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Reformkleidung

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Reformkleidung ist der zusammenfassende Begriff für Varianten der weiblichen Kleidung, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts aus gesundheitlichen oder emanzipatorischen Gründen propagiert wurden. Die reformierte Kleidung sollte es der Frau ermöglichen, aktiv am Arbeitsleben teilzunehmen, indem sie hinderliche Elemente beseitigte. Unterstützt wurde die Reformbewegung durch Mediziner, die schon im späten 18. Jh. das Korsett als äußerst gesundheitsschädlich eingestuft hatten und eine Aufhängung der Kleidung an den für belastbarer gehaltenen Schultern bzw. am ganzen Torso (anstatt wie bisher an der Taille) forderten.

Einer der ersten Vorläufer der Reformkleidung war um 1850 das Bloomer-Kostüm, das seinerzeit allseits verspottet wurde. Nur wenige Suffragetten übernahmen das Bloomer-Kostüm, das schon bald wieder in Vergessenheit geriet. In den USA wurden in den folgenden Jahrzehnten immer wieder Reformversuche unternommen, die aber alle wegen mangelnder Akzeptanz eingingen.

1896 wurde auf dem Berliner Frauenkongress das Thema Frauenkleidung in Deutschland erstmals öffentlich diskutiert. Der Verein zur Verbesserung der Frauenkleidung wurde gegründet. Gleichzeitig gewann die Reformbewegung mit Hilfe von Künstlern, die sich der "natürlichen Form" verpflichtet fühlten, zusätzlichen Schwung. 1900 wurden namhafte Künstler (allen voran Henry van de Velde) zum Deutschen Schneidertag eingeladen, um ihre Entwürfe für Reformkleidung auszustellen. Die ersten Modelle waren betont taillenlos, also sackartig ("Reformsack") und fanden dementsprechend wenig Anklang. Zu jener Zeit schien es noch unvorstellbar, dass ein Kleid ohne Korsett auskommen und dennoch elegant sein konnte.

Im Bereich der Unterwäsche hingegen war die Reformbereitschaft recht groß: Das im Schritt offene Beinkleid und der Anstandsrock wurden durch das geschlossene Reformbeinkleid und das Hemdbeinkleid abgelöst und die Zahl der Unterröcke auf einen reduziert. Zunehmende sportliche Betätigung von Frauen förderte die Reformkleidung, da bodenlange Röcke und Korsetts ganz eindeutig nicht zum Radfahren, Tennis oder Gymnastik taugten. Im Bereich der Oberbekleidung wurde das Hauskleid mit hoher Empiretaille zögerlich akzeptiert.

Zwischen 1910 und 1915 wirkten mehrere Faktoren zusammen, die recht plötzlich eine relativ bequeme, korsettlose Mode durchsetzten: die erstarkende Frauenbewegung, die etwa um diese Zeit in vielen Ländern das Frauenwahlrecht durchsetzte, der Erste Weltkrieg, der einerseits mangels männlicher Arbeitskräfte mehr Frauen zur Berufstätigkeit nötigte und andererseits (notgedrungen) die Akzeptanz weiblicher Berufstätigkeit förderte, und das Auftauchen moderner Modeschöpfer (allen voran Paul Poiret), die sich endlich korsettlose und trotzdem elegante Gewänder einfallen ließen.