Schnadegang
Der Schnadegang, mitunter auch Schnadezug, Schnatgang, in Hessen auch Grenzgang oder Grenzegang genannt, ist in zahlreichen Gemeinden, vor allem in Westfalen und Hessen sowie in der Stadt Osnabrück (Niedersachsen) ein wiederbelebter alter oder seit Jahrhunderten bestehender Brauch der Grenzbegehung. "Schnade", plattdeutsch auch "Snat" oder "Schnaot", ist verwandt mit "Schneise" und bedeutet Grenze.
Geschichte
Zurückzuführen sind die Rundgänge auf Streitigkeiten der Orte wegen angeblicher oder tatsächlicher Grenzverschiebungen.
Früher dienten Waldschneisen, Bäche, Hecken oder Gräben als Grenzmarkierung. Bis zum 17. Jahrhundert dienten zur Markierung auch eigens gepflanzte Bäume, in die man mit der Axt ein Kreuz hineinschlug, dann ging man zur Verwendung von Grenzsteinen (Hütesteinen) über. Diese bestehen häufig aus einem anderen Material als die Gesteine aus der Umgebung, damit man die Grenzsteine besser von den natürlichen Steinen unterscheiden kann.
Um die Korrektheit der Gemeindegrenze zu kontrollieren, die Grenzmarkierungen freizuschneiden und den neuen Bürgern die Kenntnis über den Verlauf der Grenzen zu vermitteln, fand anfangs eine amtliche Grenzbegehung statt, die dann alle ein oder zwei Jahre wiederholt wurde und mit der Zeit zu einem Volksfest mit teilweise bis zu mehreren 10.000 Besuchern wurde, so zum Beispiel in Bad Sassendorf, Biedenkopf, Brilon, Buchenau (Lahn), Herdecke, Dorfwelver,Ense, Goßfelden, Arnsberg, Neheim-Hüsten, Meschede, Münchhausen (am Christenberg), Warstein, Wetter und Wollmar. In Neuenrade im märkischen Kreis ist ein Schnadegang von 1450 schriftlich überliefert.
Schnadegang
Verbot in Preußen
Nach der Einführung des Grundsteuerkatasters wurden sie in einer Verfügung des preußischen Innenministeriums vom 6. Juli 1817 für nicht mehr notwendig erklärt.
Im "Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Arnsberg" vom 3. Februar 1841 wurde der Schnadegang schließlich verboten:
- "Die an einigen Orten noch üblichen Grenz- und Schnadenzüge haben in der neueren Zeit, zur Verübung mehrerer grober Exzesse Veranlassung gegeben. Da derartige Züge in der jetzigen Zeit keinen Nutzen mehr gewähren, weil bei der vollendeten Katastrirung des Grund und Bodens eine Verdunklung der Grenzen nicht leicht möglich ist, eintretendenfalls aber ohne Theilnahme der einzelnen Gemeindeglieder von den Behörden gehoben werden kann, so werden diese bisher an einigen Orten noch übliche Grenzzüge, in Folge Bestimmung des Königlichen Ministerium des Innern und der Polizei ganz untersagt, und sämmtliche Ortsbehörden sowie die Königlichen Landrräthe unseres Bezirks hiedurch angewiesen, Niemanden zur Veranstaltung eines Grenzzuges, welcher die Begehung einer Jagd-, Gemarkungs- oder Gemeindegrenze durch die Gemeindeglieder oder sonstiger bei Feststellung der Grenzen nicht interessirter Personen zum Zweck hat, die Erlaubnis zu ertheilen."
So geriet im preußischen Staat der Brauch des Schnadezuges vielerorts in Vergessenheit.
Brilon
In Brilon fand der erste Schnadegang am 24. Juni 1388 statt. Zwischenfälle beim Schnadegang von 1840 nahm die preußische Regierung zum Anlass, den Schnadegang zu verbieten. 1848 wurde der Schnadegang für die Stadt Brilon durch den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. aus besonderer Gnade wieder gestattet.
Heute findet der Schnadegang alle zwei Jahre am Schützenfestwochenende statt. Dabei wird etwa ein Fünftel der Stadtgrenze abgeschritten. Jeweils mehrere Tausend Männer beteiligen sich am Schnadegang. Frauen sind erst auf den Lagerplatz zugelassen, wo ein zünftiges Waldfest stattfindet.
Der einzelne Schnadegang ist dabei stets in drei Abschnitte aufgeteilt:
- Der traditionelle Ausmarsch vom Marktplatz mit Wanderung bis zum Frühstücksplatz
- Wanderung vom Frühstücksplatz bis zum Lagerplatz
- Wanderung vom Lagerplatz mit Einmarsch in die Stadt und dreimaliges Umrunden des Marktplatzes
Schnatgang in Osnabrück
In der niedersächsischen Stadt Osnabrück richtet die seit 1560 belegte Heger Laischaft alle sieben Jahre den Schnatgang aus. Er wurde im 19. Jahrhundert zu einem Tradtionsfest. Die Teilnehmer begrüßen sich bis heute mit „Olle use“ (Alles unseres). „Olle use“ ist auch der Name einer Wirtschaft am Hegertor. Die von den Bürgern der Laischaft gemeinsam bewirtschafteten Wälder lagen außerhalb der Stadtgrenze vor dem Hegertor.