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Bobath-Konzept

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Das Bobath-Konzept ist ein rehabilitativer Ansatz in der Therapie und Pflege von Patienten mit Schädigungen des Gehirns oder des Rückenmarks. Benannt ist es nach ihren Entwicklern Berta Bobath (1907–1991), einer Physiotherapeutin und ihrem Ehemann, dem Neurologen Karel Bobath (1906–1991).

Die Grundlagen

Das Konzept beruht auf der Annahme der „Umorganisationsfähigkeit“ des Gehirns, das heißt dass gesunde Hirnregionen die zuvor von den erkrankten Regionen ausgeführten Aufgaben neu lernen und übernehmen können. Häufig sind bei traumatischen Hirnschädigungen nicht die eigentlichen Kontrollzentren zerstört, sondern Verbindungswege unterbrochen, die durch konsequente Förderung und Stimulation des Patienten von Seiten aller betreuenden Personen neu gebahnt werden können. Insbesondere nach einem Schlaganfall bei halbseitig gelähmten Menschen (Hemiplegikern) kann das Konzept gute Erfolge in der Rehabilitation erzielen. Es muss jedoch kritisch angemerkt werden, dass das Bobath-Prinzip im Gegensatz zu anderen Therapien, wie zum Beispiel der Forced Use Therapy (FUT) bisher nicht durch wissenschaftliche Studien als signifikant wirksam eingestuft werden konnte.

Hemiplegiker neigen häufig dazu, ihre gelähmte (mehr betroffene) Seite zu vernachlässigen, bis hin zur völligen Leugnung (neglect) und dafür ihre Einschränkungen um so mehr mit ihrer beweglichen (weniger betroffenen) Hälfte zu kompensieren. Solche einseitigen Bewegungen helfen dem Patienten jedoch nur vordergründig, da die mehr betroffene Seite nicht die Möglichkeit erhält, neue Informationen zu empfangen und zu verarbeiten. Das Gehirn kommt also gar nicht in Verlegenheit, sich umzustrukturieren. Statt dessen besteht auf Grund asymmetrischer Bewegungen eher die Gefahr, schmerzhafte Spastiken zu entwickeln.

Das Hauptprinzip des Bobath-Konzepts bezieht dagegen die mehr betroffene Körperseite immer wieder in Alltagsbewegungen ein, indem sie sensorisch stimuliert, um sie in ihren Bewegungen mit der weniger betroffenen Körperhälfte in Einklang zu halten.

Die Begründer

Berta Bobath (* 1907) hat als Physiotherapeutin erkannt, dass sich Spastik durch verschiedene Bewegungen und Positionen beeinflussen ließ. Ihr Mann Karel [1] hat ihr darin zunächst widersprochen und musste anhand seiner Studien feststellen, dass sie doch Recht hatte.

Das Konzept existiert seit Anfang der 1940er Jahre. Zunächst wurden Säuglinge und Kinder mit angeborenen Bewegungsstörungen „nach Bobath“ behandelt. Es fußt auf dem Verständnis für die Entwicklungsphysiologie und der Neurophysiologie. Die Bobaths erkannten die Möglichkeiten, die sich durch die Plastizität des Gehirns ergeben. Verloren gegangene Funktionen, zum Beispiel nach einem Schlaganfall, können durch Vernetzung und Intensivierung anderer Hirnbereiche wiedererlangt werden. Hierzu werden Bewegungssequenzen durch repetitives Üben (ständiges Wiederholen) wieder "eingeschliffen". Das heißt, es werden intakte Verbindungen (Synapsen) zwischen den Nervenfasern rekrutiert, so dass neuronale Funktionsverbände aufgebaut werden, um die motorische Funktion herzustellen.

Ziele und Verlauf

Ziel der Therapie ist es, verloren gegangene senso-motorische Funktionen, wie das Gehen oder das Anziehen von Kleidungsstücken, wieder anzubahnen. Eine Kompensation wird erst in einem späten Stadium der Rehabilitation in Betracht gezogen, wenn nicht mehr zu erwarten ist, dass die Funktion zurückerlangt werden kann. Die Behandlung soll in den täglichen Tagesablauf einbezogen werden. So wird das Waschen und Ankleiden bereits zur Therapie.

Zu Beginn einer erworbenen Hirnerkrankung ist die Muskulatur schlaff, wird aber oft im Laufe weniger Wochen mehr oder weniger spastisch (krankhaft erhöhte Spannung). Ganze Körperabschnitte werden in ein typisches spastisches Muster gezogen und unterliegen nicht mehr der Eigenkontrolle. Der Patient lernt in der Therapie, diesen Tonus günstig zu beeinflussen.

Heute behandeln Therapeuten und Pfleger aus verschiedenen Therapie- und Pflegerichtungen, insbesondere Physio- und Ergotherapeuten sowie Logopäden, nach dem Bobath-Konzept. Neben Säuglingen und Kindern werden Erwachsene, das heißt auch Menschen nach Abschluss der Hirnreife, behandelt. In Reha-Einrichtungen gibt es ganze Teams, inkl. Ärzte, Therapeuten und Pflegepersonal, die das Konzept aufgegriffen haben und versuchen, es ganzheitlich im 24-Stunden-Management zu betreiben.

Anmerkungen

  1. 14.03.1906 geboren in Berlin (ungarische Abstammung, Elternhaus in Prag): 1932 erstes ärztl. Staatsexamen in Berlin, Opfer von dt. Verfolgungsmaßnahmen; 1939 nach der Annexion der Tschechoslowakei Flucht von dort nach England; 1941 Heirat in London, ein Sohn; 1951 Gründung eines privaten Zentrums zur Behandlung von Patienten mit zerebralen Bewegungsstörungen; 1958 kommen sie nach langer Zeit erstmals nach Deutschland; 1991 gemeinsamer Freitod am 20.1.1991 in London.

Siehe auch

Literatur

  • Bettina Paeth Rohlfs: "Erfahrungen mit dem Bobath Konzept" Grundlagen, Behandlung, Fallbeispiele; 2. Auflage, Thieme 2005 - "Experiencias con el Concepto Bobath" Fundamentos, Tratamientos y Casos; 2ª edición, Panamericana médica 2006
  • Birgit Dammshäuser: Bobath-Konzept in der Pflege. Grundlagen, Problemerkennung und Praxis ( mit DVD zu den Handlings). Elsevier, Stuttgart. 2005, 200 S. ISBN 3-437-26740-X
  • Herma Purwin, S. Korte, M. Längler: Handlings nach Bobath am Beispiel der Hemiplegie. Begleitbuch für Unterricht und Pflegealltag. Verlag Vincentz Network, Hannover - 3. A. 1999. 75 Seiten. ISBN 3878706022
  • Carina Schmelzle et al.: Gestern noch richtig - heute ein Pflegefehler? In: Pflegezeitschrift, Heft 4/2004, S. 233-236
  • Lothar Urbas, 1996: Pflege eines Menschen mit Hemiplegie nach dem Bobath-Konzept 2. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, ISBN 3-13-113802-5 (veraltet, auch in der unveränderten Auflage von 2005)
  • Reinhard Lay: Was gibt es Neues im Bobath-Konzept? In: Die Schwester/Der Pfleger, Heft 6/2007, S. 488-494