Zwischenmenschliche Kommunikation
Als Teil der sozialen Interaktion wird die zwischenmenschliche bzw. interpersonelle Kommunikation verstanden, welche aus soziologischer Sicht äußerlich sichtbare wechselseitige Aufeinanderwirken zwischen Individuen zum Zwecke der Abstimmung des Denkens und Verhaltens der Beteiligten bzw. des konkreten Handelns von Kooperationspartnern oder Feinden bezeichnet.
Kommunikation in der Menschheitsgeschichte
Mit der Entwicklung der Sprache tat der Mensch einen entscheidenden Schritt in seiner Evolution. Die vielen dadurch gewonnenen Informations-Chancen überdecken aber nicht die instinkthaften und nonverbal übertragenen Signale. Dies gilt auch in schriftlicher Kommunikation, die trotz der Sprache auch immer archetypisches Verhalten zeigt.
Große Bedeutung für die mentale Entwicklung der Menschheit hatte die Erfindung der Schrift. Diese erlaubt es, Information auch über die Zeit hinweg zu kommunizieren, also zu speichern. Dies ermöglicht eine Ansammlung von Wissen, auf der später aufgebaut werden kann, ohne dass sich die Menschen alles Wissen merken müssen. Die Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg war zur Verbreitung von geschriebener Sprache entscheidend.
Interdisziplinärer Anteil
Verschiedene Wissenschaftsbereiche befassen sich mit dem menschlichen Bereich der sozialen Kommunikation:
- Kommunikationswissenschaft
- Rhetorik
- Informationswissenschaft
- Medienwissenschaft
- Informationstheorie
- Sprechakttheorie
- Linguistik
- Semiotik
Die enorme Überschneidung verschiedener Wissenschaftsbereiche auf dem Feld der zwischenmenschlichen Kommunikation und Interaktion macht die eindeutige Zuordnung einer Leitdisziplin schwer. Eine über psychische Tätigkeit wechselseitige Beeinflussung von Individuen innerhalb einer Gruppe wird als ein Aspekt der sozialen Wechselwirkung (Interaktion), gleichzeitig aber auch als bestimmendens Element der Psychologie betrachtet (siehe Bewusstsein, Wahrnehmung und Gedächtnis, sowie Emotion, Motivation und Psycholinguistik). Das soziologische Verständnis von Kommunikation kann wiederum nicht auf direkte Interaktion beschränkt werden und diese ist nicht allein aus sich selbst verständlich, da sie von dem Gebrauch der Medien und deren okönomischen und technischen Voraussetzungen geprägt ist und in der Regel innerhalb von Institutionen stattfindet.
Nach Talcott Parsons muss ein Individuum, das in eine soziale Interaktion eintritt, sich für eines der von ihm beschriebenen Verhaltensmuster entscheiden. In der Systemtheorie nach Niklas Luhmann entsteht ein Interaktionssystem aus dem aufeinander bezogenen Verhalten von Anwesenden (siehe Kommunikation (Systemtheorie)). Voraussetzung dafür ist wechselseitige Beobachtbarkeit. Unter dieser Bedingung kann man nicht verhindern, dass (der oder die) andere(n) das eigene Verhalten als Kommunikation verstehen. Das geschieht genau dann, wenn dem Verhalten einer Person von einem Beobachter eine Information abgewonnen/zugeschrieben wird und es damit als Mitteilungshandeln interpretiert wird. Ruth Cohn entwickelte das System der Themenzentrierten Interaktion, das Interaktionsprozesse in Gruppen verstehen und gestalten hilft.
Kommunikation auf verschiedenen Ebenen
Die zwischenmenschliche Verständigung kann auf unterschiedlichen Wegen erfolgen:
- Nonverbale Kommunikation
- Berührung
- Kommunikation über die Beanspruchung von Raum (Nähe-Distanz Verhalten)
- Vokale Kommunikation (Tonfall, Rhythmus)
- Visuelle Kommunikation
- Gebärden-unterstützte Kommunikation (Gestik, Mimik)
- Unterstützte Kommunikation
- Gestützte Kommunikation
- Resonanz-Phänomene (Spiegelneuronen)
Die von uns ausgehenden (nicht)verbalen Signale tragen ständig zur Kommunikation mit den Mitmenschen bei. Eines der Axiome von Paul Watzlawick lautet: Man kann nicht nicht kommunizieren.
Bemerkenswert an dem Terminus Interaktion ist, dass er etwas zu bezeichnen versucht, das "zwischen" (inter) "handelnden Personen" existiert und mit diesen nicht identisch ist. Die Handlungstheorie benutzt Handlung als Grundbegriff für den Aufbau einer Gesellschaftstheorie und hat das Problem, Gesellschaft als etwas Überindividuelles zu begreifen. Max Weber setzt dabei auf den Sinn einer Handlung, Talcott Parsons auf die Orientierungsleistungen des actors, die er mit Hilfe von pattern variables beschreibt.
Quellen: Mehrabian, A, Nonverbal Communication, Aldine-Atherton 1972; Hermer, Matthias & Hans Gerhard Klinzing: Nonverbale Prozesse in der Psychotherapie, dgtv Verlag, 2004
Merkmale "face-to-face"-Kommunikation
Die face-to-face Kommunikation besitzt in der Regel folgende Merkmale:
- Wechselseitigkeit
- Intentionalität
- Anwesenheit
- Sprachlichkeit
- Wirkung
- Reflexivität: zeitlich, sachlich und sozial
Sie setzt außerdem a) ein Mindestmaß an Verständigung und b) einen gemeinsamen, übereinstimmenden Zeichenvorrat voraus.
Kanäle "face-to-face"-Kommunikation
Die Kanäle der face-to-face Kommunikation sind der:
- auditive
- visuelle
- taktile
- olfaktorische
- themale
- gustatorische Kanal
Es ist zu bemerken, dass je mehr Kanäle bedient werden, desto präziser ist der Grad der Reflexivität sowie der Präzision.
Vierfache Botschaft
(Hauptartikel: Kommunikationsmodell)
Die Informationstheorie hat 1949 das Sender-Empfänger-Modell von Claude Shannon und Warren Weaver hervorgebracht:
Dieses Kommunikationsmodell deckt sich mit dem Konzept der Kommunikation, wie es in der Sprechakttheorie, der Nachrichtentechnik und der klassischen Informationstheorie verwendet wird.
Die Zwischenmenschliche Kommunikation findet jedoch zumeist auf mehreren Ebenen statt. Schulz von Thun bezeichnet diese als die vier Seiten einer Nachricht und führt als Bild dafür das Nachrichtenquadrat mit seinen vier Seiten,
- Sachinhalt
- Selbstoffenbarung
- Appell
- Beziehung (enthält sowohl Du- als auch Wir-Botschaften)
ein.
In der Praxis führt es häufig zu Missverständnissen, wenn der Empfänger einer Nachricht sich auf eine andere Seite der Nachricht bezieht, als vom Sender vorgesehen. Durch geschickten Einsatz von Metabotschaften kann der Empfänger beim richtigen Interpretieren der Nachricht unterstützt werden.
Bei trotzdem auftretenden Störungen können sehr verschiedene Vorgangsweisen hilfreich sein, wie etwa eine Gesprächspause, Überschlafen, Vertagung des Themas auf klar vereinbarten Zeitpunkt, Nachfragen der Emotionen oder Gespräch(e) mit Dritten, wie z.B. Partner- und Eheberatungen, Telefon- und Internetseelsorge, ein religiöses seelsorgliches Gespräch oder eine Mediation, Lösungen über Gruppendynamik oder Encounter, Angebote von Seminaren und Bildungskursen etc.
Nonverbaler Anteil, Gefühl und Einstellung
Obwohl zwischenmenschliche Interaktion und Kommunikation wesentlicher Bestandteil der Sozialisation eines Menschen darstellt und es viele Bildungsangebote zur Verbesserung der persönlichen Kommunikation gibt, ist dennoch festzustellen, dass eine gute, d.h. würdigende und urteilsfreie Haltung für den Umgang mit anderen Gesprächspartnern schwer zu erlernen und ständig neu erarbeitet werden muss. Nach den Forschungen des Pantomimen und Hochschullehrers Samy Molcho bewirkt der nonverbale Anteil an unserer Kommunikation über 80 Prozent der Reaktionen (Eisbergmodell). Für viele Menschen ist diese Tatsache erschreckend, weil sie sich der Bedeutung und der Kontrolle ihrer Körpersprache nicht bewusst sind. Neben der Mimik und Gestik ist auch die Körperhaltung stark wirksam (auf den Anderen und auf sich selbst). Dem Anteil des gesprochenen Wortes bleiben nur 10 bis 20 Prozent einer durchschnittlichen Botschaft (siehe dazu Nonverbale Kommunikation), so dass instinktive und unbewusste Anteile der menschlichen Kommunikation i. d. R. überraschend selten vermittelt werden. Neben der Verkaufspsychologie befasst sich die Gebärdensprache und die Unterstützte Kommunikation hiermit mit besonders stark.
Als besonders wichtig wird hierbei die innere Haltung (Einstellung) zum Gegenüber (siehe auch Empathie) gesehen. Sie setzt unter anderem einen guten Umgang mit den eigenen Emotionen voraus, wie ihn etwa der amerikanische Psychologe Daniel Goleman erforscht hat (siehe Emotionale Intelligenz. Aber auch die Art, wie wir dem Anderen zuhören und dabei möglichst die persönliche Gefühls-Situation einbeziehen und mitteilen, ist für befriedigende zwischenmenschliche Kontakte wichtig. Unsere Art der Kommunikation kann psychische Kräfte freisetzen und Lebensfreude bringen, aber auch zu Mobbing und anderen Belastungen beitragen.
Forschungsthemen
Obwohl das Erlernen guter Kommunikation sowohl in der Familie und sozialen Umgebung erfolgt, wird auf diesem Gebiet auch erhebliche Bildungs- und Forschungsarbeit geleistet.
- Grundlagenforschung "interpersonal communication", zwischenmenschl.K. als Kern der Sozialität, Forschung zu Sozialkompetenz und Selbstwahrnehmung
- Kommunikation zwischenmenschlich vs "technisch", K. als Grundbedürfnis des Menschen, als Bezogenheit, als wechselseitige Steuerung, als Wettbewerbsfaktor; K. und Körpersprache
- Führungsstile (z.B. singular versus plural), Menschengerechte computerintegrierte Redaktion, Beteiligung von Patienten an Entscheidungen
- Personalentwicklung und Evaluation bzw. Managementdiagnostik, Konzepte, ältere Arbeitnehmer
- Soziale Gruppen im Beruf und ihre Effizienz, Problemlösung und emotionale Intelligenz, "face to face" Begegnung, Mobbing
Zitate
„Was Du nicht willst, das man Dir tu' - das füg' auch keinem Andern zu“
„Sprich, damit ich Dich sehen kann.“
„Sprache ist nicht dazu gemacht sich mit ihr über den anderen zu erheben sie dient zur zwischenmenschlichen Kommunikation.“
„Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.“