Zum Inhalt springen

Franz Oppenheimer

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 6. Januar 2005 um 00:02 Uhr durch 217.188.226.31 (Diskussion) (Ökonomie). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Franz Oppenheimer (* 30. März 1864 in Berlin; † 30. September 1943 in Los Angeles) war ein deutscher Soziologe und Nationalökonom, der auch im Gebiet der Staatssoziologie grundlegend publizierte.

Datei:Oppenheimer Franz Briefmarke.jpg
Franz Oppenheimer

Ausbildung und Beruf

Nach seinem Studium der Medizin in Freiburg im Breisgau und Berlin war Oppenheimer zunächst von 1886 bis 1895 als praktischer Arzt in Berlin tätig. Schon von 1890 an begann er, sich mit sozialpolitischen Fragestellungen und der Sozialökonomie zu beschäftigen. Nach seiner Tätigkeit als Arzt war er Chefredakteur der Welt am Morgen, wo er Friedrich Naumann Tür an Tür kennenlernte, und Mitarbeiter verschiedener Tageszeitungen.

1909 erfolgte die Promotion in Kiel mit einer Arbeit über David Ricardo zum Dr. phil.. Von 1909 bis 1917 war Oppenheimer Privatdozent in Berlin, anschließend für zwei Jahre Titularprofessor. 1919 nahm er einen Ruf auf einen Lehrstuhl für Soziologie und theoretische Nationalökonomie an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main an. Diese erste Soziologie-Professur Deutschlands hatte er bis 1929 inne. 1934 nahm er eine bis 1935 dauernde Lehrtätigkeit in Palästina auf. 1936 wurde er zum Ehrenmitglied der American Sociological Association ernannt. Von 1938 an lehrte er an der Universität von Kōbe in Japan. Nach seiner Emigration in die USA war er 1942 Gründungsmitglied des American Journal of Economics and Sociology.

Er ist (von Ludwig Erhard als Bundeskanzler durchgesetzt) der einzige Soziologe, der bislang (2004) auf einer deutschen Briefmarke erschien - s. Abb.)

Siehe auch: Wirtschaftssoziologie, Genossenschaftswesen, Politiksoziologie, Soziale Marktwirtschaft, Sozialreformer, Goltz'sche Gesetz

Familie

Franz Oppenheimer wurde als drittes Kind von Antonie Oppenheimer (Lehrerin), geb. Davidson, und Dr. Julius Oppenheimer (Prediger an der jüdischen Reformgemeinde in Berlin) geboren.

Wissenschaft

Prof. Dr. med. et phil. Franz Oppenheimer ist Wegbereiter der "Sozialen Marktwirtschaft", einer Form des Dritten Weges und vor allem der Kibbuz-Bewegung.

Ökonomie

Seine volkswirtschaftliche Theorie ist weder der Historischen Schule des Gustav von Schmoller noch der Grenznutzenschule des Carl Menger oder dem Liberalismus seiner Zeit zuzuordnen.

Die kennzeichnende Unzulänglichkeit der Volkswirtschaftslehre unserer Zeit ist, dass sie von einer beliebigen (ahistorischen) Anfangsverteilung der Güter ausgeht, um daraufhin die Tauschvorgänge technisch und psychologisch zu erklären (Produktion und Preisbildung). Weder mit der Theorie der Grenzproduktivität noch mit der Theorie der ursprünglichen Akkumulation ist man in der Lage die Ursachen der Verteilung des Eigentums/Vermögens (Distribution) hinreichend zu erklären, was der Volkswirtschaftslehre heute den Ruf einbringt realitätsfremde Theoriegebäude zu errichten. Genau genommen ist sie durch bestimmte Weg-sichten nur unvollständig (true, but partial). Oppenheimers Theorie untersucht genau diese blinden Flecken der Ökonomie. Zentrale Frage war ihm nicht, warum der Einzelne seine ökonomische Freiheit finden kann, sondern warum es die Masse nicht kann. Sein System der Soziologie zeigt die "geschichtssoziologische" Entstehung der gewaltsamen Aneignung, des Staates und die Formation des politischen Mittels. Durch das politische Mittel etablieren sich Monopole. Er unterscheidet zwischen dem personalen Monopol und dem Klassenmonopol.

Sein Geist entwickelt dabei eine eigene Denkrichtung. Sie gründet in der von ihm sorgfältig bewiesenen Möglichkeit der Überwindung des politischen Mittels, hin zur vollen Entfaltung des ökonomischen Mittels, d.h. der Herstellung von freiem Wettbewerb unter Gleichen. Oppenheimer integriert den Erkenntnisgewinn des Liberalismus (Adam Smith) und die Lösung der Sozialen Frage. Mit seinen Theorien relativiert er die Werke von David Ricardo, Karl Marx, Joseph Schumpeter, John Maynard Keynes und anderer Ökonomen.

Soziologie

Die soziale Frage lässt ihn, in 40-jähriger Arbeit, eine soziologische Theorie entwickeln, die als Klassen- oder Herrschaftssoziologie bezeichnet werden kann. Auf Grund seiner außerordentlichen Lehrerfolge und um die Liberalität der Stiftungshochschule der Stadt Frankfurt zu sichern, erhielt er den ersten ordentlichen Lehrstuhl für Soziologie. Der Begriff der Herrschaft wird heute in der von Max Weber durchgesetzten Bedeutung des (personalen) Machtverhältnisses verstanden. Oppenheimer entnimmt den Wesenskern der Herrschaft aus der ursprüglichen Gegenüberstellung der Typologie von Otto von Gierke, als Beziehung zwischen zwei rechtsungleichen sozialen Klassen. "Herrschaft" ist eine vertikale Sozialbeziehung, "Genossenschaft" eine horizontale Beziehung.

Die Lösung der Sozialen Frage sah er nicht in einer Politisierung der Klassengegensätze, wie es der von Karl Marx geforderte Klassenkampf zum Ziel hatte. Er entwickelte eine umfassende, durch kantsche Ethik geleitete Theorie, die die Auflösung der Grundlagen von Klassenherrschaft durch die Etablierung von neuen Sozialbeziehungen in „Genossenschaften“ ermöglicht. Er sah also nicht den Kampf als Triebfeder der gesellschaftlichen Evolution, sondern den freien Tausch unter Gleichen.

Bedeutung der Lehre

Oppenheimer bildet eine Brücke zwischen sehr unterschiedlichen Schulen, was ihm zu seiner Lebenszeit zwar lebhafte Diskussion, aber von Seiten keiner Schule Würdigung einbrachte, und was bis heute dazu geführt hat, dass außerhalb einer kleinen Schar von ihm Angeregter der Wert seiner Lehre noch nicht einmal im Ansatz erkannt wurde. Er entwickelt eine Denkweise, die jede herrschende Klasse oder denen die mit politischen Mitteln an die Herrschaft gelangen wollen, in Unruhe versetzen muss, da er ein praxisbewährtes Konzept zur Überwindung der Herrschaftsverhältnisse entworfen hat (vgl. Siedlungsgenossenschaft). Seine Werke wurden 1933 in Deutschland verboten und eingezogen.

Damit wird auch erklärt, dass er nahezu nicht mehr sichtbar ist, obwohl seine Arbeiten für die Lösung der sozialen Frage aktuell sind. Für jene, die auf der Suche nach der großen Geschichte sind, wird er als neue Entdeckung in Erscheinung treten. Ein Teil der Werke wurde in den letzten Jahren neu zusammengetragen, ist somit an einigen deutschen Bibliotheken verfügbar und wartet auf die Wiederentdeckung.

Die Art, wie er die sozialen Verhältnisse seiner (und unserer) Zeit grundlegend in Frage stellt und analysiert, und sie dann einer unspektakulären und konsequenten Lösung zuführt, ist der eigentliche Wert seiner wissenschaftlichen Methode, die er durch gewissenhafte Deduktion und mit der Disziplin eines Naturwissenschafters durchführte. Dieser Strenge Oppenheimers ist es geschuldet, dass er jeden Sophismus ablehnte, wie er ihn in der Ökonomie und Soziologie häufig entdecken musste. (Beispiel folgt, vielleicht zum Mehrwertbegriff)

Literatur

Franz Oppenheimer schuf ein umfangreiches Werk, bestehend aus ca. 40 Büchern und 400 Aufsätzen, mit Schriften zur Soziologie, Ökonomie und zu politischen Fragen der Zeit.

Veröffentlichungen von Franz Oppenheimer

Veröffentlichungen über Franz Oppenheimer

Zitate

über Franz Oppenheimer

Ludwig Erhard sagte über ihn: "Solange ich lebe, werde ich Franz Oppenheimer nicht vergessen! Ich werde glücklich sein, wenn die Soziale Marktwirtschaft - so vollkommen oder so unvollkommen sie auch sein mag - weiter zeugen wird auch für das Werk, für den geistigen Ansatz der Gedanken und die Lehre von Franz Oppenheimer. Ich glaube, dass viele Menschen es nicht zu ermessen wissen, wieviel sie einem einzigen Manne zu verdanken haben."

von Franz Oppenheimer

"Wer einmal gelernt hat, dort zu zweifeln und zu fragen, wo die Normen es verbieten, kann grundsätzlich nie wieder aufhören; (...) Und so ist jeder schöpferische Mensch eine Brücke (...) zum übersozialen Menschen (denn die »Viel-zu-Vielen«, das sind die von ihren Gruppenimperativen hilflos Gefesselten); er ist ein Schritt über die Gruppe hinaus (...). Und mag der schöpferische Mensch, auch der bedeutendere, nach anderen Richtungen als der seiner Arbeit hin auch noch so fest gebunden sein (...): er hat doch einen Teil seiner Fesseln gesprengt, er hat doch ein Stück Weges zur freien autonomen Persönlichkeit zurück-gelegt und damit seiner Gruppe, seiner Gesellschaft und vielleicht der Menschheit neue Wege gebahnt, um neuen Kulturwandel zu vollziehen und für neue Persönlichkeiten Raum zu schaffen, die der Menschheit neue Ziele setzen.“