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Kreuzabnahme

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Die Kreuzabnahme Jesu wird in Joh. 19:48-50, Markus 15:42-47, Lukas 23:50-56 und in apokryphen Schriften beschrieben. Nach diesen Zeugnissen nehmen Josef von Arimathäa und nach Johannes auch Nikodemus Jesus vom Kreuz.

Älteste Darstellungen in der Kunst

Darstellungen dieser Evangelienszene sind recht selten, kommen aber ab dem 9.Jahrhundert in der byzantinischen und gleichzeitig in der westlichen Kunst vor. Matthes/Speckner konnten eine Liste von 246 Darstellungen für den Zeitraum zwischen 800 und 1300 vorlegen, die sicher noch erweitert werden kann.

Die ältesten Darstellungen in der byzantinischen Kunst

Die älteste bekannt gewordene byzantinische Darstellung findet sich im für Basileios I. angefertigten Codex Grec.510 als Miniaturmalerei.[1] Sie soll in den Sechziger[2] oder Achtziger Jahren[3] des 9.Jahrhunderts entstanden sein. Bei der Darstellung tritt hier die Nagellösung in den Vordergrund, wie es das griechische Wort für die Kreuzabnahme "apokathelosis" erwarten lässt: es bedeutet "Abnagelung". Nikodemus zieht links mit einer mächtigen Zange den Nagel aus Christi Hand. In der Mitte umfasst Josef von Arimathia den Leib Christi, um ihn zu tragen. Rechts steht Johannes, der Zeuge. Im byzantinischen Raum werden im Mittelalter Malerbücher verfasst, die bis ins Einzelne vorschreiben, was gemalt werden soll. So entwickelt sich im Osten schnell eine Tradition von wenigen Gestaltungsweisen des Themas. Soweit der Einfluss der griechischen Orthodoxie reicht, etwa vom Sinai bis nach Serbien, werden diese Formen lange Zeit tradiert.

Byzantinische Kreuzabnahme. Wandmalerei in Toquale Kilisse (Göreme/Türkei). 910-920

In Toquale Kilisse bei Göreme in Kappadokien hat sich eine frühe Wandmalerei erhalten, die etwa 910-920 in einer Höhlenkirche gemalt wurde.[4] Josef von Arimathia umfasst den übergrossen Leib Christi mit beiden Armen und nimmt ihn auf seine Schulter. Christi Haupt trägt einen Vollbart. Lange Haarstränen fliessen über seine Schultern. Die bereits abgelösten Arme Christi hängen lang über Josefs Rücken herab; Maria, die hinter dem Weißhäuptigen steht, hält Christi Arme. Sein von einer Kreuzaura umgebenes Haupt ist kaum vorgefallen und berührt den Scheitel der Maria. Christus trägt um die Lenden einen kurzen Rock mit einer Mittelfalte. Nikodemus beugt sich nieder und löst mit einer kleinen Zange die Nägel aus dem Stamm, die die Füsse durchbohrt hatten. Er hat wie Maria einen Heiligenschein. Der Mond über dem rechten Querbalken deutet auf eine kosmische Bedeutung des Ereignisses hin. An der Stelle, an der man über dem anderen Querbalken die Sonne erwartet, hat der griechische Maler den Kopf Christi angebraucht.

Griechische Werke beeinflussten über Norditalien (Aquileia, Venedig, Rimini) auch die westliche Darstellungsart der Kreuzabnahme.

Die ältesten Darstellungen im Westen Europas

Bretonische Kreuzabnahme. Codex von Angers. Um 850

Im Westen ist die Kreuzabnahme wie es scheint etwas früher dargestellt worden. Die älteste, halbwegs sicher datierte Darstellung ist eine Buchmalerei im bretonischen Codex von Angers.[5] Schiller datiert das Bild in die Mitte des 9.Jhdts. Hier steht Josef auf der linken Seite und umfasst den bereits gelösten Oberkörper Christi. Indem Josef seinen Fuß auf eine Erdwelle aufsetzt, kann der Christi Leib mit seinem Knie stützen. Nikodemus kniet zu Füssen des Kreuzes und schlägt den Nagel mit einem Hammer heraus. Die Namen der beiden sind hinzu geschrieben: "iosep accipiens ihs de cruce" steht über dem Haupt der linken Figur, und direkt neben deren Hals in kleinerer Schrift: "iste iosep". Über der knieenden nagellösenden Figur rechts steht "Nichodemus". Wo immer im Mittelalter die Namen der die Kreuzabnahme Durchführenden auf Darstellungen genannt werden, ist es Josef der den Leib trägt, während Nikodemus eine helfende Aufgabe übernimmt. Auffällig sind die sich verbreiternden Enden der Kreuzarme, die an elastische Blütenkelche erinnern. Das Kreuz, das Zeichen des Todes, trägt die Zeichen neuen Lebens an sich. In der Mitte, wo die Balken sich treffen, ist ein Kreis, in dessen Innerem neun spiralig angeordnete Blättern zu sehen sind. Es ist der Raum, wo das Herz des Christus den Schmerz der Kreuzigung durchlitt. Sonne und Mond stehen über dem Querbalken, als mächtige Kreise abgebildet, in deren Innerem ebenfalls Blätter, allerdings bloß sechs, in einer spiraligen Drehbewegung zu sein scheinen. In der Darstellung des Codex von Angers fehlen Johannes und Maria. Dadurch entsteht eine ruhige Konzentriertheit auf den allein wichtigen Vorgang. In einer durch eine Linie abgetrennten unteren Szene tragen Josef und Nikodemus den eingehüllten Leib Christi zum Grabe. Die Andersartigkeit der Darstellung spricht für eine weitgehende Unabhängigkeit der im gleichen Zeitraum enstandenen Darstellungen voneinander.

Die Reichenauer Schule

Kreuzabnahme Egbert-Codex. Reichenauer Schule. 980-990. Zeichnung: Marianne Klement

Zu diesen beiden Ausgangspunkten der künstlerischen Darstellung kam hundert Jahre später eine dritte Darstellungsweise, die schulbildend wurde, nämlich die der Reichenauer Schule. Ein zentrales Werk derselben ist der um 980 entstandene Egbert-Codex [6], der ein in eine traumhafte Atmosphäre von tiefer Stille getauchtes Bild der Kreuzabnahme enthält. [7] Das Kreuz ist niedrig genug gemalt, so daß keine Leiter und kein Stuhl gebraucht werden. Beide Männer stehen würdig und aufrecht und halten gemeinsam den Leib Christi. Josef legt ihn sich gerade über die Schulter, Nikodemus trägt die Beine Christi. Das Kreuz ist schlicht. Die Männer scheinen in ihre Arbeit versunken. Die schlichte Konzentration auf das Wesentliche macht den tiefen Ernst der Handlung gegenwärtig.

Eine weitere Darstellung aus dieser Schule (KA 13) befindet sich im sog. Fuldaer Sakramentar.[8] Dieselbe zauberhafte Stille spricht den Betrachter aus diesem Bild an. Hier ist es nur eine Person, die die Abnahme durchführt, also wohl Josef von Arimathia. Von rechts tritt der Jünger an das Kreuz heran und läßt die arme des schweren Leibes soeben über seine rechte Schulter gleiten. Josef hat einen Heiligenschein, der z.T. das Gesicht Christi verdeckt. So klein sie ist, ist die Darstellung von großer Lebendigkeit. Josef hebt sich auf seine Zehenspitzen, um den Herrn zu empfangen. Rechts daneben, durch einen Kasten zusammengehalten, wird die Grablegung gezeigt, bei der der Leib des Toten von zwei Jüngern getragen wird.


In Udine wird ein weiteres Sakramentar aufbewahrt (KA 14), dessen Kreuzabnahme-Darstellung dem vorgenannten Fuldaer Sakramentar so ähnlich ist, daß beide aus derselben Werkstatt kommen dürften, evtl. aus Fulda.

Ein Evangeliar Kaiser Ottos III aus dem Aachener Domschatz(KA 16) , das um 1000 entstand, wird ebenfalls der Reichenauer Schule zugerecht. München bewahrt ein weiteres mit Otto III. verbundenes (KA

Darstellungen des 12.Jahrhunderts

Steinrelief in Santo Domingo in Silos. 1085-1100. Zeichnung: Marianne Klement

Eine der schönsten Darstellungen der Kreuzabnahme ist kurz vor 1100 entstanden. Es handelt sich um das Steinrelief im Kreuzgang des Klosters Santo Domingo in Silos (Provinz Burgos). Das Kreuzabnahmerelief an den Externsteinen, das seit langem dem 12. Jahrhundert zugeschrieben wurde, befindet sich an den Externsteinen, einer Sandsteingruppe im Teutoburger Wald. Es ist die größte Skulptur, die in Europa unter freiem Himmel in den Fels geschlagen worden ist. Neuerdings sind eine Fülle von Gesichtspunkten dafür geltend gemacht worden, dass dies Relief ebenfalls zu den ältesten Darstellungen aus dem 9. Jahrhundert zählen dürfte.[9]

Darstellung der Kreuzabnahme im Très Riches Heures (15. Jh.)

Literatur

  • Edgar Hürkey: Das Bild des Gekreuzigten im Mittelalter. Untersuchungen zu Gruppierung, Entwicklung und Verbreitung anhand der Gewandmotive. Worms. 1983. ISBN 3-88462-021-5
  • Walther Matthes / Rolf Speckner: Das Relief an den Externsteinen. Ein karolingisches Kunstwerk und sein spiritueller Hintergrund. edition tertium. Ostfildern. 1997. Ordnet die Kreuzabnahme an den Externsteinen in die Entwicklung der Kreuzabnahmedarstellung ein. Liste von 246 Darstellungen, davon 30 abgebildet, z.T. recht klein. ISBN3-930717-32-8
  • Elizabeth C.Parker: The Descent from the Cross. Its Relation to the Extra-Liturgical 'Depositio' Drama. Diss. New York University. Juni 1975. Garland Publishing. New York and London. 1978. ISBN 0-8240-3245-4
  • Erna Rampendahl: Die Ikonographie der Kreuzabnahme vom 9.-16.Jahrhundert. Diss. Berlin 1916. Diese 90 Jahre alte Dissertation ist in Hinsicht auf die Vollständigkeit der angeführten Werke, deren Standorte, Datierung, oft auch Zuweisung nicht auf dem neuesten Stand. Aber es gibt keine neuere Ikonographie der Kreuzabnahme in deutscher Sprache.
  • Bernd Schälicke: Die Ikonographie der monumentalen Kreuzabnahmegruppen des Mittelalters in Spanien. Diss.FU Berlin 1975. Berlin 1977.
  • Gertrud Schiller: Ikonographie der christlichen Kunst.Bd.2. Die Passion Christi. Gütersloh 1968.
  • o.A.: Kreuzabnahme. Aus dem Englischen übersetzt. Phaidon Verlag, Berlin. 2005. Enthält 104 Farbabbildungen von Kreuzabnahmedarstellungen vom 9.-20.Jahrhundert. Kommentar äußerst knapp. ISBN 0-7148-9460-5

Einzelnachweise

  1. Paris. Bibl.Nationale, Ms.grec. 510, fol.30v.Matthes/Speckner KA 3.
  2. Gertrud Schiller: Ikonographie der christlichen Kunst. Bd.2. Gütersloh 1968
  3. Thomas Mathews und Avedis K. Sanjian: Armenian Gospel Iconography. The tradition of the Glajor Gospel. Washington 1991.
  4. KA 11 (Matthes/Speckner). Gabriel Millet, "Recherches sur l'Iconographie de l'Evangile aux XIV., XV., et XVI.siecles", Paris 1916, 1960², datiert 913; Elizabeth C. Parker, The Descent from the Cross, New York-London 1978, datiert 910-920.
  5. Angers. Bibl. Municipale. Cod.24. Fol.8. Eventuell aus Lothringen. Hürkey nimmt byzantinische Einflüsse an.
  6. Franz J.Ronig. Codex Egberti. Das Perikopenbuch des Erzbischofs Egbert von Trier. Trier 1977
  7. Trier. Stadtbibliothek. Cod.24, fol. 85v. Matthes / Speckner, KA 13.
  8. Göttingen, Universitätsbibliothek, Ms.231,fol.64r
  9. Walther Matthes / Rolf Speckner: Das Relief an den Externsteinen. Ein karolingisches Kunstwerk und sein spiritueller Hintergrund. edition tertium. Ostfildern. 1997
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