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Flugmanöver und Flugzustände (Gleitschirm)

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Mit einem Gleitschirm können verschiedene Flugzustände und Manöver durch den Einsatz der Steuerleinen (Bremsen), Gewichtsverlagerung und des Beschleunigers erflogen werden. Im Normalflug wird ein Gleitschirm leicht angebremst geflogen damit der Pilot über die Steuerleinen eine Rückmeldung über das Verhalten des Gleitschirmes erhält.


Normale Flugzustände

Bestes Gleiten

Es wird die längste Strecke mit der zur Verfügung stehenden Höhe zurückgelegt. Das beste Gleiten wird bei den meisten modernen Schirmmodellen im unangebremsten Zustand erreicht.

Geringstes Sinken

Beim geringsten Sinken wird der Schirm soweit angebremst das er am wenigsten Höhe pro Zeiteinheit verliert.

Beschleunigtes Fliegen

Beim Beschleunigen wird mit Hilfe des Fußbeschleunigers der Anstellwinkel des Gleitschirms verkleinert. Dies führt zu einer Fahrterhöhung, allerdings verschlechtert sich der Gleitwinkel bei windstillen Verhältnissen. Herrscht Gegen- oder Abwind, kann jedoch durch Einsatz des Beschleunigers der u.U. Gleitwinkel etwas verbessert werden. Unerwünschter Nebeneffekt ist eine deutliche Erhöhung des Risikos für Einklappungen des Segels (z.B. durch Turbulenz und Thermik). Aus besagtem Grund ist ein beschleunigtes Fliegen in Bodennähe nicht zu empfehlen.

Abstiegshilfen

Abstiegshilfen sind Flugmanöver, mit deren Hilfe man sehr schnell Höhe abbauen kann, um möglichst schnell landen zu können. Das kann dann notwendig sein, wenn Gefahren - zum Beispiel durch ein aufziehendes Gewitter - drohen. Das Beherrschen der Abstiegshilfen ist Voraussetzung um unter thermischen Bedingungen mit dem Gleitschirm sicher zu fliegen.

Ein Gleitschirm im Normalflug verliert typischerweise 1 m Höhe pro Sekunde. Diese Sinkrate kann mit den Abstiegshilfen deutlich erhöht werden

Ohren-Anlegen

Das Ohren-Anlegen, auch Big Ears genannt, ist die einfachste Abstiegshilfe. Dabei werden die beiden äußeren Enden des Schirms nach innen eingeklappt. Vorteil des Ohren-Anlegens ist, dass der Gleitschirm weiter geradeaus fliegt; man kann daher einen Gefahrenbereich verlassen. Dadurch, dass der Gleitschirm durch das Verkleinern der Fläche insgesamt stabiler wird, eignet sich das Ohren-Anlegen auch bei Turbulenzen. Es kann sogar mit angelegten Ohren gelandet werden, was sich insbesondere beim Toplanden empfiehlt, um die Aufwindkomponente auszugleichen. Das Ohren-Anlegen wird noch effektiver, wenn zusätzlich beschleunigt wird. Typische Sinkraten sind 2,5–3,5 m/s, beim beschleunigten Ohren-Anlegen bis zu 4–5 m/s.

Eingeleitet wird das Ohren-Anlegen durch Ziehen der äußersten A-Leinen bei nicht beschleunigtem Schirm. Die Bremsleinen werden dabei festgehalten, gesteuert wird durch Gewichtsverlagerung. Bei den meisten Schirmen genügt es die A-Leinen wieder loszulassen, um in den Normalflug überzugehen, falls nicht, genügt kurzes Anbremsen.

B-Stall

Beim B-Stall wird ein Strömungsabriss provoziert und der Gleitschirm sinkt senkrecht nach unten mit einer typischen Sinkrate von 6–10 m/s. Der Gleitschirm nimmt dabei im Profil, von der Seite gesehen, eine typische V-Form an.

Eingeleitet wird der B-Stall durch symmetrisches Ziehen der Tragegurte auf der B-Ebene (zweite Tragegurte von vorne). Dabei ist eine zu starke Drehung zu vermeiden, da ansonsten die Gefahr des Eintwistens besteht. Beendet wird das Manöver zügig, damit der Gleitschirm wieder zuverlässig Fahrt aufnimmt und nicht in einen Sackflug übergeht.

Steilspirale

Die Steilspirale ist die effektivste Abstiegshilfe mit Sinkraten von 7 m/s, bei einer moderat geflogenen Steilspirale, und bis zu 20 m/s bei aggressivem Fliegen. Allerdings bedeutet eine aggressiv geflogene Steilspirale auch eine nicht unwesentliche Körperbelastung durch steigende G-Kräfte. Der Verlauf der Flugbahn ähnelt dabei der Form eines Korkenziehers.

Eingeleitet wird die Steilspirale durch eine immer stärker geflogenen Kurve mit deutlicher Gewichtsverlagerung. Dabei kann der Schirm durchaus auf die Nase kippen.

Fullstall (Strömungsabriss)

Ein Fullstall ist heute keine gängige Abstiegshilfe mehr. In den Anfangsjahren des Gleitschirmfliegens wurde der Fullstall aber durchaus praktiziert. Heutzutage wird der Fullstall nur noch absichtlich von erfahrenen Piloten erflogen um Leinenverhänger zu lösen. Gründe hierfür sind zum einen, dass der B-Stall bevorzugt wird, aber auch die höhere Dynamik der heutigen Schirme. Es besteht beim Fullstall die Gefahr, dass der Schirm bei Beendigung des Stalls so schwungvoll wieder Fahrt aufnimmt, dass der Pilot in den eigenen Gleitschirm fällt.

gehaltener Klapper

Hierbei wird ein Klapper provoziert und gehalten. Vorteil sind die geringere körperliche Belastung als bei einer Steilspirale aber trotzdem erheblich Sinkraten.

Gestörte Flugzustände

Seiteneinklappung

Seitenklapper sind seitliche Teileinklappungen des Gleitsegels, hervorgerufen durch Wanderung des Staupunktes an der Anströmkante des Schirmes. Durch negative Anstellwinkel kollabiert ein Teil der Kappe. Folge ist eine Widerstandserhöhung auf der eingeklappten Seite mit einer mehr oder weniger ausgeprägten Drehtendenz in diese Richtung. Durch die mit diesem Flugzustand verbundene Vekleinerung der Auftriebsfläche versucht der Gleitschirm den Auftriebsverlust durch eine Zunahme der Fluggeschwindigkeit auszugleichen. Dies kann ein Vorschießen der Kalotte bedingen.

Fronteinklappung

Einklappungen des mittleren Eintrittskantenbereichs werden ebenfalls durch negative Anstellwinkel verursacht. Diese können durch z.B. Turbulenzen oder einem schnellen Vorschießen des Gleitschirms hervorgerufen werden.

Strömungsabriss (Fullstall)

Vollständiger oder nahezu vollständiger Zusammenbruch der auftrieberzeugenden Zirkulation am Gleitsegel. Auslöser ist die Überscheitung des maximal möglichen Anstellwinkels des Profils. Häufigste Ursache ist ein Unterschreiten der Minimalgeschwindigkeit des Gleitschirms oder ein Fliegen im Bereich dieser, gepaart mit Turbulenzeinwirkung. Der Schirm kollabiert und bremst. Da sich der Pilot im Normalfall in einer Vorwärtsbewegung befindet, pendelt er vor und kippt auf den Rücken. Die Wiederöffnung der Kalotte erfolgt unter Umständen erst nach Eingriff des Piloten und deutlichem Verlust von Flughöhe.

Sackflug

Stabiler Flugzustand des Schirms ohne Vorwärtsfahrt. Das Fluggerät sackt annähernd senkrecht ab. Die Anströmung des Segels erfolgt senkrecht von unten. Auslöser u.a.: Zu eng eingestellte Bremsleinen (ohne Freilauf), gealtertes oder beschädigtes und damit erhöht luftdurchlässiges Segel, Verschlechterung des Profils durch Nässe o.ä. (Flug durch Regenschauer).

Spiralsturz

Spiralsturz (auch Trudeln) ist ein stabiler Flugzustand, bei dem sich eine Seite des Gleitschirms im Strömungsabriß befindet, während die andere weiterhin Auftrieb erzeugt. Der Gleitschirm rotiert um die abgerissene Seite. Je nach Konstruktion des Schirmes ist ein aktives Eingreifen des Piloten erforderlich, um den Vorgang zu beenden. Gutmütigere Modelle leiten das Trudeln u.U. nach einem gewissen Höhenverlust selbständig aus, während wiederum andere nicht aus dem Spiralsturz zu befreien sind. Auslöser für den Spiralsturz kann auch eine nicht korrekt geflogene Steilspirale sein.

Siehe auch

Literatur

  • Otto Voigt: Aerodynamik und Flugmechanik des Gleitschirms, 2. Auflage, Books on Demand GmbH 2003, ISBN 3-0344-0192-2