Neutralität (internationale Politik)
Die Neutralität eines Staates bedeutet entweder das Abseitsstehen in einem konkreten Konflikt zwischen anderen Staaten oder bezeichnet generell die allgemeine Politik der Neutralität.
Der Begriff kommt vom lat. ne uter, keiner von beiden.
Historische Entwicklung der Neutralität
Das Phänomen des Neutralseins ist so alt wie die Menschheit. Eine jahrhundertealte Tradition hat es in der Schweiz: Nach einer längeren Phase expansiver Politik bedeutete eine schwere Schlacht-Niederlage 1515 bei Marignano das Ende der eidgenössischen Macht-Politik. Vom Wiener Kongress wurde diese de facto Neutralität dann 1815 völkerrechtlich anerkannt. Allgemein wichtiger wurde der Begriff, als die modernen Staaten entstanden. Im 19. Jahrhundert, nach der Zeit Napoleons, kamen einzelne Staaten dazu, sich prinzipiell als neutral anzusehen. Sie traten keinen Bündnissen bei. Zu ihnen gehörte das 1830 entstandene Belgien, dem die Großmächte die Neutralität zusicherten.
1899 und 1907 haben die Haager Friedenskonferenzen genauer definiert, welches Verhalten von einem neutralen Staat genau zu erwarten ist. Der Erste Weltkrieg begann mit der Verletzung der belgischen Neutralität durch Deutschland. Im Laufe des Krieges blieben einige der neutralen Staaten neutral (die Niederlande, die Schweiz und die skandinavischen Staaten), andere traten schließlich einem der beiden Bündnisse bei (z.B. die USA). Ähnlich war es im Zweiten Weltkrieg. Eine Reihe von Staaten blieb offiziell neutral, arbeitete aber tatsächlich auf verschiedene Weise mit Deutschland zusammen: Schweden etwa lieferte Eisenerz für die deutsche Kriegsindustrie, Spanien ließ deutsche Schiffe spanische Häfen anlaufen, die Schweiz lieferte Kriegsmaterial.
Im völkerrechtlichen Sinne wird Neutralität nur militärisch definiert: Neutral ist, wer keiner offensiv Krieg führenden Kriegspartei oder keinem militärischen Bündnis angehört. Verteidigungskrieg ist einem neutralen Land aber erlaubt, resp. in gewissen Fällen ist es sogar dazu verpflichtet. Einem rein politischen Entscheid entspringt indessen das Fernbleiben der Schweiz von der EU, dies hat nichts mit der völkerrechtlichen Neutralität zu tun.
Nachteile der Neutralität
- Die möglichen Vorteile von Sicherheitsbündnissen mit anderen Staaten sind für neutrale Staaten nicht nutzbar.
- Die Neutralität eines Staates ist keine Garantie für Sicherheit, sondern kann von den Krieg führenden Parteien missachtet werden.
- Sofern ein neutraler Staat seinen Handel mit kriegführenden Ländern beschränkt, kann dies zu wirtschaftlichen Nachteilen führen.
Vorteile
- Neutrale Staaten werden, da sie sich nicht an Militärbündnissen beteiligen, für Gegner dieser Bündnisse oftmals nicht als Bedrohung wahrgenommen.
- Staaten wie Österreich können durch aktive Neutralitätspolitik zur Stabilisierung von internationalen Krisen beitragen und bieten sich als Austragungsorte für Verhandlungen zwischen kontrahierenden Bündnissen an.
Heutige Entwicklung
Mehrere neutrale Staaten der Epoche des Kalten Krieges diskutieren ihre Neutralität z.T. sehr heftig, nämlich Finnland, Schweden, die Schweiz und Österreich.
- NATO-Mitgliedschaft: Bislang sind diese Länder noch nicht der NATO beigetreten, teilweise wird in diesen Ländern allerdings darüber diskutiert.
- Die EU-Mitgliedschaft hat die Neumitglieder Österreich, Schweden und Finnland im Prinzip nicht an der Neutralität rühren lassen, dennoch bemüht sich die EU auch um eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Siehe: Österreichische Neutralität
Um die eigentliche Sicherheit dieser Länder geht es meistens nicht, denn die Mehrzahl von ihnen ist von NATO-Mitgliedsstaaten umgeben. Finnland bildet mit seiner russischen Grenze eine Ausnahme.
Länder mit neutral(istisch)er Politik (historisch oder gegenwärtig)
Es gibt fließende Grenzen zwischen Staaten, die nur in einem bestimmten Konflikt oder einer bestimmten Situation neutral sind, und solchen, die daraus eine außenpolitische Doktrin machen. Die Volksrepublik China wird heute als neutral bezeichnet, da sie kein Militärbündnis mit anderen Staaten hat (bzw. solche Bündnisse historisch für die Sicherheit Chinas zu vernachlässigen waren).
- Belgien arbeitete nach dem Ersten Weltkrieg teilweise mit Frankreich militärisch zusammen und schloss sich 1949 der NATO an.
- Costa Rica verkündete 1983 angesichts der Verschärfung der Bürgerkriege in Zentralamerika die dauernde, aktive und unbewaffnete Neutralität des Landes. Die Armee wurde bereits am 8. Mai 1949 per Verfassung abgeschafft.
- Dänemark war im Ersten Weltkrieg neutral, schloss sich aber nach der Besetzung im Zweiten Weltkrieg der NATO an.
- Finnland wurde nach dem Ersten Weltkrieg unabhängig. In der Zwischenkriegszeit hatte es weniger bedeutende Abkommen mit Polen und der Sowjetunion. 1939 wurde es im Winterkrieg von der Sowjetunion angegriffen. Nach dem Krieg blieb Finnland zwar neutral, musste sich aber Eingriffe der Sowjetunion gefallen lassen (siehe dazu den von deutschen Politikern geprägten Begriff der Finnlandisierung).
- Indien war, anders als das westlich orientierte Pakistan, neutral.
- Irland
- Italien blieb bis 1915 neutral im Ersten Weltkrieg.
- Jugoslawien
- Kambodscha
- Liechtenstein
- Luxemburg schloss sich wie Belgien 1949 der NATO an.
- Nepal
- Norwegen war im Ersten Weltkrieg neutral, schloss sich aber nach der Besetzung im Zweiten Weltkrieg der NATO an.
- Österreich seit dem 26. Oktober 1955 (die immerwährende Neutralität wurde damals als Verfassungsgesetz beschlossen).
- Portugal entsandte 1916 auf Wunsch der Engländer ein Expeditionskorps an die deutsche Westfront, war im Zweiten Weltkrieg neutral, schloss sich aber danach der NATO an.
- Schweden
- Schweiz
- Die Türkei war im Zweiten Weltkrieg bis kurz vor Kriegsende neutral und erklärte Deutschland und Japan symbolisch den Krieg.
- Die USA waren zu Beginn der Weltkriege jeweils neutral und arbeiteten dann mit den Westmächten Großbritannien und Frankreich zusammen. Die Neutralität bzw. der „Isolationismus“ beruhte auf dem alten Dogma, sich nicht in europäische Konflikte einzumischen – und dafür Einmischungen der Europäer auf dem amerikanischen Kontinent zu bekämpfen. Allerdings waren auch die USA eine imperialistische Kolonialmacht, und zwar in Südamerika sowie im pazifischen Raum.