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Amphibische Kriegsführung

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Allgemeines

Unter Amphibischer Kriegführung (Amphibik) versteht man militärische Operationen im Küstenraum unter Beteiligung von Seestreitkräften und Marineinfanterie oder anderen speziellen Landungstruppen, bei denen Truppen und Material – auch ohne Nutzung vorhandener Häfen – gelandet oder an Bord genommen werden. Der Begriff leitet sich ab von griechisch „amphi“ = „doppelt, beide“ und ist - angelehnt an den Begriff amphibischer Lebewesen - bezogen auf die gleichzeitige Kriegführung auf See und an Land. Da an modernen amphibischen Operationen immer auch Luftfahrzeuge beteiligt sind, wurde zeitweilig auch von triphibischen Operationen gesprochen, jedoch hat sich dieser Begriff nicht durchsetzen können. Für amphibische Operationen benötigt man Landungsschiffe, Landungstruppen, unterstützende Kriegsschiffe, Flugzeuge und Hubschrauber. Auf Grund dieser vielen unterschiedlichen Mittel gelten amphibische Operationen als die kompliziertesten militärischen Operationen überhaupt. Zu den amphibischen Operationen gehören:

  • Kampflandungen
  • Kommandounternehmen
  • Evakuierungen von Truppen und Zivilpersonen
  • und in erweitertem Sinne die Unterstützung von an Land eingesetzten Truppen

Amphibische Kräfte

Amphibische Kräfte sind Mittel militärischer Machtprojektion. Vor allem Nationen mit überseeischen Interessen verfügen über spezielle Schiffe und Truppen für amphibische Aufgaben. Die USA verfügen mit einer großen Zahl von Landungsschiffen und dem United States Marine Corps über die größte und modernste amphibische Streitmacht der Welt. Viele europäische Nationen besitzen ebenfalls Landungsschiffe und eine eigene Marineinfanterie.

Geschichte

Neben der Bekämpfung von feindlichen Flotten gehört das Anlanden von Soldaten zu den ältesten Formen des Seekrieges. Bereits in der Antike gab es auf Kriegsschiffen Seeleute, die das Schiff bedienten, und Soldaten, die für den infanteristischen Kampf Mann gegen Mann ausgebildet waren. In der Zeit der Entdeckungen und der kolonialen Eroberungen europäischer Seemächte entstanden in vielen dieser Länder spezielle Marineinfanterie-Einheiten, so zum Beispiel in Großbritannien die Royal Marines.

Die größten amphibischen Operationen der Geschichte fanden im Zweiten Weltkrieg statt. Dazu gehörte die amerikanische Besetzung vieler pazifischer Inseln im Kampf gegen Japan (so genanntes Inselspringen) und die Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 (Operation Overlord, D-Day). Bedeutende amphibische Operationen nach 1945 waren die amerikanische Landung in Inchon während des Koreakrieges und die britische Wiedereroberung der Falklandinseln 1982.

Heutige Bedeutung der Amphibik

In der seit 1990 veränderten Weltlage spielen Kampflandungen gegen verteidigte Küsten nur noch eine geringe Rolle in den Planungen für amphibische Operationen. Statt dessen ist die Unterstützung von friedenssichernden Operationen von See in den Vordergrund getreten. Moderne, große Landungsschiffe haben sich als sehr geeignet erwiesen, Truppen in entfernte Regionen zu transportieren und sie in ihrem Einsatz zu unterstützen. Sie können mit ihren Hubschraubern und Landungsbooten auch in Regionen mit schwacher Hafeninfrastruktur Material liefern und als schwimmende Basis für verschiedene Unterstützungsleistungen dienen. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Evakuierung von Zivilisten aus Krisenregionen wie etwa bei einer britischen Operation in Sierra Leone im Mai 2000. Viele mittlere Nationen in Europa haben deshalb nach 1990 neue Landungsschiffe erworben.

Eine besondere Bedeutung kommt der schwimmenden Stationierung von Truppen auf Landungsschiffen zu. Bevor über einen militärischen Einsatz entschieden ist, können die vorgesehenen Truppen bereits auf Landungsschiffen in das Einsatzgebiet gebracht werden. Da sich die Landungsschiffe auf der Hohen See und damit im hoheitsfreien Raum bewegen, sind derartige Truppenbewegungen nicht von der Zustimmung fremder Staaten abhängig. Die USA unterhalten zum Beispiel eine eigene Flotte von sogenannten Maritime Prepositioning Ships, die in verschiedenen Regionen der Welt Material für Truppen bereithalten.

Deutschland

Deutschland hat in seiner Geschichte nur zeitweise kleinere amphibische Kräfte besessen. In der Kaiserlichen Marine bestand die Marineinfanterie vor dem Ersten Weltkrieg nur aus drei Seebataillonen, die die Marinestützpunkte bewachen sollten. Lediglich das III. Seebataillon war in Übersee, im Schutzgebiet Kiautschou in China, stationiert. Die anderen beiden kamen nur während kolonialer Unruhen, so zum Beispiel während des Boxeraufstandes in China und während des Hereroaufstandes in Deutsch-Südwestafrika zum überseeischen Einsatz. Erst im Ersten Weltkrieg wuchs ein eigenes Marinecorps auf, das vorwiegend in Flandern zum Einsatz kam. Die einzigen größeren deutschen Landungsunternehmen im Ersten Weltkrieg waren die Besetzung der baltischen Inseln Ösel und Dagö im Oktober 1917 und die Unterstützung Finnlands im Frühjahr 1918.

Im Zweiten Weltkrieg bestanden kaum auf deutscher Seite kaum spezielle amphibische Kräfte. Dennoch gelang mit der Besetzung Norwegens und Dänemarks eine große amphibische Operation, bei der Teile von Heer, Luftwaffe und Marine eingesetzt wurden. Für die geplante Landung in Großbritannien wurden diverse kleine Schiffe und Kähne provisorisch als Landungsboote hergerichtet, kamen jedoch nicht zum Einsatz.

In den Planungen der Bundesmarine nach 1956 spielte die amphibische Kampfführung zunächst eine große Rolle. Man beabsichtigte, im Fall eines sowjetischen Angriffs auf die Bundesrepublik Landungen der Verbündeten im Rücken der Landfront zu unterstützen. Dafür wurde ein eigenes Kommando der amphibischen Streitkräfte aufgestellt, zu dem eine Anzahl von Schiffen und speziellen Truppen, darunter auch Kampfschwimmer, gehörten. Als in den sechziger Jahren klar wurde, dass derartige Planungen angesichts der militärischen Kräfteverhältnisse in Europa unrealistisch waren, wurde diese amphibische Komponente stark reduziert. Statt dessen ging es jetzt darum, mögliche Landungen der Streitkräfte des Warschauer Pakts an den deutschen und dänischen Ostseeküsten abzuwehren. In den siebziger und achtziger Jahren war die Abwehr amphibischer Operationen Hauptaufgabe der Bundesmarine in der Ostsee.

Die Volksmarine der DDR verfügte ebenfalls über amphibische Kräfte, darunter eine Anzahl von kleineren Landungsschiffen. In den siebziger Jahren ließ sie 12 kleinere Landungsschiffe mit der NATO-Bezeichnung Frosch-Klasse bauen, die jeweils eine Kampfkompanie transportieren konnten. Zwei Regimenter der Landstreitkräfte waren für diese Aufgabe ausgebildet.

Nach der Wiedervereinigung 1990 wurden die amphibischen Kräfte weiter verkleinert. Neben einer Kampfschwimmerkompanie und einem Sicherungs-Bataillon wird die Deutsche Marine keine weiteren Kapazitäten unterhalten Allerdings ergab sich spätestens bei der Rückführung des deutschen Heereskontingents aus Somalia 1994 der Bedarf für eine militärische Transportkomponente. Seither hat es verschiedene Planungen gegeben, für Auslandseinsätze der Bundeswehr ein oder zwei größere Landungsschiffe zu beschaffen, die jedoch bisher an Geldmangel gescheitert sind.

Siehe auch: