Staatsoper Unter den Linden
Die Staatsoper Unter den Linden (auch: Lindenoper) ist das älteste Opernhaus sowie das älteste erhaltene Theatergebäude in Berlin. Sie ist eine der drei Staatsopern des Landes Berlin und mit ihren Schwesterinstituten Deutsche Oper Berlin und Komische Oper, dem Staatsballett Berlin und den Berliner Opernwerkstätten Teil der Berliner Opernstiftung.


Geschichte
18. Jahrhundert

Der Architekt Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff begann im Juli 1741 im Auftrag Friedrichs II. mit dem Bau der Königlichen Hofoper; noch Monate vor der Fertigstellung des Gebäudes 1743 wurde das Opernhaus am 7. Dezember 1742 mit Carl Heinrich Grauns Cleopatra e Cesare eröffnet. Das Gebäude gehörte zur Anlage des Forum Fridericianum am Opernplatz, dem heutigen Bebelplatz, und verfügte neben dem Hauptsaal über zwei weitere Säle, die zu einem großen Festsaal verbunden werden konnten.
Das Haus war das erste königliche Theatergebäude und das erste freistehende Opernhaus Deutschlands sowie das damals größte Europas.
19. Jahrhundert
In der Nacht vom 18. zum 19. August 1843 brannte die Lindenoper bis auf die Grundmauern ab. Das von dem Architekten Carl Ferdinand Langhans unter Verlegung des Eingangs an die Nordseite wieder aufgebaute Opernhaus wurde ein Jahr später mit Giacomo Meyerbeers Ein Feldlager in Schlesien neu eröffnet. Kleinere Umbauten erfolgten 1869.
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Königliche Oper Berlin 1832
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Das brennende Opernhaus 1843
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Innenraum nach dem Wiederaufbau 1844
Bereits im 17. Jahrhundert begleitete die Staatskapelle (die damalige "Königliche Kapelle") die Opernaufführung als Orchester. Die historischen Wurzeln der Staatskapelle reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück; sie wird im Jahr 1570 erstmals urkundlich als "Kurfürstliche Hofkapelle" erwähnt. Gottfried Wilhelm Taubert initiierte 1842 die bis heute bestehende Tradition selbstständiger und regelmäßiger Sinfoniekonzerte der Kapelle. Ebenfalls im Jahre 1842 wurde Giacomo Meyerbeer als Nachfolger von Gaspare Spontini zum Generalmusikdirektor berufen, während Felix Mendelssohn Bartholdy die Sinfoniekonzerte leitete.
Als Chor der Staatsoper fungierte zunächst ein aus Schülern der Berliner Gymnasien bestehender Laienchor; ab 1821 wurde jedoch der Staatsopernchor fest engagiert.
20. Jahrhundert

Das Opernhaus wurde 1918 (andere Quellen: 1919) in Staatsoper Unter den Linden umbenannt und aus der Königlichen Kapelle entstand die Kapelle der Staatsoper. Bis April 1928 wurde das Bühnenhaus stark modernisiert.
Während der Nazi-Diktatur diente das Haus der Repräsentation der Staats- und Parteiführung. Als preußisches Staatstheater unterstand es dem "Preußen-Herrscher" Hermann Göring. Jüdische Sänger, Musiker, Dirigenten und anderes Personal wurden aus dem Hause gedrängt, nicht mehr engagiert und zum Teil ermordet. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Staatsoper zweimal durch Bombeneinschlag vollständig zerstört. Es folgten Neuaufbauten 1941–1942 sowie 1952–1955 durch Richard Paulick in Anlehnung an das Knobelsdorffschen Original.
Nach Kriegsende wurde die Lindenoper zur Unterstreichung der DDR als "echter" deutscher Staat in Deutsche Staatsoper Berlin umbenannt. Bis zum Wiederaufbau des Opernhauses wurden der Große Sendesaal des Funkhauses in der Masurenallee und der Admiralspalast als Spielstätte genutzt. Während der SED-Diktatur diente das Haus der Repräsentation der Staats- und Parteiführung. Künstlerisch erfolgte, nicht zuletzt durch die stattfindende Zensur, eine deutliche Erstarrung. Viele Musiker der Staatskapelle flohen vor der Diktatur nach West-Berlin und waren dort maßgeblich an der Gründung des RIAS-Sinfonieorchesters (heute Deutsches Symphonie-Orchester Berlin) beteiligt. Nach der Errichtung der Berliner Mauer setzte sich die künstlerische Auszehrung fort. Fehlende Internationalität wusste die DDR-Führung dadurch auszugleichen, dass bedeutende Musiker und Sänger in der DDR quasi verpflichtet waren, auch an der Lindenoper aufzutreten, um ihr Fortkommen nicht zu gefährden. Dies führte vor allem in Leipzig und Dresden zu großer Ablehnung des Berliner Hauses.
Das Haus verfügt derzeit über 1396 Plätze und ist damit vergleichsweise klein (Bayerische Staatsoper 2101 Plätze, Staatsoper Hamburg 1698 Plätze, Deutsche Oper Berlin 1885 Plätze, Metropolitan Opera 4065 Plätze, Wiener Staatsoper 2276 Plätze). Das Opernhaus wurde zuletzt 1983 bis 1986 umfassend restauriert. In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde wegen der heutzutage als problematisch empfundenen "trockenen" Akustik des Hauptsaales (ungewöhnlich kurze Nachhallzeit - Eierkarton-Effekt) eine elektronische Akustik-Optimierung eingebaut, die insbesondere Computer-/Lautsprecher gestützt für längeren Nachall sorgt. Kritiker fürchten dabei Manipulationen an der Echtheit des Klanges.
Der am 6. Dezember 1992 gegründete Verein der Freunde und Förderer der Deutschen Staatsoper Berlin e. V. unterstützt die Arbeit der Staatsoper finanziell und ideell. Zu seinen Gründungsmitgliedern gehören Hans-Dietrich Genscher, Friede Springer, Teddy Kollek und Henry Kissinger.
Mitte der 1990er Jahre wurde das Haus auf Betreiben des Berliner Generalintendanten Götz Friedrich erneut umbenannt in Staatsoper Unter den Linden, damit keine Verwechslung mit dem Haus Deutsche Oper Berlin entstehen kann, die rechtlich gesehen ebenfalls eine Staatsoper ist.
Staatsballett Berlin
Eine eigene Balletcompagnie hat das Haus nicht mehr. Seit dem 1. Januar 2004 spielt das neugegründete Staatsballett Berlin unter seinem Intendanten Vladimir Malakhov neben seinen Vorstellungen an den anderen Berliner Opernhäusern an der Staatsoper Unter den Linden.
Bedeutende Uraufführungen der Staatsoper
Auswahl bedeutender Uraufführungen in der Staatsoper:
- 1742: Carl Heinrich Graun, Cleopatra e Cesare
- 1746: Carl Heinrich Graun, Demofoonte, Re di Tracia
- 1755: Carl Heinrich Graun, Montezuma
- 1798: Johann Friedrich Reichardt, Die Geisterinsel
- 1800: Johann Friedrich Reichardt, Lieb und Treue
- 1801: Johann Friedrich Reichardt, Jery und Bäteli
- 1825: Gaspare Spontini, Alcidor
- 1829: Gaspare Spontini, Agnese di Hohenstaufen
- 1833: Heinrich Marschner, Hans Heiling
- 1844: Giacomo Meyerbeer, Das Feldlager in Schlesien
- 1849: Otto Nicolai, Die lustigen Weiber von Windsor
- 1895: Wilhelm Kienzl, Der Evangelimann
- 1899: Albert Lortzing, Regina
- 1902: Ethel Smyth, Der Wald
- 1904: Ruggiero Leoncavallo, Der Roland von Berlin
- 1922: Franz Schmidt, Fredigundis
- 1924: Ernst Krenek, Die Zwingburg
- 1925: Alban Berg, Wozzeck
- 1926/(1928?): Franz Schreker, Der singende Teufel
- 1930: Darius Milhaud, Christophe Colomb (Christoph Kolumbus)
- 1931: Hans Pfitzner, Das Herz
- 1934: Alban Berg, Sinfonische Stücke aus Lulu
- 1935: Paul Graener, Der Prinz von Homburg
- 1935: Eduard Künneke, Die große Sünderin
- 1938: Werner Egk, Peer Gynt
- 1939: Rudolf Wagner-Régeny: Die Bürger von Calais
- 1949: Leo Spies/Tatjana Gsovsky: Don Quixote
- 1951: Paul Dessau, Die Verurteilung des Lukullus
- 1957: Werner Egk, Der Revisor
- 1966: Paul Dessau, Puntila
- 1969: Paul Dessau: Lanzelot
- 1974: Paul Dessau, Einstein
- 1979: Paul Dessau, Leonce und Lena
- 1989: Siegfried Matthus, Graf Mirabeau
- 1999: Elliott Carter, What next?
- 2005: Hans Zender Chief Joseph
- 2007: Hans Werner Henze Phaedra
Überdurchschnittlich ausgelastete Produktionen
- Wolfgang Amadeus Mozart, Così fan tutte (Aufführungen: 14; Auslastung: 99%)
- Pjotr Iljitsch Tschaikowski, Der Nussknacker (Aufführungen: 30; Auslastung: 98%)
- Richard Wagner, Tannhäuser (Aufführungen: 13; Auslastung: 98%)
- Richard Wagner, Das Rheingold (Aufführungen: 10; Auslastung: 97%)
- Richard Wagner, Der fliegende Holländer (Aufführungen: 11; Auslastung: 96%)
- Richard Wagner, Tristan und Isolde (Aufführungen: 11; Auslastung: 96%)
- Pjotr Iljitsch Tschaikowski, Schwanensee (Aufführungen: 64; Auslastung: 96)
- Giuseppe Verdi, Otello (Aufführungen: 14; Auslastung: 96%)
- Vincenzo Bellini, Norma (Aufführungen: 19; Auslastung: 96%)
- Richard Wagner, Götterdämmerung (Aufführungen: 12; Auslastung: 96%)
- Wolfgang Amadeus Mozart, Don Giovanni (Aufführungen: 17; Auslastung: 94%)
- Giuseppe Verdi, Falstaff (Aufführungen: 10; Auslastung: 94%)
- Richard Wagner, Die Walküre (Aufführungen: 17; Auslastung: 94%)
- Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte (Aufführungen: 103; Auslastung: 94%)
- Giuseppe Verdi, Aida (Aufführungen: 34; Auslastung: 93%)
- Darius Milhaud, Christoph Kolumbus (Aufführungen: 10; Auslastung: 92%)
- Giacomo Puccini, La Bohème (Aufführungen: 8; Auslastung: 90%)
- Pjotr Iljitsch Tschaikowski, Dornröschen (Aufführungen: 65; Auslastung: 89%)
- Wolfgang Amadeus Mozart, Die Hochzeit des Figaro (Aufführungen: 32; Auslastung: 89%)
- Richard Wagner, Lohengrin (Aufführungen: 19; Auslastung: 89%)
Künstlerische und musikalische Leiter, Generalmusikdirektoren
Generalmusikdirektoren bis 1918
- 1891–1898: Felix Weingartner, Edler von Münzberg
- 1898–1912: Karl Muck
- 1898–1918: Richard Strauss (ab 1898 1. Kapellmeister, ab 1912 Musikdirektor und 1914–1918 Intendant)
Künstlerische Leiter und Generalmusikdirektoren ab 1918
Musikalische Leiter
Siehe auch: Krolloper
- 1923–1927: George Szell
- 1931–1933: Otto Klemperer
- 1931–1933: Alexander von Zemlinsky
- 1931–1933: Fritz Zweig
Staatsoper
- 1918–1923: Leo Blech
- 1923–1934: Erich Kleiber
- 1934–1935: Wilhelm Furtwängler
- 1935–1936: Clemens Krauss
Ab 1936 gab es unter dem Intendanten Heinz Tietjen mehrere ständige Dirigenten mit unterschiedlich großem Einfluss:
- 1933–1945: Robert Heger
- 1935–1938: Werner Egk
- 1935–1936: Hans Swarowsky
- 1935–1949: Johannes Schüler
- 1938–1942: Karl Elmendorf
- 1939–1945: Herbert von Karajan - Erste Stereo-Aufnahme
- 1940–1942: Paul van Kempen
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es verschiedene Chefdirigenten:
- 1945–1946: Karl Schmidt
- 1938–1951: Joseph Keilberth, Leopold Ludwig, Karl Fischer
- 1950–1951: Arnold Quennet, Hans Lowlein
- 1951–1953: Karl-Egon Gluckselig
- 1951–1954: Walter Lutze
- 1954–1955: Erich Kleiber - Generalmusikdirektor
- 1955–1962: Franz Konwitschny, Lovro von Matačić, Horst Stein
- 1961–1971: Heinz Fricke - ständiger Dirigent
- 1961–1973: Heinz Rögner - ständiger Dirigent
- 1962: Helmut Seydelmann - Generalmusikdirektor
- 1964–1989 (1990?): Otmar Suitner
- ab 1992: Daniel Barenboim - Generalmusikdirektor und künstlerischer Leiter
Intendanten und Dirigenten
Intendanten und Dirigenten bis 1918
- 1742–1759: Carl Heinrich Graun
- 1775–1794: Johann Friedrich Reichardt
- 1796–1814: August Wilhelm Iffland
- 1815–1828: Carl von Brühl - der erste offiziell als Intendant bezeichnete Leiter der Staatsoper
- 1819–1841: Gaspare Spontini - Generalmusikdirektor
- 1842–1846: Giacomo Meyerbeer, Felix Mendelssohn Bartholdy (Dirigenten)
- 1847-1850: Theodor Küstner (Generalintendant)
- 1851–1886: Botho von Hülsen (Generalintendant), Otto Nicolai (Dirigent)
- 1886–1903: Bolko von Hochberg
- 1903–1914: Georg von Hülsen-Haeseler
Intendanten ab 1918
- 1918–1919: Franz Winter
- 1919–1925: Max von Schillings
- 1925–1945: Heinz Tietjen
- 1945–1952: Ernst Legal
- 1952–1954: Heinrich Allmeroth
- 1954–1963: Max Burghardt
- 1963–1984: Hans Pischner
- 1984–1991: Günter Rimkus
- 1992–2003: Georg Quander
- ab 2003: Peter Mussbach
Siehe auch: Kroll Oper Berlin
Künstlerisches Profil
- Neben künstlerisch höchst produktiven Phasen, die schon durch die lange Geschichte von Haus und Enseble bedingt sind, forderte die ästhetische Erstarrung, die immer wieder mit der Hauptfunktion des Hauses als Hof- und Staatstheater der Hohenzollern, des NS- und SED-Staates sowie jetzt auch z.T. der Bundesrepublik einherging, schon mehrmals zu Gegengründungen heraus. So verstanden und verstehen sich teils bis heute Einrichtungen wie die Kroll-Oper, die "Komische Oper" von 1905 an der Weidendammer Brücke oder das Deutsche Opernhaus in Charlottenburg (heute Deutsche Oper Berlin) als innovative und Anti-Elitäre Gegengründungen.
Bemerkenswerte Produktionen der letzen Jahre sind:
- Zyklus mit sämtlichen Sinfonien und Klavierkonzerten Beethovens mit Daniel Barenboim als Solist und Dirigent
- Zehnteiliger Wagner-Zyklus zu den Festtagen 2002 - weltweit erste Aufführung der zehn Hauptwerke Wagners unter derselben musikalischen Leitung, Regie und Bühnenbild als geschlossenes künstlerisches Ereignis innerhalb einer Woche.
- Aufführung von Barockopern wie Cleopatra e Cesare, Croesus, L'opera seria und Griselda unter der Leitung von René Jacobs mit der Akademie für Alte Musik Berlin und dem Freiburger Barockorchester auf historischen Instrumenten.
- Gerade das langjährige Engagement von Daniel Barenboim, der das Opernorchester Unter den Linden zu großem Renomee geführt hat, lässt Kritiker allerdings auch von einer Erstarrung reden, die mit wenig innovativem Inszenierungsstil des gegenwärtigen Intendanten (dessen Inszenierungen z.T. abgesetzt werden mussten), gleichförmig repräsentativer Ästhetik und dem Setzen von "Glanzpunkten" durch Celebrity-Regisseure einhergeht. So wird befürchtet, dass das Haus bei einem Weggang Barenboims künstlerisch vor dem Nichts stehen könnte.
Gastspiele
Auswahl von Gastspielen der Staatsoper:
- 1995: Jerusalem
- 1996: Paris
- 1997: Paris
- 1997: Japan
- 2000: Madrid
- 2001: Madrid
- 2002: Japan (Yokohama und Tokio)
- 2002: Madrid
- 2003: Madrid
Literatur
- Rold Hosfeld, Boris Kehrmann, Rainer Wörtmann: Friedrichs Traum. Die Berliner Staatsoper Unter den Linden. Metz, Hamburg 2000, ISBN 3-9805563-6-0
- Georg Quander (Hrsg.): 250 Jahre Opernhaus Unter den Linden. Apollini et musis. Propyläen, Frankfurt am Main und Berlin 1992, ISBN 3-549-05209-X
- Louis Schneider: Geschichte der Oper und des königlichen Opernhauses in Berlin. Duncker und Humblot, Berlin 1852 (Digitalisat)
Weblinks
- Offizielle Homepage der Staatsoper Unter den Linden Berlin (deutsch- und englischsprachig)
- Eintrag zu Staatsoper Unter den Linden (Obj.-Dok.-Nr. 09095952) in der Berliner Landesdenkmalliste mit weiteren Informationen
- Berlin: Staatsoper Unter den Linden (englischsprachig) - mit diversen zeitgenössischen Postkartenmotiven
- Fotos von der Open-Air-Opernaufführung Mavra und dem Feuerwerk der Staatsoper unter den Linden 2002 - Fotoserie von Steffen Siebert.
- Wissenswertes über die Freunde und Förderer der Staatsoper Unter den Linden.
- Zeitungsartikel zu den Sanierungsplänen