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Wunderblutkirche (Bad Wilsnack)

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Wunderblutkirche, West- und Südseite
Das Kleverschusskreuz in Lübeck wies Pilgern den Weg zur Wallfahrtskirche

Die Wunderblutkirche St. Nikolai in Bad Wilsnack in der brandenburgischen Prignitz war bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts das berühmteste Wallfahrtsziel in Nordeuropa.

Grund war die Entdeckung dreier unversehrter Hostien nach einem Brand im Jahre 1383. Mehr als 170 Jahre lang wanderten hunderttausende Pilger auf mehreren Wallfahrtswegen nach Wilsnack, um das Heilige Blut zu besuchen. Diese Pilgerbewegung fand im Jahre 1552 ein jähes Ende, als der erste evangelische Pfarrer von Wilsnack, Joachim Ellefeld, die Überreste der Wunderbluthostien verbrannte.

Heute ist die Wunderblutkirche das Wahrzeichen des Kurortes Bad Wilsnack in der Prignitz und als "Offene Kirche" täglich für Besucher geöffnet. Der gleichnamige Förderverein setzt sich für den Erhalt der Kirche als kultur- und kirchengeschichtliches Denkmal ein und organisiert unter anderem Wanderungen auf dem alten Pilgerweg von Berlin nach Bad Wilsnack. In der Hansestadt Lübeck erinnert das Kleverschusskreuz, ein Wegekreuz aus dem Jahr 1436, bis heute an die Pilger, die sich von dort auf den Weg nach Wilsnack machten.

Geschichte

1383 setzte der Ritter Heinrich von Bülow Wilsnack samt seiner Kirche und einige andere Dörfer in Brand. In der Ruine fand anschließend der Priester Johannes Cabbuz drei Hostie, unverbrannt und rot gefärbt. Der Bischof Dietrich II. von Man in Havelberg bestätigte ein Hostienwunder. Wilsnack wurde zum zentralen Wallfahrtsort in Nordeuropa und zum fünfbedeutendsten Wallfahrtsziel des christlichen Abendlandes überhaupt. 1384 erhielt Wilsnack den ersten Ablassbrief von Papst Urban VI. Der Wiederaufbau der Kirche zur ersten Wallfahrtskirche wurde begonnen. 1396 kamen die ersten in Havelberg gegossenen Pilgerzeichen in Wilsnack auf den Markt. 1403 wandte sich Jan Hus gegen die Verehrung des Wunderblutes. Das Mitglied der Magdeburger Synode, der Theologe Heinrich Tocke, begutachtete 1443 die Bluthostien. Er stellte fest, dass nur noch ein Gemisch von Krümeln und Spinnweben vorhanden war.

Der Erweiterungsbau der Wilsnacker Kirche wurde vermutlich im Jahr 1446 begonnen. Papst Eugen IV. nahm 1447 in zwei Bullen positiv Stellung zum Wilsnacker Hostienkult. Ein niederländischer Adliger stiftete 1461 das Fenster im Nordquerschiff. Der Wunderblutschrein, das Fresko Christophorus, die bunten Fenster, Altäre und Skulpturen stammen aus der Zeit nach 1460. Den dreiteilige Altar stiftete Kurfürst Friedrich II.. Mit der Reformation nahm 1517 die Zahl der Wallfahrer ab. 1520 verbreitete der Verlag des Lübecker Buchdruckers Steffen Arndes Drucke der Wilsnacker Legende (Historia inventionis et ostensionis vivifici Sacramenti), ebenso ein Jahr später Ludwig Dietz in Rostock[1] Der erste evangelische Pfarrer von Wilsnack, Joachim Ellefeld, übergab 1552 die Reste der so genannten Bluthostien dem Feuer. Er wurde zunächst auf der Plattenburg inhaftiert und dann des Landes verwiesen. Die Wallfahrt nach Wilsnack war damit beendet.

Friedrich Christoph von Saldern erteilte 1782 dem Orgelbaumeister Adam Heinrich Rietz aus Magdeburg den Auftrag zum Bau einer Orgel. 1825 wurde in der Kirche der kleine Altar gebaut, weil der große im hohen Chor von der Gemeinde zu weit entfernt war. Auf Anordnung des Kronprinzen Friedrich wurden 1881 die Buntglasfenster restauriert.

Architektonische Besonderheiten

Die Baugeschichte ist noch nicht abschließend geklärt, die Bauzeit erstreckte sich wohl vom Ende des 13. Jahrhunderts (Vorgängerbau) durchgängig bis kurz vor der Reformation mit dem Schluss des Langhauses 1525. Erbaut wurde die Kirche als wuchtige, dreischiffige Hallenkirche im Stil der norddeutschen Backsteingotik. Das kurze, unvollende Langhaus von drei Jochen schließt im ersten Joch den rechteckigen Turm eines Vorgängerbaues ein. Das Querschiff liegt mittig zwischen Langhaus und Chor mit östlich dahinter liegenden Kapellen. Die Wunderblutkapelle befindet sich am südlichen Teil des Querschiffs. Der Chor hat einen halbrunden 5/10-Schluss. Erhalten sind Glasmalereien aus dem späten Mittelalter. Der Hochaltar besteht aus drei verschiedenen und übereinander geschichteten Retabeln.

Veranstaltungen

Literatur

  • Cornelia Aman: Die Glasmalereien der Wilsnacker Nikolaikirche, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Prignitz, Band 4 (2004), S.5-77 (Digitalsiat)
  • Folkhard Cremer: Die St. Nikolaus- und Heiligblutkirche zu Wilsnack 1383-1552. Eine Einordnung ihrer Bauformen in die Kirchenarchitektur zwischen Verden und Chorin, Doberan und Meißen im Spiegel bischöflicher und landesherrlicher Auseinandersetzungen. 2 Bände, München: scaneg 1996 (Beiträge zur Kunstwissenschaft; Bd. 63), zugl.: Marburg, Univ., Diss., 1994, ISBN 3-89235-063-9 1996,
  • Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Brandenburg. Berlin, München 2000, ISBN 3422030549, S. 37-40.
  • Hartmut Kühne; Anne-Katrin Ziesak (Hrsg.): Wunder – Wallfahrt – Widersacher. Die Wilsnackfahrt. Verlag Friedrich Pustet 2005.
  • Matthäus Ludecus: Historie von der Erfindung, Wunderwerken und Zerstörung des vermeintlich heiligen Blutes zu Wilssnagk. Wittenberg 1586.

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Hartmut Kühne: "Ich ging durch Feuer und Wasser..." Bemerkungen zur Wilsnacker Heilig Blut - Legende. Halle 1999, Digitalisat

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