Lustgarten (Berlin)
Der Lustgarten in Berlin ist eine gestaltete Grünanlage auf der Museumsinsel im Bezirk Mitte, der ursprünglich zum Berliner Schloss gehörte.
Entwicklung
Erste Gartenanlage
Die aus einer Sandbank entstandene Spreeinsel war ursprünglich ein relativ sumpfiges Gelände. Ab 1442 wurde im östlichen Teil der Insel eine mittelalterliche Burganlage von Kurfürst Friedrich II. errichtet. Über die Nutzung, Lage und das Aussehen des heutigen Lustgartens zu dieser Zeit ist nichts bekannt. Erstmals erwähnt wird es 1471, man kann aber davon ausgehen, dass das Gelände auch schon zu dieser Zeit als Garten gedient hatte.
Corbinianus' Küchengarten
Unter Kurfürst Johann Georg wurde das Areal 1573 im Zuge des Schlossausbaus zu einem Nutz- und Küchengarten umgestaltet, verantwortlich dafür war sein Hofgärtner Desiderius Corbinianus. Aus der küchen notturft, den Bedürfnissen und Ansprüchen der Hofküche heraus gestaltete Corbinianus einen Teil des Gartens als Kräutergarten, auch Obstbäume wurden gepflanzt. Vermutlich dürfte ein Teil des Areals auch höflichen Festlichkeiten gedient haben.
In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges wurde auch der Garten verwüstet und verwilderte.
Lustgarten – Der Memhardt-Plan
Erst 1645 ließ der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm den Garten wieder herstellen und durch den Militär-Ingenieur Johann Mauritz und Hofgärtner Michael Hanff nach dem Vorbild der niederländischen Gärten neu und künstlerisch ausgestalten. Das Gelände fiel von Südwest nach Nordost in Terassen leicht ab und trägt seit 1646 den Namen Lustgarten.
Großen Einfluss auf die Gestaltung hatte vermutlich der Schlossbaumeister Johann Gregor Memhardt, der seine Vorstellungen 1652 in einem Plan für die Gestaltung Berlins, dem Memhardt-Plan vorlegte. Darin sah er einen dreigeteilten Garten vor, der nur teilweise verwirklicht wurde. Neben dem eigentlichen Lustgarten, der ein Arboretum, Volieren, Hecken, Statuen, Skulpturen und Laubengänge sowie ein Lusthaus vorsah, entwarf Memhardt einen sich westlich anschließenden Wassergarten mit Springbrunnen, Fontäne und Wasserspielen sowie einen Küchengarten, der auch exotische Pflanzen und Gewürze beherbergen sollte.
Das Lusthaus erbaute Memhardt schon 1650 im niederländischen Stil, im Untergeschoss enthielt es eine künstliche Grotte. Auch für die 1649 aus Holland eingeführten und erstmals hier angepflanzten Kartoffeln wurde 1652 das Pomeranzenhaus errichtet, in dem neben Kartoffeln auch Tomaten als Zierpflanzen gezogen wurden. Durch einen Fehler im Heizsystem brannte das Gebäude 1655 ab, wurde 1656 neu aufgebaut und 1658 wieder abgerissen, um Platz für Befestigungsanlagen zu schaffen. Im Rahmen der Fortifikation wurde der Festungsgraben angelegt, der den Lustgarten zerschnitt und den Cöllner Stadtgraben mit der Spree verband. Der dort gelegene Teil des Gartens musste verlegt werden.
Der Botaniker und Hofmediziner Johann Sigismund Elßholtz wurde ab 1657 Gartenmeister und damit verantwortlich für die Gartenanlagen und entwickelte sie in den Folgejahren zum ersten botanischen Garten Berlins. Der der Öffentlichkeit frei zugängliche Garten war ein belibter Treffpunkt der Berliner und der erste und älteste Gartenplatz der Stadt, bis dahin kannte man in Berlin nur Markt-, Kirch- und Exerzierplätze, wie Bogdan Krieger schreibt.
Ab 1685 wurde die Anlage im Norden durch Johann Arnold Nering um eine halbrunde Orangerie ergänzt.
Exerzierplatz
Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. schätzte den Lustgarten nicht besonders und ließ ihn noch im Jahr seiner Krönung 1713 zu einem sandgedeckten Exerzierplatz umbauen, Statuen und die Orangerie wurden nach Charlottenburg verlagert. 1738 wurde das Lusthaus der Kaufmannschaft übergeben, im Obergeschoss wurde dort die Berliner Börse eingerichtet, im Untergeschoss befand sich eine Bildhauerwerkstatt. 1798 wurde es ganz abgerissen und wich einem Neubau für die Börse. Am Ort des ehemaligen Pomeranzenhauses entstand ab 1749 der Packhof.
Auch Napoleon Bonaparte ließ dort nach seinem Einzug am 27. Oktober 1806 seine Truppen exerzieren. Ab 1790 wurde in der Sandfläche wieder Rasen eingesät.
Lennés Parkanlage
Der ab Mitte des 18. Jahrhunderts errichtete und 1750 eingeweihte barocke Dom wurde zwischen 1820 und 1822 von Karl Friedrich Schinkel modernisiert und klassizistisch umgestaltet. In den nächsten Jahren begann die Umgestaltung der Spreeinsel zur Museumsinsel und von 1825 bis 1828 entstand das ebenfalls von Schinkel entworfene klassizistische Königliche Museum, das heutige Alte Museum.
Weitgehend auf Grundlage Schinkels Vorstellungen wurde dann von 1826 bis 1829 durch Peter Joseph Lenné die nun von Spree, Stadtschloss, Dom und Altem Museum eingefasste Platzfläche des Lustgartens neu gestaltet. Die rechteckige Platzfläche wurde begrünt und in sechs Rasenfelder eingeteilt, die westlich und östlich von Kastanien eingefasst wurden. Aus den beiden nördlichen Feldern wurde vor der Freitreppe des Museums ein Halbrund ausgeschnitten, am Schnittpunkt der vier südlichen Rasenfelder erhob sich eine 13 Meter hohe Fontäne. Deren Wasserförderung wurde von einer Dampfmaschine übernommen, die in einem von Schinkel entworfenen Maschinenhaus nördlich des alten Börsengebäudes untergebracht war. Das Wasser floss über einen mit Granitplatten gedeckten gemauerten Kanal ab, dessen Auslassöffnung noch heute in der Spreekanalmauer erkennbar ist. 1831 wurde vor der Freitreppe des Königlichen Museums eine 22 Fuß (6,91 Meter) durchmessende antikisierende Granitschale aufgestellt, die der Steinmetz und Bauinspektor Johann Gottlieb Christian Cantian aus einem einzigen Granitfindling geschlagen hatte.
1871 wurde die Fontäne durch ein Reiterdenkmal Friedrich Wilhelms III. ersetzt.
Zwischen 1894 und 1905 wurde der Dom von Julius Carl Raschdorff durch ein wesentlich größeres Kirchengebäude im Stil der italienischen Hochrenaissance ersetzt. Damit wurde das geschlossene Erscheinungsbild des klassizistischen Ensembles Schinkels aus Altem Museum, Dom und Lustgarten durchbrochen.
Weimarer Republik und Nazizeit
In der Weimarer Zeit diente der Platz vielfachen politischen Kundgebungen, vor allem der Arbeiterbewegung; die größte Demonstration fand am 7. Februar 1933 mit 200.000 Teilnehmern gegen den gerade ernannten Reichskanzler Adolf Hitler und seine NSDAP-Regierung statt.
Auch die Nationalsozialisten nutzten den Lustgarten als Platz für Kundgebungen und ließen ihn zu diesem Zweck von 1934 bis 1935 in einen gepflasterten Parade- und Aufmarschplatz umgestalten, die Granitschale wurde in eine angrenzende Grünanlage verbracht.
1942 fand ein Brandanschlag einer Widerstandsgruppe um Herbert Baum auf die Propagandaausstellung Das Sowjetparadies statt. Baum und 28 Gefolgsleute wurden verhaftet und ermordet.
Durch Luftangriffe der Alliierten wurde der Lustgarten und die angrenzenden Gebäude der Museumsinsel zu 80% zerstört. Zahlreiche Kunstwerke der Museen fielen schon 1939 der NS-Aktion Entartete Kunst zum Opfer, in den Luftangriffen des Endkampfes um Berlin verbrannten viele weitere.
DDR und Nachwendezeit
Der Generaldirektor der Museen Ludwig Josti war einer der Hauptverantwortlichen für Wiedernutzung der Museumsinsel in der Vorkriegsform. Er leitete die Rückführung von Kunstwerken aus der Sowjetunion, den Wiederaufbau des Alten Museums und des Pergamonmuseums. Ebenfalls wiedererrichtet wurde der schwer beschädigte Berliner Dom. Das Stadtschloss der Hohenzollern wurde 1950 auf Befehl von Walter Ulbricht gesprengt und in den Marx-Engels-Platz (heute Schloßplatz) verwandelt, eine Aufmarschfläche und städtische Brache gegenüber dem Lustgarten, der dadurch seine städtebauliche Fassung verlor.
Der Lustgarten selbst wurde während der Zeit der DDR zwar neu bepflanzt, aber ansonsten kaum verändert, die unter den Nationalsozialisten erfolgte Pflasterung mit einem großformatigen Rechteckmuster blieb erhalten.
Erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurden Pläne zur Neugestaltung des Lustgartens im Sinne der Lennéschen Planungen diskutiert und nach einem Wettbewerb schließlich bis 1999 nach Plänen des Gartenarchitekten Hans Loidl neu gestaltet. Gefasst von zwei Doppelreihen Linden wurde auch die heute unter Denkmalschutz stehende Granitschale von Cantian wieder an altem Ort vor dem Alten Museum aufgestellt.
Literatur
- Bogdan Krieger: Berlin im Wandel der Zeit: Eine Wanderung vom Schloß nach Charlottenburg durch 3 Jahrhunderte., Verlagsanstalt Hermann Klemm, Berlin, 1923.
- Heinz Knobloch: Im Lustgarten mit Heinz Knobloch, Jaron Verlag 2001, ISBN 3897730324