Minimal-Change-Glomerulonephritis
Klassifikation nach ICD-10 | |
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N04 | Nephrotisches Syndrom |
N04.0 | Nephrotisches Syndrom, mit minimaler glomerulärer Läsion |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Die Minimal-Change-Glomerulonephritis ist eine Erkrankung des Nierenkörperchens und ist bei Kindern häufigste Ursache eines nephrotischen Symdroms; im Alter unter zehn Jahren beträgt der Anteil 90 % der Erkrankten, im Alter darüber liegt der Anteil über 50 %. Beim nephrotischen Syndrom im Erwachsenenalter beträgt der Anteil der Minimal-Change-Glomerulonephritis etwa 10 - 15 %. Die Nierenfunktion ist meist normal, kann bei Erwachsenen aber auch geringgradig eingeschränkt sein. In Einzelfällen kann ein akutes Nierenversagen auftreten.
Pathogenese
Ursache der Minimal-Change-Glomerulonephritis ist möglicherweise eine Störung der T-Zellen. Es wird vermutet, dass diese ein Zytokin sezernieren, welches die Podozyten des Nierenkörperchens schädigt.[1] Bei dem Zytokin handelt es sich möglicherweise um Interleukin-13.[2]
Die Schädigung der Podozyten führt zu einer verminderten Synthese von Polyanionen wie Heparansulfat, die Ladungsselektivität der Blut-Harn-Schranke nimmt ab; kleine, negativ geladene Eiweißmoleküle wie Albumin werden nicht mehr im Blut zurückgehalten und erscheinen im Urin. Die Ausscheidung großer, neutraler Eiweißmoleküle nimmt dagegen nur unwesentlich zu, man spricht von einer selektiven Eiweißausscheidung (Proteinurie).[3]
Der diffuse Verlust der Podozyten-Fußfortsätze oder deren Abflachung beruht möglicherweise auf einer Verminderung von Dystroglokanen, Adähsionsmolekülen, mit denen die Podozyten an der glomerulären Basalmembran verankert sind.[4]
Ätiologie
Weitaus die meisten Fälle der Minimal-Change-Glomerulonephritis sind idiopathisch, d.h. die Ursache der Erkrankung (Ätiologie) ist nicht bekannt.
In seltenen Fällen ist jedoch eine Ursache nachweisbar:
- Nichtsteroidale Antiphlogistika
- andere Arzneimittel wie Ampicillin, Rifampicin, Interferon, Lithium, Tiopronin und Pamidronat.
- Krebserkrankungen, insbesondere Morbus Hodgkin, seltener Non-Hodgkin-Lymphom oder [[Leukämie]en. Auch eine Assoziation mit Thymom, Nierenzellkarzinom, Pankreaskarzinom, Duodenalkarzinom und Prostatakarzinom wurde beschrieben. Ursache ist möglicherweise die Sekretion von Zytokinen durch die Tumozellen. Insgesamt ist die Assoziation mit Tumoren so selten, dass eine routinemäßige Tumorsuche nicht durchgeführt wird.
- Graft-versus-Host-Reaktion nach Stammzelltransplantation.
- Lupus erythematodes
- IgA Nephritis
- Nahrungsmittelallergie
Klinik
Die Minimal-Change-Glomerulonephritis äußert sich durch abruptes Auftregten einen nephrotischen Syndroms mit
- Proteinurie mit einem Proteinverlust von mehr als 1g/m²/Körperoberfläche pro Tag,
- Hypoproteinämie,
- peripheren Ödemen durch eine Hypalbuminämie von < 2,5 g/dl im Serum und einer
- Hyperlipoproteinämie.
Bei Kindern ist die Serum-Kreatinin-Konzentration meist normal, bei Erwachsenen kann sie auch geringgradig erhöht sein. Bei Erwachsenen ist häufig der Blutdruck erhöht. Selten kann es zu einem akuten Nierenversagen kommen. [5]
Diagnostik
Bei Erwachsenen wird die Diagnose durch feingewebliche Untersuchung von Nierengewebe gestellt, welches durch Nierenpunktion (Nierenbiopsie) gewonnen wurde. Im Lichtmikroskop erscheinen die Nierenkörperchen normal oder weisen eine milde Vermehrung von Mesangiumzellen auf. Bei der immunhistochemischen Untersuchung sind keine Immunkomplexe nachweisbar. Im Elektronenmikroskop zeigt sich eine diffuse Verbreiterung und Verschmelzung der Fußfortsätze der Podozyten, spezialisierten Zellen des Nierenkörperchens, die einen wichtigen Bestandteil der Blut-Harn-Schranke bilden.
Bei Kindern wird empirisch mit Glukokortikoiden behandelt, eine Nierenbiopsie wird nur bei den Kindern durchgeführt, die auf diese Behandlung nicht ansprechen.
Differenzialdiagnostisch müssen andere Ursachen des nephrotischen Syndroms in Erwägung gezogen werden. Schwierigkeiten bereitet gelegentlich die Abgrenzung zur Fokal-Segmentalen Glomerulonephritis, bei der die Veränderungen der Podozyten-Fußfortsätze nicht von der Minimal-Change-Glomerulonephritis zu unterscheiden sind. Die charakteristischen, segmental sklerosierenden Veränderungen sind bei der Fokal-Segmentalen Glomerulonephritis nicht in allen Nierenkörperchen anzutreffen und werden bei einer Biopsie so unter Umständen nicht erfasst.
Therapie
Behandlung der Wahl sind Glukokortikoide, die in über 90 % der Fälle zu einer kompletten Remission der Proteinurie führen. Wegen der Häufigkeit der Erkrankung im Kindesalter und des schnellen Ansprechens auf eine Behandlung innerhalb von wenigen Wochen wird bei Kindern meist auf eine Sicherung der Diagnose durch Nierenbiopsie verzichtet. Bei Erwachsenen ist das Krankheitsbild eine seltenere Ursache des nephrotischen Syndroms und es können mehrere Monate vergehen, bis die Erkrankung auf die Behandlung anspricht. Daher ist beim Erwachsenen vor Beginn einer Behandlung die Sicherung der Diagnose durch eine Nierenbiopsie erforderlich.
Einzelnachweise
Weblinks
- Minimal Change Disease - Atlas of Renal Pathology der National Kidney Foundation (engl.)