Pferdefleisch

Das Pferdefleisch wird heute als Nahrungsmittel in Deutschland und Österreich eher selten, in der Schweiz häufiger genutzt, es gibt jedoch in Deutschland, der Schweiz, Frankreich und Belgien spezielle Pferdemetzgereien, in Deutschland etwa 100 (Stand 2006). In der Schweiz ist Pferdefleisch auch bei den Grossverteilern Coop und Migros erhältlich. Einige Gerichte der deutschen Küche werden traditionell mit Pferdefleisch zubereitet wie zum Beispiel der Rheinische Sauerbraten.
Die Schlachtteile und ihre Verwendung

- A) Filet, ist der am wenigsten beanspruchte Muskel und daher das beste Stück vom Pferd (liefert Steakfleisch)
- B) Hinterrücken, ist ganz schier, ohne Speck und Sehne (liefert Steak vom Rücken)
- C) Oberschale mit Oberschalendeckel, ist zartes, saftiges Fleisch (liefert Steakfleisch aus Oberschale und Roulade aus Oberschalendeckel)
- D) Seemer und Seemerrolle, liefert Fleisch zum Schmoren (Braten, Rouladen, Gulasch)
- E) Vorderrücken, liefert Steakfleisch (Grillen, Kurzbraten, Überbacken)
- F) Hochrippe, liefert Fleisch zum Schmoren (Schmorfleisch, Gulasch)
- G) Brust, liefert Fleisch zum Schmoren (Schmorfleisch, Gulasch)
- H) Bug (Bogen), liefert Fleisch zum Räuchern und Pökeln (Pferdeschinken, Rauchfleisch)
- I) Bauchlappen
- J) Vorderes Beinfleisch, ist sehr sehnig und liefert Fleisch zum Kochen (Suppenfleisch, Kochwurst)
- K) Hinteres Beinfleisch
- L) Nacken
- M) Kopf, liefert zusammen mit I), K), L) Verarbeitungsfleisch (Knackwurst, Kochwurst, Pferdefett usw.)
Inhaltsstoffe und Konsistenz
Pferdefleisch ist rot bis dunkelrot gefärbt und von fester Konsistenz. Fleisch von jungen Pferden ist hellrot und schmeckt nur leicht anders als Rind. Erst das Fleisch älterer Pferde hat die charakteristisch dunkle Farbe und den unverkennbaren, typischen Geschmack. Je älter das Tier, desto zarter ist sein Fleisch. Pferdefleisch ist reich an Eisen und sehr fettarm.
100 Gramm Pferdefleisch enthalten im Schnitt:
Eiweiß: 20,6g Fett: 2,7g Natrium: 45,000 mg, Magnesium:25,000mg und Eisen: 4,700mg Vitamin A: 0,020 mg, Vitamin B1: 0,110 mg, Vitamin B12: 0,063 mg, Vitamin E: 0,230 mg, Vitamin B2: 0,150 mg, Vitamin B6: 0,500 mg [1].
Zubereitung
Grundsätzlich wird Pferdefleisch wie Rindfleisch zubereitet, auch wenn die Garzeiten meist kürzer sind, da Pferdefleisch grundsätzlich zarter ist. Wegen seines geringen Fettgehaltes tendiert es zum Austrocknen.
Geschichte
Pferdefleisch gehört zu den ältesten Nahrungsmitteln der Menschheit. Knochenfunde bei Solutré in Frankreich aber auch Höhlenmalereien wie in Lascaux weisen darauf hin, dass das Pferd wohl ein beliebtes Beutetier der eiszeitlichen Jäger war. Aber auch nach seiner Domestizierung und Verwendung als Reit-, Zug- und Lasttier verlor das Pferd seine Bedeutung als Fleischlieferant nicht. Kelten und Germanen entwickelten Opferkulte rund um das Pferd. Man geht auch davon aus, dass die gekreuzten Pferdeköpfe an vielen Giebeln der Bauernhäuser Niedersachsens auf den Brauch zurückgehen, die Köpfe geopferter Pferde an den Häusern anzubringen. Auch das Bild des sprechenden Pferdekopfes im Märchen der Gänseprinzessin „Oh Fallada, da Du hangest“ wird von einigen als Erinnerung an diesen Ritus interpretiert. Alle großen Reitervölker wie die Hunnen, Mongolen und Indianer aßen Pferdefleisch.
Das abendländische Pferdefleischverbot
Papst Gregor III erließ im Jahre 732 ein Verbot, Pferdefleisch zu essen, eine Praktik, die er als abscheulich bezeichnete. Experten sind sich uneins darüber, welches Motiv dem Verbot zu Grunde lag: Für die einen richtete es sich vor allem gegen die Kultpraktiken der heidnischen Germanen, deren Christianisierung gerade im Gange war. Andere behaupten, es habe einen Engpass an Streitrössern gegeben und der Papst wollte schlicht nicht, dass das wertvolle Kriegsmaterial im Kochtopf landete. Papst Gregors Verbot wurde von seinem Nachfolger Zacharias bestätigt. Bonifatius trug es in die Lande. Bei der Christianisierung der Isländer wurde ausdrücklich den Insulanern von der katholische Kirche der Genuss von Pferdefleisch erlaubt, zu karg war das Leben auf den nördlichen Vulkaninsel, als dass man diese potentiellen Eiweißlieferanten der isländischen Küchenpraxis entziehen durfte.
Wiedereinführung
Trotz des päpstlichen Verbotes war das Mittelalter nicht frei von Pferdefleischkonsum. Einige Dokumente bezeugen, dass das Fleisch wilder Pferde in Westfalen gerne von den ansässigen Mönchen gegessen wurde. Der Abdecker, der alte Pferde tötete, verkaufte deren Fleisch oft unter der Hand an die Armen und Hungernden.
Praktisch alle Kriege waren von schweren Hungersnöten gekennzeichnet. Pferdefleisch wurde dann zum umkämpften Luxus. Die Alternative waren Hunde, Katzen und Ratten – oder eben der Hungertod.
Im 19. Jahrhundert, in der Ära des Rationalismus, wurde das Pferdefleischverbot immer lauter hinterfragt. Prominente Befürworter wie der französische Militär-Veterinär Emile Decroix veranstalteten Schau-Bankette mit Pferdefleisch, um die Menschen vom Pferdefleischkonsum zu überzeugen. Es ging ihm einerseits um die armen Bevölkerungsschichten, die sich kein Fleisch leisten konnten und am Rande der Unterernährung lebten, und andererseits um die bis zum letzten Atemzug geschundenen Kutschpferde in den Großstädten. Wenn man es den Besitzern ermöglichte, ihre alten Pferde an den Schlachter zu verkaufen, würden die Tiere zeitig erlöst und man schaffte eine günstige, hochwertige Nahrungsquelle für die Arbeitermassen.
Trotz der massiven Proteste der traditionellen Metzger einerseits und der betuchten Reiterklasse andererseits fiel schließlich das Verbot und die ersten Pferdemetzgereien öffneten ihre Pforten. Ähnliche Bewegungen fanden überall in Europa statt. Nachhaltig setzte sich die Kultur des Pferdefleischkonsums aber erst mal nur in den frankophonen Ländern durch. In Frankreich lag der Höhepunkt des Pferdefleischkonsums in den 50er und 60er Jahren. Seither ist er stetig fallend und beträgt heute kaum mehr als 2% des gesamten Fleischkonsums. Pferdefleisch wird in Frankreich aber nach wie vor in den Fleischregalen praktisch aller Supermärkte angeboten. Auch in Wien hatten Pferde"fleischhauer" (Metzger) zumindest bis in die späten 70er-Jahre eine große Tradition. Besonders die "Dürre" (Wurst) und der Pferdeleberkäs waren beliebt.
Kontroverse
Pferdefleisch ist und bleibt ein umstrittenes Nahrungsmittel. Lag es früher unter dem päpstlichen Bann und war als „Armeleuteessen“ verschrien, sind es heute vor allem emotionale Vorbehalte, die viele Menschen dem Pferdefleisch ablehnend gegenüberstehen lassen. Nicht wenige Menschen empfinden das Pferd nicht als Nutz-, sondern als Haustier.
In Frankreich hat sich eine regelrechte Anti-Pferdefleischkonsum-Bewegung gebildet. Deren Slogan "Non, un cheval ça ne se mange pas" (Nein, ein Pferd isst man nicht) kann man auf unzähligen Websites, Aufklebern und T-Shirts finden. Als ein Nationalgestüt an einem publikumsoffenen Tag Fohlenfleischgerichte servierte, gab es einen Sturm des Protestes. In den USA hat die "Stop the Horseslaughter"-Bewegung ein Verbot für den Konsum von Pferdefleisch in einigen Staaten, so z.B. in Kalifornien erwirkt. Paradoxerweise ist aber das Töten der Pferde zwecks Herstellung von Tierfutter und Leim nachwievor erlaubt. Radikalere Gruppen möchten auch gegen den Export geschlachteter Tiere nach Europa vorgehen.
Auf der anderen Seite hat Pferdefleisch besonders seit der BSE-Krise viele neue Liebhaber gefunden. Ernährungsexperten heben dessen diätische Vorzüge hervor. Viele Pferdeschützer weisen auch darauf hin, dass das Einschläfern alter oder verletzter Pferde oft schwieriger und schmerzhafter für das Tier ist als die Schlachtung, wobei allerdings zu beachten ist, dass vor allem Sportpferde aufgrund der im Verletzungsfall eingesetzten Medikamente nicht für den Verzehr geeignet sind (siehe Equidenpass). Auch das Produzieren großer Kadaver, die durch das Einschläfern zu Sondermüll werden, empfinden einige Menschen als ethisch fragwürdig. Züchter alter Kaltblutrassen weisen darauf hin, dass ihre Pferde ohne den Fleischmarkt keine Abnehmer mehr hätten und längst ausgestorben wären.
Konsum weltweit
Pferdefleisch wird in vielen Ländern der Welt konsumiert, jedoch in unterschiedlicher Intensität. In den westlichen Staaten kann man eine interessante Trennung feststellen zwischen den frankophonen Ländern einerseits, in denen Pferdefleisch gegessen wird und den angelsächsischen Ländern andererseits, in denen dieses Fleisch kaum oder gar nicht konsumiert wird oder sogar teilweise verboten ist. Sogar innerhalb eines Landes lässt sich diese Kulturbarriere finden: So wird Pferdefleisch in der französischsprachigen Schweiz schon lange, in der deutschsprachigen Schweiz jedoch erst seit kurzem in nennenswerter Menge gegessen. Ein traditionelles Pferdefleischgericht in der Ostschweiz sind Mostbröckli.
Der jüdische Glaube verbietet den Verzehr von Pferdefleisch. Im Islam ist es zwar nicht verboten, wird aber weitgehend gemieden.
Siehe Artikel Nahrungstabu
Quellen
- ↑ Institut für Fleischhygiene an der Tierärztlichen Hochschule Hannover
Literatur
- M. A. Levine: Eating horses: the evolutionary significance of hippophagy. In: Antiquity. 72 (275). 1998. ISSN 0003-598X
- Agnes Ulrike Gudehus: Die Entwicklung der Pferdeschlachtung und des Pferdefleischkonsums in Deutschland unter Berücksichtigung der gesetzlichen Änderungen. Dissertation Ludwig-Maximilians-Universität München 2006, 185 S. (Onlinefassung; PDF, 4,43 MB)