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Ted Grant

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Edward "Ted" Grant, eigentlich Isaac Blank, (* 9. Juli 1913 in Germiston bei Johannesburg; † 20. Juli 2006 in London) war ein trotzkistischer Politiker und Autor.

Leben

Ted Grant (Isaac Blank) war gebürtiger Südafrikaner. Die Russische Revolution begeisterte ihn. Durch den Kommunisten Ralph Lee kam Blank in Kontakt mit der von Trotzki gegründeten Internationalen Linken Opposition und schloss sich dieser Bewegung an. Zusammen mit einigen Weggefährten siedelte er Ende 1934 nach London über, wo ihm die Umstände für revolutionäre Arbeit besser zu sein schienen. Fortan nannte er sich Ted Grant. Mehrfach erfuhr Grant den Aufstieg und Niedergang politischer Organisationen. Es lag nie in der Natur Grants, politische Probleme mit organisatorischen Mitteln zu lösen. Nachdem sich ab 1945 die Weltlage aus revolutionär-marxistischer Sicht weitaus ungünstiger gestaltete, als es der 1940 ermordete Trotzki und seine Anhänger bis dahin gehofft hatten, gehörte Grant zu den ersten Trotzkisten, die diese neuen Gegebenheiten (an)erkannten, analysierten und ihnen praktisch Rechnung trugen. Seine Schriften befassten sich mit aktuellen theoretischen Herausforderungen (Umwälzungen in Osteuropa, Guerillakampf, Stabilisierung der westlichen Industrieländer) und sind Zeugnis politischer Auseinandersetzungen, die zu einer Serie von Spaltungen der trotzkistischen Weltbewegung führten. Als Grant 1992 nach internen Konflikten von der eigenen Organisation, dem CWI, verstoßen wurde, wirkte er, zusammen mit Alan Woods, am Neuaufbau der alten CWI-Struktur mit. Diese Organisation bezeichnet sich seit Sommer 2006 als Internationale Marxistische Tendenz bzw. als Internationale Marxistische Strömung und errang vor allem durch ihre Website "In Defence of Marxism" internationale Bekanntheit über das eigene Umfeld hinaus.

Ted Grant muss als Begründer der Strategie des "Langzeit-Entrismus" gesehen werden. Insofern kann tatsächlich auch von "Grantismus" als einer genuinen politischen Bewegung gesprochen werden. Dieser "Grantismus" beinhaltet (bis heute) die konsequente und in jedem Fall jenen Organisationen gegenüber LOYALE Mitarbeit in "traditionellen Massenorganisationen der Arbeiterklasse" unter Beibehaltung der eigenen leninistischen Organisationsform, sowie die Fortschreibung einer als klassisch zu bezeichnenden, trotzkistischen Analytik politischer Situationen. Ausgangspunkte für diese Strategie waren folgende: Nach dem Zusammenbruch der zeitweise relativ erfolgreich arbeitenden trotzkistischen Sammlungspartei Revolutionary_Communist_Party in Großbritannien (gegründet 1943, Auflösung 1949/50), deren unbestrittener theoretischer Kopf Grant war, stand die Gruppe um Grant sehr alleine in der politischen Landschaft da. Mitte der 1950er Jahre greift die kleine Gruppe - im klassisch-entristischen Sinn, sich überhaupt ein sinnvolles Arbeitsfeld zu eröffnen - die alte Idee wieder auf, der Labourparty beizutreten. Grant gehörte 1935 schon einmal zu einer Gruppe Trotzkisten, die die Mitarbeit in der Labourparty als (vorübergehende) Taktik befürworteten und, bis zur Gründung der RCP, auch praktizierten. Hinzu kam die stets wachsende Enttäuschung der "Grantisten" über die Entwicklung der "Vierten Internationale" (1953 in zwei große, 1963 in verschiedene größere Splitter-Organisationen zerfallen). Die positiven Erfahrungen des Arbeitens in Labour einerseits und die desillusionierenden Erfahrungen mit der zerfallenden "IV." andererseits führten Grant zu der Schlussfolgerung, dass man als revolutionäre Strömung seine begrenzte Energie lieber GANZ auf die konsequente Arbeit in Labour und Gewerkschaften, als auf die mehr und mehr als sinnlos empfundene Mitarbeit in der zerfallenden und zerstrittenen Vierten Internationale legen sollte. Nicht zufällig startet die von Grant angeregte, neue Publikation der Gruppe, die Zeitung Militant Tendency im Jahr 1964, also einige Monate nach der endgültigen Auflösung der Vierten Internationale in ihrer bisherigen Form. Mit dieser Wendung wird "Entrismus" von einer (temporär) befristeten Taktik zu einer langfristig angelegten politischen Strategie. Seitdem beharrte Grant stets auf der Feststellung: "Outside the labourmovement there is nothing." Revolutionäre Gruppen, die sich bewusst außerhalb jener "Massenorgansiationen" bewegten und bewegen werden - aus dem gerade genannten Argument - von Grant und den "Grantisten" i. d. R. als "Sekten" bezeichnet.

Anders als im linken Spektrum üblich, wird der Sektenbegriff also nicht vorrangig auf die Ideologie und/oder auf die vermeintlich größere/kleinere Mitgliederzahl "konkurrierender" revolutionärer Gruppen, sondern auf deren Verhältnis zu den "Massenorganisationen der Arbeiterklasse" bezogen. Wiederholt hat Grant jungen GenossInnen die Maxime "Turn your back on the sects" mit auf den Weg gegeben. Grants Begriff der politischen Sekte war also weniger eine polemische Kampfvokabel, als vielmehr ein tatsächlich definierter Begriff - über dessen Definition sich natürlich streiten lässt. Im Gegenzug wurde und wird die Strategie des "Langzeitentrismus" von solchen revolutionären Kräften, die bewusst außerhalb solcher Verbände arbeiten, gerne als (versteckte) Form des Reformismus und Opportunismus kritisiert. Ted Grant ging mit solchen Anwürfen immer sehr unaufgeregt um. Seine Standardantwort auf solche Anwürfe war: "Let history decide!". Dahinter verbirgt sich eine historisch-politische Betrachtungsweise, die sich folgendermaßen auf den Punkt bringen lässt: Revolutionäre Marxisten sind - egal ob ihre Organisationen ein paar Dutzend oder ein paar Tausend Mitglieder umfasst - unter gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen in der Situation einer randständigen Minderheit. Wie wollen diese es schaffen, irgendwann in der Zukunft die gesamte Gesellschaft zu revolutionieren, wenn sie es heute noch nicht einmal schaffen, die "rechten" Arbeitermassenorganisationen positiv zu beeinflussen? Wo wollen sie notwendige politische Erfahrung sammeln, wenn nicht in der direkten Auseinandersetzung mit den politischen Ideologien und Repräsentanten des Klassengegners?

Versucht man die Entstehung von Grants spezifischen Organisations-Ideen aus ihrem historisch-politischen Kontext heraus zu begreifen, so müssen mindestens folgende Gesichtspunkte festgehalten werden: Der klassische Entrismus der "4. Internationale" (1930er und erste Hälfte der 1940er-Jahre) ging von der Annahme aus, dass mit dem Ende des zweiten Weltkriegs eine revolutionäre Welle u.a. auch durch Europa und die Sowjetunion fegen würde. Die Arbeiter, so die 2. Annahme, würden sich dann, aufgrund der Unwilligkeit und Unfähigkeit sozialdemokratischer und sogenannter "kommunistischer" Parteien, diese Revolutionen zum Sieg zu führen, relativ schnell nach einer neuen revolutionären Führung umsehen. Folglich ging es den Anhängern der "4." seinerzeit darum, offensiv eine neue proletarische Führung für die unmittelbar bevorstehende Revolution aufzubauen und diese eigenständig als reguläre Partei organisieren. Entrismus in sozialdemokratischen, sozialistischen und "kommunistischen" Parteien war also seinerzeit immer ein kurz- bzw. mittelfristig angelegtes taktisches Vorgehen einzelner Sektionen oder Teilgruppen der "4. Internationale". Im Laufe des Jahres 1944 kamen Grant erste Zweifel daran, ob die Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Revolution sich als richtig herausstellen werden würde. Er war der erste Trotzkist, der diese Zweifel innerhalb der eigenen Bewegung mit Gründen, frühzeitig und organisationsöffentlich vertrat. Einmal abgesehen von der RCP gelang es Grant in der Folge jedoch nicht, seine Neubewertung der politischen und ökonomischen Weltlage innerhalb der "4. Internationale" durchzusetzen. Während die "4." mit all ihren verschiedenen Strömungen und Personen auch nach der Stabilisierung der beiden neuen Machtblöcke an der These von der unmittelbar bevorstehenden Weltrevolution festhielt, hielt Grant diese Möglichkeit spätestens ab März 1945 bereits für äußerst unwahrscheinlich. Nach und nach gelang Grant zu der festen Überzeugung - gerade angesichts des unerwarteten ökonomischen Aufschwungs sowohl in der westlichen Welt als auch in der UdSSR während der 1950er und frühen 1960er Jahre -, dass es nicht mehr darum geht, sich und die Arbeiterschaft auf eine baldige Weltrevolution vorzubereiten, sondern dass es vielmehr darum geht, den revolutionären Marxismus als realpolitische Option überhaupt erst einmal wieder in die Strukturen und ins lebendige Gedächtnis der Arbeiterbewegung zurückzubringen - und diesen damit aus den kleinen Zirkeln solcher sich als besonders "revolutionär" empfindenden, jedoch von den Massen isolierten und auf sich selbst zurückgeworfenen Gruppen heraus wieder in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Die beständige, loyale und geduldige Arbeit innerhalb der "Massenorganisationen der Arbeiterklasse" war für Grant der einzig gangbare Weg, dieses Ziel auf realistische und erfolgversprechende Art und Weise verfolgen zu können. Exakt in diesem Sinne ist eine weitere zentrale Maxime Grants zu verstehen: "Patiently Explain!". Anstatt "reformistische" und "kommunistische" Parteiführungen permanent verbal zu attackieren und womöglich bei kleinsten "Verstößen" solcher Parteiführungen gegen das eigene, marxistische Weltbild wütend und schimpfend irgendwelche Parteien zu verlassen, war (und ist) die Arbeit der "Grantisten" in jenen "Massenorganisationen" stets daraufhin ausgerichtet, innerhalb jener Strukturen der Mitglieder- und Wählerbasis die praktische Überlegenheit marxistischer Ideen, Analysen und Politiken durch sachliche Auseinandersetzungen mit den Ideen, Analysen und Politiken der "Parteibürokratien" zu verdeutlichen.

Legt man dieses alles zugrunde, so kann Grants Entrismus-Verständnis allerdings auch nicht mehr als (zeitweilige) organisatorische Taktik, sondern muss vielmehr als eine (langfristig angelegte) politische Strategie charakterisiert werden. Ob der Begriff des "Entrismus" für dieses Vorgehen überhaupt noch als angemessen gelten kann, ist durchaus fraglich. Hierbei ist jedoch durchaus umstritten - und die Antwort der "Grantisten" variiert durchaus von Land zu Land und auch vom Zeitpunkt des Sprechens -, ob es auf diesem Weg möglich ist, reformistische und parteikommunistische Organisationen vollständig zu revolutionären Organisationen zu transformieren.

Im Jahr 1974 wird mit der Gründung des CWI auch in organisatorischer Hinsicht eine neue internationale Organisationsform der trotzkistischen Bewegung geschaffen, deren nationale Sektionen sich zunächst konsequent an Grants Maxime des "Langzeitentrismus" orientierten. Zwischen 1973 und (spätestens) Jahresende 1991 arbeitete in der Bundesrepublik Deutschland die Gruppierung Voran im Sinne der "grantistischen" Orientierung. Das CWI hat 1991/92 mit Grants strategischer Neuausrichtung vollständig gebrochen und sich stattdessen dazu entschlossen, so zu handeln wie alle anderen Strömungen der einstigen "4. Internationale". Das heutige CWI ist somit erklärter Gegner seines, von Grant theoretisch begründeten, ursprünglichen Gründungszwecks. Die heutigen "Grantisten" gruppieren sich um die Internationale Marxistische Tendenz (IMT) - in Österreich, der Schweiz und Deutschland um Zeitschriften mit dem Titel "Der Funke" - herum. Grant hat am Aufbau der IMT engagiert mitgewirkt. Ebenso war er regelmäßiger Autor in der von Alan Woods ab 1992 herausgegebenen Zeitschrift Socialist Appeal.

Der Begriff "Langzeitentrismus" wurde nicht von Grant oder anderen Trotzkisten geprägt. Ferner handelt es sich bei dem Begriff auch um keine politische Vokabel, die "Grantisten" jemals für sich reklamiert hätten. Der Autor dieses Wikipedia-Eintrags hat ihn vielmehr der politikwissenschaftlichen Dissertation von Jens Peter Steffen mit dem Titel "Militant Tendency. Trotzkismus in der Labourparty" aus dem Jahre 1994, erschienen im Peter Lang Verlag (Frankfurt/Main) entnommen. Steffens Monografie weist eine deutliche "antigrantistische" und sogar antimarxistische Tendenz auf.

Werke

  • "Aufstand der Vernunft" (gemeinsam mit Alan Woods), London 1995, dt. Ausgabe 2002
  • "History of British Trotskysm", London 2002
  • "The Unbroken Thread. The Development of Trotskyism over 40 Years" (Selected Works), London 1989

Quellen

  • Ted Grant: History of British Trotskysm.
  • engl. Wikipedia, Lemma Militant Tendency
  • junge Welt vom 22. Juli 2006: Pionier des britischen Trotzkismus. Ted Grant (1913-2006).
  • Die im Folgenden verlinkten Texte und Seiten waren ebenfalls wichtige Quellen

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