Örtze
Ursprung und Lauf
Das Örtzetal ist ein sogenanntes "Urstromtal". Es ist in der Saaleeiszeit, vor ca. 230.00 bis 130.00 Jahren durch den Abfluss des Schmelzwassers, entanden.
Die Örtze ist ein Fluss in Niedersachsen, der nordwestlich von Munster in der Großen Heide (Bundesforst Raubkammer) entspringt und nach etwa 55 Kilometern südöstlich von Winsen in die Aller mündet.
Der Fluss führt durch die Ortschaften Müden, Hermannsburg, Oldendorf, Eversen und Wolthausen. Die Örtze hat in der Flussmitte eine Strömung von etwa 0,71 Metern pro Sekunde. Es handelt sich um einen so genannten sommerkalten Heidebach. Wichtigster Nebenfluss ist die Wietze, die bei Müden in die Örtze mündet. Teile der Lüneburger Heide entwässern über Örtze und Böhme.
Fauna und Flora
Da die Örtze von Ausbaumaßnahmen weitgehend verschont geblieben ist, wurde hier für verschiedene Tier- und Pflanzenarten ein naturnaher Lebensraum erhalten. Schwarzerlen am Ufer sorgen für Schatten. Dadurch bleibt die Wassertemperatur auch im Sommer kühl und der Sauerstoffgehalt hoch. Die Örtze ist relativ nährstoffarm. Sie verläuft in Mäandern und weist abwechslungsreiche Strukturen auf. Man findet Hänge und Steilufer, Vertiefungen, Kies- und Sandbänke. Es sind viele Nischen vorhanden, in denen Tiere geeignete Verstecke und Laichstellen finden.
An Fischen und Tieren sind vorhanden: Aal (Anguilla anguilla) und Aalraupe oder Quappe (Lota lota), Äsche (Thymallus thymallus), Bachforelle (Salmo trutta forma fario), Brachsen oder Blei (Abramis brama), Elritze (Phoxinus phoxinus), Flussbarsch (Perca fluviatilis), Gründlung oder Greßling (Gobio gobio), Hecht (Esox lucius), Mühlkoppe oder Groppe (Cottus gobio), Plötze oder Rotauge (Leuciscus rutilus), Rotfeder (Scardinius erytrophthalmus), Bachneunauge (Lampreta planeri). Aber auch der gefährdete und schützenswerte Fischotter und der Eisvogel leben hier. Seit 1766 ist in der Örtze der Lachsfang nachgewiesen. 1935 wurde hier der letzte Lachs gefangen. Seit 1982 wird mit neuem Lachsbesatz eine Wiederansiedlung versucht.
Literatur
Der bekannte Heimatdichter Hermann Löns widmet in seinem Werk "Mein braunes Buch - Heidbilder" der Örtze ein ganzes Kapitel. Er schreibt u.a.:
''Viele Flüsse und Flüßchen hat die Lüneburger Heide; ihr echtester Heidefluß aber ist die Örtze. Sie hat als Heidjerin keine Sehnsucht nach anderen Ländern; in der Heide kommt sie auf die Welt, in der Heide will sie enden.
Sie ist so bescheiden, so klug und so still, wie ein richtiges Heidjerkind; es wäre ihr ein Leichtes, wenn sie ihren eigenen Weg ginge bis zum Meere, denn selbst in den trockensten Sommern hat sie Wasser genug, die Flüßchen und Bäche aus den Mooren, die Schmarbeck und Sotriet, Lutter und Wittbeck, Wietze und Brunau, lassen sie nicht verdursten. Aber ihr liegts nichts an der weiten Welt.''
Rieselwiesenwirtschaft
Bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden die Wiesen in der Talaue der Örtze nach dem Prinzip des "Lüneburger Rückenbaus" bewässert. Der Begriff "Lüneburger oder Suderburger Rückenbau" bezeichnet ein bestimmtes System der Wiesenbe- und entwässserung.
Neben der gezielten Regulierung des Wasserhaushaltes wird bei dieser Methode der Grünlandbewirtschaftung vor allem die düngende Kraft des Wassers, d.h. die im Wasser gelösten Mineralien und organischen Substanzen, genutzt.
Zur Bewässerung der Bavener Rieselwiesen wurde in der Zeit von 1831 bis 1850 ein Kanal angelegt und 1854 in Betrieb genommen. Die Örtze wurde an dem Wehr bei Müden aufgestaut und über den Kanal z.T. umgeleitet. Entlang dieses Kanals wurden mehrere kleinere Wehre gebaut. Sie dienten der Aufstauung des Wassers für die Rieselwiesen.
Die Auslassschleuse des Kanals diente zur Regulierung des Wasserstandes im Kanal. Bei Hochwasser wurde sie geöffnet und fungierte dann als Notschleuse.
Flößerei
Wahrscheinlich begann die Flößerei auf der Örtze im 17. Jahrhundert, nachdem am 28. Februar 1677 der fürstliche Floßmeister Johann Bastian Erhardt die Örtze über eine mögliche Flößbarkeit für das Holz aus dem Hassel, Lüß, Kalbsloh, sowie den anderen umliegenden Wäldern untersucht hatte. Er gab dem "Hochedelgestrengen, Hochgebietenden Herrn Oberförster zu Wahrenholz" folgenden positiven Bericht:
"die Örtze ist ein guth und schnell Wasser, welchen mehrenteils auf beiden Seiten hohe Ufer, daß darauf füglich, sowoll langk als kurz Holtz bis Stedden, wo selbst die Örtze in die Aller schießt, geflößt werden kann"
Dieses Gutachten führte dazu, den Flößereibetrieb auf der Örtze einzurichten. Zumal die Örtze aufgrund ihres großen Quellgebietes mit den vielen Bächen das ganze Jahr über reichlich Wasser führte und somit ganzjährig mit Flößen befahrbar war.
Flößbar war die Örtze ab Müden (Örtze)
Von hier bis zur Mündung ind die Aller sind es rund 36 km. Eine Strecke, die die gebundenen Flöße bequem an einem Tag zurücklegen konnten. Die Flöße wiesen eine Länge von 23 m und eine Breite von 3 m auf. An der Aller wurden die Hölzer zu noch größeren Flößen eingebunden. Dann wurden sie zum Umschlagplatz nach Bremen geflößt. Von dort wurden sie nach England, Holland, Frankreich oder Spanien verschifft.
Im Jahr über 1000 Flöße
Folgende Zahlen belegen wie bedeutend die Flößerei auf der Örtze für die Südheide war.
Bis 1868 gingen pro Jahr rund 600 Flöße die Örtze stromabwärts. Dies steigerte sich bis 1876 auf 1000 Flöße jährlich. 1874 waren es sogar 1946 Flöße.
Dies war auf den wirtschaftlichen Aufschwung der Gründerjahre zurückzuführen. Es gab eine große Nachfrage nach Bauholz in Bremen, Bremerhaven sowie in den Wesermarschen. Der Segelschiffbau und die Werften hatten Hochkonjunktur. Darüber hinaus waren durch die Verkoppelung, Mitte des 19. Jahrhunderts, große Waldflächen in Privatbesitz und Realgemeinden übergegangen. Diese schlugen das übernommene Altholz ein und verkauften es als Floßholz an die Holzhändler.
Das Einbinden der Flöße war harte Arbeit

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es auf der Strecke von Müden bis Oldendorf 11 Bindestellen. An den Bindestellen wurde das Holz, das in den umliegenden Wäldern geschlagen wurde und dann mit Pferdefuhrwerken hierher gebracht wurde, zu einem Floß zusammengebunden. Die Flößer standen beim Binden der Hölzer meistens im Wasser. Die sogenannten "Krempstiefel", die ihnen bis an den Bauch reichten, schützten vor der Nässe. Das Einbinden der Holzstämme mit Weidenruten erforderte große Kenntnisse und viel Geschicklichkeit, damit das Floß nicht beim Durchfahren starker Krümmungen und beim Passieren von Brücken und Wehren auseinander brach.
Das Manövrieren eines Floßes
Auf der Örtze dirigierte der Flößer sein Floß mit dem "Schufstaken" oder "Schufboom" (Schiebestange, Schiebebaum). Der war mit einem Quergriff versehen, der für die linke Schulter bestimmt war. Vorne an der Stange war eine eiserne Spitze zum Schieben des Holzes und zum Abstoßen vom Ufer, sowie ein gebogenes Eisen zum Heranziehen des Holzes angebracht.
Eine Besonderheit der Örtzeflöße waren die am vorderen Teil des Floßes angebrachten runden Weidenbügel, die sogenannten "Handregels". An diesen konnte der Flößer sich an schwierigen Flußstellen bei starker Strömung festhalten.
Das Ende der Flößerei
Aufgrund starker Versandung des Unterlaufes der Örtze wurde die Passierbarkeit für die Flöße immer schwieriger. Ab 1912 kam die Flößerei dann zum Erliegen. In der Zwischenzeit gab es eine Kleinbahn von Celle über Bergen nach Soltau, und von Celle über Hermannsburg und Müden nach Munster. Außerdem wurden feste Straßen gebaut, und Sägewerke siedelten sich in waldgünstiger Lage an.
Paddeln auf der Örtze

In der Zeit von Mitte Juli bis Ende Februar (Stand 2007) ist auf der Örtze das Paddeln, unter Beachtung der Naturverträglichkeit, eingeschränkt zugelassen. Erlaubt sind ausschließlich Paddelboote (Kajak, Canadier, Kanu). Die Örtze darf ab der Mühle in Müden bachabwärts genutzt werden. Ein- und Ausstiegsstellen sind in Müden, Baven, Hermannsburg, Oldendorf, Eversen, Wolthausen und Winsen.