Oscar Pettiford
Oscar Collins Pettiford (* 30. September 1922 in Okmulgee, Oklahoma † 8. September 1960 in Kopenhagen), war ein Jazz-Musiker und Komponist, der Kontrabass und Cello spielte und als einer der bedeutenden Musiker des Modern Jazz gilt.
Einleitung
Oscar Pettiford gilt mit Charlie Parker und Dizzy Gillespie als Wegbereiter des Bebop. Ebenso wie Jimmy Blanton (als dessen legitimer Nachfolger er in den 1950er Jahren in New York betrachtet wurde) und Charles Mingus trug er dazu bei, dass der Kontrabass im Jazz zum Soloinstrument wurde. Außerdem führte er 1950 das Cello als Soloinstrument in den Jazz ein und übertrug darauf das pizzicato Spiel des Bass.
Sein Leben
Die frühen Jahre
Oscar Pettiford, dessen Familie sowohl afroamerikanische als auch indianische Wurzeln hat[1] wurde als Sohn des Tierarztes Harry ″Doc″ Pettiford und einer Musiklehrerin in einem Indianerreservat geboren. Die Familie zog jedoch nach Minneapolis, als Pettiford drei Jahre alt war. Sein Vater gab damals seine Tätigkeit als Tierarzt auf und gründete ein Orchester, zu dem im Lauf der Zeit seine Frau und alle seine elf Kinder gehörten. Pettiford sang in dieser Band, spielte Klavier ab 1936 und Bass ab 1936 und war mit diesem Familienorchester bis 1941 auf Tourneen in den US-Staaten des Mittelwestens unterwegs.
Nach einiger Zeit der Arbeit in lokalen Orchestern in Minneapolis wurde er von Charlie Barnet entdeckt und hatte sein erstes professionelles Engagement in dessen Orchester als zweiter Bassist neben Chubby Jackson von Januar bis Mai 1943. Noch im selben Jahr ging Pettiford mit dem Barnet Orchester nach New York und trat dort im Minton's Playhouse auf - dem Jazzlokal, das in der Entstehungszeit des Bebop der Kristallisationspunkt der neuen, damals als revolutionär empfundenen Musik war.[2] Danach spielte er bei Roy Eldridge im Onyx Club. In der Folgezeit entwickelte sich Pettiford in zwei Richtungen hin: Zur Musik Duke Ellingtons und zum Bebop.
Die Bebop-Jahre
In dem Jazzclub Minton's Playhouse leitete Pettiford zusammen mit Dizzy Gillespie 1944 die erste Bebop-Quintett auf der 52. Straße – mit Gillespie, Don Byas bzw. Budd Johnson, George Wallington und Max Roach[3]. Als Gillespie die Gruppe zusammen mit Budd Johnson und Max Roach verlassen hatte, setzte Pettiford das Engagement im Onyx Club mit dem Posaunisten Joe Guy , den Tenorsaxophonisten Johnny Hartzfield, dem Pianisten Joe Springer und dem Schlagzeuger Harold „Doc“ West fort. Im Sommer 1944 kam es zur Zusammenarbeit mit Billy Eckstine; danach spielte er bis Frühjahr 1945 bei Boyd Raeburn[4] , mit dessen Orchester er in Kalifornien gastierte. Hier gründete Pettiford Ende 1945 mit Coleman Hawkins ein eigenes Trio. Ab November 1945 spielte er bei Duke Ellington, bei dem er bis März 1948 blieb. So hatte er in den 1940er Jahren zwei Schlüsselpositionen inne, die ein Bassist damals erreichen konnte: Seine Stellung bei Ellington in der Nachfolge des verstorbenen Jimmy Blanton und sein Spiel mit den ersten Bebop-Gruppen auf der 52nd Street. Außerdem gehörte Pettiford 1943, 1944 und 1945 zu den All Stars der Zeitschriften ″Esquire″ und ″Metronome″: Mit den Esquire All Stars machte er im Dezember 1943 die ersten Plattenaufnahmen [5]
Die Nachkriegszeit
1948 arbeitete Oscar Pettiford zusammen mit Erroll Garners und George Shearings Trios und ab Februar 1949 fünf Monate bei Woody Herman. In dieser Zeit brach er sich einen Arm, war deshalb neun Monate musikalisch nicht aktiv und beschäftigte sich intensiv mit dem Cello-Spiel. 1950 kam es zur Zusammenarbeit mit der Band von Louie Bellson und Charlie Shavers, mit Duke Ellington entstanden Quartett-Aufnahmen, bei denen Cello-Versionen von Perdido und Blues For Blanton eingespielt wurden. Im Winter 1951-52 spielte er mit Howard McGhee, Jay Jay Johnson, dem Gitarristen Clifton Best und dem Schlagzeuger Charlie Rice (The Birdlanders) und war mit ihnen in Korea und Japan auf Tourneen unterwegs.
In den darauffolgenden Jahren war Pettiford „freelance“ in New York, arbeitete mit eigenen Gruppen und auch mit größerem Orchester (The O.P. Orchestra in Hi-Fi, Vol 1 & 2). Seine Big Band-Aufnahmen, mit Arrangements von Gigi Gryce, Lucky Thompson und Oscar Pettiford selbst, bringen einen ungewohnten Sound: Harfe und Waldhörner werden integriert.
In den 50er Jahren entstanden außerdem Aufnahmen mit den Musikern Miles Davis (1952 und 1955), Thelonious Monk (1956), Sonny Rollins (1958), Teddy Charles, Kenny Dorham, Art Blakey, Joe Puma, Clark Terry, Urbie Green, Lee Konitz, Sonny Stitt, Lionel Hampton, Ray Charles, Joe Newman und den Sängerinnen Mildred Bailey, Helen Humes, Chris Connor, Helen Merrill und vielen mehr. Auf dem Debut Records-Label von Charles Mingus entstehen 1953 Aufnahmen, bei denen Mingus Bass und Pettiford Cello spielt (The New Oscar Pettiford Sextet)1955 bildete er mit dem Pianisten Don Abney das Duo Stardust.
Die Jahre in Europa
Pettiford kam im September 1958 mit einer Jazz From Carnegie Hall-Tourneegruppe nach Europa und blieb dort nach Ende der Tournee. Er spielte zunächst in Frankreich und Deutschland. Bei dem Konzert der Gruppe in Stuttgart lernte er den Produzenten und Journalisten Joachim-Ernst Berendt kennen, der ihn nach Baden-Baden einlud. Er arbeitete dort nach Ende der Tournee mit dem Tenorsaxophonisten Hans Koller, dem Schlagzeuger Jimmy Pratt und dem Gitarristen Attila Zoller zusammen, später in Österreich , wo er im Juli 1958 einen Autounfall erlitt. Das Hans Koller-Oscar Pettiford Quartett war in dieser Zeit eine der wichtigsten Gruppen der deutschen Jazzszene. In Baden-Baden kam es in Zusammenarbeit mit Joachim-Ernst Berendt zu Rundfunk-Produktionen für den Südwestfunk (The Radio Tapes) mit dem Schlagzeuger Kenny Clarke. Die Rhythmusgruppe aus Kenny Clarke und Pettiford spielte im Lauf weniger Monate in vielen Kombinationen mit Gastmusikern. Bis Frühjahr 1959 hielt er sich in Baden-Baden auf.
In seinen letzten Jahren (1958-60) gab Pettiford der deutschen und skandinavischen Jazzszene entscheidende Impulse. Hans Koller: „Durch Oscar habe ich verstanden, was die schwarzen Musiker meinen, wenn sie immer sagen: „Man erzählt eine Geschichte auf seinem Instrument, wenn man spielt.“ [6]
Ab Sommer 1959 lebte er bis zu seinem Tode, abgesehen von kurzen Abstechern nach Frankreich und Deutschland,[7] in Kopenhagen, wo er zusammen mit Stan Getz, Don Byas, dem dänischen Pianisten Jan Johannsson und dem Trompeter Allan Botschinsky und anderen im Jazzclub Café Montmartre auftrat. Dort entstand auch seine letzte eigene Platte My Little Cello (1960).
Im Juli 1960 kam Pettiford ein letztes Mal zu Besuch nach Deutschland, um Berendt an ein Projekt zu erinnern, zu dem all die vielen amerikanischen Jazzmusiker, die in Europa arbeiteten und heimisch geworden waren, versammelt werden sollten. [8] Anfang September 1960 erkrankte Pettiford in Kopenhagen; innerhalb von drei Tagen war er völlig gelähmt. Die exakte Todesursache konnte nie festgestellt werden. Teilweise wurde vermutet, dass ein Verkehrsunfall auf der Fahrt nach Wien 1958 zu einer Gehirnverletzung geführt hat, die damals nicht richtig behandelt wurde und sich erst mach so langer Zeit auswirkte.[9].
Seine Musik
Sein Baß-Stil
Oscar Pettiford war der erste Bassist, der ein Erbe der Kunst von Jimmy Blanton zu werden versprach. Pettiford übte mit außergewöhnlichen instrumentalen Möglichkeiten und einem leidenschaftlichen musikalischen Engagement großen Einfluss auf jüngere Bassisten aus[10], wie Paul Chambers, Charles Mingus, Steve Swallow oder Buell Neidlinger: Dieser bezeichnete ihn als den „König“ seines Instruments. „Nach meiner Auffassung war er der größe Bassist, der je lebte. Der Mann war ein Monster – er hatte die wunderbarste Intonation und Time“[11]Oscar Pettiford etablierte durch sein Spiel den Bass als Soloinstrument im Jazz.
Pettiford als zentraler Bassist des Bebop[12] war Mitinitiator der fundamentalen Neuerungen des Jazz um 1944 neben Charlie Parker, Dizzy Gillespie und Charlie Christian, auf dessen Stil Pettifords Spiel stark beruhte. Sein Stil hatte wegen seiner Expressivität und Emotionalität Auswirkungen auf das Baßspiel von Mingus, Jimmy Garrison und Reginald Workman . Auch die Virtuosität des Spiels von Scott LaFaro, Stanley Clarke und Jaco Pastorius profitiert von der „Emanzipation des Basses“[13] durch die Generation von Jimmy Blanton, Ray Brown und Oscar Pettiford.
Dem Cello, das bis dahin als Nebeninstrument im Jazz betrachtet und erst kurz zuvor von Harry Babasin in den Jazz eingeführt wurde, gab er eine ganz neue Stellung im Jazz. Wie Ellington Duo-Aufnahmen mit Blanton gemacht hat, entstanden 1950 Quartett-Aufnahmen mit Pettiford am Cello. Unter dem Einfluss von Pettiford setzten vor allem Sam und Ray Brown diese Entwicklung fort. Seit Pettiford gab es immer wieder Bassisten, die das Cello als Nebeninstrument wählen und oft sogar vorübergehend bevorzugen, so etwa Ron Carter und Peter Warren.
Einige seiner Kompositionen
- Max Wakin´ Wax (alias ‘’Something For You’’ alias ‘’Chance It’’)
- Blues in the Closet (alias ‘’Collard Greens And Black-Eyed Peas’’)
- Bohemia After Dark
- Swingin´Till the Girl Come Home
- Now See How You Are
- Tricotism
- Laverne Walk
- OSCALYPSO
- MY LITTLE CELLO
- THE GENTLE ART OF LOVE
- DON'T SQUAWK
- NOW SEE HOW YOU ARE
Seine Schallplatten
Eigene Projekte
- Oscar Pettiford: Bass Hits (Topaz, 1943-46)
- Discoveries (1952)
- The New Oscar Pettiford Sextet (Debut, 1953) [14]
- First Bass (1953)
- Oscar Pettiford Sextet (Vogue, 1954) mit Kai Winding, Al Cohn, Tal Farlow, Henri Renaud, Max Roach
- Basically Duke (1954)
- O.P. Big Band: Deep Passion (GRP, 1956-57) mit Tommy Flanagan, David Kurtzer, Jerome Richardson, Osie Johnson, Janet Putnam u.a.
- The Oscar Pettiford Orchestra in Hi-Fi, Vol. 1 (1956) & Vol. 2 (1957)
- Vienna Blues – The Complete Session (Black Lion, 1959) mit Hans Koller, Atilla Zoller, Jimmy Pratt
- Montmartre Blues (Black Lion, 1959-60)
- The Complete Essen Jazz Festival Concert, (Black Lion, 1960) mit Coleman Hawkins, Bud Powell, Kenny Clarke
- My Little Cello (1960)
Beteiligung als Sideman (Auswahl)
- The Birdlanders: Vol. 2 (OJC, 1954) mit Kai Winding, Al Cohn, Tal Farlow Duke Jordan, Max Roach, Denzil Best
- Sid Catlett; 1944-1946 (Classics)
- Chris Connor & John Lewis Quartet: Chris Connor (Atlantic)
- Miles Davis: The Musings Of Miles (Prestige)
- Miles Davis: Volume 1/Volume 2 (Blue Note, 1952-54)
- Kenny Dorham: Jazz Contrasts (OJC, 1957) Afro-Cuban ((Blue Note, 1955)
- Duke Ellington: Carnegie Hall Concert January 1946 (Prestige)
- Duke Ellington: Carnegie Hall Concert December 1947 (Prestige) bzw. 1947-1948 (Classics), 1949-1950 (Classics), Great Times! (OJC, 1950) (enthält Perdido, Blues for Blanton)
- Tal Farlow; Jazz Masters 41 (Verve 1955-58) bzw. Finest Hour (Verve, 1955-58)
- Leonard Feather: 1937-1945 (Classics,1952-56)
- Dizzy Gillespie: 1945 (Classics)
- Urbie Green: East Coast Series Vol. 6 (Bethlehem, 1956)
- Jimmy Hamilton & The New York Jazz Quintet (Fresh Sound Rec.)
- Coleman Hawkins: Rainbow Mist (Delmark, 1944), The Hawk Flies High (OJC, 1957)
- Ernie Henry: Last Chorus (OJC, 1956-57)
- Woody Herman: Keeper Of the Flame (Capitol, 1948-49)
- Johnny Hodges: Caravan (Prestige, 1947-51)
- Helen Humes;: 1927-1945 (Classics)
- Lee Konitz / Warne Marsh Quintet (Atlantic, 1955)
- Helen Merrill: with Clifford Brown & Gil Evans (Emarcy, 1954-56)
- Thelonious Monk: The Unique, Brilliant Corners, Plays the Music Of Duke Ellington (Riverside/OJC)
- Phineas Newborn: Here Is Phineas (Koch, 19569
- Leo Parker: Prestige First Sessions: Volume 1 (Prestige, 1950)
- Max Roach: Deeds, Not Words (OJC, 1958)
- Sonny Rollins: Freedom Suite (1958) auf The Essentuial S.R. on Riverside (1956-58)
- Charle Rouse: Jazz Modes (Biograph, 1956)
- Billy Strayhorn: Great Times! (OJC, 1950)
- Art Tatum: The Art Of Tatum (ASV, 32-44)
- Lucky Thompson: Accent On Tenor Sax (FSR, 1954)
- George Wallington: The George Wallington Trios (OJC, 1952-53)
Literatur / Quellen
- Berendt, Joachim Ernst: Das Jazzbuch, Frankfurt/M., Krüger, 1976
- Berendt, Joachim Ernst: Thank You, Oscar Pettiford. In: Ein Fenster aus Jazz. Essays, Portraits, Reflexionen, Frankfurt/M., Fischer Verlag
- Bielefelder Katalog Jazz 2001
- Nat Hentoff & Nat Shapiro: Jazz erzählt – Hear Me Talkin´To Ya, München, Nymphenburger, 1959
- Jörgensen, John & Wiedemann, Erik, Jazzlexikon, München, Mosaik, (dt. ca. 1966)
- Kunzler, Martin: Jazzlexikon, Reinbek, Rowohlt, 2002
Weblinks
Quellen und Anmerkungen
- ↑ Oscar Pettiford fühlte sich zeitlebens mehr als Indianer denn als Neger, Berendt, Fenster aus Jazz, S. 136
- ↑ Berendt, Ein Fenster aus Jazz, S. 137
- ↑ 1943, als die Band von Oscar Pettiford und Dizzy Gillespie vorgestellt, wurde, war sie die erste moderne Band ohne Piano, bestehend aus Gillespie, Charlie Parker, Don Byas, O,.P., Max Roach, Quelle: Billy Taylor, in Hentoff/Shapiro, S. 396
- ↑ Raeburn leitete in der Mitte der 1940er Jahre eine Big Band, die in mancherHinsicht eine Parallele zur Musik Stan Kentons war und für die „Boyd Meets Stravinsky“ ein programmatischer Titel war. Solisten wie Pettiford, der Pianist Dodo Marmarosa und Schlagzeuger Shelly Manne trugen aber viel Jazz-Feeling in die komplizierten Arrangements, zit. nach Behrendt, Das Jazzbuch, S.328
- ↑ (LP: Esquire Swing Sessions, Decca PD 12005)
- ↑ zit. nach Kunzler, S. 919
- ↑ Bei dem Abstecher nach Deutschland für die Essener Jazztage 1960 entstand die Platte Essen Jazz Festival All Stars mit Coleman Hawkins, Bud Powell, Oscar Pettiford, Kenny Clarke
- ↑ Der Plan konnte von Berendt allerdings erst drei Jahre später realisiert werden und erschien in den USA auf zwei Alben bei Impulse! Records (AS 36 & 37). Die Mitwirkenden des Konzerts in Koblenz 1963 waren Kenny Clarke, Lou Bennett, Bud Powell, Idrees Sulieman, Jimmy Gourley, Bill Smith, Herb Geller, Bob Carter, Jimmy Woode, Don Byas, Albert Nicholas, Peanuts Holland, Nelson Williams
- ↑ So Berendt. Nach dem Rough Guide Jazz starb Pettiford hingegen an den Folgen eines Polio-artigen Virus.
- ↑ Jörgensen/Wiedemann, S. 287
- ↑ Kunzler, Jazzlexikon, S. 919
- ↑ und gefragter Sideman von Cool Jazz-, Hardbop- und Mainstream Jazz-Musikern
- ↑ Berendt, S. 140
- ↑ mit Charles Mingus, Julius Watkins, Walter Bishop jr., Percy Bridge (auch enthalten auf The Complete Debut Recordings 1951-1958 (Fantasy)
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Pettiford, Oscar |
| ALTERNATIVNAMEN | Pettiford, Oscar Collins |
| KURZBESCHREIBUNG | Musiker |
| GEBURTSDATUM | 30. September 1922 |
| GEBURTSORT | Okmulgee, Oklahoma |
| STERBEDATUM | 8. September 1960 |
| STERBEORT | Kopenhagen |