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Gatling (Waffenklasse)

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Datei:Gatling-Kanone (Fort Laramie, Wyoming).jpg
Gatling-Kanone in Fort Laramie, Wyoming
Gatlings Patentzeichung seiner Battery Gun vom 9. Mai 1865.

Die Gatling-Kanone war das erste erfolgreiche Maschinengewehr, je nach Definition des Begriffes Maschinengewehr. Sie ist ihrem Prinzip nach keine Revolverkanone. Anders als vorhergehende Apparate konnte sie als erste Kanone Verlässlichkeit, hohe Kadenz und einen einfachen Ladevorgang in einem einzigen Gerät vereinen. Sie wurde 1861 vom amerikanischen Erfinder Richard Gatling entwickelt und am 9. Mai 1865 patentiert.

Der Erfinder

Richard Jordan Gatling

Richard Jordan Gatling wurde auf einem Bauernhof in Indianapolis geboren, wo er noch einige andere Erfindungen machte. Seine erfolgreichste war ohne Zweifel die Gatling-Kanone. Ein Grund dafür, warum er sie erfand, war sein Wunsch nach einem schnellen Ende des amerikanischen Bürgerkriegs. Gatling wuchs in Indianapolis in der Nähe eines Güterbahnhofs auf, wo er oft Leichen von gefallenen Soldaten sah, die vom Schlachtfeld gebracht worden waren. Einmal sah er 19 tote Körper, wovon nur drei Schusswunden aufwiesen. Die anderen waren offenbar an Begleiterscheinungen des Krieges wie Krankheiten oder Unterernährung gestorben. Daraufhin erhoffte er sich von seiner Erfindung: „Ihre Feuergeschwindigkeit versetzt einen Mann in die Lage, so viel im Kampf zu leisten wie einhundert Männer.“ Auch folgerte er logisch, dass sich Krankheiten hauptsächlich in Massenarmeen ausbreiten. Wenn nun ein Mann mit einer Gatling-Kanone soviel ausrichten kann wie einhundert, so bestünde kein Bedarf mehr nach Massenarmeen. Folglich würden auch weniger Soldaten an Krankheiten sterben. Gatling wollte also ursprünglich seine Kanone so stark machen, dass die Furcht vor ihr den Krieg und das massenhafte Sterben beenden würde. Natürlich hatte er auch ein kommerzielles Interesse, und während des Bürgerkriegs bestand eine große Nachfrage nach Waffen. Die Gatling-Kanone wurde zuerst dem Gouverneur von Indiana Oliver P. Morton vorgeführt, der Gatling sagte, er solle sie nach Washington bringen.

Geschichte der Kanone

Die Kanone wurde 1861 während des amerikanischen Bürgerkriegs erfunden. Im Jahr 1862 kaufte die Regierung der Vereinigten Staaten keine Gatling-Kanonen, da sie keinen Abzug hatten und viel zu schwer waren, um sie schnell aufzubauen. Auch nach ersten Nachbesserungen hatten sie immer noch keinen Abzug, und die leichtesten waren über 45 kg schwer. Trotzdem kaufte der Unionsgeneral Benjamin Butler 12 Stück und setzte sie erfolgreich an der Front bei Petersburg ein. Bei ihrem ersten Einsatz beeindruckte sie beide Seiten durch ihre Stärke und ihren Effekt. Ursprünglich war Gatling ein Sympathisant der Südstaaten, doch die Nordstaaten beschlagnahmten die Baupläne. Außerdem besaßen die Fabriken im Süden auch nicht die erforderlichen Werkzeugmaschinen zum Bau der Kanonen.

Die Gatling, der Abraham Lincoln den Spitznamen Kaffeemühlen-Kanone gab, verfügte über sechs Läufe, die eine Überhitzung der Gewehrläufe verhinderten. Diese rotierten um eine Mittelachse. Die Patronen wurden durch die Schwerkraft von oben in die Kanone befördert. Gatling war nicht der erste, der über eine Kombination mehrerer Läufe nachdachte. Bereits im 18. Jahrhundert gab es entsprechende Ideen. Auch die französische Mitrailleuse von Nordenfelt verfügte über mehrere Läufe, die jedoch nicht drehend gelagert waren. Jeder Lauf hatte seinen eigenen Abschussmechanismus. Jeder Patronenhalter war in 16 Abschnitte unterteilt, die jeweils 25 Patronen besaßen. Nach 1861 lösten neue Patronen mit Kupferummantelung, wie wir sie heute kennen, die alten Papierhülsen ab. Gatling übernahm nicht sofort die neuen kupferummantelten Patronen. Vor dem Wechsel bestand das Problem, dass sich eine große Wolke Pulverdampf bildete, die die Sicht des Schützen erschwerte.

Mündung einer GAU-8/A Avenger an einem A-10 Thunderbolt.

Das verbesserte Modell von 1881 verwendete das Bruce-Ladesystem im Kaliber .45-70 Government. Der Vorteil des Bruce-Systems war, dass es abgefeuert und gleichzeitig ein anderer Teil nachgeladen werden konnte. Dies ermöglichte Dauerfeuer. Ein Problem bestand darin, dass das Ende des Laufes im Durchmesser geweitet war, so dass die Kanone nicht immer zielgenau feuerte. Diesem Problem wurde mit weiteren Modifikationen begegnet. Man benötigte 4 Mann, um die Gatling-Kanone zu bedienen. Im Jahr 1876 war das aktuelle Modell in der Lage, 1.200 Schuss pro Minute abzugeben. 400 Schuss pro Minute waren jedoch unter Einsatzbedingungen realistisch.

Moderne Versionen der Gatling Gun finden noch heute zahlreich Einsatz im Militär: Zu Land (z.B. Flakpanzer), zu Wasser (Schiffsflak) und in der Luft (Bordkanone). Es gibt verschiedene Modifikationen der Gatling Gun. Sie kann heute bei Dauerfeuer circa 4.000 bis 6.000 Schuss pro Minute abfeuern.

Moderne Gatling's

M61A1 Vulcan
Raketenabwehrsystem Phalanx an Bord der USS America

Kanonen im Stil der Gatling-Kanone mit rotierenden Läufen kehrten wegen ihrer hohen möglichen Schussfrequenz in Flugzeugen und seegestützten Raketenabwehrsystemen zurück. Herkömmliche Maschinengewehre erfordern wegen der Überhitzung der Läufe Feuerpausen zum Abkühlen oder ein Auswechseln der Läufe in regelmäßigen Abständen, oder aufwendige Kühlsysteme für die Läufe. Bei der Gatling-Kanone ist das Auswechseln mechanisiert. Der Nachteil des höheren Gewichts kommt nicht so sehr zum Tragen, da sie auf Fahrzeugen oder Flugzeugen montiert wird.

Der Trend geht Richtung caseless-Patronen, das heißt Patronen ohne Hülse, bei denen das Treibmittel mit dem Geschoss vergossen ist und eine elektrische Zündung erfolgen kann. Dadurch kann der Zündzeitpunkt bei so enormer Kadenz (100/s) noch genauer eingehalten werden und so die Trefferlage enorm verbessert werden. Allerdings reduziert sich dadurch die Dauerfeuerzeit drastisch, da die Messinghülsen der klassischen Gatling Gun den größten Teil der Abwärme aus der Waffe entfernen.

Fremd- oder Eigenantrieb

Gatling Kanonen müssen vom Funktionsprinzip her nicht zwangsläufig fremdangetrieben sein. Es ist bei den amerikanischen 'Gatlings' jedoch üblich sie fremdanzutreiben. Russische Entwicklungen dagegen sind über den Gasdruck mit Eigenantrieb ausgestattet; d. h. sie sind Gasdrucklader. Der Vorteil des Eigenantriebes ist die kürzere Anlaufzeit um die Rohre in Rotation zu versetzen, begründet im Eigenantrieb. Damit verfeuern diese Waffe in der ersten Sekunde des Feuerstoßes mehr Geschoße als eine fremdangetriebene Gatlings. Des Weiteren sind diese Waffen nicht von einer externen Energiequelle abhängig. Als Nachteil ist die Funktionssicherheit anzuführen. Fremdangetriebene Gatlings werfen nicht gezündete Patronen einfach wieder aus, während Gasdrucklader stehen bleiben, da der fehlende Gasdruck die nächste Patrone nicht ladet. Abhilfe schaffen hier Pyrotechnische Kartuschen. Diese kleinen Zündsätze laden die Waffe durch (spannen bzw. entspannen die Waffe) und werfen somit die fehlgezündete Patrone aus. Beim erneuten Feuern der Kanone erledigt dies wieder der Gasdruck der gezündeten Patronen.

Begriffe

  • Revolverkanone - Gatling - Chain Gun

Eine Gatling Kanone ist vom Funktionsprinzip her keine Revolverkanone. Eine Revolverkanone hat im Gegensatz zu normalen automatischen Schusswaffen eine sich drehende Patronentrommel, wie der Namensgeber Revolver, und nur einen Lauf, im Gegensatz zur Gatling. Es sind zwei völlig verschiedene Waffen. Weiterhin ist eine Gatling auch keine Chain Gun. Diese ist eine einläufige, fremdangetriebene Maschinenkanone, welche abgesehen vom Fremdantrieb, eine klassische Maschinenkanone darstellt.

  • Gatling Gun - Minigun - Microgun

Mit Minigun bezeichnet man eine kleinkalibrige Gatling. 'Gatling Kanonen' verschießen Granaten im Kaliber ab 20 mm, eine Minigun dagegen verschießt Maschinengewehr Munition. Der Begriff 'Minigun' bezeichnet daher ein Maschinengewehr, welches auf Basis der Gatling arbeitet. Eingeführt wurde der Name 'Minigun' als Suggestivbezeichnung der M134 bzw. GAU-17 und GAU-2, einer Gatling im Kaliber 7,62 mm NATO (die Waffen sind identisch, nur mit anderen Bezeichnung: Gun Aircraft Unit für die Air Force und M134 für die Army). Fortgeführt wurde diese Bezeichnung mit der XM214, ebenfalls ein Maschinengewehr nach dem Gatling-Prinzip, jedoch im Kaliber 5,54 mm NATO. Daher mit dem Suggestivnamen 'Microgun' versehen, da sie noch kleiner als eine Minigun war.

Beispiele

Name Land Antrieb Kaliber Kadenz Mündungs-
geschwindigkeit
Waffen-
gewicht
mm rpm m/s kg
Gatling Kanonen
XM214 USA Fremdantrieb 5,54 6.000 990 12,25
M134 auch GAU 17 USA Fremdantrieb 7,62 4.000 854 16
M61 Vulcan USA Fremdantrieb 20 6.000 1050 112
GAU-8 Avenger USA Fremdantrieb 30 3.900 1067 281
Grjasew-Schipunow GSch-6-23 Russland Gasdrucklader 23 10.000 745 76

Siehe auch:

  • Commons: Gatling gun – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • howstuffworks.com – How Machine Guns Work (englisch), mit informativer Flashanimation zur Schematik der Gatling-Kanone