Condylomata acuminata
Klassifikation nach ICD-10 | |
---|---|
A63.0 | Anogenitale (venerische) Warzen |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Bei Condylomata acuminata - auch unter dem Begriff Feigwarzen und Feuchtwarzen bekannt - handelt es sich um eine Viruserkrankung und sie sind neben Herpes und Chlamydien eine der häufigsten sexuell übertragbaren Erkrankungen.

Erreger
Feigwarzen werden fast immer durch Niedrigrisikotypen des humanen Papillomvirus verursacht. Die auch Kondyloma-Viren genannten Erreger sind kugelförmige, unbehüllte, doppelsträngige DNA-Viren (dsDNA), die zu den Papovaviridae gehören, und von denen insgesamt 200 verschiedene (davon ca. 40 anogenitale) Typen bekannt sind. Die anogenitalen HPV-Typen werden in Niedrigrisikotypen (z.B. 6 und 11) und Hochrisikotypen (z.B. 16 und 18) unterschieden. Während eine persistierende Infektion mit Hochrisikotypen das Risiko für bestimmte Krebsformen (v.a. Gebärmutterhalskrebs, in seltenen Fällen aber auch für Peniskrebs, Analkrebs und Krebs im Mund-Rachen Raum) erhöht, besitzen Veränderungen durch Niedrigrisikotypen kaum Entartungspotenzial.
Übertragung und Verbreitung
Die Krankheitserreger werden am häufigsten durch Kontaktinfektion beziehungsweise Schmierinfektion beim Geschlechtsverkehr oder Intimkontakt sowie beim Oralverkehr übertragen, in sehr seltenen Fällen kommen aber auch andere Infektionswege in Frage. Eine Übertragung der Erreger von der Mutter auf das Kind bei der Geburt ist ebenfalls möglich.
Da sich HPV in erster Linie durch Hautkontakt und nicht durch Körperflüssigkeiten überträgt, bieten Kondome keinen zuverlässigen Schutz. Eine Studie zur Schutzwirkung von Kondomen vor HPV hatte zum Ergebnis, dass sich durch konsequenten Kondomgebrauch im Laufe eines Jahres ca. 70 % aller HPV-Infektionen verhindern lassen.[1]
Mehrere Studien zeigen, dass etwa 64 bis 70 % der männlichen Beziehungspartner von Frauen, die unter einer zervikalen HPV-Erkrankung leiden, ihrerseits HPV-assoziierte Läsionen am Penis aufweisen.[2] HPV kann dennoch auch in der Haut des Penis oft lange unerkannt präsent bleiben.
Etwa 1 bis 2 % der sexuell aktiven Bevölkerung haben sichtbare Kondylome. Darüber hinaus weisen ca. 5-10 % der Bevölkerung subklinische HPV-assoziierte Läsionen im Anogenitalbereich auf, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind und in der Regel nicht diagnostiziert werden. Bei ca. 60 % der Bevölkerung lassen sich Antikörper gegen HPV im Blut nachweisen, die eine frühere Infektion nachweisen. Das Risiko, im Laufe des Lebens eine HPV-Infektion durchzumachen, wird folglich zwischen 75 und 80 % beziffert.[3]
Aufgrund der hohen Infektiosität und Verbreitung ist eine HPV Infektion eine fast zwangsläufige Konsequenz sexueller Kontakte. 5 Jahre nach Beginn der sexuellen Aktivität haben sich ca. 70 % aller Frauen mit mindestens einem anogenitalen HPV Typ infiziert.[4]
Krankheitsverlauf/Symptome
Zwischen der Infektion und dem Auftreten von Feigwarzen kann eine Inkubationszeit von wenigen Wochen, jedoch auch vielen Monaten liegen. Bei etwa 10 bis 15 % liegt eine stumme (inapparente) Infektion ohne sichtbare Feigwarzen vor, allerdings können solche Personen auch Virusüberträger sein. Fördernde Faktoren für das tatsächliche Auftreten von Feigwarzen sind ein geschwächtes Immunsystem, Feuchtigkeit, Entzündungen und Hautverletzungen.
Die Krankheitserreger bilden bei Männern und Frauen meist in der Genitalregion oder am After in der Regel kleine Warzen, die jedoch zur Beetbildung neigen und dann konfluierende (sich vereinigende) Warzen ausbilden. Auch intraanale, intravaginale oder urethrale Kondylome sind möglich. Kondylome im Mund sind eher selten. Diese Warzenformen machen sich mitunter durch mehr oder minder starkes Jucken, Brennen oder auch Schmerzen bemerkbar. Häufig verursachen sie aber keine Beschwerden und bleiben daher lange unbemerkt.
Gelegentlich entstehen dagegen sehr große Tumorkonglomerate, welche als Condylomata gigantea bezeichnet werden. Diese können unbehandelt auch aufbrechen und stark bluten.[5]
Insgesamt ist diese Erkrankung selbst unbehandelt nicht tödlich, kann jedoch erheblichen negativen Einfluss auf die (sexuelle) Lebensqualität des Patienten erlangen. Condylomata acuminata werden nahezu immer durch Niedrigrisikotypen (in über 90 Prozent der Fälle durch HPV 6 oder 11[6]) verursacht, die nicht als onkogen gelten.
In etwa 30 % der Fälle heilen aufgetretene Feigwarzen von selbst wieder ab.
Diagnostik
In der Regel erfolgt aufgrund des charakteristischen Erscheinungsbildes nur eine Blickdiagnose. Bei unklarem klinischen Bild stehen dem behandelnen Arzt weitere diagnostische Maßnahmen offen.
- Essigsäuretest: Eine 3 bzw. 5 prozentige Essigsäure färbt betroffene Areale weißlich. Hierbei können eher unauffällige Zellveränderungen sichtbar gemacht werden sowie die Ausbreitung besser eingeschätzt werden, falls die Kondylome chirurgisch entfernt werden sollen. Allerdings ist der Essigsäuretest unspezifisch und wenig sensitiv, d.h. sich verfärbende Areale sind nicht zwingend HPV assoziiert. Falls sich verdächtige Areale nicht verfärben, bedeutet dies aber auch nicht zwingend, dass es sich nicht um Kondylome handelt. Daher kann der Test nur von einem erfahrenen Arzt richtig interpretiert werden.
- Histologische Untersuchung: Eine Gewebeprobe kann im Labor histologisch untersucht werden. Insbesondere Koilozyten gelten als Marker für HPV-assoziierte Hautveränderungen. Es finden sich aber auch zum Teil Hyper- und Parakeratosen.[7]
- Virusnachweis: Der Nachweis von HPV-DNA gehört nicht zu der Routinediagnostik bei Condylomata acuminata. Dennoch ist ein Test per Abstrich von einer verdächtigen Stelle möglich. Als Testmethoden sind Sondentests (weit verbreitet, günstig, differenziert zwischen High und Low Risk) von Tests durch eine PCR (teuer, sehr sensitiv, erlaubt die Bestimmung des exakten Virustyps) zu unterscheiden. Die PCR zeichnet sich im Vergleich durch eine deutlich höhere Sensitivität und Spezifität aus.[8]
- HPV-Serologie: HPV Infektionen verlaufen ohne Virämie. Daher lassen sich die Viren nicht im Blut nachweisen. Der Nachweis von Antikörpern ist wissenschaftlichen Untersuchungen vorbehalten und aufgrund der hohen Durchseuchung ohne diagnostischen Nutzen.
- Durch eine Kolposkopie, Anoskopie, Proktoskopie und bzw. oder Urethroskopie können "innere" Kondylome ausgeschlossen werden. Vor derartigen Untersuchungen sollten äußere Kondylome entfernt werden, weil ansonsten die Gefahr besteht, die Infektion durch die Untersuchung selbst zu verschleppen.[9]
Differentialdiagnosen
Eine Infektion mit Niedrigrisikotypen wie HPV 6 oder HPV 11 ist von einer Infektion mit HPV 16 und HPV 18 abzugrenzen, da bei Frauen mit einer Infektion der letztgenannten Typen die Gefahr besteht, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken. Differenzialdiagnostisch sind Condylomata acuminata insbesondere von anderen gutartigen Tumoren (bspw. Fibromen), heterotopen Talgdrüsen, Hirsuties papillaris penis, Hirsuties vulvae, Hymenalresten, prämalignen und malignen Veränderungen sowie anderen Infektionen (z.B. Condylomata lata durch Lues) zu unterscheiden.[10] Um die Diagnose abzusichern, kann eine histologische Untersuchung und/oder ein Virusnachweis durchgeführt werden.
Komplikationen
Da HPV häufig in Zusammenhang mit einem erhöhten Krebsrisiko genannt wird, sei darauf hingewiesen, dass eine alleinige Infektion mit Niedrigrisikotypen, die Condylomata acuminata auslösen, das Krebsrisiko in der Regel nicht erhöht. Da Hochrisikotypen aber den identischen Infektionsweg wie Niedrigrisikotypen haben, ist bei Condylomata acuminata eine parallele Infektion mit einem Hochrisikotyp nicht ausgeschlossen. Erste Studien weisen darauf hin, dass Patienten mit Condylomata acuminata eine vergleichsweise hohe Gefahr haben, zusätzlich mit einem Hochrisikotyp infiziert zu sein, weswegen ein routinemäßiger HPV Test (per Abstrich vom Gebärmutterhals) durchaus gerechtfertigt scheint.[11] Falls Hochrisikotypen nachgewiesen werden, ist die Persistenz der Infektion zu überprüfen. In aller Regel kann das Immunsystem die Infektion erfolgreich bekämpfen, so dass sie nach 2 Jahren bei den meisten Frauen nicht mehr nachzuweisen ist. Falls die Infektion mit Hochrisikotypen aber persistiert, erhöht sich deutlich das Risiko, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken.
Größere Kondylome (insbesondere Condylomata gigantea) können den Geburtskanal behindern, was eine Geburt durch Kaiserschnitt notwendig erscheinen lassen kann. Generell kann ein Kaiserschnitt das Risiko einer Übertragung von HPV auf das Kind mindern, aber nicht zuverlässig verhindern.[12]
In seltenen Fällen kann es nach der Übertragung von Niedrigrisikotypen während der Geburt auf das Neugeborene zu einer Larynxpapillomatose kommen.
Behandlung
Ärztliche Eingriffe
Neben der Chirurgische Entfernung ist eine Warzenentfernung mit Laser, Elektrokoagulation, Kauterisierung (Verbrennung mit Kauter) oder Kryotherapie (Vereisung) möglich. Hier wird mit flüssigem Stickstoff oder anderen Vereisungssprays versucht, die Warzen zu entfernen.
Nach der Entfernung kann es zu Schwellungen und Narbenbildung kommen. Sollen Condylome auch am After behandelt werden, besteht die Gefahr, dass der Schließmuskel verletzt wird, so dass er entweder nicht mehr schließen kann oder seine Dehnfunktion verliert.
Medikamentöse Behandlung
- Bei einer Kauterisierung durch Verätzung erfolgt eine Behandlung mit den verschiedensten Mitteln wie Salicylsäurelotionen und Monochloressigsäure sowie Sterillium zur Desinfektion.
- Bei einer äußerlichen zytostatischen Behandlung werden Medikamente wie Trichloressigsäure, oder 5-Fluoruracil aufgetragen. Die Behandlung mit Podophyllin gilt mittlerweile als obsolet aufgrund von erhöhter Toxizität und des Verdachts karzinogener Effekte.[13] Als Ersatz dafür gibt es heute den aus Podophyllin isolierten und deutlich verträglicheren Hauptwirkstoff Podophyllotoxin in Form einer Salbe (Wartec) oder einer Lösung (Condylox).
- Stärkung der Immunabwehr zur Bekämpfung der warzenverursachenden Viren mit Medikamenten wie etwa Interferon und Imiquimod (Aldara)
Alle genannten Behandlungsmethoden können aufgrund der exponierten Position der betroffenen Körperstellen mit mehr oder weniger schmerzhaften Irritationen einhergehen. Zudem ist die Therapie häufig langwierig und erfordert ein hohes Maß an Disziplin von den Patienten. Ein Ping-Pong-Effekt ist sehr häufig.
Bei Immunsuppression
Personen, die mit Medikamenten behandelt werden, welche das Immunsystem unterdrücken sollen (Immunsuppression), wie beispielsweise bei Krebs oder Lupus Erythematodes, sind ebenfalls für eine derartige Infektion anfällig. Bei den meisten Patienten treten die Condylome aufgrund dieser Behandlung auf. Solange die Immunabwehr medikamentös geschwächt werden muss, ist eine Behandlung mehr oder weniger sinnlos, da die Warzen nach kurzer Zeit wieder auftreten.
Trotzdem sollte der Betroffene sich von der Behandlung nicht abschrecken lassen, da die Condylome ansonsten immer weiter wachsen und sich unkontrolliert vermehren und in den meisten Fällen auch für den Partner ansteckend sind. So entsteht dann ein Ping-Pong-Effekt, der nur mit Abstinenz unter Kontrolle zu bekommen ist.
Vorbeugung
Wirksamste Vorbeugung gegen eine Infektion ist Safer Sex, der jedoch auch keinen vollständigen Schutz bietet, sowie die Impfung. Der prophylaktische HPV-Impfstoff Gardasil ® gegen die HPV-Typen 6, 11, 16 und 18 - von der amerikanischen Arzneimittelbehörde (FDA) in den USA im Juni 2006, von der europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) im September 2006 in der EU zugelassen - schützt nach den bislang vorliegenden Untersuchungen zu hundert Prozent vor einer Infektion mit diesen genannten Virentypen. Die Erstimmunisierung sollte vor dem ersten Geschlechtsverkehr abgeschlossen sein, da die Impfung offenbar keinen Einfluss auf bereits bestehende Infektionen hat.[14] Eine abschließende Beurteilung der Wirksamkeit sowie der Verträglichkeit ist wie bei allen neuen Medikamenten und Verfahren nicht möglich, Nebenwirkungen scheinen bislang allerdings keine Rolle zu spielen. Unklar ist derzeit, wie lange ein solcher Impfschutz anhalten wird. Bislang wird eine Grundimmunisierung mit drei Impfungen im Abstand von 0, 2 und 4-6 Monaten empfohlen, Richtlinien zur Impfauffrischung gibt es derzeit nicht, da Langzeitstudien zum Verlauf der Schutzwirkung über die gesamte Lebensspanne gesehen zwangsläufig fehlen. Da die Impfung nicht gegen alle HPV-Typen wirkt, sollten aber auch geimpfte Frauen die Vorsorgeuntersuchungen gegen Gebärmutterhalskrebs (ab 20 Jahren) auf jeden Fall nutzen.
Einzelnachweise
- ↑ http://content.nejm.org/cgi/reprint/354/25/2645.pdf
- ↑ http://www.cervical-cancer.de/faqhpv.html
- ↑ http://www.krebsinformationsdienst.de/Fragen_und_Antworten/hpv.html
- ↑ http://www.digene.de/aktuelles/ordner_template/2005112811103598552/Symposiumsbericht.pdf
- ↑ http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/059-001.htm
- ↑ http://uro.klinikum.uni-muenchen.de/cond-info.html
- ↑ http://www.aixcyto.de/Literatur/Vulva-Nauth.pdf
- ↑ http://www.labor-bo.de/457.0.html
- ↑ http://www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll/059-001.htm
- ↑ http://www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll/059-001.htm
- ↑ http://www1.lbg.ac.at/gesellschaft/institute_docs.php?year=1998&a_id=112&content=inhalt1
- ↑ http://gin.uibk.ac.at/thema/schwangerschaft/hpv.html
- ↑ http://www.dermotopics.de/german/ausgabe_2_01_d/podophyllotoxin_2_01_d.htm
- ↑ http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=29496