Running Gag

Ein Running Gag (deutsch Dauerwitz) ist ein Stilmittel der Komik und des Humors. Ein Witz oder eine Anspielung wird mehrmals wiederholt, oft jedoch in abgewandelter Form. Dadurch entsteht eine angespannte Vorfreude, die in einer dann doch überraschenden Pointe gipfelt. Entsprechend sind einige Running Gags erst dann verständlich bzw. von besonders humorvollem Charakter, wenn man die Vorgeschichte oder die Hintergründe dazu kennt. Running Gags können auf einen Film oder ein Buch begrenzt bleiben, sich aber auch in Fernsehserien, Zeitschriften etc. über mehrere Wochen, Monate oder gar Jahrzehnte hinziehen. Die meisten Running Gags sind figurgebunden, das heißt, sie werden immer von derselben Person ausgeführt/ausgesprochen. Besonders amüsant können sie sein, wenn sie von ihrer Standardform abgewandelt werden und dadurch eine situationsbezogene Pointe in der Pointe enthält.
Varianten
John Vorhaus unterscheidet zwei Varianten des Running Gags. Bei der ersten Variante bleibt der Running Gag immer gleich (s. u. Beispiele). Hier besteht die Gefahr, dass er langweilig wird, weil die überraschende, unvorhergesehene Wendung fehlt, die ein Kernelement von Witzen ist. Alte Witze sind eben nicht mehr besonders lustig. Bei der zweiten Variante wird dies berücksichtigt und der Running Gag wird leicht verändert, um ihn neu wirken zu lassen. Das kann auf folgende Weisen geschehen:
- Ein Detail des Running Gags wird verändert oder der Running Gag bleibt derselbe, aber die Situation ändert sich.
- Die Person wird ausgetauscht. Der Spruch bleibt derselbe, aber wird von immer neuen Personen verwendet.
- Die Bedeutung des Running Gags wird durch neue Informationen erweitert. Woody Allen beginnt den Film Der Stadtneurotiker mit einem Witz über einen Mann, der sich für ein Huhn hält. Der Film endet mit demselben Witz, nur hat er eine größere Bedeutung, weil der Film das Verständnis der Zuschauer vertieft hat.
- An einer markanten Stelle, in der jeder Zuschauer mit dem Running Gag rechnet, wird dieser bewusst ausgelassen und das Fehlen teilweise noch mit einem Moment des Schweigens oder der Stille explizit hervorgehoben.
In Norddeutschland wird eine Variante des Running Gags als Fehlauer bezeichnet. Beim Fehlauer wird ein Fauxpas, ein Missgeschick oder eine Ungeschicklichkeit durch Witze immer wieder aufs Korn genommen und so zum Running Gag.
Beispiele
Ein bekanntes Beispiel für Running Gags ist der Sketch Dinner for One, dessen alljährliche Ausstrahlung zu Silvester ein Running Gag an sich ist. Im Sketch selbst, der sich um ein mehrgängiges Menü dreht, stolpert der Butler immer wieder über den Kopf eines Tigerfells, wobei sich bei steigender Alkoholisierung sowohl die Stolperer als auch die Trinksprüche in immer neuen Variationen wiederholen. Seinen Gipfel findet dieser Running Gag in einer Szene, als der Butler unmittelbar vor dem üblichen Stolpern unmotiviert abbremst und in grotesker Weise ohne zu stolpern über den Kopf steigt.
Der Spruch von Harald Schmidt in seiner früheren Late Night Show, „Ich sage JA zu deutschem Wasser“, war ein Beispiel für einen Running Gag, der mehrere Monate andauerte. Ebenso die einst obligatorischen Begrüßungen von Stefan Raab zu seiner Fernsehshow TV total: „Wir haben doch keine Zeit!“ und „Eins kann ich Ihnen versprechen: Das wird die geilste Show des letzten halben Jahres!“ Diese Beispiele zeigen jedoch auch, dass ein überstrapazierter Running Gag schnell zur Routine erstarren kann und eher ermüdend wirkt, wenn die unerwartete Komponente fehlt.
Viele TV-Comedy-Serien setzen Running Gags als Stilmittel ein, bei dem in jeder Folge ein Thema unweigerlich auftaucht. Bekannt sind etwa die Meldungen über den Tod von Karl Ranseier bei „RTL Samstag Nacht“. Ebenso wie andere besonders erfolgreiche Running Gags sind diese auch Jahre nach der TV-Ausstrahlung noch in der Gesellschaft präsent und zitierfähig.
Weitere Beispiele:
- Alfred Hitchcock tritt in fast allen seiner Filme für ein paar Sekunden in Erscheinung. Die Erwartungshaltung des Publikums, Hitchcocks markante Persönlichkeit irgendwann im Verlauf der Handlung in einem Restaurant sitzend oder einen Zug besteigend zu erblicken, war so groß geworden, dass Hitchcock befürchtete, es würde zu stark vom Geschehen des Films ablenken. Deshalb absolvierte er seine späteren Kurzauftritte fast immer am Anfang der Handlung. Siehe auch Cameo-Auftritt.
- In den Asterix-Comics wird über Jahrzehnte hinweg jedes Mal das Schiff derselben Bande von Piraten versenkt, auch wenn diese sich in Binnengewässer oder abgelegene Ozeane zurückziehen, um dem unvermeidbaren Schicksal zu entrinnen. Ganz im Sinne des Running Gags versenken sich die Piraten einmal in vorauseilendem Gehorsam gar selber, nur um dann erfahren zu müssen, dass sie dieses Mal eigentlich hätten verschont bleiben sollen. Auch Obelix' Versuche, den Zaubertrank trotz Verbots zu probieren, ziehen sich durch die gesamte Comicreihe, ebenso sein Kommentar „Die spinnen, die Römer“.
- Bei Monty Python wurden zahlreiche Running Gags eingesetzt – der Satz „And now for something completely different“ wird als Überleitung in anderen Medien gern zitiert. Aus dem Film Das Leben des Brian ergibt sich der Brauch, jedesmal, wenn jemand etwas ausgesprochen hat, was er nicht hätte sagen sollen, laut "Jehovah!" zu rufen.
- Bei South Park stirbt Kenny McCormick in (fast) jeder Folge. Im Sinne eines Running Gags überlebt er aber auch manchmal eine Folge, oder es werden gleich zwei Todesszenen in einer Folge gezeigt.
- Bei den ersten Folgen von SpongeBob Schwammkopf passiert es Patrick immer, dass er von der Unterseite seines Steinhauses runterfällt, wenn sich sein Haus aufklappt. Als weiterer Gag werden dabei (fast) immer sein Sessel, seine Lampe und sein Fernseher zerstört.
- In fast allen Lautsprecherdurchsagen der Serie Scrubs wird eine gewisse "Schwester Lorinelsen" verlangt.
- In allen Star-Trek-Serien seit Star Trek: Das nächste Jahrhundert tritt die Zahl 47 in verschiedenen Situationen auf, beispielsweise sterben 47 Crewmitglieder oder die Schildenergie sinkt auf 47 %. In Star Trek TOS bzw. in Star Trek Classic (Raumschiff Enterprise) ist es ein Running Gag, dass der Offizier Pavel Andrevic Chekov alle Erfindungen als russische Erfindungen deklariert, auch wenn dem nicht so ist. In Star Trek: Deep Space Nine ist als Running Gag in nahezu jeder Szene im Quarks der Gast Morn zu sehen, den der Zuschauer nie ein einziges Wort sprechen hört, der aber von der Besatzung stets als außerordentlich gesprächig beschrieben wird. Außerdem sprachen die auf den Raumschiffen zuständigen Schiffsärzte sehr gern den Satz "Ich bin Arzt, kein ..." und hängten an den Satz einen Beruf oder eine tätige Personifizierung, um auszudrücken, dass dies außerhalb ihrer Möglichkeiten liege oder sich einfach davor drücken wollten.
- Auch im Kontext verschiedener Berufe kommt es, oft unbeabsichtigt, zur Etablierung von Running Gags, die teilweise nur von Insidern als solche erkannt werden. Beispiele hierfür sind Lena, die Utah-Teekanne oder der Wilhelmsschrei.
- In der Sat 1-Wochenshow beendete Anke Engelke den Nachrichtenblock stets mit „zurück zu Lück“, woraufhin sich Ingolf Lück (vom Publikum unterstützt) mit „Danke, Anke“ bedankte.
- TV-Comedian Rüdiger Hoffmann beginnt seine Auftritte mit „Jaaa, haalloo erstmaal! Ich weiß gar nicht, ob Sie's wussten, aber …“
- Die Serie „Die Simpsons“ bietet eine Vielzahl an Beispielen: Schon im Vorspann finden sich der Tafelgag, bei dem Bart Simpson als Strafarbeit einen sich von Folge zu Folge ändernden Satz x-mal an die Tafel zu schreiben hat, und der Couchgag, bei dem die gelbe Familie auf die Couch zurennt und jedesmal ein anderes unerwartetes Ereignis eintritt. Auch hat mehr oder minder jede Figur ihre typische Phrase, beispielsweise stößt Homer Simpson ein kurzes, gedrungenes NEIN! (engl. D'Oh!) aus, wenn wieder mal etwas schief geht, Nelson Muntz kommentiert Missgeschicke anderer stets mit „Ha-ha!“, Mr. Burns pflegt, zeitgleich mit den Händen gestikulierend, „Ausgezeichnet!“ zu sagen etc. Mit bestimmten Verhaltensweisen verhält es sich ähnlich: Homer hat etwa die Angewohnheit, seinen Sohn Bart so zu würgen, dass diesem die Augen herausquellen. Bart ruft oft in Moes Kneipe an, wo er einen Gagnamen verlangt. Ein weiter Running Gag ist, dass man nie erfährt, in welchem Bundesstaat die Stadt Springfield liegt - immer wird im entscheidenden Augenblick die Landkarte verdeckt oder der Sprecher übertönt. In einer Folge wurde dies im Dialog sogar ganz ausgelassen: "Besorgen Sie mir Flugtickets in den Staat, wo Springfield liegt!".
- Bei Futurama gibt es im Vorspann den Reklametafelgag, bei dem auf einer großen Reklametafel zuerst eine Szene aus einen klassischen Trickfilm gezeigt wird und dann das Planet-Express-Raumschiff in diese Tafel hineinkracht. Auch hier haben die Figuren ihre typischen Phrasen und Verhaltensweisen, beispielsweise von Roboter Bender den Satz: "Du/Ihr kannst/könnt mich an meinen blanken Metall-Arsch lecken!" ("Bite my shiny metal ass!") oder von Professor Farnsworth das notorische "Eine gute Nachricht, Freunde!" ("Good news, everyone!"), wenn er seine Besatzung mal wieder auf eine lebensgefährliche Mission schicken will.
- In der Serie „Schmidteinander“ gab es in jeder Sendung mehrere Running Gags, die vom Publikum zu Hause und im Saal erwartet und bejubelt wurden. So verlas Harald Schmidt eingangs stets einen Zuschauerbrief von einer gewissen Gabi aus Bad Salzdetfurth, wobei er anfangs einen Zettel in der Hand hielt und in späteren Sendungen dies nur noch andeutete. Wenn in der Sendung etwas (vermeintlich) schief lief, so war immer ein und der selbe schuld: Wolpers! Dieser wurde dann in einer MAZ von Schmidt und Feuerstein verprügelt. Außerdem kam in jeder Show ein Bühnenarbeiter mit einem Garderobenständer durchs Bild gelaufen. Und ebenso unvergessen das Zuschauerrätsel, bei dem es zwar jedes Mal eine andere Frage, aber immer den gleichen Lösungsbuchstaben (N) gab.
- Einer der berühmtesten, jedoch unfreiwillig entstandenen Running Gags soll nicht vergessen werden: Die Zahl 42, das berühmte Rechenergebnis aus der Buchreihe Per Anhalter durch die Galaxis von Douglas Adams, findet sich weltweit in massenhaften Anspielungen aller Art wieder.
- In der Sitcom Eine schrecklich nette Familie stolpert Al bei jedem Gang in den Keller deutlich hörbar die Kellertreppe, welche er schon längst selbst hätte reparieren sollen, hinunter.
- In der Serie Die ProSieben Märchenstunde taucht immer wieder Bernhard Hoëcker auf, der versucht, in der Serie eine Rolle zu kriegen, was aber immer vom Erzähler abgelehnt wird. So schleicht er sich immer wieder in die Märchen. Der Assistent des Erzählers, ein Henker namens Bruto, wirft Hoëcker dann ziemlich unsanft aus der Serie.
- In der Serie Hör mal wer da hämmert ist das Gesicht von Tim Taylors Nachbar Wilson niemals vollständig zu sehen. Im entscheidendem Moment ist immer ein anderer Gegenstand, üblicherweise der Gartenzaun, im Bild, und man sieht nur die obere Gesichtspartie. Außerdem stößt Tim sich (fast) immer an einem Rohr über der Kellertreppe. Außerdem geht bei jeder Folge seiner Heimwerkersendung "Tool Time" etwas schief, für das Tim verantwortlich ist. Seinem Co-Moderator Al passiert jedoch nie ein Missgeschick.
- In der Serie Adelheid und ihre Mörder besteht der Running Gag in dem sehr kurzen Telefon-Zwiegespräch zwischen Adelheid und ihrer Mutter (Mutter: "Und sag' nicht immer Muddi zu mir", Adelheid: "In Ordnung, Muddi"). Diese beiden Sätze sind immer absolut identisch, wobei durch die Kürze dieses Running Gags Langeweile vermieden wird.
- In der Serie Raumschiff Gamestar des Spielemagazins Gamestar sagt der Captain bei besonders brenzligen Situationen "Oh Gott, wir werden alle sterben." Später wurde noch die Satzfolge "Er hat's gesagt!" - "Was hat er gesagt?" - "Ach nichts..." eingefügt.
- In der Serie Mr. Bean fährt dieser in einigen Folgen gegen einen dreirädrigen blauen Reliant, der dann umkippt, auf der Straße liegen bleibt, gegen eine Wand prallt etc.
- In der Serie Königlich Bayerisches Amtsgericht geht der Gerichtsdiener öfters zum „Herrn Ökonomierat“, um diesen als Zeuge zu holen. Dieser ist meist unwillig und lädt den Gerichtsdiener darauf zum Weißwurstfrühstück ein. Meist geht dieser dann doch noch zum Gericht, um der Gerechtigkeit etwas auf die Sprünge zu helfen.
- In der Serie Switch auf Pro7 gab es immer eine Diskussionsrunde, in der (fast) immer der Satz fiel: "Hoëcker, Sie sind raus"
- In der Film-Trilogie Krieg der Sterne hat das Raumschiff Millennium Falcon Probleme, auf Hyperantrieb zu gehen. Beim ersten Mal ist die Situation noch harmlos, aber bei jedem weiteren Mal wird die Gefahr größer.
- Jochen Busse eröffnete die Comedysendung 7 Tage, 7 Köpfe immer mit den Worten: „Ich begrüße sie in meiner bekannt liebenswürdigen Art.“ Am Ende sagte er immer: „Bitte bleiben sie uns gewogen.“ Auch enthielten die Witze der einzelnen Komiker zahlreiche Running Gags.
- In der Comedy-Serie "Ned's ultimativer Schulwahnsinn" gibt es eine große Anzahl von Running Gags: Kokusnusskopfs richtiger Name wird immer wieder umgangen, Cookies neue "geniale" Erfindungen schlagen stets fehl, die Rolle von Claire Sawyer als zukünftige Anwältin,das Wiesel und noch andere.
- Bei der Comedy-Talkshow "TV-Kaiser" spricht der Showmaster oft an markanten Stellen vom "Teufelskreis". Manchmal lässt er den Teufelskreis auch aus, damit der Running Gag etwas interessanter wird.
- Es gibt aber auch Beispiele aus der Karikaturenwelt: Auf der Humorseite „Neues aus Kalau“ von Tetsche im Stern gab es einmal eine Zeichnung, die eine Ausstellung zeigte, wo an allen Wänden identische Bilder mit einem einfachen geometrischen Muster hingen. Der Maler gibt einem Reporter per Sprechblase die Antwort: „Im Fernsehen wird doch auch immer alles wiederholt.“ Dieses Bild wurde dann als selbstbezügliche Aktion in unregelmäßigen Zeitabständen selbst immer wieder auf derselben Seite gebracht. Später wurde dann das unveränderte Bild teilweise auch mit neuem Sprechblasentext gebracht, um auf aktuelle Ereignisse einzugehen, danach wurde aber auch wieder zum Original zurückgekehrt.
- Der Zeichner Tetsche baut ansonsten auch diverse Running Gags in seine Bilder ein, wie eine Saugglocke („Pümpel“), die irgendwo hängt, ein Spiegelei, welches irgendwo unmotiviert herumliegt, sowie das Ende einer kleinen Säge, welche von unterhalb gerade ein Loch in den Boden sägen will.
Siehe auch
Literatur
- Vorhaus, John: Handwerk Humor. Frankfurt/M., 2001.