Gaudeamus igitur
Gaudeamus igitur (lat. „Lasst uns also fröhlich sein!“), auch bekannt unter dem Titel De brevitate vitae (lat. „Über die Kürze des Lebens“), ist ein Studentenlied mit lateinischem Text und gilt als das berühmteste traditionelle Studentenlied der Welt. [1] Es ist in vielen Ländern Europas, in der angelsächsischen Welt sowie in Teilen Asiens und Lateinamerikas bekannt. Teilweise gibt es auch Übersetzungen in die jeweiligen Landessprachen. Seit dem 18. Jahrhundert gibt es auch verschiedene deutschsprachige Versionen.
Die ersten Textspuren dieses Liedes finden sich im Mittelalter. In den nächsten Jahrhunderten tauchen weitere Hinweise auf dieses Lied in der Literatur auf, die vermuten lassen, dass zumindest Textpassagen über einen langen Zeitraum hinweg in der mündlichen Überlieferung weitergetragen worden sein müssen. Literarisch von Christian Wilhelm Kindleben bearbeitet erscheint der Text im ersten gedruckten studentischen Liederbuch von 1781 [2] und wird im 19. Jahrhundert zu einem prominenten Bestandteil studentischer Liederbücher im deutschsprachigen Raum, aber auch in anderen Ländern.
Die Melodie erscheint 1788 erstmals im Druck und wird seitdem fest mit dem Text Gaudeamus igitur verknüpft. Text und Melodie bilden heute eine Einheit und erfreuen sich in vielen Ländern der Welt hoher Wertschätzung in akademischen Kreisen.

Liedtext
Wortlaut lateinisch/deutsch
Lateinisches Original
(Kindleben, 1781) |
Moderne deutsche Übersetzung
(Wikipedia) |
Deutsche Nachdichtung
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Worterklärungen
- Musenthron, Musensohn: Die Musen galten in der Antike als die Beschützerinnen von Kunst und Wissenschaft, deshalb wurde der Student im 18. Jahrhundert als Musensohn bezeichnet, analog ist der Musenthron die Universität und die Musenstadt die Universitätsstadt.
- Nummos: Akkusativ Plural von lat. nummus, „die Münze“, hier im Sinne von „Geld“, „finanzielle Unterstützung“.
- Vivat, pereat, : Vor allem in der Frühen Neuzeit verwendete Hoch- bzw. Schmährufe. Vivat ist im Lateinischen die 3. Person Singular, Konjunktiv, Präsens, Aktiv von vivere, „leben“, also übersetzt „er möge leben!“, pereat die gleiche grammatikalische Form von lat. perire, „untergehen“; Pereat war im 18. Jahrhundert bei Studenten auch eine beliebte Provokation zu einem Rencontre, einem spontanen Duell mit Fechtwaffen.
- Bursche: Von lat. bursarius, „Bewohner einer Burse“, im 18. Jahrhundert allgemein übliche Bezeichnung für einen Studenten.
Melodie

Das Lied lässt sich in drei Teile gliedern (siehe auch Liedform), wobei die Harmonik einfach gehalten ist. Die ersten vier Takte kommen mit den drei Grundfunktionen der Tonika, Subdominante und Dominante aus.
Takt 5 beginnt nach der Wiederholung der ersten vier Takte auf der Dominante, und beschränkt sich bis Takt 8 gar auf Tonika und Dominante.
Der letzte Abschnitt (Takt 9 bis 12) ist harmonisch gewagter, und verwendet Parallelklänge. Takt 10 bringt die Großterzmediante der Tonika nach oben (Tg7) und die Mollparallele (Tp). Takt 11 verwendet die Mollparalelle der Subdominante (Sp). Die beiden Mollakkorde in Takt 10 und 11 fallen dabei bezeichnenderweise auf die Worte ... nos habebit humus (deutsch: „... wird uns die Erde haben“).
Die hier angeführte Harmonik beruht allerdings auf heutigen Fortschreibungen und Vermutungen und muss nicht früherer Musizierpraxis entsprechen. So wären auch andere Harmonisierungen möglich, wie zum Beispiel es-moll anstatt c-moll in Takt 11.
- Takt 1 - 4: | T | S | D7 | T |
- Takt 5 - 8: | D | T - D | D | T - D |
- Takt 9 - 12: | T - S | T - Tg7 - Tp| T - S - Sp | T - D7 - T |
Die verwendeten Intervalle kommen den Bedürfnissen von Laienmusikern entgegen. Die Fortschreitung in Sekundschritten (26 mal) dominiert neben dem Terzintervall (7 mal). Daneben wird am Anfang nur zweimal das Intervall der Quarte verwendet, sowie dreimal die Sexte (zweimal aufsteigend in Takt 9 und 11, sowie einmal absteigend im letzten Takt).
Das Lied erhält durch die häufig verwendete Punktierung rhythmischen Schwung. Während die Takte 1 bis 4 und 5 bis 8 große Ähnlichkeit aufweisen (Takt 5 - 8 ist eine Variante von Takt 3 und 4), heben sich die vier Schlusstakte mit ihrer erweiterten Harmonik, den Sextsprüngen, und den durchlaufenden Vierteln deutlich ab. Die Steigerung zum Liedende wird durch die erst jetzt erreichten Spitzentöne (e in Takt 9 und 11, sowie f in Takt 12) unterstrichen.
Das Lied ist a cappella, mit einfacher Dreiklangsbegleitung, oder im mehrstimmigen Satz, wie in folgendem Beispiel, anzutreffen.

Die Harmonik ist hier gegenüber dem obigen Beispiel etwas verändert. Die Subdominante in Takt zwei ist durch die Folge S - Smaj7 und die dazugehörige Mollparallele erweitert. In Takt vier ist zur Dominante D7 die Subdominante S7 eingeschoben.
- Takt 1 - 4: | T | S - Smaj7 - Sp | D7 - S7 - D7 | T |
Überlieferungsgeschichte
Bezug auf die Antike
Der eigentliche Titel des Liedes De brevitate vitae ist seit der Antike bekannt als Titel einer philosophischen Abhandlung des römischen Schriftstellers Lucius Annaeus Seneca (4 v.Chr. - 65 n. Chr.), welcher der philosophischen Schule der Stoa anhing. In seinem Traktat „Über die Kürze des Lebens“ [4] legte er seine Auffassung dar, dass das Leben nur denjenigen Menschen zu kurz erscheint, die ihre Lebensspanne nicht richtig nutzen, sondern ihre Zeit mit unwürdigem Tun verschwenden. [5] [6] Da zu der universitären Ausbildung in der Frühen Neuzeit auch die intensive Auseinandersetzung mit antikem Schrifttum gehörte, kann davon ausgegangen werden, dass diese Schrift von Seneca den Studenten bekannt war und die Bezugnahme absichtlich geschah.
Spuren im Mittelalter
Die ältesten Belege für einzelne Passagen des Liedtextes finden sich in einem einstimmigen Conductus mit dem Titel Scribere proposui (Ich habe mir vorgenommen zu schreiben), der in einem Manuskript aus dem Jahre 1267 in der Bibliothèque Nationale in Paris erhalten ist. Dieses Manuskript wurde vermutlich in England geschrieben und enthält mehrere französische Texte sowie einige Blätter mit Liedern, wohl englische Kompositionen.[7] Scribere proposui bietet in den Strophen II und III enge textliche Parallelen zu den Strophen II und IV von Kindlebens Fassung, aber die Formulierung Gaudeamus igitur erscheint noch nicht. Auch der Bau der Strophe ist verschieden und die im Manuskript wiedergegebene Melodie weist mit der heute gesungenen keine Ähnlichkeit auf.
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Die Frage in der vierten Strophe ist ein verbreitetes Motiv der mittelalterlichen Dichtung, wenn es um die Vergänglichkeit des Lebens geht. Siehe dazu auch: Ubi sunt.
Spuren in der Frühen Neuzeit
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben schrieb in seiner Abhandlung über das Lied Gaudeamus igitur aus dem Jahre 1872 [8], er habe „in einer Handschrift des 16. Jahrhunderts“ unter dem Titel Hymnus Paranymphorum io io io io ein Spottlied auf die Heirat von Martin Luther im Jahre 1525 gefunden, bei dem sich ihm die Frage stellte, ob „dasselbe nicht auf die Melodie des Gaudeamus igitur gedichtet sein“ könnte. Die Handschrift und der Text sind anderweitig nicht mehr bekannt. Nach der Darstellung Fallerslebens handelte es sich um ein Lied mit 54 Zeilen, gegliedert in (demnach 18) Strophen zu je drei vierhebigen Trochäen, der letzte davon katalektisch (mit fehlender unbetonter Schlußsilbe). Dem Lied vorangestellt sind außerdem zwei Verse mit metrisch unklarer, nur gewaltsam ebenfalls als Trochäus deutbarer Struktur, die offenbar wie ein Refrain zu Beginn jeder Strophe wiederholt werden sollen:
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Signifikante textliche Übereinstimmungen sind nicht festzustellen, da das übereinstimmende Gaudeamus letztlich von einer bei beiden Liedern im Hintergrund zu sehenden, traditionellen liturgischen Formel (Gaudeamus omnes) vorgeprägt ist. Auch das Metrum weist nur eine entfernte Ähnlichkeit auf, da in Gaudeamus igitur die beiden jeweils gereimten vierhebigen Trochäen nicht von einem vierhebigen katalektischen Trochäus, sondern von einem dreihebigen akatalektischen Trochäus beschlossen werden. Da der ältere Text nicht vollständig vorliegt, lässt sich auch nicht beurteilen, ob die inhaltliche Entwicklung vom ironisch jubelnden „Gaudeamus“ („Jubel“ darüber, dass Luther seiner Lehre wider den Zölibat nun die Tat hat folgen lassen) des Beginns zum sarkastischen „Vale“ des Endes lediglich zufällig an den entfernt ähnlichen Aufbau von Gaudeamus igitur („Gaudeamus“ - „Vivat“ - „Pereat“) erinnert.

Ein demgegenüber mit Gaudeamus igitur eindeutig verwandtes deutsches Lied, Brüder lasst uns lustig sein, wurde von Johann Christian Günther mutmaßlich um 1717 verfasst und ohne Musik erstmals abgedruckt in einer der postumen Sammlungen von Günthers Gedichten. Das Lied wird auf eine (nach Angabe des Liederbuchs bereits „vor 1717“ entstandene) Moll-Variante der Melodie gesungen. [10] Für eine frühere Entstehung beziehungsweise eine bewusst archaisierende Setzweise der Melodie spricht auch der Quartvorhalt auf schwerem Taktteil in Takt 2, sowie die ausgelassene, nach 1600 aber unerlässliche Terz im Schlussakkord. [11]
- Brüder, laßt uns lustig sein,
- Weil der Frühling währet,
- Und der Jugend Sonnenschein
- Unser Laub verkläret;
- Grab und Bahre warten nicht;
- Wer die Rosen jetzo bricht,
- Dem ist der Kranz bescheret. [12]
Die älteste Version des lateinisch geschriebenen Textes, welche der der heutigen zumindest ähnlich ist, steht in einem handschriftlichen Studentengesangbuch, das zwischen 1723 und 1750 geschrieben wurde. Das Buch befindet sich heute in der Staatsbibliothek zu Berlin (früher Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, davor Westdeutsche Bibliothek Marburg). Nach Raimund Lang besteht die Melodie seit 1736. [13]
In der lateinisch abgefassten Abhandlung Dissertatio de norma actionum studiosorum seu von dem Burschen-Comment, dem 1780 veröffentlichten und damit ältesten bekannten Bericht über speziell studentische Gebräuche im deutschen Sprachraum, gibt es einen deutlichen Hinweis auf das Lied. Hier steht in der Einleitung:
- Dum relinquimus academias, relinquimus quoque iura nostra. „Hic Rhodus, his saltandum!“ „Gaudeamus itaque, Burschii dum sumus!“ Utamur nostris iuribus, praerogativis, immunitatibus!
In einer Übersetzung von Nikolaus Balger (Pseudonym) aus dem Jahre 1798 steht folgende Übersetzung:
- Indem wir die Universität verlassen, verlassen wir zugleich unsere Rechte. Was wir also thun wollen, muß bald geschehen. Gaudeamus itaque, juvenes, dum sumus! Lasset ns unsere Rechte, Vorzüge und Freyheiten gebrauchen!
Heutige Fassung erscheint im Druck

Die heute gebräuchlichste lateinische Fassung des Gaudeamus igitur steht zusammen mit einer Nachdichtung in deutscher Sprache in Christian Wilhelm Kindlebens Buch Studentenlieder, erschienen in Halle (Saale) im Jahre 1781.
Kindleben hatte in Halle Theologie studiert und führte danach ein unstetes Literatenleben mit wechselnden Anstellungen in verschiedenen Städten. Mit seinen literarischen Publikationen machte er sich teilweise unbeliebt. Seine Lebensweise galt als für einen Theologen zu anstößig.

Offensichtlich war das mündlich tradierte studentische Liedgut im 18. Jahrhundert noch von burlesken bis obszönen Inhalten geprägt, die Kindleben dazu veranlasst haben, den Text für eine Veröffentlichung im Druck anzupassen und von allen anstößigen Passagen zu bereinigen. Er schrieb speziell zu Gaudeamus igitur in seinem Liederbuch:
- Ich habe mich genöthigt gesehen, dieses alte Burschenlied umzuschmelzen, weil die Poesie, wie in den meisten Liedern dieser Art, sehr schlecht war; indeß hat es doch ziemlich sein antikes Ansehen behalten, obgleich einige Verse ganz weggelassen sind, wodurch der Wohlstand beleidigt wurde, und welche nach den akademischen Gesetzen nicht öffentlich abgesungen werden dürfen.
Er versuchte damit, einer erwarteten Zensur zuvorzukommen, hatte aber offensichtlich die Empörung unterschätzt, die eine Veröffentlichung der damaligen studentischen Underground-Literatur auslöste. Zudem publizierte Kindleben gleichzeitig auch noch sein Studentenlexicon, das sich mit der Erläuterung der zeitgenössischen Studentensprache befasste.
Mit diesen beiden Veröffentlichungen seiner Studentenlieder und seines Studentenlexicons, die er bei einem Aufenthalt in seiner alten Universitätsstadt Halle herausgab, überforderte er offensichtlich die Toleranz seiner Zeitgenossen. Der Prorektor der Universität Halle ließ ihn aus der Stadt ausweisen und die Auflage der beiden Werke beschlagnahmen. Heute sind nur noch wenige Exemplare im Original erhalten.
Die heute gesungene Melodie von Gaudeamus igitur erschien im Jahre 1788 zum ersten Mal im Druck, und zwar in dem Buch Lieder für Freunde der geselligen Runde, herausgegeben in Leipzig. Hier begleitet die Melodie allerdings den deutschen Text Brüder lasst uns lustig sein. Die Melodie wurde dann analog auf den lateinischen Text übertragen. Musik und lateinischer Text bildeten in der Folgezeit eine unlösbare Einheit, so das der Melodie seitdem die gleiche Bedeutung wie dem Text beigemessen wird.
Entwicklung zum weltweit bedeutendsten Studentenlied


Später gab es zahlreiche Bearbeitungen und Modernisierungen des Liedes, die sich – vermutlich aufgrund ihrer aktuellen Zeitbezüge – nicht langfristig durchsetzen konnten und in Vergessenheit gerieten. Der lateinische Text von Kindleben beruhte auf einer jahrhundertelangen mündlichen Überlieferung und war deshalb zeitloser. Er wurde mit nur geringfügigen Änderungen im 19. Jahrhundert in die neu entstehenden Kommersbücher übernommen, die nun als Liederbücher auf der studentischen Kneipe verwendet wurden. So im Tübinger Commersbuch von 1813, im Neuen Allgemeinen Commersbuch von Halle aus dem Jahre 1816 und im Berliner Commersbuch von 1817.
In der ersten Hälfte des Jahrhunderts waren es noch hauptsächlich revolutionäre und aufrührerische Anlässe, zu denen das Lied gesungen wurde. So erklang das Lied in der Silvesternacht 1828/29, als Studenten randalierend durch die Straßen von Göttingen zogen. Richard Wagner berichtete in seiner Autobiographie Mein Leben [14] von einer Szene während seines Studiums in Leipzig in den frühen 1830er Jahren. Nachdem einige Studenten während eines Straßenaufruhrs verhaftet worden waren, sammelten sich mehrere Gruppen von Studenten, um gemeinsam in Richtung Polizeigefängnis zu marschieren und ihre Kommilitonen zu befreien. Er erwähnte, dass die Studenten dabei Gaudeamus igitur intoniert hätten und dass ihn der Ernst der Szene beeindruckt habe.
Nach 1848 wandelte sich die Auffassung des Liedes rasch. Es wurde nicht nur zum festen Bestandteil des Liederkanons deutscher Studenten (Allgemeines Deutsches Kommersbuch), sondern erfreute sich aufgrund seines Alters auch einer außerordentlichen Wertschätzung. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts etablierte sich die traditionelle studentische Kultur des deutschsprachigen Raums zu einem wichtigen staatstragenden Element. Das Lied Gaudeamus igitur wurde zu einer akademischen Hymne, die zunehmend bei offiziellen akademischen Feiern gesungen oder vorgetragen wurde.
Die Popularität der lateinischen Originalversion von Kindleben erstreckte sich auch auf das Ausland. So wurde das Lied im Jahre 1888 anlässlich der 800-Jahrfeier der Universität Bologna zur „Studentenhymne“ erklärt. [15]
Das Lied findet auch noch in modernen Medien wie Film und Fernsehen einen Widerhall. So wird es auch in Filmmusiken eingesetzt. Am Ende der Jules-Verne-Verfilmung Die Reise zum Mittelpunkt der Erde (Originaltitel: Journey to the Center of the Earth) (1959) etwa wird der glücklich heimgekehrte Professor Oliver Lindenbrook (James Mason) von den Studenten seiner Universität mit dem Lied Gaudeamus igitur gefeiert.
Das Lied wird heute vor allem von Studentenverbindungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, sowie in den meisten östlichen und westlichen Nachbarländern gesungen. An der Katholischen Universität Löwen in Belgien ist das Lied offizieller Programmpunkt bei der Eröffnung des Akademischen Jahres, wo es in Gegenwart des Rektors gesungen wird.
An einigen US-amerikanischen Colleges und Universitäten ist das Lied auch bei Examensfeiern zu hören. So gehört es auch zum festen Repertoire des Studentenchors der Universität Yale, der entsprechende Aufnahmen auf Tonträgern veröffentlicht.
Das baltische studentische Gesangs- und Folklorefestival wurde im Jahre 1956 begründet und mit einem Umzug eröffnet, bei dem die „Studentenhymne“ Gaudeamus igitur gesungen wurde. Einige Jahre später wurde das Festival in Gaudeamus umbenannt. Es fand 50 Jahre nach der Erstveranstaltung im Sommer 2006 in Tartu insgesamt zum 15. Mal statt. Mit diesem Festival bekennt sich die akademische Jugend der baltischen Länder zu ihren nationalen Traditionen, die über die Zeit der sowjetischen Herrschaft bewahrt wurden.
Das deutsche „Kultliederbuch“ Das Ding, nach Verlagsangaben „der Bestseller unter allen Songbooks“ listet heute Gaudeamus igitur mit Melodie, Text und Gitarrenakkorden neben anderen „400 kultige[n] Hits aus Rock, Pop, Folk und Schlager“ als „Songs, die jeder kennt und mitsingen kann“.
Eine internationale Google-Suche findet im Jahre 2006 rund 225.000 Webseiten mit dem Stichwort Gaudeamus igitur aus sehr vielen Ländern.
Neubearbeitungen von Text und Musik
In den Jahren von 1813 bis 1815 gab es verschiedene Ansätze, das alte Lied durch ein „zeitgemäßeres“ zu ersetzen. Die bekannteste dieser neuen Versionen von Gaudeamus igitur stammte vom Leipziger Professor Wilhelm Traugott Krug, der seine Dichtung nach dem Erhalt der Nachricht vom Brande Moskaus 1812, der ersten großen Niederlage Napoleons, verfasste. In seinem Buch Meine Lebensreise, Leipzig 1825, berichtet er auf Seite 178:
- Das Erste, was ich nun that, war, daß ich meine alte, schon halb verrostete Leier von der Wand nahm, um meiner von allerlei Gefühlen überströmenden Seele in folgendem Doppel=Liedlein Luft zu machen.
Nach dem Abdruck beider Texte, lateinisch und deutsch, fuhr er fort:
- Dieses Gedicht durfte natürlich damal noch nicht gedruckt, viel weniger unter meinem Namen ausgegeben werden. Es lief nur namenlos in einzelnen Abschriften um. Denn die Franzosen herrschten noch bis zum Frühjahr 1813 in Leipzig. – Die Franzosen kannten meine Gesinnungen. – Sie hätten mich todt geschossen, wenn sie gewußt hätten, daß ich Verfasser jenes Gedichts war.
Lateinische Fassung | Deutsche Fassung |
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Die große Bedeutung des Liedes ist auch daran zu erkennen, dass Text und Melodie das Vorbild für zahlreiche Nachdichtungen und Neukompositionen vor allem während des 19. Jahrhunderts abgaben.

Es wird berichtet, dass Jenaer Studenten bei Aufführungen von Schillers Drama Die Räuber Verse des Räuber-Liedes (4. Akt, 5. Szene) sowie das Gaudeamus igitur anstimmten. Das Räuber-Lied mit dem Textanfang Ein freies Leben führen wir wurde auch auf eine modifizierte Melodiefassung des Gaudeamus igitur gesungen. [16] Diese Version regte wiederum zu einer weiteren 1850 veröffentlichten und inhaltlich durch revolutionäres Gedankengut dieser Ära geprägten Kontrafaktur an. [17]
Bereits im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts publizierte der Dresdner Hofkomponist Friedrich Schneider eine Festouvertüre für großes Orchester D-Dur, op. 84, beim Verlag C. Brüggemann in Halberstadt, die den Titel Gaudeamus igitur trägt. [18]
Bedřich Smetana verwendete im zweiten Marsch der ursprünglich nur für Klavier komponierten Three Revolutionary Marches von 1848 das Gaudeamus igitur. [19] [20]
Franz Liszt, der sich bei den deutschen Studenten großer Beliebtheit erfreute, hat das Lied im Laufe von Jahrzehnten mindestens dreimal bearbeitet. So komponierte er im Jahre 1843 eine Paraphrase mit dem Titel Gaudeamus! Chanson d'étudiants (deutsch: „Gaudeamus! Studentenlied“). Im Jahre 1870 erhielt er den Auftrag zu einer Komposition anlässlich der 100-Jahrfeier der Musikakademie Jena, für die er eine Humoreske und einen dramatischen Dialog Vor hundert Jahren verfasste. In beiden Stücken wurde die Melodie von Gaudeamus igitur verarbeitet. Die Paraphrase und die Humoreske wurden im Jahre 1995 vom amerikanischen Pianisten Leslie Howard für Tonträger eingespielt und sind bis heute erhältlich.
Als Johannes Brahms von der Universität Breslau den Ehrendoktortitel verliehen bekam, komponierte er aus diesem Anlass die im Jahre 1881 uraufgeführte Akademische Festouvertüre op. 80, in der Motive verschiedener Studentenlieder wie Wir hatten erbauet ein stattliches Haus, Fuchslied (Was kommt dort von der Höh), Alles schweige: Hört, ich sing das Lied der Lieder, und Gaudeamus igitur kontrapunktisch verarbeitet werden. Das Melodiezitat von Gaudeamus igitur bildete dabei den krönenden Abschluss im Finale.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es auch vereinzelte Hinzudichtungen mit Neukompositionen, in denen jeder Strophe des lateinischen Liedes eine neue Strophe in deutscher Sprache mit einer neuen Melodie vorangesetzt wurde. Diese neuen Texte sollten die alten Strophen aktualisieren und in das Licht einer neuen Zeit stellen.
So verfassten zum Beispiel im Jahre 1885 Adolf Katsch (Text) und Adolf Schlieben (Melodie) eine Erweiterung des Liedes mit dem Titel Hundert Semester. Der Inhalt des neuen Liedes handelt von einem alten Akademiker, der sich am Morgen seines 70. Geburtstages, also nach hundert Semestern, an seine Studentenzeit erinnert, indem er sich die einzelnen Aspekte des Studentenlebens anhand des lateinischen Liedes vor Augen führt. Gaudeamus igitur wird darin gepriesen als „das Lied der Lieder“. Auch diese Erweiterung steht bis heute in den Kommersbüchern und wird weiterhin gesungen. Der Anfang lautet:
Daneben gibt es auch moderne Bearbeitungen für Tanzorchester oder im Dixieland-Sound. Als Beispiel sei das Tanzorchester von Paul Godwin (Franz Baumann, Paul-Godwin-Ensemble: Gaudeamus igitur, Grammophon 21587) genannt [21].
Die Firma Berentzen hat die Melodie von Gaudeamus igitur für die Fernseh- und Radiowerbung mit dem Text „Komm zu uns, komm raus auf’s Land, hier wird Berentzen gebrannt“ versehen.
Aber auch bei akademischen Feiern wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weiterhin auf Gaudeamus igitur Bezug genommen. So verfasste der Schweizer Komponist Norbert Moret (1921-1998) für das hundertjährige Jubiläum der Universität Fribourg im Jahre 1990 eine Symphonie pour une fête académique („Symphonie für eine akademische Feier“), die in der Aula uraufgeführt wurde. [22] In der Symphonie wurden zwei musikalische Themen verarbeitet: die Melodie von Gaudeamus igitur und das Te Deum. Die Komposition stand ebenso wie bei Brahms in Zusammenhang mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde.
Referenzen
- ↑ Gisela Probst-Effah: “Gaudeamus igitur” - Ein Beitrag zum deutschen Studentenlied
- ↑ Konrad Burdach (Vorwort): Studentensprache und Studentenlied in Halle vor hundert Jahren, Cristian W. Kindleben, Cristian F. Augustin, Deutscher Abend in Halle, Verlag Fliegenkopf, Halle, Reprint der Ausgabe von 1894), 2000, ISBN 3910147003
- ↑ Johann Christian Christoph Rüdiger: Auswahl guter Trinklieder, oder Töne der Freude und des Weins, beym freundschaftlichen Mahle anzustimmen - Aus den besten Dichtern gesammlet, Hendel, Halle, 1795
- ↑ Seneca: De brevitate vitae / Von der Kürze des Lebens. Reclam, Ditzingen, 1977, ISBN 3150018471
- ↑ „Nun aber bringt doch den allergrößten Verlust an Lebenszeit das Hinausschieben mit sich. Man lässt gerade den bestehenden Tag verstreichen und bestiehlt die Gegenwart, weil man sich auf das Späterkommende vertröstet. Das größte Hindernis des Lebens ist die Erwartung, die sich auf den nächsten Tag richtet und das Heute verliert.“ Im Original: „Maxima porro vitae iactura dilatio est: illa primum quemque extrahit diem, illa eripit praesentia dum ulteriora promittit. Maximum vivendi impedimentum est exspectatio, quae pendet ex crastino, perdit hodiernum.“ - De Brevitate Vitae IX, 1
- ↑ „Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen.“ - Im Original: „Non exiguum temporis habemus, sed multum perdidimus.“ De Brevitate Vitae I, 3
- ↑ Hans Tischler: Another English Motet of the 13th Century, in: Journal of the American Musicological Society, 1967 (20), S. 274–279; danach handelt es sich um MS Paris, Biblithèque Natinale, fonds français 45.408, mit dem Ternio auf fol. 116–121, wo auch das fragliche Stück erscheint.
- ↑ Facsimile online - Hoffmann von Fallersleben, Gaudeamus igitur – Eine Studie, Schwetschke, Halle, 1872, Seite 1
- ↑ Walther Hensel: „Das Aufrecht Fähnlein“, Bärenreiter-Verlag, 1941, Seite 53.
- ↑ Gaudeamus igitur - Reflexionen über ein Studentenlied. In: ad marginem Heft 76, 2004. Online unter „Gaudeamus igitur“ – Reflexionen über ein Studentenlied
- ↑ Diether de la Motte: Harmonielehre, Bärenreiter-Verlag, 176, 8. Auflage 1992, ISBN 3-423-0418-3-8, Seite 18.
- ↑ Günthers Version auf www.volksliedarchiv.de
- ↑ Raimund Lang: Ergo cantemus! Texte und Materialien zum Studentenlied, SH-Verlag, Köln, 2001, ISBN 3894981121, Seite 26
- ↑ Richard Wagner: Mein Leben. 1813 - 1868, List, 1994, ISBN 3471791531
- ↑ Die goliardia' in Italien Traditionelles Studententum zwischen deutscher Inspiration und südländischer Lebensart
- ↑ Ludwig Erk, Franz Magnus Böhme: Deutscher Liederhort, Bd. 3. Leipzig, 1894, Olms, 1988 (Nachdruck der Ausgabe aus Leipzig 1893-94), ISBN 3487044439, Seite 492.
- ↑ Auswahl deutscher Lieder mit ein- und mehrstimmigen Weisen. 7. Aufl. Leipzig 1850, Seite 132.
- ↑ Werkverzeichnis im Findbuch Hofkapelle Rudolstadt, Thüringisches Staatsarchiv Rudolstadt
- ↑ Three Revolutionary Marches
- ↑ Smetana, Marsch der Prager Studentenlegion auf Studentika-Versand und Druckerei
- ↑ Paul Godwin Titel auf www.78record.de
- ↑ Site officiel de l’Etat de Fribourg
Literatur
- Raimund Lang, Ergo cantemus! Texte und Materialien zum Studentenlied, SH-Verlag, Köln, 2001, ISBN 3894981121
- Hoffmann von Fallersleben, Gaudeamus igitur – Eine Studie, Halle 1872 Facsimile online
- Gaudeamus igitur. Laßt uns fröhlich sein. Historische Studentenlieder, zusammengestellt, bearbeitet und kommentiert von Günter Steiger und Hans-Joachim Ludwig, 1. Auflage Leipzig (DDR) 1986, 3. Auflage, Leipzig (DDR) 1989 ISBN 3370000180 [1].
- Hermann Schauenburg, Moritz Schauenburg (Hrsg.), Allgemeines Deutsches Kommersbuch, Ausgabe D., Morstadt Druck + Verlag, 162. Auflage, Januar 2004 (Erstausgabe 1858), ISBN 3-88571-249-0.
- Robert Keil, Richard Keil, Deutsche Studenten-Lieder des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts, Lahr 1861.
- Ubi sunt, qui ante nos In mundo fuere? Ausgewählte Lateinische Studenten-, Trink-, Liebes- und andere Lieder des vierzehnten bis achtzehnten Jahrhundertes aus verschiedenen Quellen, mit neudeutschen Uebertragungen, geschichtlicher Einleitung, Erläuterungen, Beigabe und einer Abbildung. Eine literaturgeschichtliche Studie, zugleich ein Liederbuch von Adolf Pernwerth von Bärnstein. Würzburg 1881.
- Wilhelm Traugott Krug: Meine Lebensreise. In sechs Stazionen zur Belehrung der Jugend und zur Unterhaltung des Alters beschrieben von URCEUS. Nebst Franz Volkmar Reinhard’s Briefen an den Verfasser. Leipzig: Baumgärtner 1825
- Peter Wiesmann: Ubi iam fuere - Studie zur Entstehungsgeschichte der Akademikerhymne „Gaudeamus igitur“, Chur P. Wiesmann, 1972
- Christian Wilhelm Kindleben, Christian Friedrich Bernhard Augustin, Studentensprache und Studentenlied in Halle vor hundert Jahren. Neudruck des Idiotikon der Burschensprache von 1795 und der Studentenlieder von 1781. Eine Jubiläumsausgabe für die Universität Halle-Wittenberg dargebracht vom Deutschen Abend in Halle. Reprint der Originalausgabe von 1894, Halle (Saale), fliegenkopf verlag. 1990, ISBN 3-910147-00-3,
Weblinks
[http://ingeb.org/Lieder/gaudeamu.html ingeb.org „Gaudeamus igitur“
- [2] Ältere, schwere Moll-Version.
- ingeb.org „Brüder, lasst uns lustig sein!“
- Liedtext mit den ältesten Belegen aus dem 13. Jahrhundert
- MP3-Version von Brahms opus 80 auf der Seite der Universität von Sevillia
- Baltisches Studenten- und Folklore-Festival „Gaudeamus“
- "Gaudeamus-Ball" der Katholischen Korporationen Münchens im Deutschen Theater