Vortrieb (Physik)
Der Vortrieb ist in der Physik der Antriebstechnik und verwandter Themen wie der Biomechanik die effektive Kraft, die am Körper oder am System in Bewegungsrichtung wirkt.
Allgemein gilt:
- Vortrieb ist Antriebskraft minus Widerstand
Grundlagen

Zur Benennung siehe Text.
An einen Körper greifen in Bewegung etliche Kräfte an. Nach den gesetzen der Gleichgewichtsbedingungen der Mechanik müssen sich diese aufheben. Die vier grundlegenden Kräfte der Antriebstechnik sind dabei:
- Der Vortrieb (engl. thrust), im negativen Falle Bremskraft (braking force)
- Der Widerstand (engl. drag)
- Der Auftrieb (engl. lift),
- Das Gewicht, die Gewichtskraft (engl. wight)
Je nachdem, wie die äusseren Kräfte am Fahrzeug, Flugobjekt, Schwimmkörper oder anderem angreifen, halten sich Auftrieb und Gewicht die Waage oder führen zu einer Vertikalbewegung, und was vom Antrieb (engl. drive, impulson, propulsion, ua.) nicht durch den Widerstand aufgehoben wird, bleibt als effektiver Vortrieb übrig, der das Fahrzeug in Fahrtrichtung beschleunigt, oder bremst.
In den meisten Fällen stehen die vier Grundkomponenten nicht orthogonal zueinander, und ihre jeweiligen Komponenenten bilden kompliziertere Summen.
Fahrzeugtechnik
Fahrzeugwiderstand, Zugwiderstand
Fahrzeuge[1][2] sind zwei grundlegenden Widerständen ausgesetzt: Dem Luftwiderstand und dem Bodenwiderstand (Fahrbahn- bzw. Streckenwiderstand, Wälzwiderstand), die Reibungsverluste innerhalb des Fahrzeugs zwischen der Antriebsmaschine und den angetriebenen Rädern werden dabei dem Wirkungsgrad der Antriebsmaschinerie zugerechnet (Lagerreibungswiderstand, Triebwerks- und Getriebewiderstand), und man trennt das Fahrzeug in die Antrieb- und die Abtriebsseite, von denen hier nur die zweitere betrachtet wird.
Der Luftwiderstand berechnet sich:
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- ρ … die Luftdichte, 1,4 - 1,2 kg/m3 (−20 °C bis +30 °C)
- cw×A … Luftwiderstandsindex
- v …die Geschwindigkeit
Der Luftwiderstand ist also Null am ruhenden Fahrzeug, und wächst mit dem Quadrat der Geschwindigkeit. Der Luftwiderstandsindex errechnet sich aus der Spantfläche (Stirnfläche) A mal Strömungswiderstandskoeffizient cw.
- cw liegt bei 0,6 für ein Kabriolet und 0,3 für einen modernen PKW, der alte VW Käfer hatte 0,42 (ein damals revolutionärer Wert für ein Serienfahrzeug)[1], für einen Pritschenwagen bei 0,7 und 1,1 für einen Sattelzug[3]. Für Reisezüge rechnet man ungefähr je 0,10–0,20 je Mittelwagen, und jeweils 0,3–0,5 für Anfangswagen/Lokomotive und Endwagen[4].
- A liegt bei 1,5 m² bei einem Sportwagen, bei 10 m² für einen LKW (4 m × 2,55 m nach StVO), bei Schienenfahrzeugen bei 10–15 m² (europäischer Standard: 4,30 m × 3,25 m maximal)[2]
- Insgesamt liegt der Luftwiderstandsindex zwischen 0,5 für ein Formel 1-Rennfahrzeug und 15 für eine Schnellzug-Garnitur
Der Luftwiderstand lässt sich in Druckwiderstand (Staudruck auf die Stirnfläche), den Luftreibungswiderstand entlang der Außenhaut und den Sogwiderstand durch Wirbelbildung am Fahrzeugheck zerlegen
Der Bodenwiderstand wird durch eine Wälzreibung und die Führungskräfte verursacht, und setzt sich aus dem Reibungswiderstand zwischen Reifen bzw. Radkranz und Spur und dem Rollwiderstand (dem Verformungswiderstand der Räder bzw. des der Fahrbahndecke/Schiene) zusammen.
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- F⊥ … Normalkraft auf den Boden
Der Rollwiderstand ist errechnet sich aus Rollwiderstandskoeffizienten cRo von 0,001 für die Eisenbahn und etwa 0,006–0,015 für Autoreifen auf Asphalt, liegt um 1 % für Schienenfahrzeuge und PKWs, erreicht aber auf schlechten Straßen typischerweise 3–5 %, bei Nutzfahrzeugen noch deutlich mehr. Der Reibungswiderstand ist bei freiem Rollen im allgemeinen Null, und wirkt sich nur in Kurven (Schlupf), und bei starkem Beschleunigen auf die Antriebsräder aus (Traktion τ), bis etwa 10% wird die Kraft maximal übertragen. Er kann also im allgemeinen gegenüber dem Rollwiderstand vernachlässigt werden. Bei Schienenfahrzeugen mit starrer Achse, fehlender Lenkung und der niedrigen Haftreibung von Stahl auf Stahl ist er in Kurvenfahrten aber durchaus relevant (Bogenwiderstand). Beide Widerstände sind von der Geschwindigkeit recht unabhängig, aber direkt vom Gewicht des Fahrzeugs, das auf ebenen Boden die Normalkraft darstellt.
Zu den weitere Widerständen gehört etwa der Längsneigungswiderstand durch die Überhöhung der Fahrbahn bzw. des Geleiskörpers in der Kurve, Schwallwiderstand, der Wasserwiderstand bei Nässe, der geschwindigkeitsabhängig ist (vergl. Aquaplaning) und anderes. Für anfahrende Fahrzeuge ist auch der erhöhte Anfahrwiderstand durch die höhere Haftreibung zu berücksichtigen.
In einfachster Form gilt also:
- Der Vortrieb ist eine Funktion der Antriebskraft, des Gewichts und des Quadrats der Geschwindigkeit
Insgesamt ergibt sich etwa ein Fahrzeugwiderstand von 14 % für einen 40t-Sattelzug beladen bei 80 km/h, unbeladen von 31 %[3], und von 4 % für einen 1800t-Güterzug (vierachsig) bei demselben Tempo.[4] Der Widerstand ist für leere Fahrzeuge höher, weil ein Gutteil des Gesamtwiderstands vom Gewicht unabhängig ist, diese Werte aber für die nötige Leistung je Gewicht bezogen sind.
Beschleunigung und Leistung
Nun ist die Beschleunigung aber eine Frage der aufgebrachten Arbeit, also der Energiedifferenz, und neben der kinetischen Energie des Fahrzeugs selbst ist auch die Energie zu berücksichtigen, die in den rotierenden Rädern gespeichert ist. Diese ist Drehzahlabhängig, erhöht sich also bei Beschleunigung. Dazu greift man zum Konzept der reduzierten Masse:
- … reduzierte Masse im rotierenden Systemen
- Φ … Trägheitsmoment
- d … Durchmesser des Rades
Dann gilt für das System Fahrzeug das newtonsche Gesetz in der Form:
-
- a … Beschleunigung
- … Vortrieb (resultierende Kraft)
- FA … Antriebskraft
- (gleichförmige Räder vorausgesetzt)
- mRad, red … reduzierte Masse des Rades
- NRad … Anzahl der Räder
Weil sich das Fahrzeug aber neben dem Kräftegleichgewicht auch im Momentengleichgewicht befinden muss, und der Vortrieb im Fahrzeugschwerpunkt angreift, aber im Berührpunkt mit dem Boden vermittelt wird, aber der Antrieb in der Fahrzeugachse, ist neben der reinen Leistung des Motors, die die Geschwindigkeit bestimmt, auch das Drehmoment des Motors entscheidende Kenngröße: Dieses bestimmt den Impuls und damit die Beschleunigungsfähigkeit (den Kraftstoß).
Und die Leistung, die für eine Geschwindigkeit nötig ist:
wobei P eine Größe ist, die von der Geschwindigkeit in der dritten Potenz abhängt. Daher ist die Maximalgeschwindigkeit so stark von der Antriebsleistung abhängig, und auch die Beschleunigungsfähigkeit nimmt mit dem Quadrat der Geschwindigkeit stark ab.
Luftfahrt
1 … Anstellwinkel
2 … Bewegungsrichtung
3 … Auftrieb
4 … Luftwiderstand
5 … Gewichtskraft
6 … Vortrieb
In der Luftfahrt ist ausschliesslich der Luftwiderstand von Bedeutung (ausser bei Start und Landung). Im Flug liegen liegen im allgemeinen Bewegungsrichtung und Antriebskraft in einer Linie, und, weil die Anströmgeschwindigkeit primär von der Fluggeschwindigkeit abhängt, auch der Widerstand am Rumpf. Der Luftwiderstand lässt sich in einen Formwiderstand, den parasitäreren Widerstand, und einen induzierter Widerstand durch den Auftrieb.
- Im einfachsten Falle eines Ballons fehlt die Antriebskraft, der Auftrieb wird durch Verdrängung erzeugt, und der Vortrieb ist dem Luftwiderstand exakt entgegengesetzt: Der Ballon fährt, wohin der Wind weht, und so schnell, wie schnell der Wind weht (stabile Strömung vorausgesetzt)
- Bei einem Luftschiff wird der Auftrieb auch vom Auftriebskörper erzeugt. Für langsame Geschwindigkeiten errechnet sich der Luftwiderstand nach dem linearen Widerstandsgesetz, ist also proportional zur Geschwindigkeit. Der Luftwiderstand eines Luftschiffs ist weniger von seiner Spantfläche (Stirnfläche) sondern seinem Volumen abhängig, also vom Verhältnis Länge zu Durchmesser. Optimale Werte liegen bei . Der Vortrieb errechnet sich direkt aus der Antriebskraft minus Luftwiderstand.
Beim Fliegen mit Tragflächen ist der Auftrieb, den die Tragflächen erzeugen, die entscheidende Größe. Der im Flügel angreifende Widerstand ist der Gesamtwiderstand des Fluggeräts. Um den Widerstand des Rumpfwerks auf den Flügel zu beziehen, in dem man das Kräftegleichgewicht ermittelt, führt man eine schädliche Fläche ein, die der Fläche einer quadratischen Platte (mit einem cW-Wert von 1,2) mit demselben Widerstand wie die nichtauftrieberzeugenden Teile des Flugzeugs. Dieser Wert wird den Flügeln einfach zugeschlagen.
Wichtigste Größe der Berechnung des Kräftegleichgewichts ist der Anstellwinkel.
- Ein Segelflugzeug ist in einer von äusseren Kräften freien Gleichgewichtslage: Es „fällt“, aber nicht in (annähernd) freiem Fall, sondern entlang der Resultierenden der Kräfte Gewicht, Widerstand und Auftrieb. Dabei stellt sich ein Gleichgewicht zwischen Fallgeschwindigkeit und Fluggeschwindigkeit in Richtung des Vortriebs ein, das den Anstellwinkel bedingt, und damit den Vortrieb. Wie beim freien Fall gibt es hier aber eine – Gleitwinkelabhängig – Grenzgeschwindigkeit, in der der Luftwiderstand zu hoch wird, um noch freien Vortrieb zu liefern.
- Bei propellergetriebenen Flugfahrzeugen findet an den Rotorblättern dasselbe statt, wie an den Flüglen, nur hier bilden der Auftrieb der Rotorflächen den Antrieb, die Schraubkraft, der Vortrieb am Rotorblatt ist eine hemmende Kraft, die über die Entfernung von der Propellermittelachse vom Drehmoment des Motors überwunden werden muss. Die Schraubkraft setzt dann als zusätzlicher Kraftvektor am Drehpunkt an, und kann das Flugobjekt über die Gleit-Grenzgeschwindigkeit hinaus beschleunigen.
Komplizierter sind die Verhältnisse im Kurvenflug, weil hier Gewichtskraft und Auftrieb nicht mehr in einer Linie stehen: Das Flugzeug neigt sich, bis ein Gleichgewicht zwischen Gewicht, Auftrieb und geschwindigkeitsabhängiger Zentrifugalkraft erreicht sind. Insgesamt ist der Auftrieb geringer, und für den Kurvenflug mehr Antrieb erforderlich. Ist die Geschwindigkeit zu niedrig, „schmiert“ das Flugzeug seitlich zur Kurvenmitte ab.
Der Flugkörper ist bei dieser Rechnung aber noch nicht im Momentengleichgewicht, da der Gesamtwiderstand im Schwerpunkt des Flugzeugs angreift, nicht in dem des Fügelprofils, und die Antriebskraft in der Triebwerksmittelachse. Das lässt sich nur durch die Konstruktion der Maschine ausgleichen, und darum sind Hochdecker im antriebslosen Flug weniger stabil, weil das entstehende Drehmoment das Flugzeug zum Sinkflug zieht. Bei modernen Maschinen gleichen sich die Momenten der Treibwerksgondeln und des Rumpfes um den Drehpunkt der Flügel aus.
Bei Rückstoßantrieb nennt man die Antriebskraft den Schub (engl. propulsion).
- Für Düsenflugzeuge gelten dieselben aerodynamischen Verhältnisse wie für propellergetriebene Objekte. Bei großen Verkehrsmaschinen wie auch bei schnellen Militärmaschinen spielt der Luftwiderstand des Rumpfwerks kaum mehr eine Rolle.
Kurz vor Erreichen der Schallmauer steigt der Strömungswiderstandskoeffizient aber stark an, sinkt aber im Überschallflug wieder. In diesen Bereichen ist die Machsche Kennzahl (Geschwindigkeit durch Schallgeschwindigkeit) wichtiger Kennwert. Der cW steigt bei auf teils mehrfache Werte an, und nähert sich für wieder einem stabilen Wert an, der in der Nähe des subsonaren Werts liegt.[5]
- Raketen erzeugen keinen Auftrieb. Der Luftwiderstand erweist sich dann am geringsten, wenn die Rakete etwa die Form eines langgestreckten Dreiecks hat, weil sie auf dem (sich auch seitlich ausdehnenden) Abgasstrahl „reitet“, und es keinen Sogwiderstand am Heck gibt. Der Vortrieb ist nahezu exakt gleich dem Schub.
Schifffahrtstechnik
Literatur
- Karl-Heinrich Grote, Jörg Feldhusen (Hrsg.): Dubbel – Taschenbuch für den Maschinenbau., Springer, Berlin, div Aufl.
- Manfred Mitschke: Dynamik der Kraftfahrzeuge. Springer, Berlin 1972, 1982, ISBN 3-540-05207-0, 2004, ISBN-13 978-3540420118
- Dietrich Wende: Fahrdynamik. Transpress, Berlin 1983, 1990, ISBN 3-344-00363-1
- H. Oertel (Hrsg.): Prandtl-Führer durch die Strömungslehre. Grundlagen und Phänomene Vieweg 2002 (11. Aufl), ISBN 3-528-48209-5
Einzelnachweise
- ↑ a b Dubbel, Kap. Widerstand von Fahrzeugen
- ↑ a b Rainer Rauschenberg: Potentiale für die Verringerung der externen Effekte des Verkehrssektors durch einen dezentralisierten und automatisierten Gütertransport der Bahn. Dissertation, Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften, Goethe-Universität, Frankfurt am Main; insb. Kap. 4: Technische Einflußgrößen (Webdokument), ges. 27. November 2007
- ↑ a b Mitschke, 1972, S. 39ff – nach Rauschenberg
- ↑ a b Wende, 1983, S. 36ff – nach Rauschenberg
- ↑ Dubbel, 7. Aufl., S. 272, Fig. 69