Flachsfaser

Leinen (griech. linon, lat. linum „Lein“) ist die Faser aus der Lein- oder Flachspflanze, insbesondere auch daraus gefertigte Gewebe oder Tuch. Synonym für das Fertigprodukt wird Leinwand oder Linnen benutzt. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wird Leinen durch Baumwolle und Kunstfaser zurückgedrängt. Es gewinnt heute als ökologische Naturfaser wieder an Bedeutung.
Die Faser

Brechen - Schwingen, Hecheln
Die Flachs- oder Leinenfaser wird aus den Stängeln der Flachspflanze gewonnen. Es handelt sich demnach um eine Bastfaser. Die Leinenfasern bilden Bündel, im Gegensatz zu Samenfasern (wie Baumwolle), die aus unverbundenen Einzelfasern bestehen. Die 20...50 mm langen Elementarfasern aus Zellulose sind durch Pflanzenleim zu den 50...90 cm langen Bündelfasern verkettet.
Durch Kottonisierung können diese Bündel chemisch in Elementarfasern zerlegt werden. Der so erzeugte Flockenbast ist der Baumwolle sehr ähnlich, wird aber wegen der längeren Bearbeitung gegenüber Baumwolle kaum hergestellt.
Bei der Ernte wird die Pflanze mit den Wurzeln ausgerauft, also nicht gemäht sondern ausgerissen. Durch das Riffeln werden Samen und Zweige entfernt. Bei der Röste bzw. Rotte löst sich die Bindung zwischen dem Holzkern und den Faserbündeln. Bei der anschließenden Rotte zersetzen Bakterien und Pilze Teile des Pflanzenleims, der die Elementarfasern zu Bündelfasern zusammenhält. Die Rotte muss zum richtigen Zeitpunkt unterbrochen werden, um eine Schädigung der Fasern zu verhindern. Früher wurden die Pflanzen einfach auf dem Feld ausgebreitet (Taurotte) oder in kaltes Wasser gelegt (Kaltwasserrotte). Heute arbeitet man meist mit künstlicher Warmwasserrotte. Chemische Verfahren setzten sich nicht durch.
Nach der Trocknung wird der Flachs gebrochen oder geknickt. Der Holzkern wird in viele kleine Stücke (Schäben) zerkleinert, die beim anschließenden Schwingen zusammen mit dem Schwingwerg herausfallen.
Erst der Schwingflachs wird in der Spinnerei durch Hecheln zu parallel geordnetem Langfaserbast gekämmt. Der Bast in kleinere Faserbündel geteilt und das Werg (kurze Faserteile) wird ausgesondert.
Die Verarbeitung
Spinnen
Grobe Garne können trocken versponnen werden. Aus dem Hechelwerg, den kurzen Faserresten, wird das Werggarn hergestellt. Mittelstarke Garne müssen halbnass gesponnen werden, das Vorgarn wird vor dem Einlaufen in den Spinnflügel befeuchtet. Feine Garne werden nass versponnen. Der Vorteil beim nassen Spinnen der Faser liegt im Aufbau der Bündelfasern. In der nassen Faser quillt der Pflanzenleim auf und wird elastisch; es kann sich also nicht nur die Bündelfaser als ganzes verbiegen, sondern auch die einzelnen Elementarfasern können sich gegeneinander verschieben. Die Bündelfasern werden länger, feiner und flexibler, sie legen sich an den Faden an, der dadurch gleichmäßiger und glatter wird. Leinengarne weisen sehr oft Verdickungen und Unregelmäßigkeiten auf, die für Leinenstoffe typisch sind.
Weben
Gewebt wird Leinen in der klassischen Leinwandbindung, aber auch Jacquard, Köper und andere Bindungsarten sind üblich. Batist, Schleier und Linon wurden ebenfalls aus Flachs hergestellt, man zählte sie jedoch nicht zum Leinengewebe. Beim Weben von Leinen muss für die Kettfäden ein sehr gleichmäßiges und damit teures Garn verwendet werden. Kettfäden mit den für Leinen typischen Unregelmäßigkeiten würden unter der Scheuerbelastung leiden und zu oft reißen.
Halbleinen ist ein Gewebe mit einem Mindestgehalt an Leinenfasern, es wird typischerweise mit Leinen als Schuss und meist Baumwolle-Kettfäden gewebt.
Eigenschaften
Gegenüber anderen Bastfasern ist die Leinenfaser gut teilbar und fein verspinnbar, was sie für Wäsche und Kleidung auszeichnet. Die Leinenfaser ist glatt und das Leinengewebe schließt wenig Luft ein, so ist Leinen flusenfrei und wenig anfällig gegen Schmutz und Bakterien, die Faser ist von Natur bakteriozid, fast antistatisch und schmutzabweisend.
Leinen nimmt bis zu 35% Luftfeuchtigkeit auf und tauscht diese Feuchtigkeit auch schnell mit der Umgebungsluft aus, wirkt somit kühlend, ist dennoch trocken wärmend. Deswegen wird das Gewebe gern für Sommerbekleidung eingesetzt. Die Wasserhaltung auf der Oberfläche ist auch Ursache der antistatischen (und damit schmutzabweisenden) Eigenschaft. Leinenkleidung wurde früher seltener gewaschen, als dies bei Baumwollkleidung heute nötig ist. Dies beruht nicht nur auf veränderten Sauberkeitsgewohnheiten, sondern auch auf dem geringeren Anschmutzen der Leinenfaser.
Die Leinenfaser ist sehr reißfest und extrem unelastisch. Aufgrund der geringen Elastizität ist Leinen knitteranfällig; die Reißfestigkeit macht das Leinen strapazierfähig und langlebig. Anfällig ist Leinen jedoch gegenüber Reibung. seine Scheuerfestigkeit ist geringer als die der Baumwolle; es sollte deswegen bei Wäsche der Schongang eingesetzt werden oder bei Handwäsche nur gestaucht und nicht gerieben werden. Leinen ist stark und muss nicht wie Baumwolle nachgestärkt werden. Es hat natürlichen Glanz und Stärke.
Leinen ist gegen Waschlaugen, Waschmittel, Kochwäsche und chemische Reinigung unempfindlich. Wenn man nicht den Knittereffekt von Leinenbekleidung mag, kann man Leinen auf hoher Temperatur bügeln. Voraussetzung ist dabei notwendigerweise, dass das Gewebe noch feucht ist oder angefeuchtet wurde: Das Bügelstück sollte noch klammfeucht sein. Der Trockner ist jedenfalls zu meiden, denn trockene Hitze schädigt.[1]
Das Bleichen von Leinen ist problematisch. Vollbleiche führt zu Gewichtsverlusten von bis zu einem Fünftel. Das Färben von Leinen ist im Garn oder am Gewebe möglich. Das Blau der Berufsbekleidung ist auf das Färbeverhalten des Leinens zurückzuführen, das nur mit Indigo einigermaßen echt gefärbt werden konnte.
Verwendung
Leinengewebe wurden traditionell für Bett- und Hauswäsche verwendet. In dieser Nutzung wurden sie von der billigeren Baumwolle verdrängt. Neue Einsatzgebiete wie Kleidung und Dekorationsstoffe kommen hinzu, besonders in Form handgewebter hochpreisiger Produkte. Leinen wird als Bezugsstoffe für Bucheinbände verwendet, außerdem für Schuhe und Taschen. Namensgebend waren Leinenstoffe zum Bespannen für Leinwände in der Malerei.
Leinenfasern finden auch als Dämmstoff und technisches Gewebe sowie als Austauschstoff für Asbestfasern Verwendung.
Leinenstroh findet zusehends eine große Bedeutung als Einstreu in der Pferdehaltung. Dazu verwendet man den holzigen Teil des Flachsstengels. Die Saugkraft ist zehnmal höher als gewöhnliches Stroh, viermal höher als Holzspäne.
Bezeichnung und Qualität
Die uiKl vergibt das masters of linen-Siegel, ein geschütztes Warenzeichen, an Leinenprodukte aus westeuropäischem Abbau. Die zehn Zeichen mit dem stilisierten „X“ stehen für Qualitäten von Reinleinen bis Halbleinen.
In Deutschland gelten laut Textilkennzeichnungsgesetz (TKG)[2] die Begriffe Flachs oder Leinen für Bastfasern aus den Stängeln des Flachses (Linum usitatissimum) und Halbleinen für Erzeugnisse mit einer Kette aus reiner Baumwolle und einem Schuss aus reinem Leinen, bei denen der Anteil des Leinens nicht weniger als 99% des Gesamtgewichts des entschlichteten Gewebes ausmacht, wobei die Angabe „Kette reine Baumwolle - Schuss reines Leinen“ hinzugefügt werden muss. Reinleinen muss in Kette und Schuss reine Flachsgarne enthalten. Das Kurzzeichen für den Faser-Rohstoff Flachs/ Leinen ist LI (Anteile von Rohstoffen in Mischgeweben); nur 100% Leinen darf als "Leinen, rein" bezeichnet werden (sowohl Kette als auch Schuss nur aus Leinen).
Wirtschaft und Ökologie
Der Anteil des Leinens am weltweiten Faserverbrauch liegt nur bei ca. zwei Prozent. Der Großteil wird mit 70% in den Staaten der ehemaligen UdSSR produziert, 10 % in China, auch in Südamerika, der Türkei, den USA, in Polen, Tschechien, Frankreich, Belgien und Irland wird Leinen angebaut. In Deutschland wird nur wenig Faserlein angebaut, Bayern und Sachsen fördern den Anbau und die Verarbeitung. Die jährliche Weltproduktion schwankt zwischen 600 000 und 700 000 Tonnen.
Die Leinenproduktion ist im Gegensatz zur Baumwolle auf wenig Chemikalieneinsatz (Dünger, Pestizide) angewiesen. Auch ohne moderne Technik kann Leinen hergestellt werden, jedoch ist die Produktion der Leinenfaser aufwendig und arbeitsintensiv. Baumwolle setzte sich erst mit der Industrialisierung durch, wobei dieser Trend zum Massenprodukt wiederum die Anbaumenge beeinflusste. Andererseits ist Leinen die einzige in Westeuropa heimische Faser, die in kontrolliert biologischer Qualität auf dem Markt ist. Eine ökologische Herstellung von Flachsfasern in größerem Umfang ist durch die Probleme der Ernte und der Taurotte[3] begrenzt. Abwässer der Wasserrotte sind belastend, so ist die Taurotte vorzuziehen, empfohlen und wird gefördert .
Geschichte
Es ist bekannt, dass unter anderem in Ägypten, Mesopotamien und Phönizien bereits vor 6000...7000 Jahren Leinen systematisch verarbeitet wurde. Ägyptische Mumien sind in Leinenstreifen gehüllt. Möglicherweise existierte die Leinenverarbeitung schon vor 10 000 Jahren[4].
Von der griechischen und römischen Antike bis ins europäische Mittelalter war Leinen neben Wolle das Material für Kleidung. Seine Blütezeit hatte das Leinen im vorindustriellen Europa. Als Baumwolle noch nicht in großen Mengen importiert wurde, war Leinen (neben wenigen Ausnahmen) die einzige pflanzliche Faser. Bis Ende des 18. Jahrhunderts waren 18% der verarbeiteten Fasern aus Flachs und 78% aus Wolle[5].
Im Mittelalter wurde Leinen (im Gegensatz zu Wolle) durch die schmutzabweisende Eigenschaft bevorzugt für körpernahe Verwendung eingesetzt, auf Grund seiner Stärke auch für Stoffpanzer. Da es schwer färbbar war, vorwiegend in blassen Tönen; deckende und dunkle Töne waren teuer.
Leinen wurde lange Zeit nur in Handarbeit verarbeitet, später kamen auch industrielle Methoden hinzu. Bis ins 20. Jahrhundert wurde handgesponnenes, aber auch maschinell versponnenes Garn in Heimarbeit auf Handwebstühlen gewebt. Verarbeitet wurde das Leinen hauptsächlich in Irland, Holland, Westfalen, Sachsen, Schlesien und Böhmen.
Man unterschied zwischen folgenden Qualitäten:
- Flachsleinwand - Reiner Langfaserflachs in Leinwandbindung
- Wergleinwand oder Hedeleinen - Gewebt mit Garn aus Hechelwerg
- halbflächsene oder Halbhedeleinen - Gewebt mit Garn aus Langfaserflachs und Werg
- Halblaken - Gewebt aus Flachsgarn als Kette und Werggarn als Schuss.
- halbbaumwollene oder Halbleinen - Gewebt mit Garn aus Baumwolle und Leinen
- irische oder irländische - Gewebt mit Baumwolle als Kette und Flachsgarn als Schuss, oder umgekehrt
- Hausleinwand - von Hand gewebt
- Weißgarnleinwand und Löwentlinnen - Das Garn wird vor dem Weben gebleicht
Es wurde auch Gewebe aus Hanf in Leinwandbindung als Leinen bezeichnet (Hanfleinwand).
Mit der Perfektionierung der maschinellen Baumwollverarbeitung zu Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Leinen zuerst in Amerika und später, mit wachsenden Baumwollimporten, in Europa zurückgedrängt.
Nach einem erneuten Tiefpunkt Anfang der 80er Jahre, steigt der Verbrauch heute wieder langsam an, wobei der Trend zu Naturgeweben, handgewebte Artikel und hochpreisige Prestigegewebe sowie kulturhistorische Reproduktionen das Wachstum fördern.
Museum
- Ein Flachsmuseum befindet sich in Beeck (Wegberg).
- Aktives Museum "Henni Jaensch-Zeymer" Handweberei Geltow in der Nähe von Potsdam-Sanssouci. Hier kann die Verarbeitung von Leinen in der Fertigung einer Kunsthandweberei besichtigt werden. Es existieren 10 Flach- und ein Hochwebstuhl, auf denen trotz des Alters von 200 - 300 Jahren noch produziert wird.
Literatur
- auch Wiki-Artikel Leinenindustrie
- Alfons Hofer: Stoffe, 8. Auflage, Deutscher Fachverlag, Frankfurt am Main 2000 (Band 1, Rohstoffe: Fasern, Garne und Effekte), ISBN 3-87150-671-0
- Ursula Völker ; Katrin Brückner: Von der Faser zum Stoff: textile Werkstoff- und Warenkunde, 32. Auflage, Verlag Dr. Felix Büchner - Verlag Handwerk und Technik, Hamburg 2001, ISBN 3-582-05112-9
- Hannelore Eberle: Fachwissen Bekleidung, 8. Auflage, Verlag Europa-Lehrmittel, Leipzig 2005, ISBN 3-8085-6208-0
- Leinwand In: Meyers Konversationslexikon, 4. Auflage, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien 1888 (Band 10), Seite 661 ff
- Leinengarn ; Leinengewebe In: Merck's Warenlexikon, 3. Auflage, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig 1884 (Band 21), Seite 320 ff
Weblinks
- Die Flachsfaser - Übersicht
- Flachsanbau und Handspinnen im eigenen Garten
- Gewinnung der Leinfaser - chemische Betrachtung
- Flachsanbau und Flachsbearbeitung mit Bildern
- Aus Flachs wird Leinen - der lange Weg einer alten Pflanze
- masters of linen (CELC)
- Deutscher Leinenverband (traditionelle Schwurhand)
- Arbeitsgruppe "Leinen und Umwelt" (Ein Netzwerk zu Flachs und Leinen)
- Förderverein Naturfaser e.V.