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Lettner

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Viollet-le-Duc Chor der Abtei Saint Denis in Paris mit Lettner, Chorgestühl und Hochaltar

Der Lettner (von lat.: lectorium „Lesepult“ ), auch Doxale genannt, ist eine steinerne oder hölzerne Schranke, die vor allem in Domen, Kloster- und Stiftskirchen den Raum für das Priester- oder Mönchskollegium vom übrigen Kirchenraum, der für die Laien bestimmt war, abtrennte. Er ist eine Weiterentwicklung der frühchristlichen Chorschranken. Er entwickelte sich in der Spätromanik, hattee eine Blütezeit in der Gotik und wurde dann in seiner Funktion als Lectorium allmählich von der Kanzel ersetzt.

Vor dem Raum war der Kreuzaltar positioniert. Entsprechend diente der oft reiche Figurenschmuck des Lettners häufig der Verbildlichung der Passion Christi. Hinter dem Lettner war der Raum für den Klerus mit Chorgestühl, Bischof- oder Abtssitz sowie dem Hauptaltar, der in der Regel seinen Platz an der Stirn der Apsis hatte.

Funktion

Blick von oben auf den Lettner des Meißner Doms; vor dem Lettner der Kreuzaltar

Liturgiegeschichtlich spielten für das Entstehen von Lettnern zwei Motive eine Rolle:

  • die Aufteilung der christlichen Gemeinde in Geistliche und Laien
  • die Trennung von Weltkirche und klösterlicher Kirche

Vom Lettner wurden liturgische Texte verlesen, und er konnte dem Chor als Sängerkanzel dienen.

Mit dem im 10. Jahrhundert entstehenden Brauch der Osterspiele, die in der Karwoche im Kirchenraum aufgeführt wurden, sowie der allgemeinen Ausbreitung der Mysterienspiele wurde der Lettner zunehmend in die Dramaturgie der Stücke einbezogen. Die rechte und die linke Öffnung wurden zum Paradiestor, bzw. zum Höllentor, auf dem Lettner wurde der Chor platziert, der dort als Engelschor des Paradieses auftrat.

Mit der Tridentinischen Liturgiereform in der Folge der Reformation verlor der Lettner in katholischen Kirche seine Funktion. Der Haupt- oder Hochaltar einer Kirche, der vorher üblicherweise an der Stirnseite der Apsis stand, und der Kreuzaltar, der vor dem Lettner befindlichen Altar für die Laien, wurden zum Hauptaltar vereinigt. Der neue Hochaltar wurde durch die ständige Anwesenheit des Allerheiligsten im Tabernakel aufgewertet. Lettner wurden überflüssig und entfernt. Von dem reichen Skulpturenschmuck vor allem gotischer Lettner blieben nur wenige Reste in Museen erhalten.

Orgel auf dem Lettner der Kathedrale von Rochester

In Frankreich fielen die meisten Lettner den Wirren der Religionskriege zum Opfer, als viele Kirchen zerstört und Steine und Schmuckelemente als Baumaterial weiter verwendet wurden. In Deutschland blieb vor allem in protestantischen Kirchen eine Reihe von Lettnern erhalten, die dort unterschiedliche Aufgaben übernahmen. Zunächst dienten sie dem Prediger als geeigneter Platz für die Predigt bis sich die Predigtkanzel allgemein durchsetzte. Gelegentlich wurde dort die Orgel, die ihren Siegeszug als Hauptinstrument der Kirchenmusik fortsetzte, installiert, und noch heute dient der Lettner als Bühne für den Chor.

Ikonostasen

Eine Art Lettner gibt es auch in russisch- und griechisch-orthodoxen Kirchen. Dort nennt man ihn „Ikonenwand“. In ihr befindet sich das Zarentor. Das Zarentor wird für Laien nur zweimal geöffnet: einmal bei der Hochzeit und einmal beim Tod, damit der Gläubige einen Blick ins Paradies werfen kann.


Literatur

  • Monika Schmelzer: Der mittelalterliche Lettner im deutschsprachigen Raum. Typologie und Funktion. Petersberg 2004, ISBN 3-937251-22-7.
  • Tobias Schrörs: Der Lettner im Dom zu Münster. Geschichte und liturgische Funktion. Norderstedt 2005, ISBN 3-8334-2658-6 (auch online).