Intensive Tierhaltung

Massentierhaltung oder Intensivhaltung bezeichnet die technisierte Form der Nutztierzucht und Viehhaltung zur massenhaften Erzeugung tierischer Produkte wie Fleisch, Milch oder Eiern durch Haltung von vielen Tieren derselben Art auf sehr begrenztem Raum, wobei eine genaue Abgrenzung der Tieranzahl, welche als Massentierhaltung gilt, nicht existiert. Massentierhaltung ist mit artgerechter Tierhaltung nicht vereinbar.
Ursachen
Nach den Mangeljahren der Weltkriege wurde nach Wegen gesucht, diesen Mangel zu beheben.
Durch die Massentierhaltung konnte die Produktivität gesteigert werden; die hohen Produktionsmengen und die Vorteile großer Betriebe bei den Produktionskosten (abnehmende Stückkosten) führten zu sinkenden Kosten für den Erzeuger und sinkenden Preisen für den Verbraucher.
Die Massentierhaltung hat weiten Bevölkerungsschichten der reichen Länder den täglichen Fleischkonsum ermöglicht. Daneben ist die Produktion von Milch und Hühnereiern soweit gesteigert worden, dass diese Produkte ebenfalls zur alltäglichen Nahrung geworden sind.
Probleme
Milch und Milchprodukte | 102% |
Rindfleisch | 118% |
Schweinefleisch | 82% |
Geflügelfleisch | 77% |
Schaf- und Ziegenfleisch | 44% |
In der Massentierhaltung werden nur sehr wenige Zuchtrassen je Tierart verwendet, so dass die genetische Vielfalt leiden kann. Das Ziel ist eine gewinnsteigernde Produktion, wobei der Gewinn hauptsächlich durch Einsparungen bei den Produktionsmitteln erzielt wird. Die Zusammensetzung der Tiernahrung ist z.B. auf das schnelle Wachstum der Tiere oder auf eine hohe Milch- bzw. Eierproduktion ausgelegt.
Durch die Massentierhaltung ist es möglich, Überschüsse an Nahrungsmitteln zu erzeugen.
Überschüsse werden vernichtet, mit Hilfe von Subventionen weiterverarbeitet oder auf dem Weltmarkt, oft unter den Erzeugungskosten, angeboten. Das Anbieten auf dem Weltmarkt beeinflusst die Wirtschaft der Entwicklungsländer. Der Preisverfall dieser hochwertigen Nahrungsmittel ist eine Ursache für die veränderten Nahrungsgewohnheiten und damit Ursache für die Zunahme von Zivilisationskrankheiten (Herzinfarkt, Übergewicht, etc.) in den westlichen Ländern.
Kleinere Viehhalter können wegen höherer Erzeugungskosten (fehlende economies of scale) und geringen Preisen für die erzeugten Lebensmittel in den Industrieländern nicht mit großen Betrieben konkurrieren, außer wenn sie mit teureren Bioprodukten einen ernährungsbewussten Kundenstamm versorgen (Besetzen einer Marktnische). Die Folge ist eine Aufgabe kleiner landwirtschaftlicher Betriebe durch den wirtschaftlichen Druck wegen geringer oder sinkender Preise für die erzeugten Produkte. Aber auch politische Vorgaben, die sich in Großbetrieben leichter verwirklichen lassen (z. B. Hygienerichtlinien, Bestandsbetreuung, Dokumentationsvorgaben) führen zur Aufgabe kleiner landwirtschaftlicher Betriebe.
Durch das Anbieten von Überschüssen aus den Industrieländern zu geringen Preisen auf dem Weltmarkt wird auch die Landwirtschaft der Entwicklungsländer beeinflusst: In diesen Länderen wird die landwirtschaftliche Produktion unrentabel, die Landbewohner können ihren Lebensunterhalt nicht mehr erwirtschaften. Die dadurch begründete Abwanderung junger Menschen aus landwirtschaftlichen Gebieten führt zu wirtschaftlichen Problemen und weiterer Konzentration und Wachstumsprozessen.
Die Massentierhaltung, insbesondere die Käfighaltung, ist ethisch umstritten, da die Tiere ihren natürlichen Neigungen nicht nachkommen können. Bei einigen Arten führt die Haltung vieler Tiere in kleinem Raum (d.h. große Gruppen) zu Stressverhalten. Bedingt durch eine reizarme Umwelt kann es zu Verhaltensstörungen kommen. Schweine beißen sich dann gegenseitig in Ohren oder Schwanz, Hühner verletzen sich durch gegenseitiges Anpicken. Rindern wurden u. a. aus diesem Grund und zwecks höherer Effizienz die Hörner entfernt oder weggezüchtet. Durch die Haltung vieler Tiere auf engen Raum ist die Gefahr der starken Verbreitung von Krankheiten erhöht. Insbesondere in der Schweinehaltung ist es deshalb oft nötig, in den Beständen Antibiotika einzusetzen, manchmal sogar vorbeugend.
Viehtransporte in der Massentierhaltung sind ein weiteres umstrittenes Feld. Tiere werden auf engen Raum transportiert und müssen durch die Transportdauer- vor allem bei osteuropäischen Transporten - oft tagelang in Enge ausharren. In der EU sind mittlerweile bei solchen Transporten Ruhezeiten vorgeschrieben, die zum Tränken der Tiere genutzt werden müssen. Für viele Tiere ist die Verladung von der Mastanlage in den LKW zum Schlachter der erste Augenblick, bei dem sie Tageslicht erblicken.
Umweltverschmutzung
Etwa ein Drittel der Ackerflächen in Deutschland werden für den Futteranbau verwendet – auch Feldfrüchte, die als Nahrung für Menschen dienen könnten, z. B. knapp die Hälfte der Weizenernte. Daraus resultieren auch diverse Umweltprobleme wie z. B. großflächige Monokulturen und Verlust vieler Biotope. Die industrialisierte Landwirtschaft gilt in Deutschland als größter Verursacher für den Rückgang und das Aussterben von Pflanzen- und Tierarten.
Sollte Gülle im Übermaß ausgebracht werden, können Stickstoff-, Nitrat- und Phosphat-Verbindungen in das Grundwasser gelangen, in Oberflächengewässer und wiederum Methan in die Atmosphäre. So wird teilweise in Gebieten mit intensiver Viehhaltung der deutsche Grenzwert für Nitratbelastung im Grundwasser (50 mg/l) überschritten (der Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation liegt sogar bei 20 Milligramm pro Liter). Gülle ist aber auch, richtig eingesetzt, ein hervorragender Dünger für die Pflanzen und ermöglicht es, in ausgezeichneter Weise den Kreislauf Getreide/Futter → Gülle → Düngung → Getreide/Futter zu schließen. Richtig eingesetzt können die Nährstoffe in der Gülle mit überschaubaren Verlusten in der Düngerbilanz angesetzt werden und somit helfen, die Düngekosten zu senken ohne zu Ertragseinbußen zu führen.
Die im Verdauungstrakt vor allem der Wiederkäuer entstehenden Methangase tragen zu ca. einem Drittel zur anthropogenen Entstehung des Treibhausgases bei. Überproportional trägt die extensive gegenüber der intensiven Massentierhaltung dazu bei, da dort die Nahrungsaufnahme der Tiere umgerechnet auf das Endprodukt höher ist.
Bei Überdüngung und/oder oberflächlichem Abfluss kann aber auch die Bodenfauna geschädigt und erhebliche Kosten bei der Aufbereitung von Trinkwasser verursacht werden. In Oberflächengewässern verstärkt die Eutrophierung (hohe Nährstoff-Versorgung) das Wachstum von u. a. Grünalgen und Cyanobakterien. Die Algen entwickeln sich zu Massenvorkommen und sondern bestimmte Algengifte ab. Schließlich führt die Biomasseproduktion der Algen zu Sauerstoffarmut im Wasser – das Gewässer kann "umkippen".
Die Stickstoffemissionen der "Veredelungs"-Landwirtschaft (Futteranbau, Tiermast etc.) tragen ebenso zur Versauerung und Eutrophierung der Waldböden bei; in direkter Nachbarschaft können die Emissionen die Bäume direkt schädigen.
Gesundheit
Die Haltung der Tiere in engem Kontakt zum Menschen birgt das Risiko sich schneller entwickelnder und ausbreitender Krankheiten wie SARS, die evtl. auch den Menschen gefährden können. Aus diesem Grund hat eine professionelle Haltung von Tieren (mit großen Tierzahlen) hygienisch große Vorteile gegenüber von vielen einzelnen Klein- und Kleinstbeständen, die in engem räumlichem und körperlichem Kontakt mit vielen Menschen stehen.
Die prophylaktisch (vorsorglich) eingesetzten Antibiotika werden für die Antibiotika-Resistenz (Unempfindlichkeit) einiger Bakterien verantwortlich gemacht. Diese Bakterien können teilweise nicht mehr mit Antibiotika behandelt werden. Besonders vor chinolonresistenten Bakterien wird in der Forschung gewarnt. Chinolonen sind Antibiotika, die in der Human-Medizin bei lebensbedrohlichen Salmonellen-Infektionen eingesetzt werden. Einige Infektionen könnten so zum Tode führen, vereinzelte Therapieversager und Todesfälle sind bereits beschrieben. Auch aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Tierhaltung qualifiziert erfolgt – sorgfältige Auswahl des Futters, tiergerechte Stallungen und gute hygienische Bedingungen (v. a. konsequentes Reinigen und Desinfizieren der Stallungen, Schadnagerbekämpfung, Vorsicht beim Einkauf fremder Tiere) sorgen für ein Umfeld, in dem Krankheiten möglichst nicht entstehen. Treten dennoch Infektionskrankheiten auf, müssen sie durch Tierärzte oder auf deren Anweisung behandelt werden; Erregerart, Zustand, Alter und Gewicht der Tiere müssen berücksichtigt werden.
Weblinks
- Mehr Menschlichkeit mit Tieren: ein Essay von Eugen Drewermann in: Die Zeit, 32/1996.
- www.soylent-network.com Umfangreiche, kritische Fotodokumentationen aus der Nutztierhaltung
- PROVIEH e.V.
- Bedeutung der Massentierhaltung für Tiere, Menschen und Umwelt
- FAO (2006): *Livestock's Long Shadow - Environmental Issues and Options (PDF)
- Methan und Lachgas - Die vergessenen Klimagase (2007). Studie im Auftrag des WWF über Treibhausgase aus der Landwirtschaft (PDF)