Häftlingsvereinigung

Häftlingsvereinigungen gab es unter dem Namen des jeweiligen Konzentrationslagers als Komitee oder als Amicale an vielen Orten nach der Befreiung der Konzentrationslager des nationalsozialistischen Deutschlands nach 1945. Meistens organisierten sich die Gefangenen mit einer Muttersprache als Teil der Befreiten, als Nationalkomitee. Solche Häftlingsvereinigungen gab es auch an den Orten ehemaliger Zwangsarbeitslager. In den 1950er Jahren verstand man in Deutschland und Österreich unter Vergangenheitsbewältigung im gebräuchlichsten Sinne den Verzicht auf einen aktiven Umgang mit der Zeit des Nationalsozialismus und speziell des Holokaust, es scheint nachträglich von den ehemaligen Häftligen relativ klar vorausgesehen worden zu sein. Dies erklärt allerdings nur zum Teil, weshalb die Wirkung der Häftlingsvereinigungen über weite Strecken nicht über den Kreis der Mitglieder hinaus ging.
Die Befreiung der Lager
Das meisten Zwangsarbeits- und Konzentrationslager wurden ab Januar 1945 durch die Alliiierten befreit. Sie gaben den befreiten Häftlingen neben der medizinischen und Versorgung mit Nahrungsmitteln meist auch das Recht, ihren weiteren Verbleib bis zur Rückführung in die Heimatländer selbst zu organisieren. Dadurch entstanden viele Lagerkomitees, die zunächst die Aufgaben des Überlebens in einem besiegten Land der Wächter und der gegnerischen Wehrmacht zu bwältigen hatten. Nirgends wurden sie von der deutschen Bevölkerung begrüßt sondern es ging um nehmen und um weggenommen bekommen. Das vergangene Unrecht der Sieger gebar eine Grauzone des Rechts und des Unrechts im Land der Besiegten. Nur an wenigen Orten konnten die Befreiten Verantwortlicher für ihre Haftbedingungen habhaft werden. Die SS-Angehörigen hatten sich meistens[1] rechtzeitig vor dem Eintreffen der Siegermächte zurückgezogen.
Verschiedene Komitees, Amicales europaweit
Internationales Auschwitz Komitee
Das Internationale Auschwitzkomitee wurde 1952 von Überlebenden des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau gegründet. Es dient einerseits als Interessenvertretung seiner Mitglieder, dann aber auch zur Koordinierung der Tätigkeiten nationaler Auschwitz-Komitees (z. B. Frankreich, Polen, DDR) und es fördert das Gedenken an den Holocaust. Dabei wird versucht, einem neuen Rechtsextremismus vorzubeugen und seinen Anfängen persönlich entgegenzutreten. Dem IAK gehören Organisationen aus 19 Ländern an. Seit 2003 gibt es ein Koordinierungsbüro in Berlin, das von der deutschen Bundesregierung unterstützt wird.
Internationales Lagerkomitee im KZ Buchenwald
Das Internationale Lagerkomitee Buchenwald war ein konspiratives Organ von Häftlingen des Konzentrationslagers Buchenwald bereits vor der Befreiung des Lagers.
- Komitee Dora, Ellrich, Harzungen et Kommandos „Pour la Mémoire“ - Lagergemeinschaft franzöischer Häftlinge (das Wort Kommandos steht dabei für die angeschlossenen Neben- oder Aussenlager).
Erst 1990 gründeten ehemalige Dora-Häftlinge aus Frankreich, Belgien und Tschechien auf Initiative von Jacques Brun (1921-2007) das europäische Komitee Dora, Ellrich, Harzungen et Kommandos „Pour la Mémoire“. Bis 1996 war Brun Generalsekretär des Komitees, das gegründet wurde, um die Erinnerung an die im KZ Mittelbau-Dora begangenen Verbrechen international wach zu halten. 1995 initiierte Jacques Brun die Gründung des Vereins „Jugend für Dora“ und rief die Jugendlichen dazu auf, die Erinnerungsarbeit gegen das Vergessen der nationalsozialistischen Verbrechen fortzusetzen.[2]
Weitere Komitees
- Amicale de Chateaubriant
- KZ Dachau - Das Internationale Häftlingskomitee (bereits vor der Befreiung aktiv), Amicale des anciens de Dachau
- KZ Ebensee - Polnisches Häftlingskomitee
- Amicale des Rescapés des Arbeitserziehungslager (AEL) - Arbeitserziehungslager Heddernheim
- Amicale de Mauthausen
- Amicale des Déportés et Familles de Disparus de Natzweiler-Struthof et ses Kommandos, François Faure
- Amicale Internationale de Neuengamme
- Die Fédération Internationale des Résistants (FIR) (dt.: Internationale Föderation der Widerstandskämpfer) ist eine internationale Dachorganisation von Verbänden der antifaschistischen Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime mit Sitz in Berlin
- Fondation pour la Mémoire de la Déportation, Paris
- Amicale des déportés de Sachsenhausen, Amicale d'Oranienburg-Sachsenhausen
- Amicale Nationale des Stalags XVIII
- ....
Ziele am Beispiel des Schwurs von Buchenwald

Die Kernaussage des Schwures von Buchenwald ist wohl dieser Satz:
- „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht. Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden und ihren Angehörigen schuldig“
Neben diesem Ziel war vor allem die Aussage „...nie wieder Krieg" bei fast allen Komitees wiederzufinden. Der Einsatz für friedlichen Umgang der Staaten mit einander wurde für sie sehr oft Lebensinhalt.
Personen in der Bewegung der Häftlingsvereinigungen
- Hermann Langbein (1912-1995) war ein österreichischer Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und Historiker. In verschiedenen Konzentrationslagern gehörte Langbein der Leitung der internationalen Widerstandsbewegung an. Nach 1945 war er Generalsekretär des Internationalen Auschwitzkomitee und später Sekretär des „Comité International des Camps“. Mitte der 1960er Jahre hatte er neben Fritz Bauer wesentlichen Anteil am Zustandekommen der Frankfurter Auschwitz-Prozesse.
- Edmond Michelet, 1962 bis 1964 Präsident des Europäischen Dokumentations- und Informationszentrums (CEDI) und unter De Gaulle u. a. Ministre des Anciens combattants (Minister für Angelegenheiten der Veteranen)
- Oskar Müller, Lagerältester in Dachau, später erster Arbeitsminister in Hessen
- Marie-Claude Vaillant-Couturier (Birkenau)
Siehe auch
- Friedensbewegung, Pazifismus
- Liste der Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus
- Liste der Konzentrationslager im Dritten Reich
Literatur
- Wolfgang Benz, Barbara Distel: Dachauer Hefte 1 - Die Befreiung. Deutscher Taschenbuch Verlag, 1993.
- Griepenburg, Rüdiger: Die Volksfronttaktik im sozialdemokratischen Widerstand gegen das Dritte Reich: dargestellt an der Gruppe Deutsche Volksfront und das Volksfrontkomitee im Konzentrationslager Buchenwald. 1969. II, 133 S..
- Internationales Buchenwald-Komitee, Buchenwald. Mahnung und Verpflichtung. Dokumente und Berichte, Frankfurt/M., 1960
- Uli Jäger, Michael Schmid-Vöhringer: „Wir werden nicht Ruhe geben...“:Die Friedensbewegung in der Bundesrepublik Deutschland 1945-1982. Geschichte, Dokumente, Perspektiven, Tübingen, 1982.
- Hermann Langbein: „... wir haben es getan“, Europa Verlag, Wien 1964
- Sven Wierskalla: Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) in der Sowjetischen Besatzungszone und in Berlin 1945 bis 1948. GRIN, 1994, 222 S. ISBN 3-6387-1696-1
Einzelnachweise
- ↑ Gegen-Beispiel: die Befreiung des KZ Dachau
- ↑ www.dora.de Pressemitteilung der Gedenkstätte Mittelbau-Dora vom 8. Juli 2007
Weblinks
- Website des Internationalen Auschwitz Komitees
- Stiftung Gedenkstätte Buchenwald und Mittelbau-Dora
- Jugend für Dora e.V.
- Forschungsprojekt über Texte von KZ-Überlebenden (an der Universität Salzburg)
- Association nationale des anciennes déportées et internées de la Résistance (Frankreich, frz.)
- Amicale de Mauthausen
- Harold Marcuse: Die museale Darstellung des Holocaust an Orten der ehemaligen Konzentrationslager in der Bundesrepublik, 1945-1990