MIM-23 HAWK

HAWK (engl. für Falke oder Habicht) war ein mobiles, allwetterfähiges Flugabwehrraketensystem aus den frühen 1960er Jahren. Hersteller war die US-amerikanische Firma Raytheon. Das System wurde in den Jahren 1959/1960 in der US-Army eingeführt. Bis heute wurde das System in unterschiedlichen Konfigurationen an 25 Staaten der Welt - darunter auch Deutschland - verkauft.
Beschreibung
Das Waffensystem HAWK bildete neben dem weiter reichenden System Nike und dessen Nachfolgesystem PATRIOT über mehrere Jahrzehnte das Rückgrat der integrierten Luftverteidigung der NATO und ist in einigen NATO-Staaten immer noch im Einsatz.
Es handelt sich um ein Flugabwehrraketensystem mittlerer Reichweite zum Einsatz gegen Flugziele im tiefen bis mittleren Höhenbereich. Die Zielsuche erfolgt durch je ein Impuls (PAR)- und ein Dauerstrich-Erfassungsradar (CWAR). Zur Bekämpfung wird das Flugziel mit einem weiteren Dauerstrich-Radar (HPIR) beleuchtet. Die dabei reflektierte Radarenergie dient der Lenkeinheit des Flugkörpers zur Zielsuchlenkung, wobei zusätzlich auch direkte Steuersignale gesendet werden, die von einer Antenne am Heck des Flugkörpers empfangen werden.
Der Flugkörper hat eine effektive Kampfentfernung von maximal 40 km bei einer maximalen Flughöhe von 12 km. In der bis Ende der 1990er Jahre üblichen Vollstaffel-Konfiguration mit zwei Abschussgruppen konnten zeitgleich zwei Flugziele bekämpft werden.
Geschichte
Einführung und Modernisierung
In der Bundeswehr wurde HAWK ab 1963 bei der Luftwaffe eingesetzt - zunächst in der Version Basic-HAWK. Mitte der 1970er wurde mit der Umrüstung auf Improved HAWK (IHAWK) eine wesentliche Kampfwertsteigerung erzielt. Mit den Versionen PIP und PIP-II wurde Mitte bis Ende der 1980er Jahre die Umstellung auf Halbleitertechnik und Digitalisierung fortgesetzt und dadurch die Zuverlässigkeit im Einsatz erheblich gesteigert.
Der Kalte Krieg
In der Hochphase des Kalten Kriegs waren 36 Systeme (Batterien, später Staffeln) in neun Flugabwehrraketenbataillonen (später Geschwader und Gruppen) der deutschen Luftwaffe eingesetzt. Zusammen mit niederländischen, belgischen und US-amerikanischen Einheiten bildeten diese HAWK-Verbände den sogenannten HAWK-Gürtel, der sich von der dänischen Grenze quer durch Deutschland bis zur Grenze nach Österreich erstreckte. Die einzelnen Stellungen innerhalb des HAWK-Gürtels waren so gewählt, dass sich die Wirkungsbereiche der einzelnen Feuereinheiten überlappten und somit eine lückenlose Abdeckung gewährleistet wurde. Im NATO-Verbund hatten die HAWK-Verbände die Aufgabe, die Luftverteidigung Mitteleuropas rund um die Uhr sicherzustellen. Hierzu waren alle genannten Flugabwehrraketenverbände bereits im Frieden der NATO unterstellt (assigniert).
Betrieb des HAWK-Systems
Die HAWK-Verbände der Luftwaffe waren voll verlegefähig und für den Allwetterbetrieb ausgelegt. In der Regel wurden die Systeme im Luftverteidigungs-Schichtdienst "rund um die Uhr" aus festen Feldstellungen heraus betrieben. Diese waren durch Beton-Unterstände teilweise gegen Luftangriffe "gehärtet" und hätten auch die Bekämpfung feindlicher Luftfahrzeuge in den ersten Stunden eines Überraschungsangriffs des Warschauer Paktes ermöglicht. Im Krisen- und Kriegsfall sollten die Einheiten allerdings ihre festen Stellungen verlassen und vorerkundete Verlegestellungen beziehen. Dies wurde während des Kalten Krieges intensiv geübt und von Prüfteams der NATO regelmäßig eingehend bewertet.

Die Einheiten übten regelmäßig den "scharfen Schuss" - zuerst auf dem Raketenschießplatz McGregor Range / White Sands Missile Range im US-Bundesstaat New Mexico, dann auf der Mittelmeerinsel Kreta auf dem NATO-Schießplatz NAMFI.
Auch während Verlegungen, Übungen und Manövern waren die Einheiten weiterhin der NATO unterstellt und konnten somit verzugslos ihre Aufgabe - die Bekämpfung feindlicher Luftfahrzeuge - wahrnehmen. Dies war möglich, da zu den Verlegeübungen stets die Einsatzflugkörper mitgeführt sowie die taktischen Fernsprech- und Datenverbindungen aufgebaut und betrieben wurden.
Nach dem Ende des Kalten Kriegs wurden die strikten Alarm- und Schichtbetriebsregeln gelockert und der Betrieb im Tagesdienst weitergeführt. Auf Verlegeübungen wurden nur noch Trainings-Lenkflugkörper genutzt, damit entfiel auch die starke Materialbelastung für die Einsatz-LFK.
Reduzierung und Außerdienststellung
Das System ist während seiner langen Nutzungsdauer fortwährend modernisiert worden, wobei die Bundeswehr die letzte Version PIP-III ("Product Improvement Program") nicht mehr eingeführt hat. Hierdurch blieben die bei der Bundeswehr eingesetzten Systeme technisch im wesentlichen auf dem Stand der frühen 1980er. Somit ergaben sich im weiteren Einsatz nicht nur Einschränkungen im Kampfwert. Insbesondere die hohen Betriebskosten, die immer knapper werdenden Ersatzteile (vor allem in Röhrentechnik) und der umfangreiche Personal- und Wartungsbedarf führten zur schrittweisen Reduzierung der aktiven Einheiten und letztlich zur Ausserdienststellung in den frühen 2000er-Jahren. Die letzten beiden HAWK-Einheiten der Bundeswehr wurden Ende 2005 mit der Flugabwehrraketengruppe 15 in Leipheim außer Dienst gestellt.
Die letzte PCP Halbstaffel der Bundeswehr steht in Pirmasens. Sie ist dort teil der Luftkampfübungsanlage Polygone die sich aus mehreren Stellungen und verschiedensten Luftabwehrsystemen aus Deutschland,USA und der alten Sovietunion zusammensetzt. Neben HAWK gibt es dort auch SA-6, SA-8 und die letzten ROLAND FRR und FGR (RAD).
Ausgemusterte HAWK-Raketen sind zum Teil zu Orion-Höhenforschungsraketen umgerüstet worden.
Systemkomponenten
bei der Bundeswehr eingesetzte Version HAWK PIP-II

Feuerleitgruppe
- 1 Feuerleitstand/PCP (Platoon Command Post) mit
- 1 Freund/Feind-Kenngerät/IFF (Siemens 1990/D21 - Identification Friend/Foe)
- 1 Dauerstrich-Erfassungsradar/CWAR (AN/MPQ-55 Continous Wave Acquisition Radar)
Abschussgruppe
- 1 Dauerstrich-Beleuchtungsradar/HPIR (AN/MPQ-57 High-Powered Illuminator Radar) mit
- 1 Infrarot-Erfassungssystem/HEOS (Atlas Elektronik HAWK Electro-Optical Sensor)
- 3 Startgeräte/LCHR (Launcher) für je
- 3 Lenkflugkörper/MSL (Missile) pro Startgerät
- 6 Palettenanhänger zum Transport von 18 Lenkflugkörpern (LFK)
- 1 Ladefahrzeug/LDR (Loader)
- 1 Abschussgruppen-Verteilerkasten/LSCB (Launching Section Control Box)
Stromversorgung
- 4 Stromerzeugungsaggregate (SEA) 56 kVA / 400 Hz
Für die Kampfführung einer HAWK-Flugabwehrraketengruppe (entspricht einem Bataillon) mit bis zu acht angeschlossenen Feuereinheiten (s. o.) diente die Kampfführungsanlage/GEHOC (German HAWK Operation Center).

wegen Umstrukturierung ausgemusterte Komponenten
Gegen Ende der 1990er Jahre wurden die Einheiten der Luftwaffe von der BCC-Vollstaffel-Konfiguration in eine PCP-Halbstaffel (siehe oben) umstrukturiert. Hierdurch entfielen die folgenden Komponenten:
- Feuerleitanlage/BCC (Battery Control Central)
- Lage- und Auswertezentrale/ICC (Information Coordination Central)
- Impuls-Erfassungsradar/PAR (AN/MPQ-50 Pulse Acquisition Radar)
- Entfernungsmessradar/ROR (AN/MPQ-51 Range Only Radar)
Liste der Nutzerstaaten
Viele westlich orientierte Staaten und Verbündete der USA nutzten HAWK als Luftverteidigungssystem für ihre Streitkräfte.
- NATO / Europa:
- Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Norwegen, Rumänien, Spanien, Schweden, Türkei
- Naher Osten:
- Ägypten, Bahrain, Iran, Israel, Jordanien, Kuwait, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate
- Asien:
- Indonesien, Japan, Südkorea, Singapur, Taiwan
Sonstiges
Die Abkürzung HAWK wird interpretiert als Homing All the Way Killer (engl. etwa: ständig zielender Mörder). Möglicherweise existierte die Bezeichnung HAWK zuerst und erst später kam die Erklärung aus der Beschreibung des Flugverhaltens des Habicht oder des Falken, der dem System seinen Namen gab.
HAWK wurde in der Truppe aufgrund seiner Komplexität, seiner Fehleranfälligkeit, der häufigen Verlegungen sowie des Schichtbetriebs scherzhaft bezeichnet als:
- Hope Ajax Will Kill
- Heute Alles Wieder Kaputt
- Holiday and Weekend Killer
- Home and Weekend Killer
- Haufen Arbeit Wenig Kohle
- Hau Ab Wenn's Knallt