Giovanni Pierluigi da Palestrina
Giovanni Pietro Aloisio Pierluigi da Palestrina, mit dem Familiennamen Sante, nach seinem Geburtsort, der Stadt Palestrina, Palestrina (lat. Praenestinus) genannt, wurde wahrscheinlich am 2. oder 3. Februar 1514 oder 1515 (nach anderen Quellen erst 1524, 1525 oder 1529) geboren, gest. 2. Februar 1594 in Rom; italienischer Komponist und Erneuerer der Kirchenmusik.
Biographie
Palestrina kam 1540 nach Rom, wo er in der Schule des Goudimel seine Ausbildung erhielt, war 1544-51 Organist an der Hauptkirche seiner Vaterstadt und wurde 1551 zum Magister puerorum (Lehrer der Singknaben) an der Peterskirche in Rom ernannt und noch in demselben Jahr zum Kapellmeister befördert.
In dieser Stellung erfreute er sich der besondern Gunst des Papstes Julius III., der ihn 1555 in das Sängerkollegium der Sixtinischen Kapelle berief, ebenso des Papstes Marcellus II.. Da aber des letztern Nachfolger Paul IV. Anstoß daran nahm, dass Palestrina nicht dem geistlichen Stand angehörte und sogar verheiratet war, so musste er seinen Posten verlassen; doch erhielt er kurze Zeit darauf die eben erledigte Kapellmeisterstelle an San Giovanni im Lateran und 1561 die besser besoldete an Santa Maria Maggiore.
In diese Zeit fallen seine achtstimmig für zwei Chöre geschriebenen Improperien, die 1560 am Karfreitag zum erstenmal aufgeführt wurden und einen so tiefen Eindruck machten, dass der Papst Pius IV. eine Abschrift davon für die päpstliche Kapelle verlangte.
Mit diesem Werk beginnt Palestrina, der sich bis dahin streng an die ältern Meister angeschlossen hatte, seinen eignen Weg zu gehen, und sein Beruf zum Reformator auf dem Gebiet der Kirchenmusik kündigte sich jetzt so deutlich an, dass die beim Konzil von Trient versammelte Behörde zur Verbesserung der Kirchenmusik ihn von allen lebenden Tonkünstlern für den fähigsten hielt, die Frage zu lösen, ob die polyphone Musik der kirchlichen Erbauung förderlich oder nachteilig und in letzterm Fall aus der Kirche zu verbannen sei.
In ihrem Auftrag schrieb Palestrina drei Messen, in denen (besonders in der dritten, welche er in dankbarer Erinnerung an seinen Gönner, den Papst Marcellus II., "Missa Papae Marcelli" benannte) neben kunstvollster Stimmenverflechtung die Hauptbedingungen einer wirkungsvollen Vokalmusik, Deutlichkeit der Melodie und Verständlichkeit der Textesworte, so vollständig erfüllt waren, dass die Beibehaltung der Kunstmusik in der Kirche von seiten des Konzils einstimmig beschlossen wurde.
Durch diese Messen, deren erste Ausführung am 19. Juni 1565 stattfand, war den Italienern ein ihnen eigentümlicher Kirchenstil geschaffen, der in seiner edlen Einfachheit und Erhabenheit das Prädikat "klassisch" mit Recht beanspruchen darf und später unter dem Namen Palestrina-Stil -- als hohe Stufe kontrapunktischer Satzkunst -- für alle weitern Arbeiten dieser Gattung mustergültig wurde.
Welches Ansehen Palestrina genoss, zeigt seine Zusammenarbeit mit dem mantovanischen Herzog Guglielmo Gonzaga. Dieser wollte einen gegenreformatorischen Mittelpunkt in Italien bilden und baute deshalb seine Schlosskirche Basilica Palatina di S. Barbara; dafür bestellte er bei Palestrina 10 Choral-Messen nach der Gonzaga-Liturgie: am Ende des 1. Bauabschnittes 1568 komponierte Palestrina seine Missa Mantovana 1, nach Abschluss des Erweiterungsbaues 1578 seine weiteren Misse Mantovane.
1571 wurde Palestrina zum Komponisten der päpstlichen Kapelle, (nach dem Tod Giovanni Animuccias) auch zum Kapellmeister der Peterskirche ernannt. In demselben Jahr übernahm er an dessen Stelle die Leitung des Gesanges bei den Andachtsübungen im Oratorium des heiligen Philipp Neri und eröffnete mit Panini eine Musikschule, die im Gegensatz zur ältern des Goudimel die "neuere römische Schule" genannt wurde und bald zu großer Berühmtheit gelangte.
So als ausübender wie als schaffender Musiker rastlos sich betätigend, wurde er 2. Februar 1594 vom Tod ereilt. Sein Leichnam ward in der Peterskirche beigesetzt und sein Grab durch die Inschrift Musicae princeps (Fürst der Musik) gekennzeichnet.
Siehe auch: Portal Musik, Musik des 16. Jahrhunderts, Alte Musik, Kirchenmusik, Oratorium
Werk
Palestrinas zahlreiche Werke, mit Ausschluss zweier Bücher Madrigale sämtlich für die Kirche geschrieben, erschienen zu seinen Lebzeiten nur teilweise im Druck und der damaligen Sitte gemäß nur in Stimmenausgaben.
In neuerer Zeit, nachdem sie zuerst durch Luigi Cherubini in weitere Kreise eingeführt worden, erschienen sie auch in Partitur (von Alfieri, einzelne Werke in Proskes "Musica divina"). Eine auf 30 Bände berechnete kritische Gesamtausgabe der Werke erscheint seit 1862 in Leipzig (Bd. 1-6 von Espagne redigiert, Fortsetzung 1879 von Haberl übernommen). Vgl. Baini, Memorie storico critiche della vita e delle opere di Giovanni Pierluigi da Palestrina (Rom 1828, 2 Bde.; deutsch von Kandler und Kiesewetter, Leipzig 1834); Bäumker,P., eine biographische Skizze (Freiburg i. Br. 1877).
Geistliche Werke
- 102 Messen,
- 250 Motetten,
- 35 Magnificats,
- 68 Offertorien,
- 45 Hymnen sowie
- verschiedene weitere Kompositionen.
Weltliche Werke
- zahlreiche Madrigale.
Zitate über Palestrina
Römer war Palestrina in der heroischen Strenge seiner Grundsätze, Italiener in seiner reinen Vokalität und in der beglückenden Harmonie der Proportionen; Katholik in der fraglosen Hingegebenheit an den Dienst Gottes und der Heiligen. (Hans Joachim Moser)
Diskographische Empfehlungen
- Canticum canticorum - Motets Book IV - Spiritual madrigals. The Hilliard Ensemble, Paul Hillier, Veritas Virgin Edition, Vertrieb: EMI.
- Missa Papae Marcelli - Missa Aeterna Christi Munera. Oxford Camerata, Jeremy Summerly, Naxos.
- Tu es Petrus - Missa Dum complerentur. Regensburger Domchor, Theobald Schrems, Hans Schrems, Deutsche Grammophon.
- Peccantem me quotidie - Missa sine nomine (für 6 Stimmen) - Sicut cervus - Missa L?homme armé (für 4 Stimmen) - Super flumina Babylonis, Soloists of the Cappella Musical di S. Petronio di Bologna, Sergio Vartolo. Naxos.
Literatur
- Reinhold Schlötterer: Der Komponist Palestrina. Grundlagen, Erscheinungsweisen und Bedeutung seiner Musik. Wißner-Verlag, ISBN 3-89639-343-X.
Weblinks
- Annett Reischert-Bruckmann: Giovanni Pierluigi da Palestrina (Komponistenporträt);
- Johanna Japs: Wieder entdeckt - Unerhört: Nicht gehört!
- Classical Music Pages Homepage: Giovanni Pierluigi da Palestrina (englischsprachig)