Staatsoperette Dresden

Die Staatsoperette Dresden ist das einzige selbstständige Operettentheater Deutschlands. Es befindet sich im südöstlichen Stadtteil Dresden-Leuben.
Geschichte
Die Staatsoperette Dresden blickt mit ihren Vorgängern auf 235 Jahre Tradition als musikalisches Volkstheater in Dresden zurück. Aufwendige und repräsentative Theaterbauten wie das Alberttheater, das Central-Theater und das Residenztheater begründeten in Dresden eine Tradition, die bis heute fortwirkt. Zeitweilig wurden alle drei Operettenhäuser gleichzeitig regelmäßig bespielt.
Die Gründung des Operettentheaters an seinem bis heute beibehaltenen Standort ist ein Folge der Luftangriffe auf Dresden im Februar 1945. Dabei wurden große Teile der Innenstadt zerstört, während in den Vorstädten schon bald nach Kriegsende wieder kleine Theatergruppen entstanden. In Leuben gründete Georg Wörtge eine solche Gruppe im unzerstört gebliebenen „Feenpalast“, der sich aus einem Gasthof in den 1920er Jahren zu einem Ballhaus mit einem großen Saal für fast 1.000 Personen entwickelt hatte.
Hier wurden zunächst kleine Stücke im ehemaligen Gastraum aufgeführt, während der große Saal umgebaut wurde und eine größere Bühne, einen Orchestergraben sowie Bühnentechnik aus den Trümmern des „Central-Theaters“ in der Waisenhausstraße bekam. Im August 1947 wurde im neuen „Apollo-Theater“, dem ersten fertiggestellten Theaterumbau in Sachsen, der „Sommernachtstraum“ aufgeführt, noch im selben Jahr (am 2. Oktober) auch Die lustige Witwe. Für ein vielfältiges Programm sorgte eine enge Kooperation mit der „Constantia“, dem heutigen Theater Junge Generation in Löbtau. Operetten bildeten jedoch einen Schwerpunkt, weshalb das Haus ab 1950 „Operettentheater Dresden“ hieß und seit 1967 den Namen „Staatsoperette Dresden“ trägt.
Zur Programmatik des Hauses
(Quelle: André Meyer und Uwe Schneider: Eine Geschichte aus Legenden. Operette als Aufgabe und Wagnis für die Gegenwart. In: Legenden. 60 Jahre Staatsoperette Dresden. Die jüngsten 10 Jahre. Hg v. Wolfgang Schaller. Dresden 2007, S.7-9)
Der Spielplan als Herzstück
Nach außen ist der Spielplan, das Programm, pulsierendes Herzstück eines jeden Theaters. So bestimmen seit Jahren verschiedene konzeptionelle Linien den Spielplan der Staatsoperette Dresden. Schrittweise wurden im Verlauf der Jahre neben der klassischen Operette auch die angrenzenden Genres des musikalischen Unterhaltungstheaters, Spieloper und Musical, in das Repertoire der Staatsoperette integriert. Mit dem Musical Emil und die Detektive nach Erich Kästner und Engelbert Humperdincks Märchenoper Hänsel und Gretel finden sich Werke im Spielplan des Hauses, die sich bewusst an jung und alt gleichermaßen wenden. Besonderes Interesse galt auch der so genannten Silbernen Operette der Zwanziger Jahre, die – teils von den Nationalsozialisten verfemt, teils auch für Propagandazwecke missbraucht – mit einem großen Bewusstsein für die historischen und musikgeschichtlichen Zusammenhänge inszeniert wurden: Mit Franz Lehárs Land des Lächelns haben wir uns mit großem Lob historisch informiert der Urfassung zugewandt. Für Paul Abrahams Viktoria und ihr Husar haben wir die ursprünglichen, jazzig-frechen Arrangements rekonstruiert, mit der Wiederbelebung von Emmerich Kálmáns musikalisch so spannender Herzogin von Chicago haben wir als Initialzündung eine Renaissance des Stückes auf deutschsprachigen Bühnen mit eingeleitet. Schwerpunkt des Repertoires bilden aber die beiden Urväter der Operette: Jacques Offenbach und Johann Strauss. In beiden Fällen gehen von den Inszenierungen der Staatsoperette Dresden besondere Impulse aus. Während in den Offenbach-Inszenierungen, die gemeinsam mit dem Zwinger-Trio realisiert wurden, die kabarettistischen Elemente der Originale für die Gegenwart wieder gewonnen wurden, stehen bei Johann Strauss vergessene Meisterwerke des Walzerkönigs – Der Carneval in Rom und Das Spitzentuch der Königin –, die in enger Zusammenarbeit mit der Johann Strauss Edition Wien in den vergangenen Jahren nach neuen kritischen Ausgaben erfolgreich in Dresden erstmals wieder zu erleben waren, im Zentrum des Interesses.
Soubrette, Diva und Tenor
Das beste Repertoire ist nichts ohne ein Ensemble, das die besonderen Ansprüche der Gattung auch erfüllen kann. Die Operette und die ihr verwandten Genres haben schon immer nach ganz speziellen Typen verlangt – nach der großen Diva, der Soubrette, einem ganz bestimmten Typ von Tenor, dem Tanzbuffo und so weiter. Die Staatsoperette hat ihr Ensemble nicht nur kontinuierlich nach solchen Aspekten der Spezialisierung aufgebaut, sondern ermöglicht es auch jedem, genau das auszuüben. Daneben arbeitet die Staatoperette ganz bewusst mit namhaften Gästen, die sich dem Genre Zu einem sinnlichen Musiktheater gehören selbstverständlich ganz unabdingbar auch die musikalischen Zentren von Orchester, Chor und Ballett. Dabei sollte der Anlass nicht übersehen werden. Dies lässt sich am Beispiel des Ballettes verdeutlichen: Der Tanz ist nicht schmückendes Beiwerk, sondern gehört als fundamentale Ausdrucksform zum Genre. Was wäre Offenbachs Orpheus in der Unterwelt ohne seinen erotisch aufgeladenen Can-Can oder Johann Strauss’ Operetten ohne die unsterblichen Walzer? Sie konstituieren Operette ebenso mit, wie die großen Ensembleszenen mit Chor, seien sie melodieverliebt, spöttisch-frech oder spannungsgeladen.
Operette heute
Die Resonanz bei Publikum und Fachkritik der letzten Jahre bestätigt, dass an der Staatsoperette Dresden immer wieder Hochkarätiges geleistet werden kann. Jede neue Konzeptions-idee, jede neue Produktion, jede neue Premiere ist eine weitere Etappe auf dem Weg zur Erkundung dessen, was die Menschen – Publikum wie Macher – an dieser Form des gar nicht so oberflächlich Unterhaltenden fasziniert. Solche konzeptuellen Voraussetzungen und Umsetzungen gehen zusammen mit Überlegungen, die Stile in Spielweise und Darstellung für das Genre neu zu überdenken. Wir leben nach wie vor mit einem Klischee davon, was Operette sei. Einem Klischee, dasein – vielen nicht mehr bewusstes – Erbe des Nationalsozialismus ist und das nicht selten qualitativ abwertend ist. Operette ist aber mehr als die Operette des Wunschkonzertes, des Fernsehballetts oder der Champagnerlaune, um einige der verkürzenden Klischees anzusprechen. Operette sei für die Staatsoperette Dresden, so Ernst Theis in einem Interview in der Fachzeitschrift „Orpheus“ vom März/April 2006, zunächst einmal ein Zugang zu Themen auf eine andere Weise, die scheinbar heiter ist. Denn Operette ist, neben allem Unterhaltungswert wie jede andere Kunstgattung auch eine kulturhistorische Größe, die uns etwas über Vergangenheit und Gegenwart erzählen kann, wie Wolfgang Schaller andernorts ausführte. Das ist der Schwerpunkt der Arbeit der Staatsoperette Dresden. Nicht nur - aber auch. Denn das bereichernde Erzählen gehört zu den Grundaufgaben jeden Theaters. Wenn man die einzelnen Gedankenstränge zusammenfassen will, geht es darum, die Vielfalt und Schönheit des Genres Operette und der ihr verwandten Kunstformen immer wieder neu zu entdecken und neu zu befragen. Es geht nicht nur darum, das Repertoire zu pflegen und zu erweitern, sondern auch und vor allem um die Erfahrungen, die Freude und das Erleben derjenigen zu bereichern, die sich für diese Formen des Musiktheaters interessieren und begeistern können. Und das ist zu allererst natürlich unser Publikum. Die Staatsoperette in Dresden-Leuben ist nicht nur einzigartig, weil sie europaweit das letzte selbständige Operettentheater ist. Dieses eher formale Alleinstellungsmerkmal wird ergänzt durch ein konzeptuelles, das die Operette und die ihr verwandten Genres eben auf eine ganz eigene, historisch angebundene, in der Gegenwart verankerte und in die Zukunft blickende Art und Weise als unverzichtbaren Bestandteil des großen Panoramas der europäischen Musik- und Kulturtradition versteht. Vielleicht gelingt es ja, dem Ziel näher zu kommen, aus Ideen Legenden zu formen und damit die Geschichte der Operette – der Staatsoperette Dresden wie der Gattung – mit neuen Impulsen unübersehbar für die Zukunft weiter zu schreiben. Denn eines ist sicher: Unterhaltendes Musiktheater kann heute genauso aktuell und wichtig sein, wie vor 50, vor 100 oder vor 150 Jahren.
Leitung
Wolfgang Schaller (Intendant), Sieglinde Schlüter (Stellv. Intendantin und Verwaltungsdirektorin), Ernst Theis (Chefdirigent), Windfried Schneider (Ballettdirektor und Hausregisseur), Mario Radicke (Technischer Direktor), Thomas Runge (Chordirektor), André Meyer (Chefdramaturg)
Premieren der Spielzeit 2007/08
- Franz von Suppé: Boccaccio, Premiere: 7./8. September 2007
- Johann Strauß: Die Fledermaus, Premiere: 9./10. November 2007
- Frank Wildhorn: Jekyll & Hyde, Premiere: 25./26. Januar 2008
- Wolfgang Amadeus Mozart: Die Zauberflöte, Premiere: 25./26. April 2008
- Benny Andersson und Björn Ulvaeus: Chess, Premiere: 27./28. Juni 2008
- Chess-Fever. Das Schülerprojekt zum Musical Chess, Premiere: 8. Mai 2008
Repertoire der Spielzeit 2007/08
- Leonard Bernstein: Candide
- Engelbert Humperdinck: Hänsel und Gretel
- Emmerich Kálmán : Die Csárdásfürstin
- Franz Lehár: Das Land des Lächelns
- Frederick Loewe: My fair Lady
- Carl Millöcker: Der Bettelstudent
- Jacques Offenbach: Ritter Blaubart
- Jacques Offenbach: Die schöne Helena
- Cole Porter: Anything Goes
- Kiss Me, Cole. Die Cole-Porter-Revue
- Marc Schubring: Emil und die Detektive
- Johann Strauss: Der Carneval in Rom
- Johann Strauss: Das Spitzentuch der Königin
- Johann Strauss: Wiener Blut
- [(Andrew Lloyd Webber]]: Jesus Christ Superstar
Finanzierung
Anders als der Name vermuten lässt und im Gegensatz zu Einrichtigungen wie dem Staatsschauspiel Dresden oder den Staatlichen Kunstsammlungen wird die Staatsoperette nicht durch den Freistaat Sachsen, sondern seit 1990 durch die Stadt Dresden getragen.
Die Staatsoperette litt wie viele andere Kultureinrichtungen Dresdens nach der Wende zunehmend am knappen Haushalt der Stadt.
Neubau-Diskussion
Siehe dazu eine Internetseite des Fördervereins der Staatsoperette Dresden e.V.: www.Operette-im-Zentrum.de
Förderverein der Staatsoperette Dresden e.V.
"Der Zweck des Vereins ist die Förderung der Staatsoperette Dresden. Angesichts der Bedeutung der Landeshauptstadt Dresden als Kunst- und Kulturstandort verfolgt der Verein auch das Ziel, in allen Schichten der Bevölkerung das vorhandene kulturelle Verständnis für die Staatsoperette Dresden durch aktive Beteiligung zu fördern und zu sichern." (Auszug aus der Satzung des Fördervereins der Staatsoperette Dresden e.V.)
Literatur
- 50 Jahre Staatsoperette Dresden – 225 Jahre musikalisches Volkstheater in Dresden. Herausgegeben von Peter Gunold. Weimar 1997.
- Legenden. 60 Jahre Staatsoperette Dresden. Die jüngsten 10 Jahre. Hg v. Wolfgang Schaller. Dresden 2007