Kernkraftwerk Biblis
Kernkraftwerk Biblis | |
---|---|
![]() | |
Lage | |
Land | Deutschland |
Daten | |
Eigentümer | RWE |
Betreiber | RWE |
Projektbeginn | 1969 |
Kommerzieller Betrieb | 26. Feb. 1975 |
Aktive Reaktoren (Brutto) |
2 (2525 MW) |
Eingespeiste Energie im Jahr 2006 | 15.306 GWh |
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme | 439.973 GWh |
Website | Seite bei RWE |
Stand | 22. Juli 2007 |
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation. |





Das Kernkraftwerk Biblis befindet sich in der südhessischen Gemeinde Biblis nahe der Einmündung der Weschnitz in den Rhein. Das Kraftwerk wird von der RWE betrieben.
Es besteht aus zwei Blöcken: Block A (Kosten ca. 800 Mio. DM) mit einer elektrischen Bruttoleistung von 1225 Megawatt und Block B (Kosten ca. 1 Mrd. DM) mit einer elektrischen Bruttoleistung von 1300 Megawatt. In den 1970er Jahren waren zwei weitere Blöcke, Block C und D, geplant. Während Biblis D schnell verworfen wurde (Planungsbeginn 1975, Planungsende 1977), endeten die Planungen für Biblis C erst 1995.
Beide Kernkraftwerksblöcke sind mit jeweils einem Druckwasserreaktor ausgerüstet. Bei ihrer Inbetriebnahme waren sie jeweils die größten Kernkraftwerksblöcke der Welt.
Am 16. Juli 1974 wurde in Block A die erste Kernreaktion eingeleitet. Block A lieferte am 25. August 1974 erstmals Strom ins öffentliche Verbundnetz. Die nukleare Inbetriebnahme (Kritikalität) erfolgte in Block B am 25. März 1976.
Die endgültige Abschaltung – hochgerechnet aus der Reststrommenge laut Atomkonsens – des Kernkraftwerks Biblis A ist für Anfang 2009 vorgesehen, die Abschaltung von Biblis B für 2010. Abweichend davon hat die RWE AG für Block A einen Antrag auf Strommengenübertragung aus dem stillgelegten Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich gestellt. Dieser Hauptantrag wurde vom Umweltministerium im Mai 2007 abgelehnt; ein Hilfsantrag zur Strommengenübertragung vom Kernkraftwerk Emsland wird noch geprüft. Für Biblis B darf RWE laut Atomkonsens eine Reststrommenge bis zu 21,45 TWh von Mülheim-Kärlich übertragen; dadurch würde sich die Laufzeit von Biblis B bis 2013 verlängern.
Die für das Jahr 2004 gemessene abgegebene Radioaktivität beträgt: (Quelle: BMU)
- Block A: 0,58 TBq in die Luft und 17 TBq ins Wasser
- Block B: 1,6 TBq in die Luft und 11 TBq ins Wasser
Kraftwerksanlagen
Block A
Kraftwerksnettoleistung: 1146 MW
Wandstärke Reaktorgebäude: 60 cm
Höhe Abluftkamin: 100 m

Kühltürme
Anzahl: 2
Bauart: Ventilatorkühltürme mit drückenden Ventilatoren
Höhe: 80 m
Basisdurchmesser 68 m
Block B
Kraftwerksnettoleistung: 1240 MW
Wandstärke Reaktorgebäude: 80 cm
Höhe Abluftkamin: 100 m

Kühltürme
Anzahl: 2
Bauart: Ventilatorkühltürme mit drückenden Ventilatoren
Höhe: 80 m
Basisdurchmesser 69 m
Block C (verworfen)
Für den einst geplanten Block C (und vermutlich auch für Block D) war ein Naturzug-Naßkühlturm mit einer Höhe von 160 Metern vorgesehen. Ein Schnitt- und Funktionsmodell des Blocks C - allerdings ohne Kühlturm - steht im Informationszentrum.
Für Biblis C wurden bereits die ersten Großkomponenten wie Reaktordruckgefäß und Dampferzeuger gefertigt. Diese wurden später im brasilianischen Kernkraftwerk Angra 2 - welches ebenfalls von Siemens-KWU gebaut wurde und im Jahr 2000 ans Netz ging - eingebaut.
Sicherheit
Das Kraftwerk Biblis steht sehr im Augenmerk der Öffentlichkeit. Die beiden Biblis-Blöcke und Systeme werden den Betreibern zufolge ständig auf dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik gehalten. Biblis sei deshalb mit neuen Anlagen vergleichbar. In punkto Materialermüdung habe man durch regelmäßige Prüfungen festgestellt, dass beide Blöcke 60 Jahre lang problemlos betrieben werden könnten.
Dieser Darstellung widerspricht eine Studie von Greenpeace deutlich (s. Weblinks).
Eine im Auftrag des Bundesumweltministeriums nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York beauftragte Untersuchung ergab, dass die Reaktorgebäude einem Anschlag mit einem Passagierjet nicht standhalten würden und dass nach einem solchen Anschlag die Freisetzung hochradioaktiver Stoffe sehr wahrscheinlich sei. Dies gelte weltweit für jeden Reaktor - abhängig von kinetischer Energie und Auftreffwinkel.
Diese Studie wird teilweise als 'einseitig' bezeichnet. Andere Studien widerlegen die oben genannte Behauptung. Kritisiert wird weiterhin, dass eine separate Notstandswarte außerhalb des Reaktorgebäudes, von der aus ein Reaktor auch im Falle von schweren Störungen im Reaktorgebäude gesteuert werden kann, nicht vorhanden ist. Da die Blöcke fast baugleich sind und zudem unterirdisch miteinander verbunden sind, ist es im Notstandfall möglich, durch eine im jeweiligen Nachbarblock angesiedelte Notstandswarte den Nachbarblock zu betreiben. Seitens der Kritiker wird jedoch bezweifelt, dass dies bei einem Störfall noch möglich sei.
Hier wäre allerdings zu erwähnen, wie der sogenannte „Notstand“ eines KKWs definiert ist. Hierbei handelt es sich nämlich keineswegs um einen Störfall im Sinne eines Primärlecks. Im Notstand ist der gesamte Primärkreislauf einschließlich der Dampferzeuger bis zu den Abblaseregelventilen (und zugehörigen Sicherheitsventilen) vollkommen funktionsfähig. Der Bereich des so genannten Hilfsanlagengebäudes (hier werden beispielsweise Abwässer aufbereitet, Lüftungssysteme sind dort angesiedelt etc), das Maschinenhaus, Schaltanlagengebäude und Versorgungstrakt sind dagegen nicht mehr verfügbar. Es ist daher in einem solchen Falle notwendig, die Bespeisung der Dampferzeuger mit Wasser und somit das Abkühlen und Aufborieren des Primärkreises, von einer alternativen Warte aus zu regeln. Hier kann wie oben bereits erwähnt, und das ist in KW-Biblis einzigartig, auf die große Artverwandtschaft der Blöcke zurückgegriffen werden. Bei allen anderen Standorten in Deutschland gibt es keine zwei gleichen Blöcke (mit Ausnahme von Gundremmingen, wo es sich allerdings um Siedewasseranlagen handelt) und somit war man bei der Errichtung auf eine eigene Notstandwarte angewiesen.
Die IAEA führt in ihren Unterlagen Biblis A/B als Referenzanlagen für gelungenen sicherheitstechnische Nachrüstungen bei älteren Kernkraftwerken auf.
Endgültige Abschaltung der Kraftwerksblöcke
Im sogenannten Atomkonsens haben Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen unter anderem festgelegt, dass die Atomkraftwerke noch eine begrenzte Reststrommenge erzeugen dürfen, die einer Regellaufzeit von durchschnittlich 32 Jahren entspricht. Daraus errechnet sich für Biblis A die endgültige Abschaltung für Anfang 2009, die Abschaltung von Biblis B für 2010. Wegen der flexiblen Regelung über Reststrommengen lässt sich der Abschalttermin nicht genau vorhersagen, weil jeder Stillstand (siehe auch Vorkommnisse vom 16. Okt. 2006) den Termin verschiebt.
Biblis A
Der Atomkonsens erlaubt grundsätzlich die Übertragung von Strommengen älterer Anlagen auf jüngere Anlagen. So wurde der RWE bei den Verhandlungen über den Atomausstieg für das stillgelegte Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich eine übertragbare Reststrommenge von 107 TWh zugeordnet. Eine Übertragung von jüngeren Anlagen auf ältere Anlagen ist zwar nicht ausgeschlossen, wird vom Gesetz jedoch als Ausnahmefall bezeichnet, der an die Zustimmung des Bundesumweltministeriums gebunden ist. Auf dieser Basis hat die RWE AG im September 2006 einen Antrag auf Strommengenübertragung von 30 TWh vom (jüngeren) Kraftwerk Mülheim-Kärlich auf das (ältere) Kraftwerk Biblis A gestellt. Wenn der Antrag genehmigt würde, könnte RWE das Kraftwerk Biblis A bis zur zweiten Jahreshälfte 2011[1] betreiben und dann - so die weitere Überlegung von RWE - gemeinsam mit Biblis B abschalten. Die Terminverschiebung wegen des Austauschs von Dübeln ist hier noch nicht berücksichtigt.
Dieser Hauptantrag für Block A wurde vom Umweltministerium im März 2007 vorläufig und im Mai 2007 endgültig abgelehnt. Das Umweltministerium vertritt hier die Rechtsauffassung, dass eine Strommengenübertragung vom Kraftwerk Mülheim-Kärlich auf Biblis A nach Atomgesetz nicht möglich sei. Den ebenfalls gestellten Hilfsantrag zur Übertragung von Strommengen vom Kernkraftwerk Emsland auf Biblis A prüft das Umweltministerium noch und fordert dazu einen Sicherheitsvergleich der beiden Kraftwerke. Eine Entscheidung des Ministeriums wird noch im Jahr 2007 erwartet.
Gegen die Ablehnung des Hauptantrags und auch des Nebenantrags hat RWE Power schon im April 2007 Klage beim Verwaltungsgericht Kassel eingereicht. Sowohl Umweltministerium als auch RWE verweisen auf Gutachten, die ihre jeweilige Position unterstützen.
Biblis B
Auf Biblis B darf RWE laut Atomkonsens ohne Genehmigung eine Reststrommenge bis zu 21,45 TWh von Mülheim-Kärlich übertragen; dadurch würde sich die Laufzeit von Biblis B bis 2013 verlängern (Abschätzung vom Juni 2007).
Meldepflichtige Vorkommnisse
- 17. Dezember 1987: Mitarbeiter hatten ein nicht geschlossenes Absperrventil übersehen. Um die Armatur zu schließen, wurde ein Prüfventil im Tippbetrieb geöffnet. Dadurch trat radioaktives Primärkühlmittel für kurze Zeit in den Ringraum aus. Da der Austritt des Reaktorkühlwassers außerhalb des Sicherheitsbehälters erfolgte und somit eine Rückführung vom Sumpf aus über die Sicherheitseinspeisepumpen bzw. Nachkühlpumpen nicht mehr möglich gewesen wäre, wurde heftig über die Gefahr eines möglichen GAUs diskutiert. Der Störfall kam erst nach einem Jahr, durch einen Artikel in einer amerikanischen Fachzeitschrift (Nucleonic Weeks), an die Öffentlichkeit, wurde jedoch vom Betreiber fristgerecht an die Behörde gemeldet, die wiederum selbst keine Pressemitteilung veröffentlichte. Der Störfall wurde im Nachhinein mit Einführung der internationalen INES-Skala auf Stufe 1 gesetzt, was eine Störung bedeutet. Seit diesem Ereignis veröffentlicht das KKW Biblis über einen Pressesprecher und im Internet jedes Vorkommnis auf der Anlage.
- März 1994: brannte in Biblis A innerhalb des Containments der Motor einer Hauptkühlmittelpumpe, weil es aufgrund eines bei Wartungsarbeiten in der Pumpe vergessenen Meißels zu einem Kurzschluss gekommen war[2].
- März 2003: bei Wartungsarbeiten kam es in Biblis B zu einem Schwelbrand innerhalb des Containments.
- 8. Februar 2004: (Schalterfall AUS an einem Einspeiseschalter der Notstandsversorgung für Block A Kernkraftwerk Biblis, Block B (KWB-B) am 8. Februar 2004, Ereignis-Nr. 04/016, Meldekategorie E, INES-Stufe 0): Während des ungestörten Volllastbetriebes kam es auf Grund eines zweiphasigen Kurzschlusses im 220-kV-Netz außerhalb des Kraftwerkes , ausgelöst durch witterungsbedingte Einflüsse, um 12:48 Uhr zur Anregung des 220-kV-Netzschutzes. Unmittelbar mit der Kurzschlussanregung wurde auch das Kraftwerksentkopplungsrelais (KER) angeregt und verfrüht ausgelöst. In der Folge wurden die 220-kV- und 380-kV-Schalter getrennt und der Lastabwurf auf Eigenbedarf ausgelöst. Durch den Abbau des Schnellschlussöldruckes bei einer Turbinendrehzahl von > 106 % kam es zum Schließen der Turbinenschnellschlussventile, so dass sich die Anlage nicht mehr im Eigenbedarf stabilisieren konnte. Die Abschaltung des Reaktors erfolgte über das Reaktorschutzkriterium "Drehzahl der Hauptkühlmittelpumpen < 93 % bei ca. 45 % Leistung. In der Folge wurden über die Anregung der Notstromsignale (YZ82-85) die Notstromdiesel in allen 4 Redundanzen gestartet. Die Wärmeabfuhr erfolgte mit Auslösen des automatischen Teilabfahrens bei 73 bar über Dach. Um 13:18 Uhr wurde das 380-kV-Hauptnetz wieder durchgeschaltet und von 14:08 Uhr bis 14:23 Uhr die Notstromdiesel abgeschaltet. Die Anlage hat sich nach der Notstromanregung auslegungsgemäß verhalten.
- 16. Oktober 2006: Außerplanmäßige Abschaltung der Blöcke A und B auf Grund von Montagemängeln, die bei einer Routineüberprüfung festgestellt wurden.
- Die Mängel wurden bei einigen Spezialdübeln festgestellt, an denen die Rohrleitungen in Block A und Block B befestigt sind. Die Abschaltung erfolgte, da die gesetzten Dübel nicht fachgerecht montiert wurden, was längere Zeit nicht bemerkt worden war. Die rund 15000 Dübel sollten die Kraftwerksrohrleitungen erdbebensicher machen. Stichproben zeigten, dass etwa die Hälfte der Dübel nicht korrekt eingebaut wurden. Im Januar 2007 wurde berichtet, dass die fehlmontierten Spezialdübel durch längere Dübel ersetzt werden sollen; im Juni wurde bekannt, dass alle 15000 Spezialdübel ersetzt würden. Anfang August 2007 teilte RWE mit, dass etwa 90 % der Dübel ausgetauscht wurden und der Betrieb vermutlich im 4. Quartal 2007 wieder aufgenommen werde.
Daten der Reaktorblöcke
Das Kernkraftwerk Biblis hat insgesamt zwei Blöcke:
Reaktorblock[3] | Reaktortyp | Netto- leistung |
Brutto- leistung |
Baubeginn | Netzsyn- chronisation |
Kommerz- ieller Betrieb |
Abschal- tung |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Biblis - A (KWB A) | Druckwasserreaktor | 1167 MW | 1225 MW | 01.01.1970 | 25.08.1974 | 26.02.1975 | (2009) |
Biblis - B (KWB B) | Druckwasserreaktor | 1240 MW | 1300 MW | 01.02.1972 | 25.04.1976 | 31.01.1977 | (2010) |
Kürzel
Bis Mitte der 90er Jahre wurde für das Kernkraftwerk Biblis kein offizielles Kürzel verwendet, wie es bei den meisten anderen Kernkraftwerken üblich ist. Das Kürzel "KKB" war bereits für Kernkraftwerk Brunsbüttel vergeben und "KWB" für das geplante Kernkraftwerk im hessischen Borken reserviert. Erst nach der endgültigen Aufgabe des Projekts 1995 wurde das Kürzel für das Kernkraftwerk Biblis verwendet.
Einzelnachweise
- ↑ Pressemitteilung RWE zur Strommengenübertragung
- ↑ BMU-Bericht über Brände in deutschen Kernkraftwerken, Seite 31
- ↑ Power Reactor Information System der IAEA: „Germany, Federal Republic of: Nuclear Power Reactors“ (englisch)
Siehe auch
- Störfälle in deutschen Atomanlagen
- Liste der Kernreaktoren in Deutschland
- Liste von Unfällen in kerntechnischen Anlagen
- Liste der Kernkraftwerke
- Liste der Kernkraftanlagen
Weblinks
- KKW Biblis
- Bundesamt für Strahlenschutz: Dezentrale Zwischenlager
- Bundesamt für Strahlenschutz: Meldepflichtige Ereignisse
- Kernenergiekritische Organisation: Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW): Schwere Sicherheitsdefizite des Atomkraftwerks Biblis B
- europaticker: Strommengen dürfen nicht von Mülheim-Kärlich auf Biblis A übertragen werden
- Eine Zusammenfassung der Greenpeace-Studie: [1]