehen des Systems geworben.

Liste der Adoptiertenorganisationen

(in alphabetischer Reihenfolge)

  • AAAW, Washington State
  • AKA, San Francisco
  • AKA Southern California
  • AK Connection, Minnesota
  • AKF, Schweden (1987–heute)
  • alsoknownas, inc, New York
  • Arierang, Niederlande
  • Dogil Hodori, Deutschland (1995–ca. 1998)
  • Dongari, Schweiz (1994–heute)
  • FKA, Norwegen
  • G.O.A.'L, Korea
  • Kimchi, Schweiz
  • Kobel, Belgien
  • Korea Klubben, Dänemark
  • Racines Coréennes, Frankreich

Literatur

International Korean Adoptee Resource Book, Overseas Koreans Foundation, 2006, ISBN: 89-959025-0-9