Dain, Dwalin, Duneyr und Durathror
Dain, Dwalin, Duneyr und Durathror sind die vier Hirsche der nordgermanischen Mythologie am Weltenbaum Yggdrasil.
Etymologie
Die Namen der Hirsche sind nur zum Teil sicher erklärbar.
- Dain, altnord. Dáinn, heißt "gestorben".[1]
- Dwalin, altnord. Dvalinn, ist schwer deutbar. Es könnte von altnord. dvala „verzögern“[2] stammen. Eine Deutung lautet demnach „Der Langsame, der Schlafende“.[3] Es gibt aber auch die Deutungen „taub, gefühllos“ oder „Trödler, Tagedieb“.[4] In den Thulur wird er auch Dvalarr genannt.
- Duneyr, altnord. Duneyrr, ist sehr schwer deutbar. Eine Deutung lautet "Feuergänger"[5], eine andere „Dunkelohr“[6], eine weitere “Der mit den daunigen Ohren”[7].
- Die Bedeutung des Namens Durathror, altnord. Duraþrór, ist gänzlich unklar.[8] Das Wort bildet sich vielleicht aus altnord. dura “schlummern”, durr „Schlummer“ oder dur „Stille“ und altnord. þrór „Zwerg, Eber, Schwert, Gedeihlicher (Odinsname)".[9] Es bieten sich alle Kombinationsmöglichkeiten zur Deutung an. Vorgeschlagen wird zum Beispiel „Schlummer-Eber“.[10]
Rolle am Weltenbaum
Die vier Hirsche werden in zwei Paaren genannt: Dain und Dwalin, Duneyr und Durathror. Sie äsen mit "zurückgebogenen Hälsen" an den "Ausschüssen" (Blättern und Trieben) des Weltenbaums (Edda: Grimnismal, Strophe 33) und machen dadurch "seine Seite hohl" (Edda: Grimnismal, Strophe 35), das heißt: sie lichten, entlauben ihn. An selber Stelle wird darüber gesagt: "Die Esche Yggdrasil duldet Unbill, mehr als Menschen wissen." Mehr erfahren wir über die Hirsche nicht.
Dain und Dwalin sind auch die Namen zweier Zwerge, die in der Edda genannt sind (Edda: Gylfaginning, 14). Ob ein Zusammenhang zwischen den Hirschnamen und den Zwergnamen besteht, ist nicht bekannt.
Deutung
Mangels klarer Aussagen der Edda bleibt jede Deutung der Hirsche Spekulation. Es stehen für die Deutung nur die Bedeutungen der Namen, ihr Tun am Weltenbaum, spärliche Aussagen der Edda zu Hirschen im Allgemeinen und allgemeine Bedeutungen des Hirsches als Symbol und die Naturbeobachtung zur Verfügung.
Der Hirsch ist schon in der Steinzeit ein wichtiges und sinnbildhaftes (Jagd-) Tier für den Menschen gewesen. Für den Jäger blieb er es durch alle Zeiten bis heute.
Naturbeobachtung: Den Menschen beeindruckte das majestätische Geweih des Hirschen (König des Waldes, König der Tiere), sein Brunftverhalten (Platzhirsch, Hirschröhren) und der Jahreszyklus des Geweihs (Leben-Tod-Wiederleben): Im Februar 'Hornung' stößt er sein Geweih ab und der Leithirsch verliert seine Führungsrolle, die Leithinde übernimmt die Führung durch die Sommerzeit; über das Jahr bildet er ein neues und größeres Geweih aus und gebraucht es in der Brunftzeit (Herbst) um im Kampf den ersten, den Leithirsch, unter seinesgleichen zu bestimmen - dann übernimmt der Leithirsch die Führung des Rudels durch die Winterzeit.
- Durch sein Geweih ist der Hirsch der Herr des Waldes, Herr der Tiere. "Wie hoch der Hirsch ragt über Hasen und Füchse (...)" (Edda: Gudrunarkvida önnur, Strophe 2). In den waldreichen Zeiten von früher somit auch ein Herr der Natur. Seinem Geweih wohnt große Kraft inne. Der Gott Freyr erschlägt den Riesen Beli mangels Schwert mit einem "Hirschhorn" (Hirschgeweih) (Edda Gylfaginning, 37). Das Horn galt auch als Träger sexueller Kraft und Mittel zu sexueller Potenz.
- Weil der Leithirsch die Hirsche durch die dunkle Winterzeit (Tod der Natur) führt, ist er der Wiederbringer der Sonnenkraft (Lebenskraft) und damit der Natur im neuen Jahr. Somit ordnete man bei den Germanen den Hirsch der Sonne zu[11] (Sonnentier, Geweih als Sonnenstrahlen). "Den Sonnenhirsch sah ich von Süden kommen, von zwein am Zaum geleitet; auf dem Felde standen seine Füße, die Hörner hob er zum Himmel." (Edda: Solarliod, 55) Der Hirsch ist das alte Zugtier des Sonnenwagens bei den Germanen[12] (aber auch z.B. im Artemiskult der Griechen[13]), erst später übertrug der Mensch diese Aufgabe auf das Pferd.
- Weil er die Hirsche durch den lichtlosen Winter führt (Todeszeit), ist er zugleich auch Seelenführer.[14] „Tote wurden ehemals in Hirschhäuten transportiert."[15]
- Durch den Geweihzyklus wurde er auch Sinnbild des Laufs der Jahreszeiten und somit Sinnbild von Tod und Wiederkehr.[16] Ausgedrückt wird das in der Edda vielleicht durch die vier Namen der Hirsche: gestorben --- Schlaf (Tod = Schlafes Bruder) --- Feuergänger (Wiederauferstehen durch die Sonnenkraft) --- Gedeihen aus dem Schlaf (dem Tod). Die vier Hirsche am Weltenbaum deutet man auch als Bilder für die Jahreszeiten. Das Abfressen wird gedeutet für Knospen = Stunden, Blüten = Tage und Zweige = Jahreszeiten.[17]
Somit sind die vier Hirsche wohl als Sinnbilder des Jahreslaufs, des Vergehens und Werdens, von Tod und Wiederkommen, zu verstehen. Sie nehmen von der Lebenskraft des Baums (Fressen der Blätter) und schädigen ihn auch dadurch (was die Natur erzeugt, wird von der Natur gefressen), aber der Weltenbaum duldet es (Fressen und Gefressen werden ist Teil der Natur) und treibt neue Blätter aus (Wiedererneuerung durch die Lebenskraft).
Weitere Hirschbezüge bei den Germanen
- Nordische Mythologie: Der Hirsch Eikthyrnir am Baum Lärnad.
- Das Elch?bruderpaar der Naharnavaler, die Alcis.
- Die Rune algiz/elhaz
- Allgemein sei noch auf den keltischen Cernunnos und auf die Wikipedia-Seite Hirschgott verwiesen.
Einzelnachweise
- ↑ Köbler, Gerhard; Altnordisches Wörterbuch, 2. Aufl., 2003 - Lindow, John; Handbook of Norse Mythology; USA; 2001; S. 96; ISBN 1576072177 - Simek, Rudolf; Lexikon der germanischen Mythologie; Kröner; 3. Aufl.; 2006
- ↑ Köbler, Gerhard; Altnordisches Wörterbuch, 2. Aufl., 2003
- ↑ Simek, Rudolf; Lexikon der germanischen Mythologie; Kröner; 3. Aufl.; 2006 - vgl. Lindow, John; Handbook of Norse Mythology; USA; 2001; S. 98; ISBN 1576072177, der als Bedeutung „delayed“ angibt.
- ↑ Internet: http://www.cybersamurai.net/Mythology/NorseMyth.htm am 27.10.2007
- ↑ Köbler, Gerhard; Altnordisches Wörterbuch, 2. Aufl., 2003
- ↑ Lindow, John; Handbook of Norse Mythology; USA; 2001; S. 98; ISBN 1576072177: „The name appears to mean ‘dark-ear’.”
- ↑ Simek, Rudolf; Lexikon der germanischen Mythologie; Kröner; 3. Aufl.; 2006
- ↑ Lindow, John; Handbook of Norse Mythology; USA; 2001; S. 98; ISBN 1576072177
- ↑ Köbler, Gerhard; Altnordisches Wörterbuch, 2. Aufl., 2003
- ↑ Simek, Rudolf; Lexikon der germanischen Mythologie; Kröner; 3. Aufl.; 2006
- ↑ Herrmann, Paul; Deutsche Mythologie; 1898; neu aufgelegt im Aufbau Verlag; 8. Aufl.; 2007; S. 116
- ↑ Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens; Bd. 4, S. 90
- ↑ Kerényi, Karl; Die Mythologie der Griechen, 2 Bd.e; dtv-Verlag; 11. Aufl.; 1988; Bd. 1, S. 111 f. und Herder-Lexikon; Symbole; 5. Aufl.; 1989; Stichwort "Hirsch"
- ↑ Die Seelenführereigenschaft: Herder-Lexikon; Symbole; 5. Aufl.; 1989; Stichwort "Hirsch"
- ↑ Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens; Bd. 4, S. 93-94
- ↑ Die Tod-und-Wiederkehr-Eigenschaft: Herder-Verlag; Lexikon der Symbole; Stichwort "Hirsch"
- ↑ Döbler, Hansferdinand; Die Germanen; Gondrom Verlag; 1992; S. 140, Stichwort "Hirsche"