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Barbaresken-Korsaren

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Vom 16. Jahrhundert bis Anfang des 19. Jahrhunderts waren die Korsaren die vorherrschenden Piraten der nordafrikanischen Küste. Das Wort findet sich in den romanischen Sprachen des westlichen Mittelmeerraums (fr. corsaire, provenzalisch cursar, ital. corsale, corsare, span. corsario) und geht letztlich auf lat. cursus „Beutezug“, eigentlich „Lauf“ zurück; eine spätere Volksetymologie brachte die Korsaren fälschlich mit der Insel Korsika in Verbindung.

Mit dem Niedergang der Wirtschaft in den Maghrebländern und der Vorherrschaft der christlichen Staaten im Mittelmeer seit dem 15. Jahrhundert entwickelte sich das Korsarentum in den Küstenstädten des Maghreb. Zentren waren dabei die Barbareskenstaaten Algier, Tripolis und Tunis. Als Korsaren kämpften viele Muslime und Morisken, die seit 1492 aus Granada und Spanien nach Abschluss der Reconquista in den Maghreb geflohen waren. Die Raubzüge beschränkten sich nicht auf das Mittelmeer, sondern führten auch in den Atlantik und sogar bis nach Island.

Vor allem im Mittelmeer wurde der Seehandel erheblich beeinträchtigt, als die Korsaren 1529 den türkischen Sultan als Oberherrn anerkannten und dafür militärische Unterstützung bekamen. Die bedeutendsten Korsaren waren Arudj, Turgut Reis und Cheir ed-Din Barbarossa; sie konnten mit Hilfe des Sultans die Spanier in langwierigen Kämpfen vertreiben. In dieser Zeit befand sich der Kaperkrieg zwischen den Korsaren der Barbareskenstaaten und den christlichen Staaten des Mittelmeers auf seinem Höhepunkt. Der Trinitarier-Orden, ein katholischer Mönchsorden, sah seine Hauptaufgabe im Freikauf oder Austausch von christlichen Gefangenen oder Sklaven von den Barbaresken. Bei den Überfällen der Barbaresken vor allem auf spanische Schiffe ergaben sich die Schiffsbesatzungen oft lieber, als zu kämpfen. Dabei nahmen sie auch in Kauf, als Sklaven verkauft zu werden, oder auch ein Lösegeld zu zahlen oder zum Islam überzutreten, um wieder freizukommen. Mit deren Hilfe konnten die spanischen Versuche vereitelt werden, die Küstenstädte Nordafrikas zu erobern. Unter diesen Kämpfen bildeten sich die Machtzentren Algier, Tunis und Tripolis als die sog. Barbareskenstaaten, die teilweise schon die Grenzen der heutigen Staaten Algerien, Tunesien und Libyen besaßen, ohne allerdings das Hinterland im heutigen Umfang zu kontrollieren. Die Seeräuberei war die Haupteinnahmequelle dieser Staaten. Dieses Unwesen ging noch Ende des 18. Jahrhunderts so weit, dass einige europäische Länder, etwa die seinerzeit unabhängige Hansestadt Hamburg, aber auch die noch jungen USA, sich zu regelmäßigen Zahlungen an die Regierungen der Barbareskenstaaten verpflichteten, damit ihre Handelsschiffe nicht behelligt wurden. Für die europäische Handelsschifffahrt stellte dies ein Problem dar, da die ständigen Lösegeldzahlungen und der Verlust der Schiffsladungen massiven wirtschaftlichen Schaden anrichteten. Um die Schiffsbesatzungen zur Verteidigung der Ladung zu motivieren, wurde Propaganda über die Behandlung von Gefangenen durch die Barbaresken verbreitet. Schon bald gab es umfangreiche Literatur über alles, was mit christlichen Gefangenen der Barbaresken tatsächlich oder angeblich geschah. So sollten diese etwa vor die Mündungen von Kanonen gebunden und jene dann abgefeuert werden; die Gräueltaten wurden in allen Details geschildert. Miguel de Cervantes, der darüber nichts wusste, entging nur knapp der Inquisition, weil er sich weigerte, derlei Details in seinen Don Quichote aufzunehmen.

Gefecht zwischen der britischen Fregatte HMS Mary Rose und sieben algerischen Korsaren, 1669

Im 17. Jahrhundert setzte der Niedergang der Korsarenflotten ein, als die europäischen Seemächte wie z. B. England, die Niederlande und Frankreich mit ihren Flotten mehrmals Algier, Tunis und Tripolis bombardierten. Die USA bauten die ersten Kriegsschiffe der US Navy, um die nordafrikanischen Korsaren in ihre Schranken zu verweisen, und erwarben im Kampf gegen diese (im sog. Ersten Barbareskenkrieg) ihre ersten Seekriegserfahrungen. Die Piraterie der Korsaren fand ihr Ende mit der Schlacht von Navarino, als die Kriegsschiffe der mit dem Osmanischen Reich verbündeten Barbaresken zerstört wurden. Im selben Jahr nahm der französische König Karl X. einen unbedeutenden Zwischenfall zum Anlass, dem Dey von Algier den Krieg zu erklären. In erster Linie war dieser Schritt durch die innenpolitische Lage in Frankreich bedingt, die den König zwang, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die real nicht mehr existierende Gefahr durch die nordafrikanischen Korsaren zu lenken. Der entscheidende Militärschlag gegen Algier erfolgte erst 1830, als König Karl X. politisch am Ende war. Die Eroberung von Algier konnte die Revolution von 1830 nicht mehr aufhalten, aber in den folgenden Jahrzehnten wurde dieser militärische Erfolg als Maßnahme im Kampf gegen die islamische Bedrohung der christlichen Anrainer des Mittelmeers bezeichnet.