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Balkanindogermanisch

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Als Balkanindogermanisch wird in der indogermanistischen Forschung die (zunehmend sicher vermutete) gemeinsame Vorstufe des Griechischen, Phrygischen und Armenischen bezeichnet; meistens wird auch das Albanische auf diesen Zweig der indoeuropäischen Sprachen zurückgeführt (vgl. Klingenschmitt, 1994).

In einem weiteren Sinne werden alle auf dem Balkan heute oder früher gesprochenen Sprachen indogermanischer Herkunft als "Balkanindogermanisch" bezeichnet, ohne Rücksicht auf die genaue Herkunft der jeweiligen - oft nur fragmentarisch überlieferten - Sprachen. In diesem weiteren Sinne gehören auch Dakisch (einst gesprochen im heutigen Rumänien), Illyrisch und Thrakisch (einst gesprochen im heutigen Bulgarien) zum Balkanindogermanischen.

Die vergleichsweise enge genetische Verwandtschaft des Griechischen, Phrygischen und Armenischen gilt heute als weitgehend gesichert. Als ebenso gesichert gilt, dass die Vorfahren der Armenier ihre neuzeitlichen Siedlungsgebiete durch eine Wanderungsbewegung aus dem Balkan nach Osten durch Kleinasien, die heutige Türkei, erreicht haben. Der Nachweis der relativ engen Verwandtschaft zwischen Griechisch und Armenisch war schwierig, da die Überlieferung des Armenischen relativ spät (im 5. Jh. n. Chr.) einsetzt und die Sprache im Vergleich mit dem recht archaischen Griechisch tiefgreifende Veränderungen durchlaufen hat.

Dagegen ist eine sichere "phylogenetische" Einordnung des Albanischen in die Systematik der indoeuropäischen Sprachen und damit in die Untergruppe des Balkanindogermanischen bis heute nicht gelungen. Die Sprache wird teilweise nach Nachfolger des Illyrischen, teilweise als Nachfolger des Thrakischen und teilweise als bereits früh eigenständige Sprache eingestuft. Die späte Überlieferung, der rezente Charakter des Albanischen und die starke Beeinflussung durch slawische und romanische Nachbarsprachen erschweren die sichere Einordnung des Albanischen.

Innerhalb der indogermanischen Sprachen steht das Balkanindogermanische dem Indoiranischen am nächsten. Beide Grupe zusammen bildeten den östlichen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie. Die erste Aufgliederung des Indogermanischen in eine östliche und eine westliche Gruppe wird heute in das 4. Jahrtausend v. Chr. datiert, die Trennung des Indoiranischen vom Balkanindogermanischen auf die erste Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr., dessen Aufgliederung in Einzelsprachen in das späte 3. Jahrtausend v. Chr. In der englischsprachigen Literatur wird das Balkanindogermanische meist der Terminus "Graeco-Armenian language" verwendet.


Literatur

  • Meillet, Antoine: in BSL 26 (1925), 1-6
  • Meillet, A.: in BSL 27 (1927), 129-135.
  • Meillet, A.: Esquisse d'une grammaire comparée de l'arménien classique, Wien (1936).
  • Solta, G. R.: Die Stellung des Armenischen im Kreise der Indogermanischen Sprachen, Wien (1960).
  • Schmitt, R.: Die Erforschung des Klassisch-Armenischen seit Meillet (1936), Kratylos 17 (1972).
  • Euler, Wolfram: Indoiranisch-griechische Gemeinsamkeiten der Nominalbildung und deren indogermanische Grundlagen, Innsbruck (1979).
  • Klingenschmitt, Gert: Das Albanische als Glied der indogermanischen Sprachfamilie. In: In honorem Holger Pedersen. Herausgegeben von Jens Elmegaard Rasmussen. Wiesbaden, 1994.
  • Clackson, James: The Linguistic Relationship between Armenian and Greek, Publications of the Philological Society, 30, Blackwell (1994).